Das Urteil über Thomas Müntzer unterliegt unterschiedlichen Gegensätzen und starken
Schwankungen. Die meisten sehen in ihm einen ruhelosen Fanatiker, andere einen Streiter für
Wahrheit und Gerechtigkeit. Gleichzeitig gehen von ihm Faszination und Ablehnung aus und
bestimmen den Umgang und das Verständnis für ihn. So urteilt er selbst über seine Person in
einem Brief: „Er (mein Name) ist abber dem armen durftigen heuflin eyn susser geroch des
lebens und den wollustigen menschen eyn misfallender greuell swynden vorterbens.“ Denn er
ist ein Produkt der Reformation, der allgemeinen Krise des Feudalismus am Ende des 16.
Jahrhunderts und zugleich auch wie die Reformation selbst eine Antwort auf den
tiefgreifenden Strukturwandel der spätmittelalterlichen Gesellschaft, der schon zum Ende des
15. Jahrhunderts einsetzte und im 16. Jahrhundert zu einer neuen gesellschaftlichen
Formierung führte. Die Ursachen der Reformation bestanden aus vielen Zutaten.
Frühkapitalismus und Verlagswesen, Agrarkrise und Territorialstaatlichkeit waren aber nicht
allein für den Niedergang des feudalistischen Gesellschaftssystems verantwortlich, auch der
kirchliche Sittenverfall war von entscheidendem Charakter. Der Himmel selbst, war damals
käuflich geworden. Oftmals galt die feudale Kirche in diesen Krisenzeiten als letzte
Orientierungshilfe im Leben der Menschen. Der Reflex auf Unzucht und Moralverfall der
Kirche drückte sich in der damaligen Gesellschaft durch eine verstärkte Anfälligkeit für
Apokalyptik und Prophetie und ebenso durch ein wachsendes Bedürfnis nach Gnade,
Rechtfertigung und Erlösung aus. Besonders deutlich wurde diese neue Frömmigkeit
dokumentiert durch den Ablasshandel und die Wallfahrtbewegungen, sowie durch die immer
häufiger auftretenden Volksprediger und Erscheinungen.
Die frühneuzeitliche Stadt spielte jedoch im Prozess, den wir Reformation nennen, eine
wichtige Rolle. Der Satz Dickens „The German Reformation was an urban event“ ist
mittlerweile fast zu einem geflügelten Wort geworden. Schließlich erweiterte Obermann
diese Aussage noch in einem besonderen Sinn auf die Gesamtsicht: „So war die städtische
Reformation die eigentliche gewesen, die dann aber später von den einzelnen Fürsten in
Eigennutz gelähmt und sterilisiert worden war.“ [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Thomas Müntzer; Eine eigentümliche Biographie
- Stadt, Kirche und Reformation
- Thomas Müntzer und die Stadt
- Zwickau
- Prag
- Allstedt
- Abschließende Bemerkung
- Quellen und Literatur
- Quellen
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der komplexen Persönlichkeit von Thomas Müntzer und seinem Wirken im Kontext der Reformation. Sie untersucht die Wechselwirkungen zwischen Müntzers Radikalisierung und dem städtischen Umfeld, insbesondere in den Städten Zwickau, Prag und Allstedt. Die Arbeit stellt dar, wie Müntzers Thesen und Handlungen von den städtischen Unruhen und Konflikten beeinflusst wurden und wie er gleichzeitig diese Prozesse mitprägte.
- Thomas Müntzers Prozess der Radikalisierung im Kontext der Reformation
- Die Rolle von städtischen Unruhen und Konflikten im Leben und Wirken Müntzers
- Die Wechselwirkung zwischen Stadt und Müntzer, insbesondere in Zwickau, Prag und Allstedt
- Die Auseinandersetzung Müntzers mit Luther und seiner Lehre
- Die Bedeutung von Müntzers Biographie für das Verständnis der Reformation
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und beleuchtet die verschiedenen Interpretationen der Person Thomas Müntzers. Es stellt den Zusammenhang zwischen Müntzers Wirken und der allgemeinen Krise des Feudalismus im 16. Jahrhundert dar. Das zweite Kapitel widmet sich der Biographie Müntzers und beleuchtet die Frage nach seiner Radikalisierung als Prozess. Es zeigt auf, wie die Städte, in denen Müntzer lebte, als Brenngläser für die Probleme der Zeit fungierten und Müntzers Denken beeinflussten.
Schlüsselwörter
Thomas Müntzer, Reformation, Stadt, Radikalisierung, Zwickau, Prag, Allstedt, Luther, Feudalismus, Apokalyptik, Prophetie, Frühkapitalismus, Verlagswesen, Agrarkrise, Territorialstaatlichkeit, Kirche, Ablasshandel, Wallfahrtbewegungen, Volksprediger.
- Arbeit zitieren
- Frank Stüdemann (Autor:in), 2002, Radikaler Prediger und städtisches Umfeld - Thomas Müntzer in Zwickau, Prag und Allstedt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118806