Der Grundsatz der Öffentlichkeit bei Sitzungen kommunaler Gremien. Die rechtlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die kommunalpolitische Arbeit in hessischen Gemeinden


Hausarbeit, 2022

30 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Herleitung des Grundsatzes der Öffentlichkeit kommunaler Gremiensitzungen
2.1 Allgemeine Anforderungen an Sitzungen kommunaler Gremien
2.2 Grundsatz der Öffentlichkeit
2.2.1 Öffentlicher Zugang zur Sitzung
2.2.2 Hinreichende Größe der Räumlichkeit
2.2.3 Teilnahme von Presse, Funk und Fernsehen
2.3 Ausschluss der Öffentlichkeit

3 Schaffung von Sonderregelungen während der Covid-19-Krise durch die Länder
3.1 Gesetzesänderung
3.2 Handeln durch Verordnung
3.3 Handeln durch Erlass

4 Rechtliche Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die kommunalpolitische Arbeit in hessischen Gemeinden
4.1 Historische Einordnung von Eilzuständigkeiten in Hessen
4.2 Einrichtung einer Eilentscheidungskompetenz und Ermöglichung von Umlaufbeschlüssen
4.3 Anwendung des § 51 a HGO
4.4 Kritik an der Regelung des § 51 a HGO

5 Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Voraussetzungen Einhaltung Öffentlichkeitsgrundsatz

Abb. 2: berechtigte Interessen Einzelner (Ausschlussgründe)

Ergänzende Hinweise

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Hausarbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewandt. Es wird darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich aufgrund der verschiedenen Kommunalverfassungen der Länder von kommunalen Gremien spreche, um voneinander abweichende Begriffe – wie etwa Gemeinderat (gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 NKomVG) und Gemeindevertretung (gem. § 49 S. 1 HGO) – zu vereinheitlichen. Zur Vereinfachung des Vergleichs zwischen den einzelnen Bundesländern möchte ich den Blick insbesondere auf kommunalspezifische Rechtsnormen für Städte und Gemeinden lenken.

1 Einleitung

Die Jahre 2020-2021 haben aufgrund der Covid-19-Pandemie für das gesellschaftliche Zusammenleben und den Berufsalltag schwerwiegende Folgen. Aufgrund der Infektionsgefahr haben sich die Landesgesetzgeber Gedanken gemacht, wie kommunale Gremien weiter handlungsfähig bleiben und haben hierbei verschiedene Möglichkeiten rechtlich verankert, um solchen Herausforderungen zu begegnen.

Zentrale Frage dieser Hausarbeit ist, welche Anforderungen der Öffentlichkeitsgrundsatz an die Durchführung von kommunalen Gremiensitzungen stellt, und inwiefern ein Abweichen von regulären Präsenzsitzungen in Pandemiezeiten – insbesondere in Hessen – möglich ist.

2 Herleitung des Grundsatzes der Öffentlichkeit kommunaler Gremiensitzungen

2.1 Allgemeine Anforderungen an Sitzungen kommunaler Gremien

Entscheidungen von kommunalen Vertretungen sind unter bestimmten Anforderungen und Voraussetzungen zu fassen und richten sich hierbei nach landesgesetzlich verankerten Regelungen (Kommunalrecht). Gemäß einem kommunalrechtlichen Klausurprüfungsschema sind kommunale Gremiensitzungen unter den folgenden Voraussetzungen durchzuführen1 :

- Zuständigkeit der Vertretung2
- Beschlussfähigkeit der Versammlung3 (insbes. ordnungsgemäße Einberufung4)
- ordnungsgemäße Leitung der Sitzung5
- ordnungsgemäße Beschlussfassung durch Abstimmung oder Wahl6
- Einhaltung des Grundsatzes der Öffentlichkeit 7

Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist demnach von zentraler Bedeutung für die Rechtmäßigkeit kommunaler Gremiensitzungen.

