Der Vertrag von Verdun 843 und seine zeitgenössischen Quellen


Seminararbeit, 2001

22 Seiten, Note: 2,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und unmittelbare Vorgeschichte

2 Die Schlacht von Fontenoy

3 Der Vertrag von Verdun
3.1 Die Bücher des Nithard
3.2 Die Annales Fuldenses
3.3 Die Annales Bertiniani
3.4 Die Annales Xantenses

4 Die Auswirkungen des Vertrages

5 Gesamtinterpretation und abschließende Zusammenfassung

6 Quellen und Literatur
6.1 Quellen
6.2 Literatur

1 Einleitung und unmittelbare Vorgeschichte

Der Tod Ludwig des Frommen leitete eine neue Phase in der karolingischen Reichsgeschichte ein. Denn mit dem Ableben des Ludwigs am 20.06.840 starb nicht nur ein fränkischer König und Kaiser, sondern auch die Idee der Reichseinheit. Wie bereits sein Vater und Großvater hinterließ er dem Frankenreich eine Schar von Erben, welche alle ihre Ansprüche und Positionen verteidigen wollten. Folglich dem alten fränkischen Erbgesetz Chlodwigs, der den Besitz unter seinen Erben (Söhnen) teilte, wurde auch weiter geteilt. Doch war es bis dahin nur zu kurzweiligen oder gar keinen Teilungen gekommen. Jedoch hatten divisio regnorum und ordinatio imperii Schule gemacht. Aber dennoch waren diese Teilungen nicht das Ende des Frankenreiches gewesen, sondern vielmehr nur eine Teilung der Hausherrschaft der Karolinger. Bei diesen Teilungen entstanden Binnengrenzen, die aber nicht von langer Dauer waren und oftmals mit dem Aussterben der jeweiligen Linie wieder verschwanden. Denn es bestand immer die Option der Wiedergewinnung dieser Gebiete im Sinne der Idee der Reichseinheit. Die Abhängigkeit der mittelalterlichen Herrschaftsverhältnisse vom Grundbesitz führte dazu, dass der Erbgedanke über den Bereich des Privatrechtes hinaus bis in das Erbrecht der Dynastie verfolgt wurde.[1] Von seinen Söhnen entmachtet und gestürzt, erlebte Ludwig der Fromme die inneren Kämpfe um das Reich nur in Gefangenschaft und konnte dann selbst nicht mehr aktiv in die Nachfolgereglungen eingreifen. Seine Söhne hingegen, Lothar voran, horteten die Macht. Lothar ließ sich zum Kaiser machen, da die Bischofsversammlung, welche sich seit 829 ein Aufsichtsrecht über den Kaisertitel zuschrieb, ihm bestätigte, dass der ehemalige Kaiser Ludwig dieses Amt nur unzulänglich verwaltet habe.[2] Aber auch Karl der Kahle und Ludwig der Deutsche wollten sich nicht nur auf ihre Unterkönigtümer beschränken lassen. Lothar wollte nämlich das Reich nach der Ordinatio Imperii von 817 aufteilen, jedoch hätte dies eine territoriale Rückstufung Ludwigs und Karls bedeutet, die sie nicht mehr gewillt waren einzugehen. Lothar konnte sich jedoch mit seiner Politik nicht durchsetzen. Und so kehrte Ludwig der Fromme, nachdem Lothar mit seinen Gefolgsleuten geflohen war, wieder auf seinen Thron zurück. Am 01.03.834 wurde Ludwig der Fromme erneut in die Kirche aufgenommen, mit den Reichsinsignien geschmückt und als Kaiser wieder anerkannt. Lothar hingegen wollte und konnte sich nicht geschlagen geben. Und wohl auf Druck seiner Anhänger brachen offene Kämpfe aus. Die militärische Macht seiner Brüder und seines Vaters jedoch konnte er nicht überwinden. Um schließlich seine Herrschaft über Italien zu wahren, unterwarf er sich und durfte dadurch Italien nicht mehr eigenmächtig verlassen.[3] Doch war die innere Schwäche des Frankenreiches auch zu einer äußeren Schwäche geworden. Vor allem die Nordmänner (Dänen und Schweden) fielen immer wieder in das Reich ein.