Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Forschungsstand
3. Methodisches Vorgehen
3.1. Werbung Lenor
3.2. Werbung Güldenring
3.3. Biovital Werbung
3.4. Werbung von Dr. Oetker: „Wenn man's eilig hat“
4. Ergebnispräsentation
4.1. Gute Mutter/Ehefrau = gute Hausfrau
4.2. Geringe Wertschätzung
4.3. Liebes Kind
4.4. Familienbild
5. Transfer
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Kategorien
1. Einleitung
Die folgende Arbeit thematisiert die Darstellung von Familien in Werbefilmen der 1950er und 1960er Jahre. Hierzu werden vier ausgewählte Werbefilme der 50er und 60er Jahre untersucht und mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse näher beleuchtet. In den Werbefilmen auftretende Gemeinsamkeiten werden in Kategorien zusammengefasst. Diese Methode erlaubt es, auftretende Stereotypen zu kategorisieren, um dann in einem zweiten Schritt die Forschungsfrage zu beantworten, inwiefern ein gesellschaftliches Leitbild von Familie in der Werbung von 1950 bis 1970 deutlich wird. Die Arbeit konzentriert sich hierbei auf die Darstellung der Frau und möchte auf mögliche Stereotypen aufmerksam machen, die in der Werbung auftreten können. Der Grund für den thematischen Schwerpunkt liegt in der heute noch festgestellten stereotypischen und frauenfeindlichen Darstellung der Frau in Werbefilmen. So verabschiedete am 26.06.2007 die Parlamentarische Versammlung des Europarates eine Resolution mit dem Titel „The image of women in advertising“. Dieser Beschluss beklagt die Art und Weise, wie Frauen dargestellt würden. Die Bilder der Frau stünden immer noch im krassen Gegenteil zu ihrer tatsächlichen Rolle.1
Nach neueren Ansichten der Kommunikations- und Medientheorie trägt Werbung, als Teilsystem der Wirtschaft, einen Beitrag zur „Wirklichkeitskonstruktion“ bei. Demnach gebe es eine Wechselbeziehung zwischen Gesellschaft, Wirklichkeit und Werbung. Somit sei Werbung nicht nur ein Spiegel der Gesellschaft, sondern selbst „Trendsetter, Impulsgeber und Verstärker gesellschaftlicher Ent- wicklungen“2. Werbung kann nur erfolgreich sein, wenn sie rechtzeitig den „gesellschaftlichen und kulturellen Wandel“ aufnimmt. Das bedeutet, sie muss „Lebensformen und Lebensstile, Gefühle und Werte, Erwartungen und Überzeugungen, Wünsche und Bedürfnisse, Selbstbilder und Sehnsüchte“ kongruent widerspiegeln. Sie muss den Zeitgeist erfassen. Aus diesem Grund kann Werbung einen gesellschaftlichen Effekt hervorbringen, „der Persönlichkeit und Sozialverhalten der Konsumenten beeinflusst.“ Folglich kann sie als Mittel der Sozialisation verstanden werden.3 Daraus folgt, dass Werbung auch zur Konstruktion von Ge- schlechterrollen beiträgt. Diese Tatsache macht die Analyse von Werbefilmen so interessant.
Die folgende Arbeit ist in sechs Kapiteln unterteilt. Im zweiten Kapitel dieser Arbeit wird der Forschungsstand vorgestellt. Im dritten Kapitel wird das methodische Vorgehen erläutert und die zu untersuchenden Werbefilme wiedergegeben. Im vierten Kapitel erfolgt die Analyse der Daten. Im Anschluss findet im fünften Kapitel ein Transfer zwischen den Ergebnissen der Untersuchung und den besuchten Vorlesungen statt. Die Arbeit wird mit einem zusammenfassenden Fazit enden.
2. Forschungsstand
Im Folgenden wird der Forschungsstand vorgestellt, der sowohl für die Beantwortung der Forschungsfrage als auch für die Analyse der Werbefilme fundamental ist. Zunächst werden grundlegende Kenntnisse zum Thema Werbeindustrie erläutert. Diese beschränken sich aufgrund der Kürze der Arbeit auf das Mindeste. Hierzu werden Überlegungen von verschiedenen Soziologen, Kommunikations- und Medienexperten vorgestellt. Da Werbung ein Spiegel der Gesellschaft sein soll, wird des Weiteren der historische Rahmen erläutert.
