Haben Tiere Gedanken und Begriffe? Wie Tieren kognitive Fähigkeiten zu- oder abgesprochen werden können


Masterarbeit, 2022

89 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhalt

1. Tiere und Menschen in der Philosophiegeschichte: Gemeinsames, Trennendes und die Frage nach dem Geist

2. Vorgehen und Ziele der Arbeit

3.1. Im Kontext von Differenzialismus und Assimilationismus
3.2. Methodische Überlegungen und Entscheidungen – auf der Suche nach der besten Erklärung

4.1. Repräsentationen, Vorstellungen und Einführung in Intentionalität
4.2. Intentionalität: Überzeugungen
4.3 Intentionalität: Überzeugungen und Handlungen

5. Haben Tiere Gedanken?
5.1. Der Begriff des Denkens
5.2. Ein Stufenmodell kognitiver Fähigkeiten
5.3. Zuschreibungen, Beobachtungen, Experimente I: Rabenvögel
5.4. Zuschreibungen, Beobachtungen, Experimente II: Primaten

6. Haben Tiere Begriffe?
6.1. Sind Begriffe als mentale Repräsentationen, als abstrakte Gegenstände oder als Fähigkeiten zu verstehen?
6.2. Begriffe als Fähigkeiten: Glocks Version
6.3. Begriffe oder Unicepte?

7. Fazit: Haben Tiere Gedanken und Begriffe?

Literaturverzeichnis

Abkürzungen

AA Aristotle’s Anthropology (Keil, Geert und Kreft, Nora 2019)

AL Aristoteles-Lexikon (2005)

AS Angebotsgelegenheit

DA De anima (Aristoteles)

LOT language of thought hypothesis (Sprache des Geistes)

1. Tiere und Menschen in der Philosophiegeschichte: Gemeinsames, Trennendes und die Frage nach dem Geist

Was ist der Mensch? Was macht Menschsein aus? Das sind gewiss sehr alte Fragen. Dass sie immer noch gestellt werden, liegt daran, dass sie notorisch schwer zu beantworten sind. Gesucht wird nicht nur eine Antwort in eigener Sache, auch die Maßstäbe für Frage und Antwort müssen erst noch gefunden werden. Nicht viel anders ist es mit der Frage, was Tiere sind. Auch eine Antwort darauf hängt davon ab, ob wir uns als ähnlich begreifen oder uns abgrenzen, ob wir Unterschiede betonen oder Gemeinsames. Monotheistische Religionen verstehen den Menschen als Zwischenwesen, erschaffen und endlich wie alle Geschöpfe, aber auch Abbild Gottes und begabt mit einem göttlichen Funken namens Vernunft.

In der Philosophie beschäftigt sich bereits im antiken Griechenland Aristoteles mit der Stellung von Menschen und Tieren in der Natur. Für Menschen hebt er ein einzigartiges Vermögen der Vernunft hervor, das in der Verbindung von Sprache und Rationalität begründet werden kann1. Später trennt Descartes Menschen kategorisch strenger, indem er sie als duale Wesen aus Körper, „res extensa“2, und Geist, „res cogitans“ (ebd.), versteht, während Tiere seelenlose Körper oder Körperautomaten3 sind. Der philosophisch erste wichtige Widerspruch kommt von Michel de Montaigne, der Tieren einen Geist zuschreibt und eine prinzipielle Differenz zwischen Mensch und Tier ablehnt. Dieser Widerspruch ist, obwohl er lange nicht ernst genommen wurde, deshalb wichtig, weil er die gängige Gegenposition zur prinzipiellen und kategorischen Trennung bildet. Aber aufgrund der zweifellos großen Unterschiede zwischen Tieren und Menschen, allein schon was die Sprachfähigkeit betrifft, wurde lange vor allem eine Position vertreten, die auf die eine oder andere Weise einen kategorialen Unterschied annimmt. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde die Debatte über die Fähigkeiten von Tieren neu entfacht. Zum einen, weil in der Ethologie, als einer vergleichenden Verhaltensforschung, neue Erkenntnisse gewonnen wurden, zum anderen, weil diese Erkenntnisse im Lichte des Wissens aus Evolution und Genetik interpretiert werden.

Keine andere Wissenschaft beschäftigt sich schon so lange mit den Fähigkeiten von Tieren wie die Philosophie. Aristoteles untersuchte und beschrieb z.B. in „De anima“4 Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Pflanzen, Tieren und Menschen. Danach verfügen alle über bestimmte Seelenvermögen, durch die sie Teil der lebendigen Natur werden. Alle können sich ernähren und fortpflanzen, Tiere und Menschen verfügen über Wahrnehmungsvermögen, manche Tiere auch über Vorstellungskraft, während das Vermögen des Verstehens, der Verstand, exklusiv den Menschen zukommt. Der Verstand als prinzipieller, kategorialer Unterschied zwischen Tier und Mensch ist seither im Fokus der Debatte um die Fähigkeiten der Tiere. Grundlegende Theorien lassen sich danach unterscheiden, wie sie sich zu dieser auf Aristoteles zurückgehenden Position verhalten. Wer einen prinzipiellen Unterschied verneint, vertritt einen sogenannten Assimilationismus und erkennt nur graduelle Unterschiede zwischen Tier und Mensch an. Wer der Linie Aristoteles‘ folgt und deshalb an zumindest einem kategorialen Unterschied zwischen Tier und Mensch festhält, wird als Differenzialist bezeichnet5.

Die aktuelle Naturforschung z.B. an Primaten steht vor der Herausforderung, eine angemessene Erklärung für beobachtetes Verhalten zu liefern und die Frage zu beantworten, ob und inwieweit dabei kognitive Fähigkeiten eine Rolle spielen. Eine Aufgabe der Philosophie - insbesondere in der Disziplin der theoretischen Philosophie - besteht dabei darin, die Hintergründe aufzudecken und zu klären, ob und unter welchen Umständen kognitive Zuschreibungen an Tiere erlaubt sind. Wie kann eine solche Aufgabe gelöst werden? Ein Problem dabei ist das Fremdpsychische. Thomas Nagel stellt in „What Is It Like to Be a Bat“6 dar, dass wir Menschen sprichwörtlich nicht aus unserer Haut können, wir können daher nicht erkennen, was in einem Tier vorgeht. Wir wissen nicht, wie es für die Fledermaus ist, eine Fledermaus zu sein, dieser Zugang fehlt. In ähnlicher Weise argumentiert Donald Davidson, wir dürften nicht einfach annehmen, dass der in einem Aufsatz bei Norman Malcolm7 zitierte Hund, der den falschen Baum hinaufbellt, denkt, die Katze sei auf dem Baum8. Das sei zwar das, was wir vermutlich in der entsprechenden Situation denken würden, in der wir eine Katze jagen wollten. Doch das zeige uns eben nicht, ob ein Hund etwas will oder denkt, geschweige denn, was das ist.

Kurz: es fehlt die Möglichkeit, aus beobachtetem Verhalten von Tieren direkt kognitive bzw. geistige Fähigkeiten abzuleiten und zuzuschreiben. Allerdings ist das auch bei Menschen nicht unproblematisch. Wenn wir das Verhalten unseres Gegenübers beobachten, können wir auch nicht wissen, was dieser denkt, bzw. beabsichtigt oder will. Der Unterschied ist hier aber, dass wir ihn fragen könnten. Erfahrungsgemäß gibt es eine Erklärung für das, was jemand beabsichtigt oder tut. Damit sind wir z.B. in der Lage, mögliche Intentionen oder logische Überlegungen des Gegenübers nachzuvollziehen. Aber mein Gegenüber ist eben auch ein Mensch, der sprachbegabt und Aristoteles zufolge vernunftbegabt ist9.

Um auch nur theoretisch Verhaltensweisen von Tieren zu deuten, müssen wir von dem ausgehen, was wir über sie wissen. Wir brauchen einen Zugang, der es erlaubt, Verhalten zu beobachten und so zu interpretieren, dass die Ergebnisse nicht nur unsere Kognitionen spiegeln und in nicht kognitive Wesen projizieren. Diesen Zugang zu finden wird also die erste Aufgabe sein.

Alle, die sich an dieser Debatte beteiligen, ob sie nun einen prinzipiellen Unterschied zwischen Tieren und Menschen annehmen oder bestreiten, sind auf einige zentrale Begriffe angewiesen, die immer wieder auftauchen. Einige dieser Begriffe werden notwendigerweise auch für diese Arbeit wichtig sein, andere lasse ich bewusst aus, um das Themenfeld nicht zu weit abzustecken. Es wird daher nicht um einen Geist, ein Bewusstsein oder eine Seele10 der Tiere gehen, sondern primär darum, ob Tiere denken können, ob sie also Gedanken haben, ob sie darüber hinaus sogar über Begriffe verfügen und damit zusammenhängende Fragen. In diesem Kontext werden Begriffe wie KOGNITION, REPRÄSENTATION, VORSTELLUNG, ÜBERZEUGUNG, HANDELN, INTENTIONALITÄT, RATIONALITÄT und SPRACHE von Bedeutung sein .

Sind die notwendigen Begriffe geklärt und eingeführt, kann das Verhalten von Tieren erforscht und bestimmt werden, können Fähigkeiten zugeschrieben oder abgesprochen werden. Um überprüfen zu können, ob und inwieweit solche Zuschreibungen auch adäquat sind, müssen auch ihre Bedingungen genannt und transparent gemacht werden, denn unter welchen Umständen ich bereit bin, Fähigkeiten anzuerkennen oder auch nicht, hängt stark von der wissenschaftlichen Position ab, die ich vertrete. Hinzu kommt, dass einige der genannten Begriffe eng miteinander verknüpft sind, so eng, dass etwa im Fall von Sprache und Gedanken oder von Intentionalität bzw. Rationalität und Handeln das eine nicht ohne das andere zu haben zu sein scheint.

Von daher ist es besonders wichtig, die verwendeten Begriffe zu untersuchen, sie zu bestimmen, zu erhellen, unter welchen Bedingungen sie auftreten, und sie von anderen Begriffen möglichst deutlich zu unterscheiden. Das ist schon deshalb schwierig, weil es ganz unterschiedliche Positionen zur Geltung der erwähnten Begriffe gibt, die z.T. die Theoretische Philosophie schon sehr lange beschäftigen; man denke nur etwa an Platons Ideenlehre11 oder Descartes Cogito-Argument, dem methodischen Beweis der eigenen Existenz, die er, solange er denkt, nicht bezweifeln kann („ego cogito, ergo sum“)12. Eine zweite Aufgabe wird deshalb darin bestehen, ein begrifflich geeignetes Instrumentarium dafür zu entwickeln, beobachtetes Verhalten von Tieren nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu verstehen und zu erklären.