2.2 Grundsatz der Öffentlichkeit

Kommunale Gremiensitzungen erfolgen grundsätzlich öffentlich. Die Sitzungsöffentlichkeit rührt aus dem allgemeingültigen Demokratieprinzip.8 Dieses geht als anerkannter Grundsatz des Kommunalrechts aus Art. 20 GG9 hervor. Das Demokratieprinzip findet im Kommunalrecht Anwendung, weil hierdurch wichtige Repräsentations-, Integrations- und insbesondere Kontrollfunktionen gewährleistet werden (kommunale Anwendung durch Art. 28 Abs. 1 und 2 GG).10

Als wichtigster Bestandteil des Demokratieprinzips gilt die Gewährleistung der Saalöffentlichkeit, durch welche „[…] die Bürger in die Lage versetzt, aus dem Verhalten von Ratsmitgliedern oder Fraktionen politische Konsequenzen bei den nächsten Wahlen zu ziehen.“11 Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist ein nach außen gerichtetes Recht (Außenrecht) für „[…] Personen, die Interesse an der Sitzungsteilnahme haben.“12

Gern/Brüning zufolge beschränkt sich der Öffentlichkeitsgrundsatz auf interessierte Personen, die an kommunalen Gremiensitzungen (Außenrecht) teilnehmen möchten. Laut Meyer müsse im Wege der Saalöffentlichkeit „[…] die Möglichkeit bestehen, sowohl an der Beratung wie an der Entscheidung als Zuhörer teilzunehmen.“13

Nichtsdestotrotz ist auch die Innenwirkung des Öffentlichkeitsgrundsatzes zu beachten, denn laut Meyer sei die „physische Präsenz als Regelfall unverzichtbar“, da die Anwesenheit der Gremienmitglieder fester Bestandteil einer „Diskussions-, Überzeugungs- und Entscheidungskultur“ sei.14

Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist unter folgenden Voraussetzungen gewahrt15 :

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Voraussetzungen Einhaltung Öffentlichkeitsgrundsatz

Abweichend von dieser Darstellung, führen Gern/Brüning die Niederschriftseinsicht als weitere Voraussetzung an.16 Hinsichtlich der Covid-19-Pandemie sind insbesondere der öffentliche Zugang zur Sitzung (Teilnahmemöglichkeit) und die hinreichende Größe der Räumlichkeit (Platzangebot) von Bedeutung. Auch die Frage, ob und inwiefern Presse, Funk und Fernsehen an Sitzungen teilnehmen dürfen, ist hinsichtlich der Corona-Krise interessant.

2.2.1 Öffentlicher Zugang zur Sitzung

Der Öffentlichkeitsgrundsatz verlangt, dass der Zutritt zu kommunalen Gremiensitzungen während der gesamten Sitzungsdauer für jedermann möglich ist.17 Demnach müssen Sitzungen nicht in kommunaleigenen, jedoch aber in öffentlich zugänglichen Gebäuden stattfinden.

2.2.2 Hinreichende Größe der Räumlichkeit

Hinreichend viele Zuhörerplätze für die Bevölkerung sind gegeben, wenn die Raumgröße das typische Sitzungsinteresse abdecken kann.18 „[Bei] ungewöhnlich starkem Interesse[…]“19 ist es nicht erforderlich, einen größeren Sitzungsraum als üblicherweise zu wählen (bspw. Gremienkonstituierungen oder Wahlen). Da die Größe des Raums eine faktische

Grenze darstellt, ist das Kriterium der hinreichenden Größe am typischen Interesse auszulegen. Eine Raumüberfüllung könnte Störungen hervorrufen und den Sitzungsablauf erschweren oder hindern.20

M.E. stellt sich hier auch die bislang ungeklärte Frage, ob und inwieweit die Gemeinde zur Wahrung der Abstands- und Hygieneregeln dazu verpflichtet ist, größere Räumlichkeiten zu nutzen. In Anlehnung an die o.g. Ausführungen bin ich der Auffassung, dass den Gemeinden auch hier faktische Grenzen gesetzt sind, denn die Anzahl möglicher Zuhörer richtet sich nach der Raumgröße: Die Räumlichkeit muss hinreichend groß sein, um das Allgemeininteresse befriedigen zu können. Wählt die Gemeinde bereits die größte ihr zu Verfügung stehende Räumlichkeit, dürfte auch hier die normative Kraft des Faktischen gelten.