Möchte man Werbeinhalte untersuchen und analysieren, dann muss man sich der Doppelrolle von Werbung bewusst sein. In derzeitigen wissenschaftlichen Diskussionen werden zwei rivalisierende Typen von Metaphern deutlich. Zum einen das bereits erwähnte „Werbung als Spiegel, Barometer oder Resonanzkörper der Gesellschaft“ und zum anderen, Werbung als „aktiver Interaktionszusammenhang, der — Abbild und Vorbild zugleich — kollektives Lebensgefühl und Mentalitäten (in) einer Gesellschaft aktiv mitgestaltet.4 Werbung ist ein wichtiger „Kulturträger“, denn wie sie gestaltet wird und welche Strategien sie nutzt, um bei den Zuschauer*innen die gewünschte Wirkung auszulösen, ist „abhängig vom gesellschaftlichen Kontext, in dem sie steht“. Damit sich das Publikum angesprochen fühlt, muss sich Werbung „den kulturellen Mustern, Werten und Ideen ihres Publikums anpassen [.,.|“.5 Aus diesem Grund könne man Werbung auch als „Indikator [bezeichnen], an dem sich der kulturelle Wandel einer Gesellschaft ablesen lässt. So finden sich zahlreiche Studien von Soziologen, wie z.B. von Raphaela Dreßler, die vermittelte Männer- oder auch Frauenbilder über mehrere Jahrzehnte hinweg analysieren.6
Darüber hinaus erklärt die Kommunikationswissenschaftlerin Holtz- Bacha, dass Werbung auch Einfluss auf die Kultur ausübe und folglich an dessen Wandel mitarbeite. Werbung diene den Mitgliedern einer Gesellschaft als „Orientierung“ von Werten und Normen und biete Verhaltensvorbilder. Sie erklärt weiter, dass sich Werbung vom schlichten „Kauf mich“ abgewandt habe und vielmehr Hoffnungen, Wünsche und Träume verkaufe, die sich mit den beworbenen Produkten verwirklichen ließen. Holtz-Bacha definiert weiter die Funktion von Werbung als ein Angebot für die soziale und individuelle Identitätsbildung.7 Laut „Statista“ betrug die durchschnittliche Fernsehdauer von Kinder und Jugendlichen 58 Minuten pro Tag.8 Demzufolge treten Kinder und Jugendliche Werbung ständig gegenüber. Lehrkräfte müssen sich der sozialen und individuellen Identitätsbildung von Kindern bewusst sein. Daraus ergibt sich ein pädagogisches Interesse, Werbefilme zu analysieren.