Auch die Entscheidung, um welche Tiere es gehen soll, ist beim Versuch einer Verhaltensinterpretation von Bedeutung. Es gibt starke Unterschiede in der Physiologie und in den Fähigkeiten verschiedener Tiere. Das Tierreich ist mannigfaltig, es reicht von Einzellern zu hoch entwickelten Säugetieren, es gibt Vertebraten und Invertebraten, Destruenten, im Boden lebende Tiere, Vögel, Fluchttiere, Raubtiere, parasitäre Organismen und symbiontische. Manche dieser Tiere bzw. Organismen entziehen sich völlig einer Verhaltensinterpretation, da ihre Existenz z.B. zu starr (beispielsweise bei Einzellern) oder zu unerforscht ist (wie z.B. bei den meisten Tiefseelebewesen), andere Arten sind uns seit Jahrtausenden bekannt, sind teilweise nah mit der Lebensweise der Menschen verknüpft (z.B. im Falle von Nutztieren wie Schweinen), sind zumindest einige Jahrzehnte erforscht (wie bestimmte Affenarten) und zeigen, was am wichtigsten ist, ein reichhaltig-lebendiges Verhalten, in dem die Ethologie Spuren der Nahrungssuche, der Fortpflanzung, der Interaktion mit Artgenossen etc. ausmachen kann. Indem so viele unterschiedliche Tiergattungen und -arten viele verschiedene Merkmale tragen und Fähigkeiten besitzen, sind einige besser für eine Verhaltensinterpretation geeignet als andere, und was für eine Art gilt, muss nicht auch auf eine andere zutreffen. Daher sollte sich eine Untersuchung auf solche Tierarten konzentrieren, bei denen nach derzeitigem Stand des Wissens aussagekräftige Ergebnisse zu erwarten sind.

Im Folgenden werde ich mich daher vor allem auf die Forschung an Primaten beziehen, bei denen in den letzten Jahrzehnten hoch entwickelte Fähigkeiten nachgewiesen werden konnten, exemplarisch und in der notwendigen Kürze werde ich aber auch Experimente mit Vögeln (v.a. mit Rabenvögeln) und Beobachtungen an Hunden berücksichtigen.

2. Vorgehen und Ziele der Arbeit

Folgen wir den historischen Spuren bei der Debatte um eine Tier-Mensch-Differenz, kommen wir auf die Antike mit Aristoteles‘ Arbeiten wie De anima, aber auch auf seine „ Historia animalium“ 13 zurück. In De anima beschreibt Aristoteles drei verschiedene Seelenvermögen, die aufeinander aufbauen und von denen wir deshalb als Menschen auch eines oder zwei mit Pflanzen und Tieren teilen. Was allen Lebewesen gemeinsam ist, ist die Nährseele, sie besteht im Vermögen, sich zu ernähren und fortzupflanzen, sie kommt deshalb auch den Pflanzen zu14. Das Vermögen der Wahrnehmung ist das nächst höherstehende Seelenvermögen, über das nur noch Menschen und Tiere verfügen. Das dritte Seelenvermögen besteht im Denkvermögen, es ist gekennzeichnet durch die Fähigkeit des Verstehens, also den Verstand, und unterscheidet so den Menschen von anderen Wesen. Eine kategoriale Einzelstellung des Menschen geht somit Hand in Hand mit den ontisch zusätzlichen Fähigkeiten. Für Aristoteles belegt das keine Hierarchie von Menschen über Tiere und Pflanzen, sondern eine Anders artigkeit. Montaigne hingegen lehnt später eine prinzipielle Trennung ab. Damit ist ein erstes Konfliktfeld umschrieben.

In dieser Arbeit wird es nicht darum gehen, den Konflikt zwischen Differenzialismus und Assimilationismus entscheiden zu wollen. In erster Linie soll eine Grundlage gefunden werden, auf der die Forschungsergebnisse der Ethologie angemessen interpretiert werden können. Ziel ist es, ein besseres Verständnis der unterschiedlichen Fähigkeiten und Verhaltensweisen von Tieren zu entwickeln. Das allerdings wird nur im Rahmen der Auseinandersetzung von Differenzialismus und Assimilationismus möglich sein, und zwar so, dass die Argumente beider Seiten bedacht und berücksichtigt werden.

Doch um welche Fähigkeiten von Tieren handelt es sich genau? Ontologisch gehe ich davon aus, dass es eine objektive Welt gibt, die Sinneswesen nur subjektiv wahrnehmen. Diese reagieren auf äußere Einflüsse, verarbeiten sie z.B. in Vorstellungen, nutzen Gelegenheiten, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, und sind Teil der lebendigen Welt. Welche dieser Fähigkeiten könnten die unterschiedlichen Sinneswesen gemeinsam haben? Bei der Suche danach werde ich von kognitiven Fähigkeiten sprechen. Im Vergleich mit dem Begriff des Mentalen, des Geistes oder der Psyche scheint mir der der Kognition umfassender zu sein, ohne zu viel vorwegzunehmen. Der Kognitionsbegriff soll hier als Oberbegriff dienen, der Vorstellungen, Intentionen und mentale Repräsentationen, aber auch Gedanken und Überzeugungen unter sich vereinen kann. Damit unterscheidet sich der hier verwendete Kognitionsbegriff z.B. von dem Glocks, der kognitive von konativen Fähigkeiten trennt, um Kognition von Intention zu trennen15. Ich versuche nicht, den Kognitionsbegriff zu definieren, vielmehr leihe ich ihn mir, um das Themenfeld großzügig genug einzugrenzen. Kognition kommt vom lateinischem cognoscere, was schon von der Wortbedeutung her das weite Feld des Erkennens, Wahrnehmens, Kennenlernens und Wiedererkennens absteckt16. Das „Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik“17 spricht von Kognitionen bei allen Prozessen des Wahrnehmens, Denkens, Erinnerns und deren Ergebnissen wie Wissen, Überzeugungen oder Einstellungen (s. ebd.). Damit wird der Kognitionsbegriff für ein breites Spektrum verschiedener Vorgänge verwendet. Aber wo dem Begriff des Geistigen Mystifizierung oder Dualismus drohen könnten, besteht beim Kognitionsbegriff die Gefahr eines Reduktionismus, bei dem Kognitionen auf Informationsverarbeitung oder neuronale Prozesse reduziert werden. Zweifellos gibt es neuronale Prozesse, aber mit dem Fokus darauf, was wann im Gehirn vorgeht, ist keine Erklärung zu finden, was Denken bedeutet. Dasselbe gilt auch für den Begriff der Information, angewendet auf das Denken, denn der Informationsbegriff ist dermaßen allgemein, vage und uneinheitlich definiert, dass er von einem Reiz wie dem Lichteinfall in die Pupille18 bis zur Unwetterwarnung des Meteorologen19 reicht.

Mit der Entscheidung, über kognitive Fähigkeiten zu sprechen, ist eine semantische Abgrenzung zu eher physiologischen und motorischen Fähigkeiten wie der Flugfähigkeit oder der zum Gehen20 gemeint, um die es hier nicht gehen wird. Auf welcher Grundlage sind nun die Tier-Kognitionen zu erforschen? Schon ganz vorwissenschaftlich erkennen wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Tieren und Menschen. Es reicht ein Blick ins Grüne, um festzustellen, dass der Vogel auf dem Baum - im Vergleich zu mir - fliegen kann, aber - wie ich - Nahrung braucht. Diese Zuschreibungen fallen uns leicht, denn wir teilen eine physische Welt mit Tieren. Doch genau das verführt auch dazu, zu schnell über ihre kognitiven Fähigkeiten zu urteilen, entweder indem wir unsere auf sie projizieren, oder indem wir solche Fähigkeiten bestreiten, weil wir vor allem die Unterschiede im Blick haben. Bereits deshalb ist es als Mensch mit bestimmten Kognitionen schwierig, unvoreingenommen und auf wissenschaftlicher Basis mögliche kognitive Fähigkeiten von Tieren zu erforschen. Ob und inwieweit die Positionen des Assimilationismus und Differenzialismus als methodische Grundlage für eine Untersuchung der Tierkognition dienen können, prüfe ich im folgenden Kapitel.

Neben einer methodischen Grundlage wird ein wissenschaftlicher Zugang benötigt, der es erlaubt, ein Fremdpsychisches zu erfassen und tierliches Verhalten zu interpretieren. Im Kontext dieses Zugangs stelle ich Morgan’s Kanon dar und prüfe, was die Forderung bedeutet, Tieren aufgrund ihres Verhaltens nur kognitive Fähigkeiten zuzuschreiben, die fair auf einer möglichst niedrigen Stufe interpretiert werden können. Wie ist es möglich, ein Tierverhalten fair zu beurteilen? Eine prominente lingualistische Position, auf die ich im Kapitel 3.2 eingehe, stützt sich auf die Voraussetzung, dass Tiere sprachlose Wesen in dem Sinne sind, als ihnen eine rekursive Sprache fehlt. Damit wird die theoretische Zuschreibung von denken an Tiere von vornherein problematisch.

Zur Vorbereitung der Leitfrage, ob Tiere Gedanken und Begriffe haben, führe ich die wesentlichen Begriffe der Tierkognition ein und stelle in Kapitel 4 zunächst die Begriffe der Repräsentation, Vorstellung und Intentionalität vor. Diese betreffen kognitive Fähigkeiten und werden als basaler angesehen als das Denkvermögen. Um dabei den Begriff der Intentionalität besser zu verstehen, werde ich mich auf Joëlle Prousts „Das intentionale Tier“21 beziehen. In diesem Kontext geht es auch um Überzeugungen und Handlungen; um diese Begriffe zu beleuchten, ziehe ich Hans-Johann Glocks Position22 heran.

Anschließend gehe ich auf einige Beobachtungen und Forschungsergebnisse ein, die nahelegen, dass es Gedanken bei Tieren geben könnte, dabei analysiere ich den Begriff der Gedanken und des Denkens. Hierbei berücksichtige ich die Position Glocks (Kap. 5.1). Ausgehend von Ludwig Wittgensteins Diktum, Denken sei ein weitverzweigter Begriff, überlege ich, was alles als denken gelten kann. Hier beziehe ich mich auf kognitive Fähigkeiten von Tieren und ziehe Ergebnisse Prousts23, aber vor allem Beobachtungen, die Nicola Clayton24 an Hähern und Michael Tomasello (2014)25 an Schimpansen gemacht hat, heran. Tomasello geht davon aus, für Primaten Gedanken nachweisen zu können.