2.2.3 Teilnahme von Presse, Funk und Fernsehen

Die Teilnahme von Presse, Funk und Fernsehen ist für diese Hausarbeit von Interesse, da hier erste Grundlagen für mögliche Übertragungen und Mitschnitte von Sitzungen kommunaler Gremien von der Rechtsprechung diskutiert wurden. Mit Datum vom 03.08.1990 befasste sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und mit Datum vom 07.02.2012 das Verwaltungsgericht in Kassel (VG Kassel) mit der Thematik:

Das BVerwG hat den Unterschied zwischen Parlamenten und kommunalen Vertretungsorganen herausgearbeitet und ein besonderes Augenmerk auf die Arbeitsweise der Kommunalvertretungen gelegt. Tonbandaufzeichnungen sind nicht ohne Weiteres durch die Presse- und Rundfunkfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Journalisten haben Anspruch auf Informationen über den Sitzungsverlauf und über diskutierte Inhalte, nicht aber einen Anspruch auf Tonbandaufzeichnung. Hierbei bedarf es i.d.R. der Zustimmung der Vertretung in Form einer Hauptsatzungsbestimmung21 (bspw. durch § 64 Abs. 2 NKomVG22 oder § 52 Abs. 3 HGO23).

Das Grundrecht nach Art. 5 Abs. 2 GG findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Hierbei sind das Hausrecht und die vom Vorsitzenden ausgehende Ordnungsgewalt (bspw. durch § 63 NKomVG und § 58 Abs. 4 HGO) zu beachten (reibungsloser und ungestörter Sitzungsablauf).24 Da Tonaufnahmen „[…] dauerhaft und ständig reproduzierbar konservier[t]“25 werden, kann dies die persönliche Meinungsäußerung der Mandatsträger beeinflussen. Diese sollten aber ihre politische Meinung offen zum Ausdruck bringen dürfen. Dies folgert das BVerwG aus Art. 28 Abs. 2 GG, wonach sich die kommunale Selbstverwaltung aus der demokratischen Willensbildung ergibt.26 Die Diskussion müsse frei von „psychologischen Hemmnissen“27 erfolgen. Schließlich seien kommunale Vertretungen keine Parlamente. Dies gehe aus der Ehrenamtlichkeit der Mandatsträger hervor. Insofern sei auch nicht von einem professionellen Umgang mit Medien auszugehen.28

Das VG Kassel hat die Entscheidung des BVerwG in weiten Teilen bekräftigt und stellt fest, dass die Presse- und Rundfunkfreiheit einem Ausgestaltungsvorbehalt des Gesetzgebers unterliegt.29 Die Medienöffentlichkeit kann durch eine positive Ordnung hergestellt werden. Dies ist in Hessen bspw. durch die eigenständige Entscheidung der Kommunen über eine entsprechende Regelung in der Hauptsatzung möglich. Das VG Kassel stellt insbesondere fest, dass dem Demokratieprinzip (Art. 20 GG) bereits Genüge getan ist, wenn die Saalöffentlichkeit hergestellt ist.30

2.3 Ausschluss der Öffentlichkeit

Der Öffentlichkeitsausschluss ist insofern interessant, als dass Hessen aufgrund der Corona-Krise einen Öffentlichkeitsausschluss gesetzlich ermöglicht hat. Um später den entsprechenden Bogen spannen zu können, ist es notwendig, die Voraussetzungen für einen Öffentlichkeitsausschluss anzuführen.

Ein Öffentlichkeitsausschluss muss dem Allgemeinwohl dienen oder aufgrund des berechtigten Interesses Einzelner erforderlich sein. Dieser kann daher „[…] nur aus höher zu wertenden gravierenden Gründen eingeschränkt werden.“31.