[4] Im Jahre 834 auf dem Höhepunkt der karolingischen Familienfehde steigerte sich ihre Aggressivität von Sommer zu Sommer. Friesland wurde immer wieder Opfer ihrer Raubzüge oder sie fuhren plündernd und verwüstend den Rhein hinauf. Doch hatten die Jahre 829/830 und das Krisenjahr 834 Ludwig dem Frommen nur bewiesen, dass die Reichseinheit nach seinem Tod keinen Bestand mehr haben würde. Die Ansprüche seiner Söhne und ihrer jeweiligen Großen waren zu verschieden gewesen. Im Jahre 839 versuchte er seine Söhne ein letztes Mal territorial zu befriedigen. Er teilte Ludwig zu seinem bayerischen Pflichtgebiet französische Landteile zu. Der junge Karl erhielt auf Bestrebungen seiner Mutter Judith Westfranzien und Lothar wählte Italien. Als Ludwig 840, wie schon oben erwähnt, starb hinterließ er zwar ein nach außen einiger Maßen gefestigtes Reich, das jedoch innerlich stark kränkelte. Das nach nur knapp zwei Jahrzehnten der Herrschaft Karls des Großen die Macht des Kaisers so abgesunken war, hatte viele Ursachen. Ein Problem des Frankenreiches war seine Vielfalt gewesen. Karl der Große hatte es verstanden kulturelle, sprachliche und territoriale Grenzen zu überwinden, indem er den einzelnen Stämmen ihre Identität ließ, sie sogar ermutigte ihre Geschichte zu erkennen. Aber dennoch festigte er seine Herrschaft durch umfangreiche Vergabe von Lehen und verwurzelte dadurch die fränkische Herrschaft in jenen Gebieten. Ebenso überwand man die kulturellen und sprachlichen Grenzen des Westen und des Ostens durch das Gefühl der gemeinsamen fränkischen Abstammung, das mehr wog als jedes Vasallentum. Dieses Gemeinschaftsgefühl wurde jedoch durch die ständige Expansion und damit mit der Eingliederung Bayerns, Thüringens und Sachsens in Ungleichgewicht gebracht.[5] Diese neuen Vasallen, die vor allem Ludwig im Osten zu nutze waren, veränderten die Machtverhältnisse und Konstellationen im Reich. Dadurch konnte er seine Herrschaft über ganz Ostfranzien[6] ausweiten, so dass sein Gebiet ab 839 ein eigenständiger Staatskörper war, der nie mehr richtig im Fränkischen Reich aufging. Ein weiteres Problem war Ludwig der Fromme. Durch seine Schwäche zu regieren bzw. durch seine Unfähigkeit selbst, konnten seine Söhne und der Adel so erstarken. Zwar handelte er in der karolingischen Tradition der Erbteilung, doch war es ihm nicht möglich die Reichseinheit aus eigenen Kräften zu bewahren. Durch Eroberung hatte Karl der Große sein Reich regiert und vergrößert, nachdem diese dann stagnierte, hielt er das Frankenreich durch seine Autorität und Person zusammen. Alles dieses gelang seinem Enkel Ludwig nicht mehr. Die vielen Aufgaben die an ihn und das Frankenreich gestellt wurden, war er nicht in der Lage zu lösen. Im Süden waren es die Sarazenen, im Osten die Slawen und im Norden die Dänen, Schweden und Norweger, die das Imperium bedrohten. Im Innern war es der Machtkampf seiner Familie, der das Reich auf eine Zerreißprobe stellte. Die dadurch entstandenen Unterkönigtümer waren das Resultat der Schwäche der Zentralgewalt Ludwig des Frommen gewesen.[7] Sein Tod und sein Begräbnis waren dann auch bezeichnend für seine Herrschaft. Keiner seiner drei Söhne war bei der Bestattung in der Metzer Kirche des Familienheiligen Arnulf anwesend. Einzig sein bischöflicher Halbbruder Drogo, der letzte Erzkaplan dieser Kirche, beerdigte ihn neben seiner Mutter Hildegard. Es gab viele Gründe für die Einleitung dieser entgültigen Reichsteilung, die dann nahtlos in den Bruderkrieg überging. Doch muss zum Schluss festgehalten werden, dass es vor allem die Unfähigkeit der fränkischen Oberschicht war in den Dimensionen des Karlsreiches zu denken und in einer stabilen Monarchie die grundlegende Vorraussetzung und Rahmenbedingung für ihre Herrschaft zu sehen.[8] Vor allem die Großen des Frankenreiches haben später ihren Einfluss und Druck auf ihre jeweiligen Herren ausgeübt und schließlich den Teilungsprozess des Reiches entscheidend beschleunigt und beeinflusst. In der Schlacht von Fontenoy wurde dafür die Saat ausgebracht.