Im zweiten Hauptteil geht es um die Frage, was es heißt, über Begriffe zu verfügen, und ob Tiere Begriffe haben (Kap. 6). Dazu werden drei konkurrierende Ansätze vorgestellt, nach denen Begriffe (a) als mentale Repräsentationen, (b) als abstrakte Gegenstände und (c) als Fähigkeiten verstanden werden. Um diese Ansätze besser einordnen zu können, greife ich u.a. auf Immanuel Kants Bestimmung eines Begriffs in seiner „Kritik der reinen Vernunft“26 zurück. Anschließend erläutere ich kurz Vorzüge und Schwächen der Ansätze (Kap. 6.1) und diskutiere, was sie für das Verständnis kognitiver Fähigkeiten von Tieren leisten. Im Kontext des Fähigkeiten-Ansatzes gehe ich exemplarisch auf die Position Glock ein. Schließlich führe ich mit Ruth Millikans Vorschlag eines Unicepts eine Alternative zum Begriff ein und frage, ob Tiere über Unicepte statt über Begriffe verfügen (Kapitel 6.3). Abschließend prüfe ich, ob Tieren Gedanken und Begriffe zugeschrieben werden können.

3.1. Im Kontext von Differenzialismus und Assimilationismus

Um die heute gängigen differenzialistischen und assimilationistischen Positionen besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf Aristoteles‘ Bestimmung einer menschlichen Natur und damit auch zu einer anthropologischen Differenz von Tier und Mensch.

Aristoteles entwickelt zwei Begriffe des Menschen, die für diese Untersuchung relevant sind. Zum einen versteht er den Menschen als „zôon lógon échon“27, zum anderen als “zôon politikon“ (ebd., 1253a3-4, 7-9). In der römischen Antike übersetzt Cicero zôon lógon échon mit ‚animal rationale‘28, also als rationales bzw. vernunftbegabtes Tier29, ein zôon politikon wird heute als Lebewesen verstanden, das eine politische Gemeinschaft gründen und in ihr leben kann, auch weil es zum sprachlich-diskursiven Abwägen des gemeinsamen Vorteils in der Lage ist30. Indem mit oder seit Cicero zôon als Tier verstan­den wird, wird ein Grundstein für das abendländische Verständnis des Menschen als ein spezifisches Tier gelegt. Markus Wild betrachtet ein solches Verständnis als Antwort auf die Frage nach der anthropologischen Differenz und fügt hinzu, dass diese Antwort oft in der Formel gerinne, der Mensch sei das Tier + X31. Wenn der Mensch ein bestimmtes Tier ist, wird es erst wichtig, sich von diesem abzugrenzen. Entsprechend hebt der Speziezismus das Besondere am Menschen hervor, das ihm einen höheren Wert verleiht und eine „bevorzugte Behandlung“32 begründet.

Wird zôon aber als Lebewesen verstanden, stehen Menschen, Tiere und Pflanzen als je eigene Kategorien des Lebendigen33 nebeneinander.

Und obwohl für Aristoteles der Mensch auch Teil der „scala naturae“34 ist und er ihn in seine vergleichenden zoologischen Studien einschließt (s. AA, S. 18), entzieht sich der Mensch in seiner Rolle als vernunftbegabtes Wesen einer rein biologischen Analyse35.

Aristoteles versteht die Begriffe zôon lógon échon und zôon politikon nicht unbedingt als Definitionen des Menschen, die Notwendigkeit und eine hinreichende Erklärung (s. AA, S. 3) fordern, sondern eher als Seinsweisen, als Ideen, denen kein Mensch dauerhaft ge­recht werden kann, die aber seine Fähigkeiten und seine Lebenswelt erklären36. Und ob­wohl Vernunft eine rein menschliche Fähigkeit ist, der wir v.a. mittels der Sprache Aus­druck verleihen37, werden Natur und Seelenvermögen schon begrifflich als eine Einheit verstanden, in der das eine nicht im anderen aufzulösen ist.

Wenn dagegen heute Biologie und Medizin die Logos- bzw. Rationalitäts-Aspekte weit­gehend ausblenden, entsteht eine eindimensionale Sicht, die sich im Anschluss an Dar­wins Evolutionslehre nur darauf berufen kann, dass wir Menschen nach heutigem Stand der Genetik nicht nur gemeinsame Vorfahren mit Affen, sondern auch etwa 99% der DNA mit Bonobos und Schimpansen teilen38.

Nun könnte man annehmen, dass die ontologische Spannung zwischen zōon und lógon échon bzw. politikon durch verschiedene Wissenschaften auflösbar sei. Aber es ist u.a. die Aufgabe der Philosophie, das Ganze im Blick zu behalten und Ergebnisse anderer Wissenschaften zu berücksichtigen, um eine reduktionistische Lesart zu vermeiden.

Vor diesem Hintergrund betrachten wir die beiden Positionen, die sich in der Debatte um die Mensch-Tier-Differenz gebildet haben. Auf der einen Seite ist der Differenzialismus, der Aristoteles folgt, wenn er Tiere kategorisch von Menschen unterscheidet. Mit einer ‚weichen‘ Grenze, die in einer abendländischen, nicht-aristotelischen Tradition steht und diese auch nicht versteht, ergibt sich ein Anthropismus39, der den Menschen als das ein­zige vernunftbegabte Tier klassifiziert, entsprechend der Lesart eines animal rationale. Anthropismus ist allerdings keine wissenschaftliche Position, sondern anthropozentrische Ideologie. Mit einer ‚strengen‘ Grenze ist der Mensch ein kategorial einzigartiges Wesen, weil es Vernunft (logos, s. Aristoteles, Politik, I 2, 1253a9) besitzt. Die andere Seite bildet der Assimilationismus40, nach dem Menschen Tieren biologisch ähnlich sind. Menschen bilden einen Teil des Tierreichs, so dass entsprechend von nicht-menschlichen Tieren und menschlichen Tieren gesprochen wird. Eine kategoriale Unterscheidung wird abgelehnt, auch mit der Absicht, eine Dichotomie zu vermeiden. Doch es gibt auch Zweifel an der Fragestellung selbst. So schreibt Keil in „Was nur menschliche Tiere können: eklatante Unterschiede kleinreden“41 mit Bezug auf das Sorites-Paradox42, dass aus der Debatte „über semantische Vagheit [ ] bekannt [ist], dass randbereichsunscharfe Prädikate das „Sorites-Paradox“ erzeugen […]. Wann schlägt Quantität in Qualität um? Worin besteht der Unterschied zwischen einem riesigen graduellen Unterschied“ (Keil, S. 68) und einem prinzipiellen? Keil fordert, dass Differenzialisten und Assimilationisten jeweils erklären, wo­rin genau die Meta-Differenz zwischen einem prinzipiellen oder einem riesigen graduellen Unterschied besteht (s. ebd.). Aber genau das ist unmöglich, solange auf tierliche Kogni­tion nur „randbereichsunscharfe Prädikate“ (ebd.) angewendet werden können und so­lange Kognition als Element eines Haufens oder eines Klumpens43 beschrieben wird. In der Einleitung zu Aristotle’s Anthropology verweist Keil (s. AA, S. 7-16) exemplarisch auf eine Vielzahl notwendiger Modifikationen unseres für Menschen maßgeschneiderten Vokabulars (s. AA, S. 13). Assimilationisten meinen, bei Tieren geringe kognitive Fähig­keiten zu beobachten, die aber von gleicher Art wie bei Menschen sind, während Diffe­renzialisten lieber ein „ analogon rationalis“44 diagnostizieren. Auf der Ebene der sprachli­chen Bezeichnungen leiten die einen die Bedeutungen eines Wortes aus seinem Ge­brauch in der Alltagssprache ab, während die anderen auf einer wissenschaftlich eingeführten Begrifflichkeit bestehen. Dabei zeigt Keil am Beispiel des Wahrnehmungsbe­griffs, dass man zugestehen kann, dass Tiere Dinge wahrnehmen, während man ein­räumt, dass dies anders als bei Menschen funktioniert45. Für Keil gibt es keine scharfe Grenze der Kognitionen, während gleichzeitig klare Fälle anzeigen, wo ein beobachtetes Verhalten kognitiv ist oder nicht46. Erst nach gründlicher Prüfung der Einzelfälle kann man ein Urteil darüber wagen, wo eine graduelle Unterscheidung erlaubt und wo eine katego­rische Unterscheidung geboten ist. Gleichzeitig darf ein einmal eingenommener Stand­punkt auch nicht dazu führen, dass Fragen nicht mehr gestellt oder gestellte Fragen nicht mehr geprüft werden. Empirisch ist festzustellen, welche Fähigkeiten es bei einzelnen Tierarten gibt, und theoretisch-begrifflich ist zu prüfen, ob ein beobachtetes Verhalten tat­sächlich eine kognitive Zuschreibung erlaubt. Insofern bringen offen gestellte Forschungs­fragen und deren skeptische Prüfung neue Erkenntnisse.

Eine assimilationistische Position scheint attraktiv, weil z.B. genetisch und evolutionär immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Menschenaffen entdeckt wer­den. Das lässt erwarten, dass bei einer beobachteten Ähnlichkeit im Verhalten und einer unterstellten Kontinuität der Entwicklung auch kognitive Ähnlichkeiten entdeckt werden könnten. Dabei steht der Assimilationismus vor dem Problem, dass ein Verhalten bei Tie­ren, das als menschenähnlich gelten kann, allzu leicht zu Zuschreibungen führt, bei denen Tiere mit Intentionen, Denken und Begriffen ausgestattet werden. Dabei wäre auch im assimilationistischen Rahmen ein unreflektierter Anthropomorphismus unzureichend. Wie Millikan betont, können Bedenken gegenüber einer Ausstattung von Tieren „mit Intentio­nen, Plänen oder menschenartigen Zwecken“47 nur sinnvoll überprüft werden, wenn man eine Theorie darüber hat, was solche Zwecke und Kognitionen eigentlich sind, und dazu sollten „die notwendigen Zuschreibungen so explizit wie möglich gemacht werden“ (ebd.). Und einem Speziezismusvorwurf wäre so auch nicht beizukommen, denn dieser lässt sich auch damit rechtfertigen, dass Menschen gegenüber ‚nichtmenschlichen Tieren‘ mehr Rationalität, Begriffe etc. hätten und daher besser seien.

Eine differenzialistische Position sieht eine kategoriale Trennung zwischen Menschen und Tieren vor, die scharfe Trennlinie ist ein absolutes Alles-oder-Nichts der Vernunft, da Tiere und Menschen ontologisch verschieden sind. Dass diese Positionen gegenüber anthro­pomorphen Erklärungen des Verhaltens von Tieren skeptischer zu sein scheinen als ge­genüber einer behavioristischen Interpretation, dürfte damit zusammenhängen, dass eine anspruchsvolle Kognition exklusiv Menschen zugeschrieben wird. Das schließt die Gefahr ein, dass der Differenzialismus womöglich blind für bestimmte kognitive Leistungen bleibt und jedes Verhalten eines Tieres vorschnell im Sinne eines Reiz-Reaktions-Mechanismus deutet. Für Nicht-Differenzialisten kommen dabei die biologischen Übereinstimmungen zu kurz, weil zoologisch Menschen z.B. auch Säugetiere sind. Aber weil der Mensch - diffe­renzialistisch verstanden - ontologisch eigenständig ist, geht der Hierarchie- und Spezie­zismusvorwurf ins Leere, zumindest mit der Annahme einer starken Grenze, die Aristoteles folgt, da durch das strikte, kategoriale Anderssein gar keine Hierarchie be­gründbar ist. Auch wenn es im zoologischen Kontext sinnvoll sein mag, Menschen als eine Art von Tier zu betrachten, muss man in der Philosophie von Menschen als einer eigen­ständigen Kategorie sprechen. Die Frage, was der Mensch ist, ist eine ontologische Frage, daher kann weder von logos noch von psyche oder physis abstrahiert werden. Menschen zu denken heißt sie als komplette Lebewesen zu denken. Reduktionismus ist keine Lösung, sondern ein Kategorienfehler.

