Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung in die Umweltpolitik, ihre Relevanzfür Partizipationsmöglichkeiten und die Citizens Convention for Climate
2. Theoretische Einleitung
2.1 Zu Politikberatung
2.2 Zu Politikfeldern
2.3 Deliberation
2.4 Formen und Verfahren von Bürgerinnenbeteiligung
2.5 Bürgerinnenbeteiligung als Chance
2.6 Gesellschaftsberatung als deliberative Möglichkeit der Bürgerinnenbeteiligung mit kollektiver Empfehlungsbildung
3. Methodik
3.1 Kategorien der OECD
4. Analyse der Citizens Convention for Climate
5. Ergebnisse und ein Resümee der Methodik
5.1 ZurZustimmung der ausgearbeiteten Maßnahmen und den Hürden von deliberativen Bürgerinnenverfahren
5.2 Ausblick
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Abkürzungsverzeichnis
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1. Einführung in die Umweltpolitik, ihre Relevanzfür Partizipationsmöglichkeiten und die Citizens Convention for Climate
Umweltpolitik ist aktueller denn je. Durch Bewegungen wie Fridays for Future und Attac sowie die jetzt schon spürbaren Ausmaße des Klimawandels gewinnt Umweltpolitik immer mehr an Raum und Relevanz im Kontext des Politischen. Dabei ist das Politikfeld Umwelt eines der komplexesten und von vielen verschieden Variablen geprägt, welche die Problemidentifizierung und das Ausarbeiten verschiedener Lösungen sowie Ansätze umso schwieriger macht. Auf der einen Seite ist die Natur beziehungsweise Umwelt ein öffentliches Gut und auf der anderen sind Policy-Entscheidungen in Bezug auf Regulationen, immer klar abgrenzbare Vor- beziehungsweise Nachteile für bestimmte Akteurinnen, Gruppen und Organisationen (vgl. Töller/Böcher 2012: 90). Hinzu kommt, dass die gegenwärtigen umweltpolitischen Maßnahmen „erst nachfolgenden Generationen zu Gute [kommen], jedoch zu gegenwärtigen Kosten führen“ und dazu neigen „auf die lange Bank geschoben [zu] werden“ (ebd.: 92 ff.). Um als Politikerin und Regierung in diesem diffusen, von vielen Stakeholderlnnen geprägtem, Politikfeld Entscheidungen zu treffen und Gesetzgebungen zu formulieren, wird unter anderem Expertise von Außerhalb in Form von wissenschaftlicher Politikberatung konsolidiert. Seit 2017 wachsen die Ausgaben der Bundesregierung für externe Beraterinnen jährlich (vgl. Tagesschau 2021). Mit der vierthöchsten Summe an Ausgaben für externe Beratung gab das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) seit 2017 49,3 Millionen Euro aus (Busch 2021). Dies kann als Indiz der Komplexität und dem daraus resultierenden Bedarf an externem Wissen in der Umweltpolitik gewertet werden.
Allerdings wird der Diskurs über wissenschaftliche Politikberatung in sensiblen Politikfeldern, wie Gesundheit und Umwelt, mehr und mehr von Vorwürfen und Unterstellungen eines entdemokratisierten Charakters hin zu einer Expertokratie beziehungsweise Technokratie überschattet (vgl. Grund 2021). Diese Eindrücke wurden vor allem vermehrt durch die Inanspruchnahme von wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie die Errichtung von ad hoc Expertinnen Gremien während der anhaltenden Covid-19 Pandemie geäußert. Doch wie kann die Politik Kritikerinnen entgegentreten und die Notwendigkeit der wissensbasierten Maßnahmenentscheidungen durch externe Expertise wieder (re-) legitimieren? An dieser Stelle ist auf Alexander Bogner zu verweisen, der sich hierzu folgendermaßen äußert: „Sofern ein weitreichender Expertenkonsens in diesen Risiko- und Umweltfragen existiert, ist die Politik gehalten, die wissenschaftlich empfohlenen Maßnahmen durchzusetzen“ (Bogner 2021: 19). Politik verlässt sich zunehmend auf wissenschaftliche Expertise, um auf epistemischer Basis Maßnahmen und Entscheidungen zu treffen. Doch wie wird der Epistemisierung des Politischen, wie der deutsche Soziologie Alexander Bogner das zunehmend dependente Verhältnis von Politik zu Wissenschaft tituliert, entgegengetreten? Als eine Opportunität komplexe Politikfelder und dessen Herausforderungen mehr zu deliberieren und wieder in den Diskurs der Bürgerinnen präsenter zu integrieren, könnten sich Bürgerinnenräte als geeignet herausstellen. Der deutschen Politikwissenschaftlerin Manuela Glaab (2016) zufolge, wird
Bürgerbeteiligung [...] vielfach als Chance begriffen, vorhandene Krisensymptome der repräsentativen Demokratie zu begegnen, indem das Spektrum der Partizipationsmöglichkeiten erweitert wird.