2 Die Schlacht von Fontenoy

„Der Frührots erster Strahl das Dunkel der Nacht zerriss,

Da wurde Macht gegeben dem Fürsten der Finsternis.

Kein Sabbat war’s der graute: gebrochen der Brüder Bund,

Mit wildem Hohngelächter frohlockte der Hölle Schlund.

Dröhnend aller Enden der Hall der Hörner gellt,

Vom Schlachtgeschrei der Gegner erzittert rings das Feld,

Zum Todeskampf sind Brüder, sind Neffe und Ohm entbrannt,

Frevelnd wider den Vater erhebt der Sohn die Hand.“[9]

Die Klage dieser Worte, die der fränkische Dichter Angilbert aufschrieb, nachdem er als einziger seiner Schar diese Schlacht überlebt hatte, sind bezeichnend für diese damalige Tragödie. Am 25. Juni 841, also fast ein Jahr nach dem Tod Ludwig des Frommen, kämpften Franken gegen Franken und keine Freundschafts-, keine Blutbande galten noch etwas. In dieser Schlacht kämpften zwei Koalitionen gegeneinander. Auf der einen Seite die vermeintlichen Reichsverweser Ludwig und Karl, auf der anderen Seite die angeblichen Reichsretter Lothar und Pippin II., der eilends versuchte sein Erbe Aquitanien vor Karl zu retten. Mit der Schlacht von Fontenoy starb auch die Idee der Reichseinheit endgültig und leitete damit die letzte Stufe des Auflösungsprozesses des Frankenreiches ein. Denn die Blüte der fränkischen Adelskrieger und damit das eigentliche Reichsheer, welches bis dahin das wichtigste Machtinstrument des Königtums gewesen war, löste sich nach dieser Schlacht auf.[10] Der spätere Geschichtsschreiber Regino von Prüm fasste die entstandene Situation folgender Maßen zusammen: „In diesem Kampfe wurde die Streitmacht der Franken so geschwächt und ihr glorreiches Heldentum so zerstört, dass sie fortan nicht einmal zum Schutz des eigenen Landes ausreichte, geschweige denn zur Ausweitung der Grenzen des Reiches.“[11] Für ihn leitete sich die Schwäche des spätkarolingischen Reiches aus dieser Schlacht bzw. aus den Verlusten ab. Doch hatten Ludwig und Karl nicht mit Vorsatz die Entscheidung auf dem Schlachtfeld herbeigesehnt. Im selben Jahr, noch vor der Schlacht von Fontenoy, hatten sie Lothar ein erneutes Mal ersucht seine Forderungen zu überdenken.[12] Gewiss war dies vor allem auf Druck der Edlen geschehen, die einerseits die Machtgrundlage und andererseits die Geschädigten dieser Auseinandersetzungen um das Erbe waren.[13] Durch dieses Wissen, um ihre Situation bestärkt, hatte sich noch zu Lebzeiten Ludwig des Frommen ein neues Selbstbewusstsein im fränkischen Adels entwickelt. Dieses neue Selbstbewusstsein spiegelt sich zum ersten Mal deutlich in der Absetzung Ludwigs als Kaiser 829 wieder und endete, für den Vertrag von Verdun selbst betrachtet, mit dem indirekten Einspruch durch Lothar, dass er nicht seine treuen Untertanen mit dem ihm zugesprochenen Teil des Reiches[14] angemessen entschädigen könnte bzw. die daraus resultierende Aufstellung von 120 Edlen[15] zur Anfertigung einer Beschreibung (descriptio) der fränkischen Landteile. Durch die Neupositionierung des Adels, der in dieser innenpolitischen Schwächephase versuchte seine Machtbereiche zu festigen und auszuweiten, war es meiner Meinung nach erst zu dieser Schlacht gekommen. Lothars immer wieder beschriebene Starrköpfigkeit