Im Ergebnis gehe ich von einer streng differenzialistischen Position mit wenigstens einer kategorialen Grenze aus. Diese Grenze trennt nicht nur ontisch Menschen und Tiere, die sich evolutionär zu faktisch eigenständigen Lebewesen entwickelt haben, sondern auch ontologisch, weil die menschliche Seinsweise fundamental von der der Tiere zu unter­scheiden ist, und zwar dadurch, dass sie bereits als different konstituiert ist. Zur Begrün­dung greife ich auf Heidegger zurück, der Menschen fundamentalontologisch48 als Lebe­wesen bestimmt hat49, die ein Verhältnis zu sich selbst eingehen, indem sie ein Verständ­nis von Welt, Sprache und Tod entwerfen. In diesem Entwurf erschließen sie sich den Bedeutungszusammenhang ihrer Existenz. Tiere dagegen gelten für Heidegger als welt­arm oder benommen, weil sie vom Seienden absorbiert werden, ohne dass dieses ihnen offenbar würde (s. ebd., S. 273ff. und S. 358ff.). In der Folge suche ich klare Fälle, durch die definiert werden kann, welche kognitiven Fähigkeiten nur Menschen vorbehalten sind. Die Überzeugung einer bloß ‚graduellen Trennung‘ von Mensch und Tier ist nicht nur für eine methodische Analyse zu unscharf. Auch Assimilationisten bestreiten nicht unbedingt, dass es exklusiv menschliche Fähigkeiten gibt50, sie ziehen aber die Grenze anders und an anderer Stelle als Differenzialisten. Zuerst versuche ich die Randbereichsunschärfe bei einfachen Phänomenen aufzuhellen und festzustellen, welches Verhalten behavioristisch erklärt werden kann. Hier werden auch keine anthropomorphen Zuschreibungen benötigt. Und da ich methodisch eine differenzialistische Position einnehme, muss ich angeben, wo eine Grenze liegt. Ich hoffe, dass auf diese Weise vorgenommene Zuschreibungen so gut begründet sind, dass Vertreter beider Seiten zustimmen können.

Weil kognitive und konative Zuschreibungen fremdpsychisch sind und deshalb nur Schlüsse einer besonderen Art (s.u.) erlauben, müssen die in Frage kommenden Tiere so beschaffen sein, dass eine derartige Zuschreibung nicht schon a priori ausgeschlossen ist. Das können wir nur feststellen, wenn diese uns Menschen hinreichend ähnlich sind.

Wir haben z.B. mit allen Tieren gemein, dass wir kohlenstoffbasierte Lebewesen sind, mit den meisten, dass wir einen Blutkreislauf haben, und mit vielen, dass wir Gehirne haben, von denen aus neuronale Zustände erzeugt werden, die es u.a. physisch ermöglichen, Sinneseindrücke zu verarbeiten. Die Gemeinsamkeiten anzuerkennen bedeutet nicht, ei­nem Biologismus51 zu verfallen, sondern eine Tür zu öffnen, wie mit dem Problem des Fremdpsychischem umgegangen werden kann, eben weil Gemeinsamkeiten auch homo­log, durch gemeinsame Vorfahren entstanden sind. Wird dies mitbedacht, eröffnet dies die Möglichkeit, auch nach kognitiven Fähigkeiten von Tieren zu fragen. Im Nachgang können wir dann auch Zuschreibungen vornehmen, indem wir beispielsweise die Be­obachtung, dass sich manche Tiere im Schlaf bewegen und dabei Laute von sich geben, so deuten, dass sie wohl – wie Menschen auch – träumen (s.u. zu Aristoteles). Tomasellos Standardannahme bei seinen Forschungen an Menschenaffen ist eine evolutionäre Kon­tinuität, was bedeutet, „wenn Menschenaffen sich genauso wie Menschen verhalten, ins­besondere in [ ] kontrollierten Experimenten, werden wir eine Kontinuität der zugrundelie­genden kognitiven Prozesse, die dabei beteiligt sind, annehmen. Die Erklärungslast liegt somit bei denen, die evolutionäre Diskontinuitäten postulieren“ (Tomasello 2014, S. 32). Vor diesem Hintergrund geht es zuerst um die Frage, ob es Tiere gibt, die denken können, und anschließend darum, ob es Tiere gibt, die (zusätzlich) Begriffe haben.

3.2. Methodische Überlegungen und Entscheidungen – auf der Suche nach der besten Erklärung

Bei der Entscheidung, ob Tiere denken können oder über Begriffe verfügen, scheidet eine sichere Methode von vornherein aus52. Deduktive Schlüsse schließen vom Allgemeinen aufs Besondere und sind informationserhaltend. Sie sind hier ausgeschlossen, weil das gesucht wird, was vorausgesetzt werden müsste. Dagegen sind induktive Schlüsse informationserweiternd, sie schließen vom Besonderen aufs Allgemeine. Da sie Erfahrungsschlüsse sind, können sie nicht logisch, sondern nur psychologisch gerechtfertigt werden. Ein Verfahren, das formal zu den induktiven Schlüssen gehört, aber einen ganz besonderen Akzent setzt, hat Charles Sanders Peirce bekannt gemacht: die Abduktion:

„Die Abduktion ist der Vorgang, in dem eine erklärende Hypothese gebildet wird. Es ist das einzige logische Verfahren, das irgendeine neue Idee einführt […] Die Deduktion beweist, daß etwas der Fall sein muß; die Induktion zeigt, daß etwas tatsächlich wirksam ist; die Abduktion vermutet bloß, daß etwas der Fall sein mag53.

Die Abduktion geht von einem Wahrnehmungsurteil aus (einem ‚Ergebnis‘), dazu bildet sie eine hypothetische Regelmäßigkeit (das ‚Allgemeine‘), um eine Konklusion zu erzeugen (einen „Fall“)54. Während die Leistung der Abduktion darin besteht, einen potenziell erkenntniserweiternden Vorschlag zu machen, ist auch ihre Schwäche offensichtlich, denn sie muss aus einer Beobachtung quasi rückwärts auf eine Ursache schließen. In Verbindung mit der Abduktion steht häufig die Suche nach der besten Erklärung. Das ist sinnvoll, weil man bei der Unsicherheit dieses Schließverfahrens besser erst konkurrierende Erklärungen als falsch erweist, bevor man eine Abduktion akzeptiert.

Es gibt keinen unmittelbaren Zugang zur Psyche bzw. zu Kognitionen von Tieren. Deshalb müssen Zuschreibungen im Bereich der Tierkognition vom beobachteten Verhalten ausgehen und es muss eine Perspektive der dritten Person eingenommen werden. Aber wenn an dieser Stelle nicht nur eine behavioristische Position übrig bleiben soll (vgl. Glock 2005, S. 164-167), liegt es nahe, die gültige Erklärung menschlichen Verhaltens unmittelbar auf Tiere zu übertragen, bei denen ein scheinbar gleiches Verhalten beobachtet wird. Doch dies wäre übereilt und würde die kategoriale Trennung von Mensch und Tier unberücksichtigt lassen. Um das zu vermeiden, ist es hilfreich, „Morgans Kanon“55 zu berücksichtigen. C. Lloyd Morgan formuliert in seinem Werk „An Introduction to Comparative Psychology56: „ In no case may we interpret an action as the outcome of the exercise of a higher psychical faculty, if it can be interpreted as the outcome of the exercise of one which stands lower in the psychological scale” (ebd., S. 53). In diesem Sinn wird Morgans Kanon immer wieder zitiert57, um der Gefahr eines unreflektierten, naiven Anthropomorphismus entgegenzutreten (s. Böhnert/Hilbert, S. 165). Aber das ist nur eine Stoßrichtung Morgans. Denn wenig später interpretiert Morgan seinen Standpunkt wie folgt:

“In no case is an animal activity to be interpreted in terms of higher psychological processes, if it can be fairly interpreted in [lower] terms […] [.] [Added] that the canon by no means excludes the interpretation of a particular activity in terms of the higher processes, if we [ ] have independent evidence of the occurrence of these higher processes” (Morgan, S. 59).

Morgan will demnach auf faire Weise Tieren die niedrigste Stufe psychologischer Zustände zuzuschreiben, die bei einem Verhalten möglich ist, und als fair gilt diese Zuschreibung dann, wenn bei Berücksichtigung aller relevanten Umstände keine Beweise für eine höhere Stufe vorliegen. Der Begriff der Fairness ist hier eine methodische Norm innerhalb einer Tierpsychologie, es geht nicht um eine ethische Praxis im Umgang mit Tieren. Weil seine Skala den Bereich psychologischer Zustände abdecken soll, nimmt Morgan damit bereits die Existenz derartiger Zustände an. Deshalb geht es schon um die Qualität dieser Zustände (s. Böhnert/Hilbert, S. 163), und die Anwendung des Kanons führt nicht automatisch zu einer behavioristischen Deutung. Auch dann nicht, wenn basale Stufen kognitiver Zustände wie ein Reiz-Reaktions-Mechanismus oder eine Assoziation die einfachere Erklärung sein sollten, denn „the simplicity of an explanation is no necessary criterion of its truth“ (Morgan, S. 54). 2012 hat Wild den Wert des Kanons angezweifelt58. Allerdings kritisiert ihn Wild „qua Einfachheit“ (ebd., S. 116), so dass seine Einwände eher als Warnung vor einer unreflektierten Verwendung des Kanons zu lesen sind.

Morgan nimmt eine evolutionäre Kontinuität an. Vor dem Hintergrund genetischer Ähnlichkeit und einer gemeinsamen Evolutionsgeschichte setzt er voraus, dass es bei Menschen und Tieren ähnliche Strukturen in Physis und Psyche gibt. Dieses Verständnis ist mit dem Zoon-Begriff der Lebewesen bei Aristoteles vereinbar. Es erlaubt, von unseren psychologischen Strukturen und Dispositionen auszugehen und zu erforschen, welche davon Tiere mit uns teilen könnten (s. Böhnert/Hilbert, S. 169).

