Das "Besetzen" von Begriffen. Eine politolinguistische Untersuchung


Hausarbeit, 2021

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition: „Begriff“
2.1 Lexikologische Analysekategorien
2.2 Schlagwörter

3. Das „Besetzen“ von Begriffen: Eine Typologie verschiedener Konkurrenzstrategien
3.1 Bezeichnungskonkurrenz – Parteiliches Prädizieren
3.2 Bedeutungskonkurrenz
3.2.1 Mehrdimensionale Bedeutungskonkurrenz
3.2.2 Deskriptive Bedeutungskonkurrenz: Das Umdeuten von Begriffen
3.2.3 Deontische Bedeutungskonkurrenz: Das Umwerten von Begriffen
3.3 Konzeptionenkonkurrenz: Die Prägung von Begriffen
3.4 Das Ausbeuten von Assoziationen: Der Wettbewerb um konnotativen Glanz

4. Weitere Typen „semantischer Kämpfe“ auf lexikalischer Ebene
4.1 Die Demontage gegnerischer Begriffe
4.2 Das „Festnageln“ auf Begriffe
4.3 Das Attackieren des Missbrauchs von Begriffen
4.4 Das Unterlaufen gegnerischer Begriffe
4.5 Der Rückzug aus Begriffen
4.6 Das Verteidigen von Begriffen

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die „populäre politische Metapher“ (Kuhn 1991: 90) des „Begriffe Besetzens“ lässt sich auf Kurt Biedenkopf, den früheren Generalsekretär der CDU, zurückführen. Dieser äußerte sich im Jahr 1973 auf einem Parteitag der CDU folgendermaßen:

Sprache, liebe Freunde, ist nicht nur ein Mittel der Kommunikation. Wie die Auseinandersetzung mit der Linken zeigt, ist Sprache auch ein wichtiges Mittel der Strategie. Was sich heute in unserem Land vollzieht, ist eine Revolution neuer Art. Es ist die Revolution der Gesellschaft durch die Sprache. […] Revolutionen finden heute auf andre Weise statt. Statt der Gebäude der Regierungen werden die Begriffe besetzt, mit denen sie regiert. […] Wir erleben heute eine Revolution, die sich nicht der Besetzung der Produktionsmittel, sondern der Besetzung der Begriffe bedient (Biedenkopf 1973, zitiert nach Niehr 2014a: 87).

Bezogen auf die politische Auseinandersetzung verstand Biedenkopf darunter, dass sich schlussendlich derjenige1 durchsetzt, der Sachverhalte bzw. Probleme entsprechend seiner politischen Sichtweise benennen und damit einhergehend auch interpretieren kann. Ziel des politischen Sprachgebrauchs im Meinungswettstreit ist es, die eigene politische Position zu profilieren und dabei gleichzeitig die des politischen Gegners abzuwerten oder zu marginalisieren (vgl. Klein 2017: 773). Dementsprechend eng sind Politik und Sprache miteinander verknüpft; politisches Handeln kann grundsätzlich als sprachliches Handeln verstanden werden: „Politik, demokratische Politik zumal, bedarf öffentlicher Darstellung, Begründung und Rechtfertigung. Sie braucht Legitimation durch Kommunikation“ (Sarcinelli 1996: 34). Biedenkopfs Metapher vom „Begriffe besetzen“ wurde in der Folge zum Gegenstand der Linguistik, sodass die Analyse von Begriffsbesetzungen mittlerweile zum „Standardrepertoire politolinguistischer Analysen“ (Niehr 2014a: 88) gehört. Insgesamt werden nach Klein drei Haupttypen von Sprachstrategien unterschieden, mit deren Hilfe in der Politik Zustimmung bei relevanten Adressaten erlangt werden soll: Sogenannte Basisstrategien, Kaschierstrategien und Konkurrenzstrategien (vgl. Klein 1998: 349).