und der unbedingte Wille Karls und Ludwigs an ihren Erbansprüchen festzuhalten, war sicherlich von ihren Edlen, ihren Beratern, erheblich unterstützt worden, weil sie sich gerade dadurch mehr Lehen und somit mehr Einfluss erhofften. Erst dadurch konnte es überhaupt zu dieser Bruderschlacht Schlacht kommen. Und wenn es überhaupt möglich ist unterschiedliche Begriffe- und Begriffsdefinitionen verschiedener Epochen in Einklang zu bringen, so wäre es hier angebracht von dem ersten Bürgerkrieg des noch jungen Mittelalters zu sprechen. Wie groß die Verluste waren lässt sich nur schwer sagen, jedoch müssen sie erheblich gewesen sein, wie es die Quellen berichten.[16] Wie verheerend die Zerrüttung innerhalb der Franken gewesen sein muss, legt Nithard dar. Ebenfalls muss es schon vor der Schlacht heftige Unstimmigkeit und Machtkämpfe unter den Adligen gegeben haben, die in dem Gefecht selbst noch verstärkt wurden.[17] Doch zeigt auch der Einspruch der beiden verbündeten Brüder gegen die Verfolgung von Lothars Anhängern, dass sie ihre Herrschaft in ihren Landesteilen schon gefestigt hatten und dass sie deshalb in der Lage waren clementia walten zu lassen. Doch denke ich, dass diese Einsicht wiederum viele Ursachen hatte. Nach der Schlacht, die auf beiden Seiten große Verluste verursacht hat, war der Adel arg dezimiert worden. Viele Lehen waren frei und konnten neu vergeben werden. Nun hieß es Lothars Anhänger zu schonen, um sie vielleicht, nachdem sie nach der Niederlage Milde erfahren hatten, auf ihre Seite zu ziehen und ihnen die Unsinnigkeit von Lothars Ansprüchen klar zu machen. So konnten Ludwig und Karl ihre Verluste an Adligen und somit an Kriegern wieder auffüllen und gleichzeitig ihre Verhandlungsposition gegenüber Lothar verbessern. Eine neue Klientel durch Gnade schaffen. Doch wird sicherlich der Preis der Treue der alten Großen nach diesem blutigen Kampf gestiegen sein, so dass es Ludwig und Karl nur bedingt gelingen konnte Lothar Adlige abzuschlagen. Auch die Rechfertigung der Opfer durch Nithard muss kritisch angesehen werden. Wenn Nithard von einem Gottesurteil[18] spricht, so versucht er vielmehr die Unschuld Ludwigs und besonders Karls, dessen Parteigänger er war, zu suggerieren. Von einem schlechten Gewissen der beiden zu sprechen wäre übertrieben, von einem Schuldbewusstsein dagegen nicht. Doch das Ableiten der Schuld dieses Gemetzels in das Übernatürliche zeigt nicht nur die tiefe Betrübnis Nithards, sondern die des ganzen Frankenreiches. Denn zum ersten Mal hatten dynastische Herrschaftsansprüche die Frankenschaft und ihr bis dahin starkes Zusammengehörigkeitsgefühl nicht nur einfach entzweit, sondern bis aufs Schlachtfeld geführt. Der Tod Ludwig des Frommen 840 hatte den Adel zu einer Neupositionierung gezwungen und fast genau ein Jahr danach hatte diese Neuordnung zu der größten Tragödien des karolingischen Mittelalters geführt. Doch selbst nach dieser herben Niederlage gab sich Lothar noch nicht geschlagen. Durch seine kaiserliche Autorität und den damit verbundenen Einfluss stachelte er die Sachsen bedenkenlos gegen Ludwig an. Dieser Aufstand ist uns unter dem Namen “Stellinga“ bekannt. Dieser Aufruhr der sächsischen Unter- und Mittelschichten, den man auch als erste revolutionäre Volksbewegung auf deutschen Boden verstehen kann, trieb die Geistlichkeit und die Großen Sachsens in die Arme Ludwigs und stärkte dadurch seine Position.