Darüber hinaus deuten Böhnert und Hilbert Morgans Methode „als zweistufiges, induktives Verfahren [ ]. Für diese [ ] Induktion setzt er sowohl Kenntnisse der Humanpsychologie als auch Kenntnisse über die physiologischen Verhaltensweisen der Tiere voraus“ (ebd., S. 170). Es liegt nahe, dass Zuschreibungen unter diesen Voraussetzungen auch davon abhängig sind, wie nahe Tiere Menschen sind, genetisch, physiologisch und psychologisch. Auch von daher bieten Untersuchungen an Primaten die wohl höchsten Erfolgschancen auf faire Zuschreibungen expliziter, dem jeweiligen Verhalten zugrundeliegender psychologischer Stufen, die durch den Schluss auf die beste Erklärung kognitive Fähigkeiten begründen können.

Welche kognitiven Fähigkeiten sollen Tieren zugeschrieben werden, und gehören das Denken und das Verfügen über Begriffe zu diesen Fähigkeiten? Eine weit verbreitete Ansicht betont, dass Denken und Sprache unabdingbar zusammengehören, das eine gebe es nicht ohne das andere. Deshalb argumentiert eine von ihren Kritikern59 so genannte lingualistische Position, dass Tiere als sprachlose Wesen nicht denken, so z.B. in Davidson 2005. Wenn das Fehlen von Sprache den Zugang zum Denken versperrt, scheint jedes tierliche Verhalten als Ausdruck eines bloßen Reiz-Reaktions-Mechanismus gedeutet werden zu müssen. Dabei gibt es zwei Varianten. Klassisch behavioristisch ist die dyadische Auffassung, nach der durch einen sinnlichen Reiz eine Reaktion ausgelöst wird, moderner ist die triadische, nach der durch einen Input eine Operation als Informationsverarbeitung in Gang kommt, die in einem Output, dem Verhalten, mündet60. Das dyadische Modell lässt weder Intentionalität, Denken, Begriffe noch Vorstellungen zu. Das triadische hingegen ist vage, da unklar ist, was die Informationsverarbeitung sein soll, auch weil der Informationsbegriff vage und voraussetzungsreich ist. Um nicht jedes tierliche Verhalten behavioristisch zu erklären, muss verständlich gemacht werden, wie Tieren ohne Sprache Gedanken etc. zugeschrieben werden sollen. Um die in der Debatte verwendeten Begriffe überhaupt erst zu verstehen, sollen im folgenden Schritt einige von ihnen eingeführt werden. Ich beginne mit zentralen kognitiven Fähigkeiten: Vorstellungen, Repräsentationen und Intentionen.

4.1. Repräsentationen, Vorstellungen und Einführung in Intentionalität

Der Begriff der Repräsentation ist weit gefasst, er wird sehr häufig gebraucht und dient zu vielerlei Zwecken. In einem sehr allgemeinen Sinne könnte man z.B. davon sprechen, dass das Tragen eines Schulwappens die Schulzugehörigkeit repräsentiert. In einem engeren Sinn hat der Repräsentationsbegriff erkenntnistheoretische und sprachphiloso­phische Bedeutung: Repräsentation heißt eine Verbindung zwischen Realität und Sinnes­wesen durch die Wahrnehmung61. Umstritten ist dabei, wie Realität abgebildet wird und wie das mit Denken zusammenhängt. Grundsätzlicher ist die Frage, was es heißt, dass sie abgebildet wird; damit haben sich u.a. John Locke und Gottfried Wilhelm Leibniz beschäftigt (vgl. ebd.). Hier jedoch genügt die Frage, ob Tiere mentale Repräsentationen haben. Der Repräsentationsbegriff muss dabei nach zwei Seiten hin abgegrenzt werden. Zum einen muss man berücksichtigen, dass Tiere keine Schulwappen kennen und generell nicht über Zeichen oder Symbole als weltliche62 Repräsentationen verfügen. Zum anderen ist eine mentale Repräsentation eine kognitive Leistung, die Verbindung zwischen der wahrnehmbaren Welt und dem tatsächlichen Wahrnehmungsgehalt eines Sinneswesens ist kognitiv, nur dann kann von erkenntnistheoretisch relevanten, also von kognitiven oder mentalen Repräsentationen die Rede sein.

Wenn Proust den Begriff einer mentalen Repräsentation63 (s. Proust 2005, S. 225) einführt, grenzt sie ihn zu einer Repräsentation hin ab, die nicht mental ist. Wird z.B. der Kiemensiphon des Seehasen, einer Meeresnacktschnecke, durch Berührung stimuliert, ziehen sich durch einen Schutzreflex die Atemorgane zurück (s. ebd. S, 224f.). Dieser Vorgang ist ein klassisches Beispiel einer Reiz-Reaktion und scheint keine Fähigkeit zur Repräsentation zu erfordern. Dennoch kann dieser Reflex „durch Lernen verändert werden“ (ebd., S. 225): Wird die Berührung oft wiederholt, wird der Reiz irgendwann ignoriert. Allerdings könnte man im Alltag auch davon sprechen, dass ein Computer lernt, um aber einen Lernprozess weiter als kognitiv verstehen zu können, soll der Begriff des Lernens für kognitive Fähigkeiten vorbehalten bleiben. In Anlehnung an Fred Dretske fasst Proust kognitive Zustände mit einem repräsentationalen Gehalt zusammen: Für das Haben solcher Zustände gelten drei Bedingungen:

1. „Es gibt eine regelmäßige Kovarianz zwischen diesem Zustand und einer gegebenen äußeren Situation“ (ebd.), also eine Indikation, „durch die der innere Zustand eine Information über eine äußere Situation“ (ebd.) trägt.
2. „Der innere Indikator (d.h. der neuronale Zustand, der eine bestimmte Information trägt) hat die Funktion, die äußere Situation anzuzeigen. In diesem Fall repräsentiert d er Indikator die Situation“ (ebd.).
3. „Schließlich müssen die derart festgelegten inneren Zustände mit dem Status einer Repräsentation wahr oder falsch sein, d.h. »semantisch evaluierbar«. […] Sobald eine mentale Repräsentation erworben wird, muss sie richtig oder falsch anwendbar sein“ (S. 225f.).

Mentale Zustände mit einem repräsentationalen Gehalt sind eine kognitive Leistung und kein blinder Reflex. Mentale Repräsentationen ‚informieren‘ über eine äußere Situation, da sie „sinnliche Ganzheiten“ (Schnädelbach, S. 220) erfassen, z.B. als Repräsentation eines Löwen. Zum anderen folgt aus der notwendigen Andersartigkeit der Repräsentation im Vergleich zum Repräsentierten, dass Repräsentationen korrekt oder inkorrekt bzw. richtig oder falsch sein können. Sie können aber nicht „wahr oder falsch sein“ (s.o.), wie Proust - auch im französischen Original „vrai ou faux“64 - Dretskes dritte Bedingung zusammenfasst. Denn Wahrheitswerte können Urteilen zugesprochen werden, aber nicht Repräsentationen. Diese können nur zu den Propositionen führen, wenn eine Behauptung einen Aspekt der Welt repräsentiert. Nach dem Verständnis Wittgensteins65 kann etwa die Behauptung, dass da ein Löwe ist, die Proposition zum Inhalt haben, dass da ein Löwe ist, was auf diese Weise die Tatsache abbildet, dass da ein Löwe ist.

Damit müsste die dritte Bedingung Prousts etwa wie folgt umformuliert werden:

B3‘ Schließlich werden die … Repräsentation(en) entweder zutreffend oder nicht zutreffend sein. Dies erlaubt ein Urteil darüber, ob der innere Zustand den äußeren repräsentiert, ein solches Urteil ist »semantisch evaluierbar«, es kann also wahr oder falsch sein‘ (vgl. oben).

Ein Tier, das die Außenwelt richtig oder falsch repräsentieren kann, erfüllt für Proust damit alle Bedingungen, um mentale Zustände zu haben. Es kann seine eigenen inneren Zustände von äußeren unterscheiden, wenn es mittels Wahrnehmung sich selbst in einer gegenständlichen und ereignisreichen Welt situieren kann (s. Proust 2005, S. 226). Dies ist auch Vorbedingung für wahre und falsche Überzeugungen. Man muss aus sich herauskommen, „um die Welt zu erreichen“ (ebd., S. 227). In diesem Sinne ist die Fähigkeit zur „Objektivität“ (ebd.) das Vermögen, „das, was die Erfahrung des Subjekts betrifft, von dem zu unterscheiden, was das Objekt“ (ebd.) betrifft. Dabei ist die Möglichkeit eines Irrtums eingeschlossen, nur so kann etwas in den Kategorien richtig und falsch repräsentiert werden, und nur so können Überzeugungen wahr oder falsch sein.

Repräsentationsfähigkeit ist für Sinneswesen notwendig, um Hindernissen auszuweichen, Nahrung zu finden, um Raub- oder Fressfeinde und Paarungspartner aufzuspüren und vieles mehr. Auch wir Menschen, als denkende Wesen, können nur deshalb über den vor uns stehenden Löwen als konkrete Entität sprechen, wenn wir ihn zunächst einmal repräsentiert haben. Repräsentationsfähigkeit ist eine kognitive Fähigkeit, auch wenn das Sprechen darüber hinaus weitere kognitive Fähigkeiten erfordert. Kognitive Repräsentationen bzw. „mental representations“66 werden später im Zusammenhang mit Begriffen noch einmal aufgegriffen. Im Folgenden geht es zunächst um Vorstellungen.

Es ist gängige Praxis, den Begriff der Vorstellung sowohl für einen bestimmten kognitiven Zustand oder Prozess zu verwenden als auch für dessen Inhalt bzw. das potenzielle Produkt67. Selbst im Dualismus Descartes‘, der Menschen exklusiv einen Geist zuschreibt und daher Vorstellungen bei Tieren ablehnt, haben Vorstellungen eine rezeptive und eine konstruktive Dimension (ein passives und aktives Vermögen); „Vorstellungen sinnlicher Dinge“ (Descartes 1641, S. 191) werden ebenso empfangen wie hervorgebracht (s. ebd.). Und Frege betrachtet68 Sinneseindrücke, Bilder der Einbildungskraft, Empfindungen, aber auch Gefühle, Wünsche, Neigungen etc. (s. ebd., S. 66) als Phänomene der Innenwelt, die er unter dem Ausdruck Vorstellung zusammenfasst. Im Gegensatz dazu sind für ihn Gedanken objektive, zwischenmenschlich vermittelbare Inhalte von Überzeugungen, Glauben, Hoffen69. Entscheidend ist, dass man im Unterschied zu Gedanken, die man fasst, Vorstellungen hat (s. ebd., S. 68 und 77), dass diese also partikular sind. Kant wiederum verdeutlicht, dass die „sinnliche Erkenntniß die Dinge gar nicht vorstellt, wie sie sind, sondern nur die Art, wie sie unsere Sinne afficiren, und also, daß durch sie blos Erscheinungen, nicht die Sachen selbst dem Verstande zur Reflexion gegeben werden“70. Vorstellungen sind hierbei immer sinnlich, insofern Erscheinungen in Raum und Zeit Vorstellungsarten sind und nicht den wahrgenommenen Gegenständen angehören (s. ebd., S. 293), Vorstellungen bilden aber auch die sinnliche Grundlage, um logisch zu den stets subjektiven Wahrnehmungsurteilen verknüpft zu werden oder verbunden mit reinen Verstandesbegriffen Erfahrungsurteile überhaupt erst bilden zu können (s. ebd., S. 298f.).