Untersucht man die Werbung der Nachkriegszeit, so wird deutlich, dass Werbung bis in den 60er Jahren Identifikation und Orientierung geboten habe. So hieß es auf einem Plakat von Persil: „Aber Tantchen, man wäscht doch mit Persil“. Darüber hinaus leben Köchinnen von Maggi und Co. vor, was die Familie zusammenhalte, Ehemänner glücklich mache und wie ihre Töchter in Haushalts- führungen unterrichtet würden. Diesbezüglich fasst Nicole Wilk treffend zusammen, dass Werbung ihre Produkte gezielt in den Vordergrund stellt, „um Gemeinschaften zu stiften und Geselligkeit zu erzeugen“.9 Jedoch muss hinzugefügt werden, dass Werbung die „Identität, die Verhaltensweisen sowie die Selbst- und Fremdwahrnehmung beider Geschlechter beeinflusst“. Sie bildet Geschlechter nicht einfach ab, sondern vermittelt stereotypische Vorstellungen.10 Hierzu stellte Erwin Goffmann mithilfe seiner Studie fest, dass innerhalb der Werbung der 1960er Jahre eine „ritualisierte Kommunikation“ zu finden sei. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass Werbung die alltäglichen Rituale zwischen Männer und Frauen überzeichne. Goffmann weist das anhand der Analyse von Printwerbungen nach. Der Mann werde präsentiert als „Held, Retter in der Not, Reiseleiter, Sportlehrer, Konstrukteur und kühler Planer, ohne den die Frau an seiner Seite aufgeschmissen wäre“. Die vermeintliche „Hilflosigkeit der Frau als Verführerin und Heimchen am Herd“ in der Wirtschaftswunderzeit stand im krassen Gegenteil zu ihrer Rolle während des Krieges.11
In der frühesten Nachkriegszeit fehlte es an männlichen Arbeitskräften, da viele Soldaten im Krieg gefallen waren oder gefangen gehalten wurden, so dass Frauen gezwungen waren, in verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereiche Verantwortung zu übernehmen. Nach der schrittweisen Rückkehr der Soldaten gaben viele Frauen ihre Erwerbstätigkeit auf. Jedoch stellten sich nur teilweise alte Familienstrukturen wieder her. Auch wenn die konservative Arbeitsteilung anfang der 50er Jahre noch nicht in Frage gestellt wurde, emanzipierte sich die Frau schrittweise.12 Die Kommunikationswissenschaftler Siegfried Schmidt und Brigitte Spieß stellen in ihren Analysen ebenfalls fest, dass Werbung in den 60er Jahren bestimmte Rollenbilder propagierte. Die damalige Werbung sei an der Wiederherstellung einer „Männergesellschaft“ beteiligt gewesen, welche durch den verlorenen Krieg in den ersten Nachkriegsjahren an Ansehen verloren hätte. Hierzu musste das Selbstbewusstsein der Männer gestärkt werden.13 Die Werbung entwickelte Ende der 50er Jahre einen verbindlichen Männertypen. Ein „coole[r] Typ mit [...] Wellaform-gepflegtem Kurzhaarschnitt, systemkonform gestylt mit Anzug und Krawatte [...]“. Dies galt sowohl für das männliche Kind als auch den Vater. Des Weiteren sei die soziale „Oben-Unten-Abgrenzung“, also das „Festhalten an traditionellen sozialen Schichtungen“, in Werbefilmen dieser Zeit offen- sichtlich.14
Gebildete und berufstätige Frauen wurden hingegen als unweiblich diffamiert. In Werbungen putzten sie Küchenfußböden und laufende Kindernasen und waren für die Harmonisierung der Familie zuständig. In Werbefilmen wurden sie lediglich als „Dekoration“ eingesetzt. Die Kommunikationswissenschaftler erklären weiter, dass der Konsum das Verlangen nach „Heile-Welt-Phantasien“ befriedigte. In dieser Welt hätten Frauen nur zwei Sorgen: „Was soll ich anziehen und was soll ich kochen“. Schmidt und Spieß werten diese Idealisierung in der Werbung als eine Art der Vergangenheitsverdrängung.15
Das Frauenbild in Werbefilmen war Untersuchungsgegenstand einer Studie von Joachim Kotelmann und Lothar Mikos, welche in der Monographie „Frühjahrsputz und Südseezauber“ im Jahr 1981 veröffentlicht wurde. Die Autoren analysierten mehrere Werbefilme und untersuchten die Art und Weise, wie Frauen mit diesen Bildern umgingen. Die Ergebnisse zeigten, dass Werbung weiterhin „veraltete Frauenleitbilder“ pflegten. So erklärte eine Rezipientin:„die lassen immer noch das dumme, einfache ,Hausputtelchen‘ vorherrschen, dessen ganzes Sinnen und Trachten auf weiche Wäsche ausgerichtet ist und auf die Vermeidung von Putzstreifen, und die junge Frau, deren Aufgabe es ist, in der Werbung als ,Sexualobjekt‘ gleichrangig neben dem Produkt zu stehen“.16
3. Methodisches Vorgehen
Im Folgenden wird das methodisches Vorgehen dieser Arbeit erläutert. Hierzu wird zunächst das Vorgehen vorgestellt sowie die Begründung für die Auswahl der gewählten Clips genannt. Anschließend werden die ausgewählten Werbefilme vorgestellt und beschrieben.