[19] Auch das Belehnen von normannischen Anführern, welche sich an den friesischen Küsten festgesetzt hatten, blieb bedeutungslos für Lothars Einfluss auf den Machtkampf. Im Gegenteil, durch diese Aktionen zwang er Karl und Ludwig nur noch fester zusammen, bei denen jetzt die Handlungsinitiative lag. Denn während Lothar seinen Zweifrontenkrieg beständig weiter führte, trafen sich Ludwig und Karl am 14. Februar 842 in Straßburg und festigten ihre Freundschaft mit einem Eid, welcher die höchste Stufe einer Versprechung ist.[20] Der ganze von Nithard ausführlich geschilderte Akt lässt die Schwäche und somit die eminente Abhängigkeit der beiden Könige vom Willen ihres Heeres erkennen. Der Bruderkrieg wurde damit aus der Sphäre des rein Dynastischen herausgehoben und gewann eine neue Dimension. Die Herrscher, welche durch die andauernden Kämpfe geschwächt waren, gerieten unter den Druck der Aristokratie.[21] Das manifestiert auch die Form des Eides. Diesen schwörten nicht nur Ludwig und Karl, sondern auch ihre Vasallen. Dieser Schwur teilte sich in den Herreneid und den Fürsteneid. Doch scheinbar sind nur Karl und Ludwig zu dessen Einhaltung verpflichtet gewesen.[22] Dieser kleine Satz offenbart die bereits oben schon erwähnte Emanzipation des Adels. Die Zweisprachigkeit zeigt ebenfalls deutlich wie weit das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb des Frankenreiches zurückgegangen war bzw. wie stark sich die Fronten verhärtet hatten.[23] Meiner Meinung nach ist die Zweisprachigkeit auch auf die hohen Verluste von Fontenoy und anderen Auseinandersetzungen zurückzuführen. Der alte Reichsadel war tot und die Verwurzlung in der fränkischen Kultur war bei der nachfolgenden Generation nicht so stark gewesen. Allein ihre kulturelle und lokale Prägung war dafür die Grundlage. Denn sie hatten sich in die Klientel eines Unterkönigs begeben, der bereits seine Herrschaft über ein bestimmtes Gebiet gefestigt und somit ein Stück Autonomie eingeführt hatte. Nachdem Ludwig und Karl ihre amicitia gestärkt hatten, schafften sie es mit ihrem vereinten Heer Lothar aus Aachen zu vertreiben und als sie das Frankenreich nördlich der Alpen untereinander aufteilen wollten, war Lothar endlich zu Verhandlungen bereit. Lothars Gefolgsleute hatten die ausweglose Situation erkannt und ihn sicherlich zum Einlenken bewogen. Auf der anderen Seite waren die Brüder Karl und Ludwig in den Besitz der Königspfalz Aachen gekommen, dem Symbol der kaiserlichen Macht. Aachen und Rom waren die abendländischen Hauptstädte, weil an ihnen die kaiserliche Tradition hing.[24] Und diesen Titel und damit auch die Macht des Kaisers hatte Lothar inne. Sein Ansehen war dadurch arg in Mitleidenschaft gezogen und seine dezimierte Anhängerschaft noch mehr deprimiert worden. So war Lothar nicht wegen der heftigen Niederlage von Fontenoy, sondern erst nach dem Verlust Aachens zu Verhandlungen bereit gewesen.[25] Dieser Akt leitet erst den eigentlichen Teilungsprozess ein.