Für diese Arbeit ist neben diesen wichtigen Bestimmungen der Vorstellungen auch der Beitrag Aristoteles‘ von Interesse. Schon mit Aristoteles kann zwischen dem Zustand der Vorstellung und deren Gehalt unterschieden werden, zudem differenziert er ebenso deutlich wie wissenschaftsgeschichtlich bedeutend zwischen Wahrnehmung, Vorstellung, Denken und Wissen. Durch das Vorstellungsvermögen, „phantasia“ (DA III 3, 427b 14f.), wird ein tätiges Vorstellen, „phantazein“71, ermöglicht, dadurch wird ein „phantasma“ (DA, III 3, 428a 1f.) gebildet, ein gehaltvolles Vorstellungsprodukt. Wahrnehmungs- und Vorstellungsbegriff sind nicht deckungsgleich, denn es gibt auch Vorstellungen ohne aktuale Wahrnehmung. Mittels der phantasia ist es möglich, sinnliche Bezüge zu etwas Abwesendem assoziativ herzustellen. Die Vorstellungsfähigkeit gehört dem „sensitiven Seelenteil“72, also dem Vermögen der Wahrnehmung an (s. ebd., S. 37). Innerhalb der phantasia können zwei Arten unterschieden werden, die erste ist die „phantasia aisthêtikê“ (AL, phantasia). Zu ihr gehören z.B. eine erste Stufe der bloßen Reproduktion der Wahrnehmung, die etwa aus Nachklängen oder Gedächtnisbildern besteht. Eine zweite Stufe, die Kombination der Wahrnehmungen, „verknüpft die Merkmale früherer Erfahrungsgehalte zu fiktiven Konstellationen, indem die V[orstellung] z.B. in Träumen phantastische Situationen entwirft“ (ebd.). Die zweite Art der Vorstellung ist die „phantasia logistikê“ (ebd.), die im empirischen Rekonstruieren, freien Fingieren und abstrakten Erkennen bestehen kann (s. ebd.). Ihre phantasmen bilden so das sinnliche Medium des Denkens, indem sie das Denken z.B. mathematischer Formen unterstützt (s. ebd.). Das Denken schließlich ist die Arbeit des „ intellektive [n] Seelenteil[s]“ (Buchheim 2016, S. 32), dem ontologisch exklusiv dem Menschen gegebenen Seelenvermögen der Vernunft, durch den Meinungs- und Überzeugungsbildung (s. AL, S. 138f. Stichwort „doxa“) sowie Wissensbildung (s. AL, S. 200ff.: „epistêmê“) erst möglich werden. Erst durch die Aktivität dieses Seelenvermögens, durch Interaktion mit anderen, durch Sprach- und Wissenserwerb kann sich der Verstand, „nous“ (AL, S. 381-385) im Sinne der Verstandesleistung, eines Erkenntnisgewinns, bilden (s. Buchheim 2016, S. 34-38).

Was bedeutet das in Bezug auf kognitive Fähigkeiten von Tieren? Tiere haben nach Aristoteles Wahrnehmungsvermögen, aber kein Vernunftvermögen. Vorstellung gehört als Teil des Wahrnehmungsvermögens zu den Fähigkeiten, die zwar einigen, aber nicht allen Tieren zugeschrieben werden können (s. DA III 3, 428a5-10 und 429a2-9). Ein Beleg dieses Vermögens sieht Aristoteles in Tieren, die träumen73. Mit Hilfe der Vorstellung können auch tierliche Fähigkeiten erklärt werden, die von Assimilationisten gerne auf Überzeugungen zurückgeführt werden, wie die Fähigkeit einer räumlichen Orientierung74 und das Wiedererkennen vertrauter Lebewesen der eigenen Art (Mitglieder der eigenen Horde, des eigenen Rudels etc.) oder von Menschen (Hunde und Katzen erkennen zweifellos die eigenen Besitzer wieder). Will man nach Aristoteles diese Fähigkeit nicht an Verstand und Urteilsfähigkeit binden, genügt die Vorstellung, mit deren Hilfe Lebewesen „eine ganze Menge“ (s.u.) leisten. Indem – so Aristoteles - die Vorstellungen im Licht als dem Sichtbaren bleiben und dabei den Wahrnehmungen ähnlich sind, tun „die Lebewesen ihnen gemäß eine ganze Menge, teils weil sie keinen Verstand besitzen, wie eben die Tiere, teils weil der Verstand manchmal verschleiert ist durch ein Leiden oder Krankheiten oder Schlaf, wie etwa die Menschen“ (DA III 3, 429a3-8). Wie weit reicht ein Erklärungsansatz nach Aristoteles, der auf einer Verknüpfung von Wahrnehmung und Vorstellung beruht, die man auch als assoziativ betrachten könnte?

Eine Grenze scheint zumindest bei einem Experiment erreicht, das Tomasello aufgreift. Dieser beschreibt einen Versuch von Marín Manrique et. al. von 201075, in dem die Experimentatoren Schimpansen ein „Nahrungsentnahmeprobleme vor[legten], das sie noch nie zuvor gesehen hatten. Seine Lösung erforderte ein Werkzeug mit besonderen Eigenschaften […]. Die Herausforderung war, daß die potentiellen Werkzeuge, die sie benutzen konnten, sich in einem anderen Zimmer“ (Tomasello 2014, S. 34) außer Sichtweite befanden. Die Affen konnten das Problem oft schon im ersten Durchgang lösen. „Sie simulierten also den Gebrauch von [ ] einigen der verfügbaren Werkzeuge und das [ ] Ergebnis für jeden Fall mittels dieses kognitiven Modells – bevor sie […] tatsächlich ein Werkzeug auswählten“ (ebd.). In diesem Versuch wird weder ein Verhalten direkt nachgeahmt noch sind Werkzeuge durchprobiert worden oder unmittelbar zur Hand. Vielmehr wird gezielt ein Werkzeug zur Nahrungsbeschaffung herangeholt, um ein neues Problem zu lösen. Dies zeigt eindrucksvoll, dass Schimpansen kognitiv zumindest in der Lage sein müssen, Erinnerungen an die Verwendung von Werkzeugen in ähnlichen Situationen und Erinnerungen der in einem anderen Raum verfügbaren Werkzeuge zu verknüpfen, um sich vorstellen zu können, welches Werkzeug geeignet sein könnte. Mit einer bloßen Wahrnehmung eines Nahrungsangebots oder einem behavioristischen Reiz-Reaktions-Modell kann das Versuchsergebnis nicht erklärt werden.

Ein alternativer Erklärungsansatz, der kognitiv deutlich anspruchsvoller ist, geht von der Zuschreibung von Handlungsfähigkeit an Tiere aus. Nach Davidson werden Intentionen durch propositionale Einstellungen wie z.B. wollen, wünschen, meinen, hoffen, überzeugt sein etc. repräsentiert. Eine Handlung wiederum wird durch eine Verbindung aus einer Proeinstellung wie dem Wollen und einer Überzeugung rationalisiert (s. Davidson 2005, S. 117-122). Eine intentionale Handlung kann also durch die propositionalen Gehalte der Überzeugungen und Wünsche rationalisiert werden (s. ebd., S. 122). Ist unter diesen Voraussetzungen das Verhalten der Schimpansen im genannten Versuch durch eine Handlung zu erklären? Dazu müsste ein Schimpanse z.B. die Proeinstellung haben, an die Nahrung herankommen zu wollen, und überzeugt sein, dass dies durch ein bestimmtes Werkzeug gelingt. Gegen eine solche Deutung kann mit Davidson eingewendet werden, dass es keine sprachliche Übersetzung der angenommenen Überzeugung gibt. Und für eine Überzeugung wie: ‚der Stock aus dem anderen Raum kann als Werkzeug dienen, um an die Nahrung zu gelangen‘ wären zahlreiche weitere Überzeugungen (über Stöcke, Werkzeuge etc.) nötig, eingebettet in ein holistisches Netz aus Überzeugungen. Gedanken bilden zu können erfordert nach Davidson Sprache, durch die wir Menschen in einem Miteinander Begriffe entwickeln, propositionale Einstellungen ausbilden, Handlungen vollziehen und rationalisieren können. Entsprechend lautet seine These, „dass ein Geschöpf keinen Gedanken haben kann, wenn es nicht über Sprache verfügt. Um ein denkendes, rationales Geschöpf zu sein, muss […] [es] fähig sein, viele Gedanken auszudrücken, und es muss vor allem fähig sein, das Reden und die Gedanken von anderen zu interpretieren“ (ebd., S. 124). Davidsons Überlegungen führen damit wieder näher zur Leitfrage, ob Tiere Gedanken und Begriffe haben. Sollte Sprache Voraussetzung für Gedanken sein, wäre eine Zuschreibung von Gedanken, Überzeugungen, anderen propositionalen Einstellungen und Begriffen an sprachlose Tiere ausgeschlossen. Ob damit schon eine überzeugende Antwort auf die Leitfrage gefunden ist, soll nun ein näherer Blick auf Davidsons Argumentation zeigen.

4.2. Intentionalität: Überzeugungen

Tiere sind sprachlose Wesen, falls einige Tiere miteinander kommunizieren, dann nicht auf einer Ebene sprachlich arbiträrer Zeichen, davon gehe ich aus. Es wird berichtet, dass die Schimpansendame Washoe bis zu 250 Wörter in Gebärdensprache ausdrücken konnte, um so z.B. eine süße Nahrung zu bekommen76. Das Beispiel zeigt, dass zumindest manche Tiere zu einer Art von Kommunikation fähig sind. Grüne Meerkatzen warnen z.B. vor Fressfeinden, für die sie drei unterschiedliche Warnrufe - für Leoparden, Schlangen und Adler – ausstoßen können77. Kommunikation kann so die Umsetzung eines inneren Zustands in Laute oder Gesten sein, ein erlerntes, assoziatives Verhalten, um etwa eine Begierde zu stillen. Sprache dagegen erfordert semiotische Zusammenhänge, man muss mit ihr etwas ausdrücken wollen. Washoes Zeichenverwendung dürfte eher einer Konditionierung zuzuschreiben sein als einem zugrundeliegenden Verständnis dessen, was sie gestisch darstellte. Ich nehme daher an, dass Tiere nicht sprechen, sie verwenden Wörter nicht als Worte, sondern, wenn überhaupt, im Sinne von Werkzeugen: sie können sich vorstellen, dass ihre Verwendung z.B. den Trainer dazu bringt, Nahrung abzugeben. Ein semantisch teilbarer Inhalt des Zeichens ist damit nicht verbunden.