Um die verschiedenen Werbefilme zu untersuchen und miteinander in Beziehung zu setzen, wird die qualitative Inhaltsanalyse angewandt. Mithilfe eines induktiven Vorgehens ergeben sich Hauptkategorien, die im Forschungsteil vorgestellt werden.
Ziel dieser Arbeit ist, wie bereits erwähnt, die Analyse von Werbefilmen aus den 50er und 60er Jahren. Da eine relativ große Zeitspanne untersucht wird, stand vermeintlich eine große Zahl an Werbefilmen zur Verfügung. In der Auswahl der Filme wurde jedoch schnell deutlich, dass dem nicht so ist, da keine geförderte, öffentliche Datenbank für Werbefilme existiert. Lediglich die Plattform „YouTube“ ermöglichte es, nach Werbeclips zu recherchieren. Hier ergibt sich jedoch das Problem, das keine näheren Informationen zu den Filmen zur Verfügung stehen. Die ausgewählten Clips sind das Resultat einer langen Recherche, die zum einen stereotypische Vorstellungen deutlich macht sowie ein Mindestmaß an wissenschaftlichem Arbeiten ermöglicht.
Wie bereits erwähnt, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit das gesellschaftliche Leitbild von Familien in der Nachkriegszeit zu verdeutlichen. Der Autor versuchte dies in der Auswahl von Filmen zu berücksichtigen. Lediglich ein Werbefilm zeigte die Interaktion innerhalb einer Familie. Dieser Werbefilm wurde für die Untersuchung genutzt. Die anderen Filme bilden kein Familiengeschehen ab, sondern konzentrieren sich auf die Handlung der Mutter, Ehefrau oder des Kindes. Dennoch eignen sich die ausgewählten Filme, um die Fragestellung zu beantworten, da die einzelnen vermittelten Leitbilder zu einem großen Leitbild zusammengefügt werden können.
[...]
1 Vgl. Holtz-Bacha, Christina: Köcheln auf kleiner Flamme. Frauen und Männer in der Werbung, S. 5.
2 Janich, Nina: Dahinter steckt immer ein kluger Kopf. Das Bild der Wissenschaft in der Gesellschaft im Spiegel der Wirtschaftswerbung, S. 753.
3 Dreßler, Raphaela: Vom Patriarchat zum androgynen Lustobjekt - 50 Jahre Männer im Stern, S. 124.
4 Vgl. Holtz-Bacha, Christina: Köcheln auf kleiner Flamme. Frauen und Männer in der Werbung, S. 9
5 Ebd.
6 Vgl. Dreßler, Raphaela: Vom Patriarchat zum androgynen Lustobjekt - 50 Jahre Männer im Stern.
7 Holtz-Bacha, Christina: Köcheln auf kleiner Flamme. Frauen und Männer in der Werbung, S. 9.
8 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/186040/umfrage/sehdauer-bei-der- fernsehnutzung-von-kindern-in-deutschland/, aufgerufen am 07.02.2022.
9 Wilk, Nicole M.: Die ges(ch)ichtslose Frau, S. 57.
10 Dreßler, Raphaela: Vom Patriarchat zum androgynen Lustobjekt - 50 Jahre Männer im Stern, S. 125.
11 Wilk, Nicole M.: Die ges(ch)ichtslose Frau, S. 66.
12 Vgl. Schmidt, Siegfried; Spieß, Brigitte: Die Kommerzialisierung der Kommunikation, S. 111.
13 Vgl. Ebd. S. 171.
14 Vgl. Ebd. S. 172.
15 Vgl. Ebd. S. 158.
16 Kotelmann, Joachim; Mikos, Lothar: Frühjahrsputz und Südseezauber, S. 230.
- Arbeit zitieren
- Alessio Cirnigliaro (Autor:in), 2022, Familie und Frauen in der Werbung von 1950 und 1960. Stereotypische Darstellung anhand der Beispiele Biovital, Dr. Oetker, Güldenring und Lenor, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1188201
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