Das „Besetzen“ von Begriffen lässt sich dabei den Konkurrenzstrategien zuordnen, deren vorrangiges Ziel die Stärkung der eigenen sprachlichen Ressourcen und – damit einhergehend – die Beeinträchtigung der gegnerischen ist. Um sich der Praxis des „Begriffe Besetzens“ aus politolinguistischer Perspektive annähern zu können, sollen in einem ersten Schritt hierzu relevante theoretische Grundlagen erläutert werden. In Anlehnung an Biedenkopfs Metapher muss der Terminus „Begriff“ aus linguistischer Perspektive hierzu zunächst präzisiert und abgegrenzt werden, um die weitere Verwendung innerhalb der Arbeit zu konkretisieren. Da es sich bei den zu untersuchenden Sprachstrategien um Operationen auf der lexikalischen Ebene handelt, werden zudem die lexikologischen Kategorien benannt, auf deren Grundlage sich ein Begriff analysieren lässt. Darüber hinaus werden mit den sogenannten „Schlagwörtern“ sowie den dazugehörigen Untergruppen Termini eingeführt, auf die im Verlauf der Arbeit immer wieder zurückgegriffen wird. Im Zentrum der Arbeit steht eine an Klein (vgl. Klein 2017) angelehnte Typologie der verschiedenen Konkurrenzstrategien; hierbei liegt der Fokus vor allem darauf, welche Bedeutungskomponenten eines Begriffs von der jeweiligen Strategie betroffen sind und welche Vorteile sich politische Akteure davon im politischen Wettbewerb versprechen. Zur Veranschaulichung wird zu jeder dieser sprachstrategischen Operationen ein prägnantes Beispiel genannt und näher ausgeführt. Abschließend werden in aller Kürze jene Typen des semantisches „Kampfes um Begriffe“ (Klein 2017: 773) vorgestellt, die ebenfalls den Konkurrenzstrategien angehörig sind und zudem auf lexikalischer Ebene erfolgen.

2. Definition: „Begriff“

Im Gegensatz zum Terminus „Wort“, der eine syntaktische und morphologische Spracheinheit bezeichnet (vgl. Vater 2000: 10), handelt es sich beim linguistischen Terminus „Begriff“ um eine mentale Einheit, mit deren Hilfe ein Sachverhalt oder ein Gegenstand aufgrund bestimmter Eigenschaften klassifiziert werden kann (vgl. Niehr 2014b: 52). Demnach ist der Begriff „insbesondere für das Verhältnis von Sprache und Denken von Bedeutung“ (ebd.), er bezeichnet die Einheit von Ausdruck und Bedeutung. Im Kontext dieser Arbeit soll der Terminus „Begriff“ nachfolgend als „komplexe semiotische Einheit aus der Ausdrucksform und den Bedeutungsaspekten“ (Klein 2017: 775) verstanden werden. Analytisch können bei Begriffen insgesamt drei Konstituenten unterschieden werden: Der Ausdruck bzw. die Bezeichnung, das (Bedeutungs-)Konzept sowie der konzeptualisierte Sachverhalt bzw. das Referenzobjekt (vgl. Klein 2016: 608).

