Heine und Immermann versus Platen. Verlauf und Auswirkungen der literarischen Kontroverse


Hausarbeit, 2021

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Streitschriften und Skandale in der Literatur
2.1 Die literarische Streitschrift
2.2 Satire/Polemik bei Heine und Platen
2.3 Der literarische Gegenstand

3 Der literarische Streit Immermann/Platen/Heine
3.1 Karl Immermanns “Xenien”
3.2 August von Platens “Der romantische Ödipus”
3.3 Karl Immermanns “Der im Irrgarten der Metrik umhertaumelnde Kavalier”
3.4 Heinrich Heines Platen-Polemik in “Die Bäder von Lucca”

4 Auswirkungen des Streits
4.1 Kritik von Zeitgenossen an Heine
4.2 Beurteilung des Streits in der Heine Forschung

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Will der Graf ein Tänzchen wagen, So mag ers sagen, Ich spiel ihm auf.

Figaro.

Mit diesem Zitat beginnt Heinrich Heines Reisebild Die Bäder von Lucca, welches 1829 in seinem dritten Teil der Reisebilder veröffentlicht wurde. Seine große Bekanntheit erlangte dieses Reisebilder allerdings größtenteils, durch die im elften Kapitel enthaltene Platen-Polemik, welche zu einer der berühmtesten Kontroversen in der Literatur gehört. Der Streit zwischen Heinrich Heine und Graf August von Platen-Hallermünde entwickelt sich dabei von einer anfänglich harmlosen “literarischen Fehde” zu einer skandalösen “Personalpolitik”, welche sowohl bei Heines und Platens Zeitgenossen auf Kritik gestoßen ist, wie auch in der heutigen Forschung noch kontrovers diskutiert wird. Obwohl der Streit hauptsächlich zwischen Heine und Platen verlief, kam der eigentliche Anstoß durch die Xenien von Karl Immermann, Heines engem Freund. Heine veröffentlichte diese in seinem zweiten Band der Reisebilder und brachte damit die Auseinandersetzung ins Rollen, da sich Platen durch eine einzige Anspielung Immermanns angegriffen fühlte und dafür auch dem Herausgeber, Heinrich Heine selbst, die Schuld dafür gab.

Im Folgenden soll daher zunächst allgemein auf literarische Streitschriften und ihren Zweck eingegangen werden, sowie speziell die Kontroverse zwischen Heine und Platen untersucht werden. Zudem wird der literarische Gegenstand, welcher zunächst der Auslöser für den Streit war, näher bestimmt. Des Weiteren wird der Streit mit den dazugehörigen literarischen Schriften chronologisch benannt und analysiert. Abschließend werden die Folgen des Streits betrachtet in Hinblick auf die Reaktionen und Kritiken von Heines Zeitgenossen sowie ein Blick aus der heutigen Heine-Forschung auf den Literaturstreit. Dabei soll vor allem der Forschungsfrage nachgegangen werden, wie der literarische Streit zwischen Heinrich Heine und Karl Immermann gegen August von Platen entstand und verlief und welche Auswirkungen er speziell für Heinrich Heine hatte.

2 Streitschriften und Skandale in der Literatur

Literarische Streitschriften und Skandale sind durchaus nicht selten in der literarischen Welt. Es gibt neben dem Streit von Heine und Platen noch genügend andere Beispiele, in denen sich Autoren auf literarischer, politischer und manchmal auch persönlicher Ebene gegenseitig angreifen. Allerdings gibt es verschiedene Typologien von Streitschriften, welche im folgenden definiert werden sollen, um auch den Streit von Heine und Platen deutlicher einordnen zu können. Zudem wird der literarische Gegenstand näher bestimmt, welcher als Auslöser für den Streit gesehen werden kann.

2.1 Die literarische Streitschrift

Im Metzler Lexikon Literatur findet sich eine Begriffsbestimmung für den Literaturstreit. Dort heißt es, ein Literaturstreit sei eine:

“[...] publizistische Auseinandersetzung mit weitem Wirkungsradius und großer Wirkungsintensität, bei der sich im engeren Sinne lit.-ästhetische Diskurse mit historisch-politischen und gesellschaftlich-mentalen überschneiden. Im Unterschied zur Literaturkritik sind Fragen der lit. Wertung und Ästhetik sekundär, vielmehr stehen gesellschaftliche Reiz- oder Tabuthemen im Vordergrund.”