Als „europaweit einmaliges Experiment“ (Joeres 2020) wird der französische Bürgerinnenrat Citizens Convention for Climate (CCC) in der medialen Berichterstattung betitelt. Nach den repetitiven Protesten französischer Bürgerinnen als Reaktion auf die geplante Erhöhung von CO2-Steuem und eines Tempolimits wurden die Demonstrationen bekannt als Gelbwestenbewegung. Nachdem die Bewegung national monatelang Schlagzeilen machte, wurde von der Regierung die Le Grand Débat National als regionale Konferenz, welche den Austausch unter Bürgerinnen vereinfachen sollte, eingerichtet. Der französische Präsident Emmanuel Macron entschloss anschließend einen Schrittweiterzugehen und einen nationalen Bürgerinnenrat für Klimaschutz und Umweltpolitik einzuberufen. Mit der Frage wie man die Treibhausgase um mindestens 40% bis 2030, im Vergleich zu 1990, sozial verträglich senken kann, versammelten sich über einen Zeitraum von sechs Monaten, in sieben Sitzungen, 150 ausgeloste Bürgerinnen und formulierten mithilfe von Wissenschaftlerinnen und Juristinnen mögliche Maßnahmen zur Reduktion derTreibhausgase (vgl. Giraudet et al. 2021: 4 ff.)
Ziel dieser Arbeit ist es, einen tieferen Einblick in die Citizens Convention for Climate zu bekommen und nachzuvollziehen, ob und inwiefern man die Art eines solchen Bürgerinnenrates als gelungen bewerten kann. Daraus erschließt sich die Fragestellung: Inwiefern ist der Bürgerrat Citizens Convention for Climate als Gesellschaftsberatung einzustufen und zu bewerten?
Zunächst wird ein Überblick über den aktuellen Diskurs der Bürgerinnenbeteiligung und partizipativen Politikberatung sowie über essentielle Literatur auf dem Gebiet gegeben. Damit einher geht der Theorieteil, welcher Grundsteine für das Verständnis und die Ansicht der späteren Analyse bereitstellt. Darauf aufbauend wird das methodische Vorgehen der Dokumenten- beziehungsweise Resultatanalyse erläutert. Im Fokus des vierten Kapitels steht dann die Analyse anhand der Citizens Convention for Climate sowie die Bewertung dieser. Anschließend werden die Ergebnisse der Analyse diskutiert, daraus resultiert das Fazit, welches gleichzeitig einen Ausblick auf das Themengebiet der Bürgerinnenbeteiligung und partizipativen Politikberatung in Form von Bürgerinnenräten geben soll.
Die deutsche Politologin Manuela Glaab beschäftigt sich im Umfang ihrer Forschungen mit Politikberatung und in diesem Kontext auch intensiv mit Bürgerinnenbeteiligung. Als relevante Literatur für diese Hausarbeit wird zum einen ihr Buch Politik mit Bürgern - Politik für Bürger welches 2016 erschein und sich mit den Möglichkeiten aber auch Grenzen von Bürgerinnenbeteiligung auseinandersetzt als auch ihr Beitrag über Partizipative Politikberatung aus dem Handbuch Politikberatung (2019) herangezogen. Sie führt einen partizipatorischen Grundkonsens an, welcher besagt, dass Bürgerinnenbeteiligung revitalisierend für die repräsentative Demokratie sein kann und dass es eine Vielzahl von Instrumenten von Beteiligung gäbe. Eine weitere essentielle Literaturquelle für den folgenden Theorieteil bildet ein Artikel von den Politologen Frank Nullmeier und Matthias Dietz, welcher sich Deliberation und partizipativer Politikberatung widmet. Die Relevanz der vorliegenden Arbeit resultiert aus verschiedenen Variablen. Zum einen aus dem Standpunkt verschiedener Wissenschaftlerinnen, in welcher Bürgerinnenbeteiligung als Chance gesehen werden kann Demokratie zu fördern und Politikverdrossenheit entgegenzukommen. Des Weiteren dient die Citizens Convention for Climate mir der aktuellen Datenlage als ein ausgereiftes und dennoch präsentes Fallbeispiel eines Bundesweiten Bürgerinnenrates zu dringenden Problemen der gegenwärtigen Politikdiskurse. Dieser zeigt die Dringlichkeit und mögliche Lösung in Form eines Bürgerinnenrates auf.
2. Theoretische Einleitung
Um die vorliegende wissenschaftliche Arbeit für alle Lesenden, welche sich nicht in dem Diskurs der aktuellen Debatte um partizipative Politikberatung und Bürgerinnenbeteiligung befinden, nachvollziehbar zu machen, folgen im Anschließenden wichtige Begriffserläuterungen und Herleitungen, um Transparenz sowie Verständlichkeit zu gewährleisten.