2.1 Lexikologische Analysekategorien

Bei dem Ausdruck bzw. der Bezeichnung handelt es sich zunächst um die Wortform, also die morphologische sowie die phonologisch-phonetische Gestalt eines Begriffes. Das Konzept bzw. die Bedeutung eines Begriffes kann nach Klein wiederum in vier verschiedene lexikologische Kategorien unterschieden werden: Die deskriptive, deontische, konnotative und emotionale Bedeutung (vgl. Klein 2017: 775f.). Die deskriptive Bedeutung bezeichnet die inhaltlichen Momente eines bestimmten Sachverhalts, die in einem Begriff fokussiert werden. Gerade politische Begriffe besitzen eine deontische Bedeutung, da sie gewisse Bewertungen enthalten. Verwendet man Begriffe mit deontischer Bedeutung, bezieht man automatisch Stellung zum bezeichneten Sachverhalt, entweder ablehnend oder befürwortend. Die somit bezogene Stellung hat i.d.R. einen normativen Anspruch auf Geltung. Häufig wird die deontische Bedeutung eines Begriffes dabei durch die emotionale Bedeutung motiviert: „Sie [bringt] emotionale Einstellungen zu den in der deskriptiven Bedeutung inhaltlich konzeptualisierten Sachverhalten zum Ausdruck und [wird] persuasiv genutzt, um bei Adressaten entsprechende Emotionen auszulösen“ (ebd.: 775). Neben der emotionalen Bedeutung eines Begriffs sind die Konnotationen maßgeblich dafür verantwortlich, ob die deontische Wertigkeit eines bestimmten Begriffs positiv oder negativ ausfällt. Bei den Konnotationen handelt es sich um Assoziationen, die üblicherweise mit einem Begriff verbunden werden (vgl. ebd.: 776). Bei dem Referenzobjekt eines Begriffs handelt es sich um das „außersprachliche Pendant“ (ebd.) eines sprachlichen Zeichens, also um Sachverhalte oder (greifbare oder auch nicht greifbare) Dinge, auf die sich mit der Verwendung eines Begriffs bezogen wird (vgl. ebd.).

2.2 Schlagwörter

Spricht man im politischen Zusammenhang von Begriffen, so sind damit vorrangig definite Nomina oder Adjektive gemeint, gelegentlich auch Verben. In pragmatischer Hinsicht handelt es sich bei häufig verwendeten und textstrukturell oft hervorgehobenen Begriffen um sogenannte Schlagwörter: „In ihnen wird in komprimierter, vereinfachender Form auf komplexe Zusammenhänge wertend und appellierend Bezug genommen, gegebenenfalls emotional aufgeladen“ (ebd.: 774). Der linguistische Terminus „Schlagwort“ dient dabei als Sammelbegriff und lässt sich je nach positiver oder negativer Verwendung der Schlagwörter weiter ausdifferenzieren. Zur Gruppe der positiven Affirmationswörter gehören unter anderem Hochwertwörter, deren positive Konnotation innerhalb einer Gesellschaft – zumindest vordergründig – unumstritten ist, und Fahnenwörter, mit deren Hilfe der eigene politische Standpunkt deutlich gemacht werden soll. Negativ verwendete Schlagwörter werden als Stigmawörter bezeichnet, da sie durch die Benennung von etwas Abzulehnendem ebenfalls einen bestimmten Standpunkt markieren (vgl. Niehr 2014a: 69ff.). Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass Fahnenwörter in der Parteisprache eine positive und Stigmawörter eine negative deontische Bedeutung beinhalten (vgl. Klein 1989: 24).

3. Das „Besetzen“ von Begriffen: Eine Typologie verschiedener Konkurrenzstrategien

Im politischen Wettbewerb dient das „Besetzen“ von Begriffen als „eine von mehreren sogenannten Konkurrenzstrategien, die allesamt darauf angelegt sind, die eigenen sprachlichen Ressourcen zu stärken und die des politischen Gegners gleichzeitig zu schwächen“ (Niehr 2014a: 88). Die Unterscheidung bzw.

[...]


1 Aus Gründen der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit das generische Maskulinum verwendet. Diese Personenbezeichnungen gelten für beide Geschlechter.

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Details

Titel
Das "Besetzen" von Begriffen. Eine politolinguistische Untersuchung
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Note
2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
17
Katalognummer
V1188375
ISBN (eBook)
9783346624390
ISBN (Buch)
9783346624406
Sprache
Deutsch
Schlagworte
besetzen, begriffen, eine, untersuchung
Arbeit zitieren
Julian Kroth (Autor:in), 2021, Das "Besetzen" von Begriffen. Eine politolinguistische Untersuchung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1188375

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