Davidson schließt aus der Sprachlosigkeit der Tiere, dass sie keine rationalen, denkenden Wesen sein können (s. Davidson 2005, S.124f.). Seine argumentativen Schritte sind:

Erstens argumentiere ich: Um eine Überzeugung zu haben, ist es notwendig, den Begriff von Überzeugung zu haben. [ Zweitens ]: Um den Begriff von Überzeugung zu haben, muss man über Sprache verfügen“ (ebd., S. 126).

Um ein rationales Wesen zu sein, ist es Davidson zufolge notwendig, sich in Bezug zur Außenwelt zu setzen, Dinge müssen als objektiv angesehen werden, was nur sprachlichen Wesen gelingen kann, die sich über die Welt austauschen und damit über das, was ist. Erst durch eine „Triangulation“ (ebd., S. 131), durch das Miteinander von Kommunikationspartnern mit geteilter Symbolsprache kann über ein Ding oder eine Situation gesprochen werden, und erst dieser sprachliche Austausch ist auch rational im Sinne Davidsons: Rationalität ist „ein soziales Merkmal [ ]. Nur Kommunikationspartner haben sie“ (ebd., S. 131). Zwar scheint das Verhalten eines Tieres manchmal erfolgreich durch Zuschreibungen von Denken, Überzeugungen etc. erklärbar, dies sei aber nicht gerechtfertigt. Zur Verdeutlichung beschreibt Davidson den Flug einer Infrarot-Rakete, die ein Ziel zu verfolgen scheint: „Um die Bewegungen einer Infrarot-Rakete zu erklären, kennt jemand vielleicht keinen besseren oder alternativen Weg als anzunehmen, die Rakete wolle ein Flugzeug zerstören, und sie glaube, sie könne dies tun, indem sie sich so bewegt, wie tatsächlich beobachtet wurde“ (ebd., S. 125). Nun können wir zweifellos ein beobachtetes Verhalten mit kognitiv anspruchsvollen Zuschreibungen erklären, ohne dass die beschriebenen Vorgänge im Subjekt tatsächlich vorkommen oder auch nur vorkommen können, aber der Vergleich Davidsons ist provozierend angreifbar gewählt. Die Infrarot-Rakete kann sich ja nicht einmal irgendwie verhalten, sie kann nur gesteuert bzw. programmiert werden. Wer sollte also annehmen, dass die Rakete das Flugzeug zerstören will, wenn doch dieses Wollen bei Davidson Sprache und Überzeugungen voraussetzt? Eine Rakete hat erkennbar keinen Subjektcharakter.

[...]


1 S. Aristoteles Politik, eingeleitet und übers. von Olof Gigon. Zürich und Stuttgart: Artemis Verlag 1971, hier I 2, 1253a7-18. Weiter als Aristoteles, Pol. Dabei kommt es auf das Ziel an, das im guten Leben besteht, in einer Gemeinschaft, in der zwischen gut und schlecht, gerecht und ungerecht unterschieden wird.

2 S. Descartes, René (1641) Meditationes de Prima Philosophia/Meditationen über die Erste Philosophie. Lateinisch/Deutsch. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1986, hier S. 188. Weiter als Descartes 1641.

3 S. Descartes, René (1637) Discours de la Méthode/Bericht über die Methode. Französisch/Deutsch. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2001, hier Fünfter Teil 9.-12., S. 103ff. Weiter als Descartes 1637.

4 Aristoteles, De anima - Über die Seele. Griechisch – Deutsch, übers. mit Einleitung und Kommentar von Thomas Buchheim. Darmstadt 2016. Weiter als DA.

5 S. z.B. Glock, Hans-Johann (2019) “Aristotle on the Anthropological Difference and Animal Minds”, in: Keil, Geert and Kreft, Nora (Hg.) (2019) Aristotle's Anthropology, Cambridge: Cambridge University Press, S. 140-160, hier S. 143. Weiter als Glock 2019.

6 Nagel, Thomas (1974): What Is It Like to Be a Bat? In Diel, Ulrich (Hg.) (2016): What Is It Like to Be a Bat? / Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?, Englisch/Deutsch; Reclam: Leipzig 2016.

7 S. Malcolm, Norman (2005), „Gedankenlose Tiere“, in: Perler, Dominik und Wild, Markus (Hg), Der Geist der Tiere. Philosophische Texte zu einer aktuellen Diskussion, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 77-94, zuerst: Malcolm, Norman, Ansprache des Präsidenten, gehalten vor der 69. Jahresversammlung der American Philosophical Association in Boston, 28. Dezember 1972.

8 S. Davidson, Donald (2005) „Rationale Lebewesen“, in: Perler, Dominik und Wild, Markus (Hg.), Der Geist der Tiere. Philosophische Texte zu einer aktuellen Diskussion, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 117-131, hier S. 119ff. Zuerst: Davidson, Donald (1982), „Rational Animals“, wieder abgedruckt in Davidson, Donald, Subjective, lntersubjective, Objective, Oxford: Clarendon 2001, S. 95-105. Weiter als Davidson 2005.

9 Dabei muss nicht jeder Mensch in gleichem Maße vernunft- und sprachbegabt sein, um ein Mensch zu sein. Es geht nur darum, dass der Kategorie [MENSCH] dieses Vermögen exklusiv vorbehalten ist, nicht darum, dass jedes individuelle Exemplar eines Menschen dieses Vermögen erfüllt.

10 Ausgenommen von dieser Abgrenzung wird der Begriff des Seelenvermögens bei Aristoteles, da dieser das Lebensprinzip von Pflanze, Tier oder Mensch meint; ohne eine solche Seele gibt es keinen lebenden Organismus.

11 S. z.B. Platon Siebter Brief, 342a – 344d, zitiert nach Knab, Rainer (2006) Platons siebter Brief: Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar. Georg Olms Verlag, Hildesheim, Zürich, New York.

12 Descartes, René (1644) Principia philosophiae/Die Prinzipien der Philosophie. Lateinisch-Deutsch. Hamburg: Felix Meiner Verlag 2005 (im Original: Amsterdam: Elzevier 1644), Pars prima, VII, hier S. 14. S. auch Descartes 1641, S. 82: „cogitatio est […] Ego sum, ego existo“.

13 Aristoteles Historia animalium (lat., aus dem Altgr., „Tierkunde“), einige Bände als Teil der zoologischen Schriften Aristoteles, s. u.

14 S. DA II 3, 414a28-416a19.

15 S. Glock, Hans-Johann (2005) „Begriffliche Probleme und das Problem des Begrifflichen“, in: Perler, Dominik und Wild, Markus (Hg), Der Geist der Tiere. Philosophische Texte zu einer aktuellen Diskussion, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 153-187, hier S. 155. Weiter als Glock 2005.

16 S. etwa das PONS Online-Wörterbuch Latein-Deutsch, cognoscere - Latein-Deutsch Übersetzung | PONS, zuletzt geöffnet am 22.12.2021.

17 Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik – Stangl 2021, https://lexikon.stangl.eu/240/kognition, zuletzt geöffnet 26.06.2021. Stichwort: Kognition.

18 Was den Pupillenreflex auslöst, bei dem, da es sich um einen Fremdreflex handelt, auch Hirnvenen bei der Verarbeitung involviert sind.

19 Generell spricht man bei Nachrichten von Informationen.

20 Die Abgrenzung dient nur dem Fokus der Arbeit. Diese Fähigkeiten beruhen auf physiologischen Eigenschaften, sind aber durch Kognitionen steuerbar, denn es gibt keine dualistische Trennung von Körper und Geist.

21 Proust, Joëlle (2005) „Das intentionale Tier“, franz. Original (2000) L’animal intentionnel, in: Perler, Dominik und Wild, Markus (Hg.), Der Geist der Tiere. Philosophische Texte zu einer aktuellen Diskussion, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 223-243. Weiter als Proust 2005.

22 S. z.B. Glock, Hans-Johann (2019), Agency, Intelligence and Reasons in Animals, in: Philosophy,Volume 94,Issue 4, October 2019, pp. 645 - 671, https://doi.org/10.1017/S0031819119000275. Weiter als Agency.

23 S. Proust, Joëlle (2018) “Nonhuman metacognition”, in: Andrews, Kristin and Beck, Jacob (Ed.) (2018) The Routledge Handbook of Philosophy of Animal Minds. Routledge: London and New York, S. 142 – 153. Weiter als Proust 2018.

24 S. z.B. Wilkins, C., Clayton, N. (2019) “Reflections on the spoon test”, in: Neuropsychologia (2019), https://doi.org/10.1016/j.neuropsychologia.2019.107221. Weiter als Wilkins/Clayton 2019.

25 S. Tomasello, Michael (2014) Eine Naturgeschichte des menschlichen Denkens. Frankfurt am Main: Suhrkamp, zuerst: Tomasello, Michael (2014) A Natural History of Human Thinking. Harvard University Press. Weiter als Tomasello 2014.

26 Kant, Immanuel Kritik der reinen Vernunft. Riga 1781 (=A) und Riga 1787 (=B). Weiter als KrV A und KrV B.

27 Aristoteles, Pol I 2, 1253a9.

28 Vgl. Cicero, Marcus Tullius De officiis - Vom pflichtgemäßen Handeln. Lateinisch-deutsch, hrsg. und übersetzt von Rainer Nickel. Düsseldorf: Artemis & Winkler 2008, S. 16 [1,11,3f.].

29 S. ebd., s. auch Schnädelbach, Herbert (2012) Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann. München: Verlag C. H. Beck. Weiter als Schnädelbach. Hier S. 193.

30 Vgl. Keil, Geert und Kreft, Nora (Hg.) (2019) „Introduction: Aristotle’s Anthropology“, in: Keil, Geert und Kreft, Nora (Hg.) (2019) Aristotle’s Anthropology. Cambridge; Cambridge University Press, S. 1-22. Hier S. 11. Weiter als AA.

31 S. Wild, Markus (2006) Die anthropologische Differenz. Der Geist der Tiere in der frühen Neuzeit bei Montaigne, Descartes und Hume. Berlin: Walter de Gruyter. S. 3.

32 Metzler Lexikon Philosophie ( 32008), hrsg. von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard., Stuttgart und Weimar: Verlag J. B. Metzler. Weiter als MLP, hier Stichwort: Speziesismus, S. 573.