[...]


[1] Eichler, Hermann: Die Gründung des Ersten Reiches. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte des 9. und 10. Jahrhunderts. Berlin 1942, S. 7.

[2] Schieffer, Rudolf: Die Karolinger. Köln 2000, S. 133. Dieser Vorgang zeigt den unglaublichen Substanzverlust der monarchischen Autorität keine 20 Jahre nach der Herrschaft Karl des Großen.

[3] Ebenda, S. 134.

[4] Bugge, Alexander: Die Wikinger. Bilder aus der Nordischen Vergangenheit. Lund 1904, S. 28 ff.

[5] Mayer, Theodor (hier als Verfasser): Der Vertrag von Verdun 843, in: Mayer, Theodor (Hrsg.) Der Vertrag von Verdun 843. Neun Aufsätze zur Begründung der europäischen Völker –und Staatenwelt. Leipzig 1943, S. 17.

[6] Abgesehen von den immer wieder aufflackernden Aufständen bei den Sachsen, die unteranderem auch von Lothar entfacht wurden.

[7] Mayer, S. 18.

[8] Schieffer, S. 138.

[9] MGH Poetae II, S. 137. Zitiert nach: Tellenbach, Gerd: Die Entstehung des Deutschen Reiches. München 1946, S. 74.

[10] Schulze, Hans: Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen. Berlin 1987, S. 308.

[11] Regino von Prüm. Chronik zum Jahre 841, in: Rau, Reinhold: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte. Band I. Darmstadt 1993, S. 272.

[12] Nithardi historiarum II, 10, in: Ebenda, S. 425.

[13] Nithardi historiarum II, 9, S. 423.

[14] Nithardi historiarum IV, 3, S. 453. „Aiebat enim se non esse contentum in eo, quod fratres sui illi mandaverant, quia equa portio non esset, querebaturque insuper suorum, qui se sequuti sunt, causam, quod in praefata parte, quae illi offerebatur, non haberet, unde illis ea quae ammittebant restituere posset.”

[15] Nithardi historiarum IV, 4, S. 457. „Tum tandem pro commoditate omnium hinc inde visum est, ut conflentum missi illorum, centum decem videlicet, absque obsidibus convenirent inibique regnum, prout aequius possent, dividerent.”

[16] Annales Xantenses 841, in: Rau, Reinhold: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte. Band II. Berlin 1966, S. 345; Annales Bertiani 841, in: Ebenda, S. 53; Annales Fuldenses 841, in: Rau, Reinhold: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte. Band III. Berlin 1960, S. 29.

[17] Nithardi historiarum III, 1, S. 429. „Et quidam ira correpti persequi hostes suadebant ... .“

[18] Nithardi historiarum II, 10, S. 427.

[19] Schulze, S. 326.

[20] Schneider, Reinhard: Brüdergemeinde und Schwurfreundschaft. Hamburg 1964, S. 49 ff.

[21] Ebenda, S. 327.

[22] Nithardi historiarum III, 5, S. 441. „Si autem, quod absit, sacramentum, quod fratri meo iuravero, violare praesumpsero, a subditione mea nec non et a iuramento, quod mihi iurastis, unumquemque vestrum absolvo.”

[23] Ludwig und Karl waren in der Lage beide Sprachen zu sprechen und zu verstehen, denn Karl hatte in Prüm gelebt und Ludwig war in Aquitanien aufgewachsen.

[24] Nithardi historiarum IV, 1, S. 447. „ ... quod tunc sedes prima Frantia erat ... .”

[25] Zatschek, Heinz: Wie das erste Reich der Deutschen entstand. Prag 1940, S. 64 ff. Zatschek ist mit Vorsicht zu lesen und zu gebrauchen, da seine Interpretation und Argumentation nationalsozialistisch angehaucht ist.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Vertrag von Verdun 843 und seine zeitgenössischen Quellen
Hochschule
Universität Rostock  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Geschichte Mittelalter Proseminar
Note
2,2
Autor
Jahr
2001
Seiten
22
Katalognummer
V118801
ISBN (eBook)
9783640221271
ISBN (Buch)
9783640223251
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vertrag, Verdun, Quellen, Geschichte, Mittelalter, Proseminar
Arbeit zitieren
Frank Stüdemann (Autor:in), 2001, Der Vertrag von Verdun 843 und seine zeitgenössischen Quellen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118801

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