Solche Auseinandersetzungen waren zu Heines Zeit keine Seltenheit. Es gab beispielsweise den Goethe-Schillerschen Xenienkrieg, einen rabiaten Angriff von Johann Heinrich Voss gegen Friedrich Leopold zu Stolberg, Wilhelm Hauffs Satire Der Mann im Mond, in der er Heinrich Claurens Stil lächerlich macht, sowie “Heines literarische Schlachteplatte” in seinem Reisebild Ideen. Das Buch Le Grand. Vor allem um die Zeit der Karlsbader Beschlüsse 1819 nutzten die Autoren gerne die Möglichkeit ihrer gesellschaftspolitischen Frustration in Form von literarischer Polemik oder Satire Luft zu machen. So heißt es auch im Lexikonbeitrag weiter:

“Zu den Mitteln und Methoden des L.s gehören daher Polemik und Diffamierung, Personalisierung und

Selbstinszenierung. - Zur Geschichte des L.s gehören die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Brüche und Umbrüche der Moderne.”

Hier wird als ein Mittel oder eine Methode des Literaturstreits die Polemik genannt. Diese wird ebenfalls im Lexikon als Begriff näher bestimmt und als “[...] direkte, aggressive Form der Auseinandersetzung in publizistischen oder mündlichen Kontroversen” .

Auch das besagt Kapitel gegen Platen in Heines Die Bäder von Lucca wird als eine Polemik betitelt. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch die Satire genannt, daher sollen die beiden Begriffe noch klarer voneinander abgegrenzt werden. Ludwig Rohner übersetzt daher die Begriffe als “streitbar” für “polemisch” und “spöttisch” für “satirisch”. Für ihn sollen beide Ausdrucksformen etwas anprangern, verhöhnen oder bloßstellen, allerdings nutzen sie dabei unterschiedliche Methoden. Während die Satire durch Mittel der Komik etwas entlarvt und dabei den Umstand wie ein Schauspiel auf einer imaginären Bühne darstellt, neigt die Polemik eher dazu, den Umstand offen ins Visier zu nehmen und ihn wie an einem Rednerpult argumentativ darzulegen. So lässt sich die Satire eher von einer Schaubühne herleiten, die Polemik dagegen von einer Rednerbühne, auf der die Mittel der Komik nur fakultativ genutzt werden. Trotz aller Aggressivität und rhetorischer Stilisierung von Ironie, Pathos und Witz kann bei der Polemik nicht auf eine argumentative Struktur verzichtet werden. Weiterhin gibt es eine Reihe von Stilmitteln, die in polemischen Texten typischerweise Verwendung finden. Dazu zählt beispielsweise die direkte Anrede des Publikums und häufig wird auch formal der Gegner adressiert, wobei dies eher auf ironische Weise geschieht, da er es ja nicht ist, der überzeugt werden soll. Um seinen Anspruch auf die ‘absolute Wahrheit' zu untermauern, bedient sich der Polemiker gern der Berufung auf allgemein anerkannte Autoritäten. Ebenfalls typisch für einen polemischen Text sind abrupte Umschläge der Stilebenen, indem beispielsweise ein pathetischer Tonfall plötzlich ironisch gebrochen wird. Hinzu kommen die Verwendung von Schimpfwörtern und Kraftausdrücken, Anspielungen auf körperliche Unzulänglichkeiten und die Verballhornung des Namens des Gegners sowie seine Bloßstellung mithilfe von Werkzitaten. Ein entscheidender Unterschied von Polemik und Satire liegt daher in ihrem Grad der Fiktionalisierung. Ganz im Sinne des allgemeinen Anspruchs der Kritik, werden die angegriffenen realen Personen in der Satire wie literarische Figuren behandelt, die nicht explizit für die Person, sondern vielmehr auf das Kollektiv anzuwenden sind. Bei der Polemik wird die reale Person hingegen direkt mit dem Ziel angegriffen dieser explizit zu schaden bzw. diese zu denunzieren.