Öffentlichkeitsgebot und Geheimhaltungsbedürftigkeit sind bei einer sorgfältigen Interessensabwägung in einer Einzelfallprüfung gegenüber zu stellen. Insbesondere ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gem. Art. 20 Abs. 3 GG zu beachten, wonach „ein berechtigter legitimer Zweck vorliegen und als Mittel zur Erreichung dieses Zweck geeignet, erforderlich und angemessen sein“32 muss.

Folgende Interessen Einzelner könnten demnach den Öffentlichkeitsausschluss von einzelnen Tagesordnungspunkten erforderlich machen oder rechtfertigen33 :

[...]


1 Siehe Seybold/Neumann/Weidner, S. 198 ff.

2 Vgl. ebenda.

3 Vgl. ebenda, S. 201 ff.

4 Vgl. ebenda, S. 202-206.

5 Vgl. ebenda, S. 242.

6 Vgl. ebenda, S. 219 ff.

7 Vgl. ebenda, S. 234 ff.

8 Vgl. BVerwG, NVwZ 1995, 897.

9 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Artikel 1 und

2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048).

10 Vgl. Meyer, NVwZ 2020, Rd.-Nr. 1306.

11 Schmitz, JuS 2017, Rd.-Nr. 31.

12 Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl. (2019), Rd.-Nr. 625.

13 Meyer, NVwZ 2020, Rd.-Nr. 1306.

14 Vgl. ebenda, Rd.-Nr. 1306.

15 Vgl. Seybold/Neumann/Weidner, Schaubild S. 235.

16 Vgl. Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl. (2019), Rd.-Nr. 614.

17 Vgl. ebenda, Rd.-Nr. 615.

18 Vgl. Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl. (2019), Rd.-Nr. 616.

19 Seybold/Neumann/Weidner, S. 236.

20 Vgl. Roß/Lehnshack, LKV 2021, Rd.-Nr. 11.

21 Vgl. BVerwG, Urteil v. 3. August 1990, 7 C 14/90 – juris, Rd.-Nr. 8.

22 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) vom 17. Dezember 2010, zuletzt geändert durch Artikel 1

des Gesetzes vom 13.10.2021 (Nds. GVBl. S. 700, 730).

23 Hessische Gemeindeordnung (HGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. März 2005 (GVBl. I S. 142), zuletzt

geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 7. Mai 2020 (GVBl. S. 318).

24 Vgl. BVerwG, Urteil v. 3. August 1990, 7 C 14/90 – juris, Rd.-Nr. 9.

25 Ebenda, Rd.-Nr. 16.

26 Vgl. ebenda, Rd.-Nr. 16.

27 Ebenda.

28 Vgl. ebenda, Rd.-Nr. 14 ff.

29 Vgl. VG Kassel, Beschluss v. 7. Dezember 2012, 3 L 109/12.KS – juris, Rd.-Nr. 6.

30 Vgl. ebenda, Rd.-Nr. 11.

31 Vgl. Katz, NVwZ 2020, 1077.

32 Ebenda.

33 Siehe Grunke, Kommunalpolitisches Forum Sachsen 2017, S. 4: https://www.kommunalforum-sachsen.de/wp-con

tent/uploads/2017/10/Das-Prinzip-der-%C3%96ffentlichkeit-der-Sitzungen.-Ein-Grundsatz-kommunaler-Demokra

tie.pdf (letzter Zugriff: 01.12.2021).

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Der Grundsatz der Öffentlichkeit bei Sitzungen kommunaler Gremien. Die rechtlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die kommunalpolitische Arbeit in hessischen Gemeinden
Veranstaltung
Modul Verwaltungsrecht
Note
1,0
Autor
Jahr
2022
Seiten
30
Katalognummer
V1189527
ISBN (eBook)
9783346622303
ISBN (Buch)
9783346622310
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Öffentlichkeitsgrundsatz
Arbeit zitieren
Niklas Gries (Autor:in), 2022, Der Grundsatz der Öffentlichkeit bei Sitzungen kommunaler Gremien. Die rechtlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die kommunalpolitische Arbeit in hessischen Gemeinden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1189527

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