33 S. Aristoteles, DA II 1, 412a11-18.

34 S. Aristoteles, Historia animalium VIII, 588b4-589a9, s. v.a. 588b4-588b7 (in Schnieders Übersetzung, S. 5): „Die Natur schreitet vom Unbeseelten zu den Lebewesen in so kleinen Schritten, daß sich einem infolge dieses fließenden Übergangs die Trennlinie zwischen ihnen entzieht“.

35 S. AA, S. 7, s. auch Fiecconi, Elena Cagnoli (2019), „Aristotle’s Peculiarly Human Psychology“. In AA, S. 60-76).

36 Kietzmann sieht die Spannung schon zwischen den Begriffen 'zōon' und 'logon echon' angelegt. Ontologisch seien für 'zōon' Physik und Zoologie zuständig, für 'logon echon' dagegen die Theologie, s. Kietzmann, Christian (2019), „Aristotle on the Definition of What It Is to Be Human“. In AA, S. 25-43, hier S. 25.

37 S. McCready-Flora, Ian (2019), “Speech and the Rational Soul”. In AA, S. 44-59.

38 S. The bonobo genome compared with the chimpanzee and human genomes | Nature, zuletzt geöffnet am 22.12.2021.

39 Vgl. MLP, hier Stichwort: Anthropismus, S. 31.

40 Gelegentlich wird Vertretern des Assimilationismus auch Anthropomorphismus, also die Vermenschlichung von Tieren vorgeworfen. Das gehört aber nicht zu deren Selbstverständnis, vgl. MLP, hier Stichwort: Anthropomorphismus, S. 33.

41 Keil, Geert (2012) „Was nur menschliche Tiere können: eklatante Unterschiede kleinreden“, in Erwägen Wissen Ethik, Jahrgang 23, Heft 1, Stuttgart: Lucius & Lucius, S. 66-68. Weiter als Keil 2012.

42 Das Sorites-Paradox besteht darin, dass fraglich ist, wie viele Teile eines Haufens weggenommen werden können, bevor die Teile keinen Haufen mehr bilden.

43 S. Ruth Millikan (in: Millikan, Ruth Garrett (2017) Beyond Concepts. Unicepts, Language, and Natural Information, Oxford University Press. Weiter als Millikan 2017. Hier S. 6.

44 Brandt, Reinhard (2009) Können Tiere denken? Ein Beitrag zur Tierphilosophie, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 77 und 122.

45 S. AA, S. 14. Keil zitiert hier zustimmend Glock 2019, S. 156: “Even if there is a difference in the ‘way of perceiving' between conceptual and non-conceptual perception, it does not follow that creatures without concepts cannot perceive what creatures with concepts can perceive — the same objects and facts. It only follows that they cannot understand or characterise what they see in conceptual terms.”

46 S. AA, S. 15: „The lesson to be drawn from the Sorites paradox is that the non-existence of a sharp cut-off is compatible with the existence of clear cases.”

47 Millikan, Ruth G. (2005) „Verschiedene Arten von zweckgerichtetem Verhalten“, in Perler, Dominik und Wild, Markus (Hg.), Der Geist der Tiere. Philosophische Texte zu einer aktuellen Diskussion, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 201-212, hier S. 201.

48 Zum Begriff s. Luckner, Andreas (1995) „Martin Heidegger: Fundamentalontologie als Anti-Anthropologie“, in: René Weiland (Hg.) Philosophische Anthropologie der Moderne. Weinheim: Beltz-Athenäum 1995, S. 86-98.

49 S. z.B. Heidegger, Martin (1929/1930) Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt, Endlichkeit, Einsamkeit. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann 1983, S. 261ff. Weiter als Heidegger 1929.

50 So erklärt beispielsweise Glock, dass „tierische Vernunft ausgeschlossen ist“ (Glock 2005, S. 180).

51 Vgl. MLP, hier Stichwort: Biologismus, S. 83.

52 Zum Folgenden siehe etwa Zoglauer, Thomas (2008), Einführung in die formale Logik für Philosophen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 58-60.

53 Peirce, Charles Sanders (1903), „Aus den Pragmatismus-Vorlesungen“, in: ders., Schriften zum Pragmatismus und Pragmatizismus, hrsg. von Karl-Otto Apel, Frankfurt am Main: Suhrkamp 22015, S. 337-426, hier S. 400.

54 Peirce schreibt an gleicher Stelle, dass die Vermutung der Abduktion, dass etwas der Fall sei, zu einer deduktiven Vorhersage wird, die anschließend induktiv getestet werden kann, indem gezeigt wird, dass diese Regel tatsächlich wirksam ist.

55 S. Böhnert, Martin und Hilbert, Christopher (2016) „C. Lloyd Morgan’s Canon. Über den Gründervater der komparativen Psychologie und den Stellenwert epistemischer Bedenken“, in: Böhnert, Martin, Köchy, Kristian und Wunsch, Matthias (Hg.) Philosophie der Tierforschung, Band 1, Methoden und Programme, Freiburg und München: Alber, S. 149-182. Weiter als Böhnert/Hilbert.

56 Quelle: Morgan, C. Lloyd (21903) An Introduction to Comparative Psychology. London and Newcastle-on-Tyne: The Walter Scott Publishing Co., LTD. Weiter als Morgan.

57 Vgl. etwa Wild, Markus (2008) Tierphilosophie zur Einführung, Hamburg: Junius Verlag. Hier S. 132f.; weiter als Wild 2008, hier S. 74.

58 S. Wild, Markus (2012) „Im Reich der wilden Tiere. Ergänzungen, Repliken, Revisionen zur Tierphilosophie“, in Erwägen Wissen Ethik, Jahrgang 23, Heft 1, Stuttgart: Lucius & Lucius, S. 108-131, hier S. 115f.

59 Z.B. Glock 2005, S. 159.

60 S. Perler, Dominik und Wild, Markus (2005) „Der Geist der Tiere – eine Einführung“. In: Perler, Dominik und Wild, Markus (Hg.) (2005): Der Geist der Tiere. Philosophische Texte zu einer aktuellen Diskussion; Suhrkamp, Frankfurt am Main, S. 10-74, hier S. 45 - 48. Weiter als Einführung.

61 S. MLP, hier Stichwort: Repräsentation, S. 527f.

62 Vgl. Heideggers Begriff von Weltlichkeit in Heidegger 1929.

63 Obwohl der Text von einer geistigen Repräsentation spricht, benutze ich im Interesse einer sprachlichen Einheitlichkeit den Ausdruck mentale Repräsentation. Auch im französischen Original heißt es „représentation mentale“. (Proust, Joëlle (2000) «L’animal intentionnel», in Terrain 34, Les animaux, pensent-ils?; Paris: Ministère de la Culture/Editions de la maison des Sciences de l’Homme. Weiter als Proust 2000. Passim.

64 Proust 2000. Hier Kapitel: Que veut dire penser?

65 S. Wittgenstein, Ludwig (1918/1922), Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung, 12. Aufl., Frankfurt a. M. 1977. Weiter als Tractatus.

66 S. Margolis, Eric und Stephen Laurence, "Concepts", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2019 Edition), Edward N. Zalta (Ed.), URL = https://plato.stanford.edu/archives/sum2019/entries/concepts/, zuletzt geöffnet am 19.01.2022. Hier Abschnitt 1.1 Concepts as mental representations. Weiter als Concepts.

67 S. MLP, Stichwort: Vorstellung, S. 664f.

68 S. Frege, Gottlob (1918-1919): „Der Gedanke. Eine logische Untersuchung“; in: Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus 1, S. 58—77. Weiter als Der Gedanke.

69 S. MLP, Stichwort: Vorstellung, S. 665.

70 Kant, Immanuel (1783): Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, in: Kant, Immanuel: Kant‘s gesammelte Schriften. Hrsg. von der königlich preußischen Akademie der Wissenschaften (=AA) IV, S. 253-380. Berlin: G. Reimer, 1900ff. Weiter als Prolegomena.

71 Aristoteles-Lexikon (2005), Hrsg. von Ottfried Höffe. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag. Weiter als AL, hier Stichwort: phantasia/ Vorstellung, S. 442-444, H. Busche. Weiter als AL, phantasia.

72 Buchheim, Thomas (2016) „Einleitung“, in: Aristoteles, De anima - Über die Seele. Griechisch – Deutsch, übers. mit Einleitung und Kommentar von Thomas Buchheim. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2016, S. 9-42, hier S. 32. Weiter als Buchheim 2016.

73 Aristoteles sieht eine von der Wahrnehmung abgeleitete Vorstellung im Traum, wenn nämlich etwas „ erscheint [ ] auch wenn nichts davon vorliegt, wie z.B. die [[Erscheinungen]] im Schlaf. Sodann ist Wahrnehmung immer vorhanden, Vorstellung aber nicht. Wenn sie aber der Wirklichkeit nach dasselbe wäre, müsste bei allen Tieren Vorstellung vorkommen können. Das scheint aber nicht der Fall zu sein, wie z.B. bei der Ameise oder Biene, und dem Wurm.“ S. DA III 3, 428a7-10.

74 S. Langer, Susanne K. (1984) Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag (Original 1942). Langer unterscheidet zwischen einem diskursiv- sprachlichen und einem präsentativen Symbolismus, der z.B. Bedeutungen von Formen erfasst (s. S. 101ff.).

75 Manrique, Héctor Marín, Alexandra Nam-Mi Gross, and Josep Call (2010) “Great Apes Select Tools on the Basis of Their Rigidity”, in: Journal of Experimental Psychology: Animal Behavior Processes 2010, Vol. 36, No. 4, 409–422. Weiter als Manrique 2010.

76 S. https://www.welt.de/geschichte/article148718888/Washoe-der-Affe-der-sprechen-lernte.html, zuletzt geöffnet am 22.12.2021.

77 S. Dennett, Daniel C. (1992) „Intentionale Systeme in der kognitiven Verhaltensforschung“, in: Münch, Dieter (Hg.) (1992) Kognitionswissenschaft. Grundlagen, Probleme, Perspektiven; Suhrkamp, Frankfurt am Main, S. 343-383, hier S. 344f; weiter als Dennett 1992.

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Haben Tiere Gedanken und Begriffe? Wie Tieren kognitive Fähigkeiten zu- oder abgesprochen werden können
Hochschule
Universität Stuttgart  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Masterarbeit
Note
1,2
Autor
Jahr
2022
Seiten
89
Katalognummer
V1189758
ISBN (eBook)
9783346627865
ISBN (Buch)
9783346627872
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Philosophie des Geistes, Tierkognition, Mensch-Tier-Debatte, animal rationale, zoon logon echon, Ethologie, Schimpansen
Arbeit zitieren
Désirée Martin (Autor:in), 2022, Haben Tiere Gedanken und Begriffe? Wie Tieren kognitive Fähigkeiten zu- oder abgesprochen werden können, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1189758

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