2.2 Satire/Polemik bei Heine und Platen

In einem Brief an seinen Freund Karl Immermann beschrieb Heinrich Heine den literarischen Streit mit Graf August von Platen folgendermaßen: “Es galt kein scherzendes Turnier, sondern Vernichtungskrieg.” . Auch Platen machte seine Position in einem Brief an einen Studienfreund deutlich: “Vielleicht ist niemals ein Epigramm so teuer bezahlt worden.” .

Die beiden Kontrahenten sprachen offen von “Rache” als Antrieb ihrer literarischen Auseinandersetzung, persönlich haben sich die Beiden dabei allerdings nie gesprochen. Ausgangspunkt waren Immermanns Xenien (veröffentlicht von Heinrich Heine), in denen er in einigen Epigrammen Platens Gedichte, die Ghaselen, angreift, und ihn als einen Goethe-Nachahmer darstellt. Von diesem Vorwurf getroffen, verfasste Platen das Lustspiel Der romantische Ödipus, welches er nach eigenen Angaben als eine “Satire gegen Heine” bezeichnet. Er pocht dabei auf sein “Wiedervergeltungsrecht” und glaubt sich bei dieser literarischen Fehde innerhalb der ästhetischen Grenzen der Satire aufzuhalten. Dabei greift Platen sehr direkt und argumentativ zum einen Heines jüdische Abstammung, zum anderen aber auch Immermanns schriftstellerisches Talent an. Er stellt ihn als “traditionslosen und ignoranten Stümper in Produktion und Kritik, als sich maßlos überschätzendes Halbtalent ohne Sinn für präzise Form, als Blender des Publikums und als seinen selbsternannten Gegenspieler, der ihm allerdings nicht das Wasser reichen könne [...]” dar. Somit wird in Platens Komödie zunächst Immermann attackiert, doch vor allem die antisemitischen Äußerungen gegen Heine lassen den Streit eskalieren. Dabei nennt Platen in seinem Tagebuch als Zielscheibe seiner Satire “die ganze tolle Dichterlingsgenossenschaft [...]” .

Heinrich Heine reagiert auf den Romantischen Ödipus mit seiner Platen-Polemik, welche er im elften Kapitel seiner im Grunde satirischen Erzählung von Die Bäder von Lucca anhängt. Heine kritisiert dabei Platens Gedichte, welche nur eine Abwandlung von Goethes, Tiecks oder Hafis Werken seien und nicht ansatzweise an das Können seiner Vorbilder heranreichen würden. Zudem kritisiert er Platens polemisches Ungeschick an und sein kompositorisches Unvermögen. Vor allem aber greift er auf persönlich verletzende Weise seinen Kontrahenten immer wieder wegen dessen Homosexualität an. Vor allem Platens Liebesgedichte sollen eindeutig seine homosexuellen Neigungen zum Ausdruck bringen und daher nur eine unglaubwürdige Heuchelei darstellen.

Insgesamt sind beide Schriften sehr persönlich ausgerichtet und zeigen zudem eine deutliche Selbstinszenierung der Autoren. Ralf Schnell beschreibt diese Autorinszenierung von Heine und Platen sowohl als “strategisch angelegte Ausgrenzung von Konkurrenten ebenso [...] wie eine entscheidende Abgrenzung gegen diese.” . Er beschreibt die Polemik gegen Platen als “habituelle Inszinierungspraktik”, welche nicht vorrangig an einen literarische Text gebunden ist, sondern die spezifischen Lebensstil in die Inszenierung mit einbezieht. Sie können ein “Produkt sozialer Interaktion, Beobachtung und Interpretation” sein, sowie “Darstellungsform sozialer Abgrenzung” . Durch diese Selbstinszenierung der Autoren wird der literarische Streit zum Skandal. Heine grenzt seinen Konkurrent Platen aus, indem er gezielt dessen Homosexualität angreift und sich selbst von diesem weltanschaulichen und ästhetischen Konzept distanziert. Ebenso stellt er sich selbst als den “Angegriffenen” in dem Streit dar und kämpft um die Etablierung seiner eigenen Position innerhalb des literarischen Feldes. Doch auch Platen nutzt diese Form der Selbstinszenierung, um seine Position gegenüber Heines jüdischer Abstammung deutlich zu machen und somit eine klare Abgrenzung zu seinem Konkurrenten zu erreichen.