2.1 Zu Politikberatung
Die Akteurslandschaft der Politikberatung ist sowohl von dem Angebot als auch von der Form der Beratungstätigkeit geprägt. Prinzipiell wird Politikberatung als „das institutionalisierte Liefern von Informationen an politische Akteure“ (Falk et al. 2019: 6) verstanden. Um das facettenreiche Feld der Politikberatung greifbarer zu erläutern, wird Politikberatung in „den drei gängigen Dimensionen des modernen Politikbegriffs [unterteilt]“ (ebd.). Somit wird unterschieden in: Polity (Form), Politics (Prozess) und Policy (Inhalt). Politikberatung welche sich inhaltlichen Themen widmet, wird als Policy-Beratung verstanden und berät zu Politikinhalten sowie möglichen Gesetzgebungen in unterschiedlichen Politikfeldern. Die Beratung im Politics Bereich wird als political consulting verstanden, in welchem es sich um strategische und kommunikative Beratung dreht. Beispielsweise in Wahlkämpfen und zu öffentlichen Auftritten von Politikerinnen. Politikberatung im Polity Bereich wiederum befasst sich mit der institutionellen Gestaltung eines politischen Systems, beispielsweise Wahlreformen und Regulierungen (vgl. Falk et al. 2019: 6ff.). In der vorliegenden Arbeit wird ausschließlich Bezug auf Policy-Beratung beziehungsweise PolicyAdvice genommen.
Von wissenschaftlicher Politikberatung ist dann die Rede, wenn die politikberatenden Akteurinnen sich mittels wissenschaftlicher Methoden und Zugängen epistemisch-robustes und evidenzbasiertes Wissen erarbeiten oder heranziehen und dieses als Grundlage ihrer Beratung wertneutral einsetzen (vgl. ebd.). Im Folgenden wird der Terminus Politikfeld anhand politikwissenschaftlicher Literatur dargestellt.
2.2 Zu Politikfeldern
Die drei Politikwissenschaftlerinnen Kathrin Loer, Annette Elisabeth Toller und Renate Reiter erarbeiteten in ihrem Paper Was ist ein Politikfeld und warum entsteht es? (2015) einen Politikfeldbegriff welcher durch Kriterien charakterisiert ist. Hierfür legen Loer et al. vier Kategorien beziehungsweise Dimensionen vor, an denen die Charakterisierung und die Differenzierung von einem Politikfeld, im Vergleich zu einem anderen, vorgenommen werden kann. Im Folgendem werden die Kategorien am Politikfeld Umwelt skizziert. Die erste Kategorie, so Loer et al., beschreibt die Probleme und Problemstrukturen welche einem Politikfeld zugrunde liegen. Als Beispiel der Umweltpolitik ist ein immanentes Problem der menschengemachte Klimawandel. Als zweite Kategorie beschreiben die Politikwissenschaftlerinnen die Akteure. (International-) Non-Government-Organisations wie Greenpeace und WWF spielen in der internationalen Politik eine wichtige Rolle, wenn es um Umweltpolitik und Artenschutz geht. Aber auch Bewegungen wie Fridays for Future. Als dritte Dimension werden Institutionen genannt. Dabei gilt das Bundesumweltministerium als zentrale bundesweite Institution, welche in der Einleitung schon erwähnt wurde. Ausschüsse werden auch subsummiert unter Institutionen. Die letzte Kategorie bilden die Instrumente. Verstanden werden hierbei Regeln und spezifische Programme, welche mit Steuerungsmitteln „Recht, Geld oder Informationen Veränderungen anstreben“ (Loer et al. 2015: 10).
Die nun erläuterten Dimensionen eines Politikfeldes machen den zuvor unpräzisen Begriff anschaulicher und verwendbar in Bezug auf den Terminus Umweltpolitik.
2.3 Deliberation
Deliberation beschreibt einen auf Argumenten basierenden Austausch innerhalb einer Entscheidungsfindung unter Gleichberechtigten. Dabei kommt der besten Argumentation die meiste Wichtigkeit zu, da Argumente gegeneinander aufgewogen werden und somit die Einigung zur „besten“ Lösung möglich ist (vgl. Große Hüttmann).
2.4 Formen und Verfahren von Bürgerinnenbeteiligung
Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg beschreibt Bürgerinnenbeteiligung beziehungsweise politische Partizipation als:
freiwillige und unentgeltliche Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern an den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen und die Möglichkeit, auf Sachentscheidungen Einfluss zu nehmen.
Dabei gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten wie Bürgerinnen partizipativ an Politik, außerhalb von Wahlen, teilnehmen können. Der Akt des Wählens wird in einer repräsentativen Demokratie als Formelle Beteiligungsart beschrieben (vgl. LpB BaWü).
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