Insgesamt haben sich beide Dichter gegenseitig zutiefst verletzt und geächtet, doch nicht ohne Folgen. Für ihre Polemiken mussten sowohl Heine als auch Platen ihr Lehrgeld zahlen und keiner der Beteiligten kam unbeschadet aus diesem öffentlich inszenierten Konflikt heraus.

2.3 Der literarische Gegenstand

Trotz der überwiegend persönlichen Angriffe antisemitischer und homophober Art in den Streitschriften von Platen und Heine, war der Ausgangspunkt für den Streit kein persönlicher, sondern ein literarischer Gegenstand. Wie bereits erläutert, begann der Streit mit der Veröffentlichung von Karl Immermanns Xenien in Heinrich Heines zweiten Reiseband. Die dort von Immermann geradezu harmlosen Platen-kritischen Xenien bezogen sich vor allem auf die Gedichtform der Ghaselen. Platen hatte zuvor einen Gedichtband mit Ghaselen bei dem Verleger Cotta veröffentlicht. Ein Ghasel ist eine lyrische Gedichtform aus dem persischen Raum. Im Metzler Lexikon Literatur findet sich folgende Definition:

“Ghasele, f.; eine in der arab., pers., türk. und Urdu-Lit. weit verbreitete lyrische Form, die sich seit dem 7. Jh. in der hochartifiziellen arab. Dichtkunst neben oder aus den Auftaktversen (nasib, Nesib) der Qaside heraus entwickelt hat, in denen Liebessehnsucht und Verlustschmerz ausgedrückt wurden. [...] Das G. befasst sich hauptsächlich mit der menschlichen oder der mystischen Liebe, dem Lebensgenuss, dem Glück und der Vergänglichkeit, auch mit allg. philosophischen Reflexionen.”

Diese Form der Gedichte ließ sich zunächst bei Goethes West-östlichen Divan finden, welcher vor allem durch den persischen Dichter Hafis inspiriert war. Des weiteren wird in dem Lexikonartikel Platens Einfluss auf die Gedichtform beschrieben: “A. v. Platen erweiterte die Ausdrucksmöglichkeiten der Gattung, indem er sie aus dem orientalisierenden Dekor befreite.” . Von Immermann allerdings wurde Platens Aufgreifen dieser alten, persischen Gedichtform nicht im positiven Sinne anerkannt, sondern nur als eine Nachahmung von Goethes Dichtung und als “verkünstelt orientalisch” bewertet. Auch Heine greift die Ghaselen in seiner Platen-Polemik auf und kritisiert nicht allein die orientalische Gedichtform, sondern vor allem auch den Inhalt, welchen er als stark homosexuell geprägt beschreibt. An der Form lehnte Heine grundsätzlich die gekünstelte Imitation einer antiken und mittelalterlichen Kunst ab. Für ihn konnte ein Dichter nicht einfache eine ältere Form der Kunst in die Gegenwart transportieren, ohne sie für die gesellschaftlichen Zwecke der eigenen Zeit “umzufunktionieren”. Daher machte sich Heine unbarmherzig über Platens reine Nachahmung der klassischen Ghaselen lustig. Jost Hermand schreibt dazu:

“Heine charakterisiert Platen letztlich als einen unverbindlichen Eklektiker, der sichganzeng anseine geliebten Vorbilder hält neben Ghaselen mit derselben Geschmeidigkeit vor allem antikritisierende Versformen nachahmt, mit einem Wort: als einen Dichter der ‘Literatoren' und ‘Schulleute', aber nicht des ‘großen Publikums'.”

Somit wird die Kritik deutlich, die Immermann und Heine an Platens literarischem Werk hervorbringen und um den es sich zunächst auch vorrangig in dem literarischen Streit dreht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Heine und Immermann versus Platen. Verlauf und Auswirkungen der literarischen Kontroverse
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
24
Katalognummer
V1188360
ISBN (Buch)
9783346627100
Sprache
Deutsch
Schlagworte
heine, immermann, platen, verlauf, auswirkungen, kontroverse
Arbeit zitieren
Viktoria Engmann (Autor:in), 2021, Heine und Immermann versus Platen. Verlauf und Auswirkungen der literarischen Kontroverse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1188360

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