Wie viel Pädagogik steckt in der Handlungsform des Führens? Eine theoretisch-kategoriale Studie mittels Literaturstudium


Diplomarbeit, 2014

98 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Ausgangssituation
1.2 Zielsetzung und Problemstellung
1.3 Aufbau der Arbeit

2. Betriebspädagogische Relevanz der Diplomarbeit

3. Die Handlungsform des Führens
3.1 Die Begrifflichkeit der Führung
3.2 Funktion, Aufgabe und Ziel von Führung
3.3 Führungstheorien: eine theoretische Perspektive von Führung im Kontext eines Begründungsbezugs
3.3.1 Führungsstile
3.3.2 Eindimensionale und mehrdimensionale Führungsstilkonzepte..
3.3.3 Führungsinstrumente: Mitarbeitergespräche, Coaching, Führungskräfteentwicklung, Leistungsbeurteilung und Supervision
3.3.4 Anforderungen an Führungskräfte und ihre Grenzen
3.4 Praktische Perspektive von Führung im Kontext eines Handlungsbezugs
3.4.1 Professionalisiertes Führungshandeln
3.5 Trends im 21. Jahrhundert

4. Zur Begrifflichkeit der Pädagogik
4.1 Pädagogisches Handeln und pädagogische Handlungslogik
4.2 Soziales und pädagogisches Handeln
4.3 Das Individuum in der Pädagogik

5. Pädagogische Aspekte in der Handlungsform des Führens

6. Schlussfolgerung und Ausblick

7. Literatur

8. Internetquellen

9. Abkürzungsverzeichnis

10. Glossar

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Konstitution der betrieblichen Weiterbildung

Abbildung 2: Verortung der betrieblichen Weiterbildung

Abbildung 3: Organisationsbezogene Funktion von Führung

Abbildung 4: Organisationale und personale Relation von Führung

Abbildung 5: Transaktionale und transformationale Führung

Abbildung 6: Typologie der Führungstheorien

Abbildung 7: Das Verhaltensgitter von Blake & Mouton

Abbildung 8: Strukturmomente pädagogischen Handelns

Abbildung 9: Führung als organisationale Funktion und personale Haltung 69

Abbildung 10: Erziehung und Führung 72

1. Einleitung

1.1 Ausgangssituation

Im Zuge des Wandels unserer Gesellschaft, die immer komplexer und vielschichtiger wird, eröffnen sich auch Möglichkeiten, neue Denkansätze und Formen nicht nur in der persönlichen, privaten Lebensform zu entwerfen und zu gestalten, sondern auch in der sich rapide verändernden Arbeitswelt, bedingt durch ständige Veränderungsprozesse in Arbeits- und Organisationsabläufen. Damit einher gehen neue Herausforderungen, die sich nicht nur auf Technik und Naturwissenschaften beschränken lassen, sondern auch den Menschen als Individuum in ein neues Licht stellen. Wo bisher nur die Wirtschaftlichkeit zählt und der Mensch als Produktionsfaktor gesehen wird, stehen Führungskräfte vor neuen Aufgaben, die sich bis dahin durch traditionelle Führungsstile bewältigen ließen. Heutzutage hängt die Qualität der Abläufe in einem Unternehmen1 maßgeblich davon ab, inwieweit der Dialog zwischen der Erziehungswissenschaft und der Ökonomie Gehör findet. Dabei geht es nicht darum, dass die Erziehungswissenschaft ihre Identität aufgibt, sondern sich auf einen gemeinsamen Weg mit der Ökonomie über Personal- und Organisationsentwicklung begibt.2 Man spricht heute in unserer Wissensgesellschaft von einem lebenslangen Lernen, das nicht mit der Schule, Ausbildung oder dem Studium beendet ist, sondern sich in nichtschulischen Lernarrangements fortsetzt. Die Pädagogik als interdisziplinäre Wissenschaft beschäftigt sich mit grundlegenden Erziehungs- und Bildungsfragen und greift durch ihren Bildungs- und Erziehungsbegriff in alle Lebensbereiche. So liegt die Vermutung nahe, dass auch in Unternehmen, in denen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Interaktion treten und dadurch eine Dynamik entfalten, die sich in Arbeits- und Organisationsprozessen widerspiegelt, die Pädagogik ihre „Vorleistung“ dazu beigetragen hat, indem sie den bisherigen Lebenslauf eines Individuums schon in dessen Bildungs- und Erziehungsprozess begleitet und unterstützt hat, bevor dieses mit anderen in einem Unternehmen in Aktion getreten ist.

An dieser Stelle ist damit ein wirtschaftliches Unternehmen mit sämtlichen Beschäftigten in allen Positionen gemeint, wobei die berechtigte Frage auftaucht, inwieweit die Pädagogik überhaupt eine Rolle in einem wirtschaftlichen Unternehmen spielt, das von seinen Führungskräften und Mitarbeitern3 einen größtmöglichen Einsatz, Umsatz und die Erfüllung aller Vorgaben erwartet und von wirtschaftlichem Erfolg geprägt ist, dessen Zweck außerhalb des Individuums liegt.

Es besteht jedoch Zweifel daran, dass das vielschichtige, vielseitige und komplexe Individuum mit seinen persönlichen Fertig- und Fähigkeiten in einem Unternehmen ganz außen vor gelassen werden kann und es keinerlei Beanstandungen gibt, sich mit einer pädagogischen Rollenerweiterung hinsichtlich z.B. der Kompetenzen von Führungspotenzial auseinanderzusetzen.4 Immer wieder hört man von Mitarbeitern aus verschiedenen Firmen, dass Führungskräfte überhaupt nicht loben können oder lediglich solche Mitarbeiter befördert werden, die hinsichtlich des Umsatzes beurteilt werden oder nur Jasager sind. Damit behalten sich viele Unternehmen Anregungen und Potenzial vor, weil Mitarbeiter Angst haben, etwas zu verbalisieren. Dass aber auch in manchen Mitarbeitern, die noch nicht erfolgreich kontern konnten, viel Wissen und Potenzial stecken könnte, interessiert die Führungskräfte bisweilen nicht so sehr. Hier setze ich mit der vorliegenden Arbeit an und untersuche aus dem betriebspädagogischen Blickwinkel, wie viel Pädagogik die Handlungsform des Führens beinhaltet.

1.2 Zielsetzung und Problemstellung

Schaut man sich die Inhaltsverzeichnisse in den betriebswirtschaftlichen Büchern an, so kann man feststellen, dass kaum etwas über die Pädagogik in Bezug auf Führung geschrieben wird. Erst bei näheren Untersuchungen zu bestimmten Themenbereichen erkennt man, wie viele Dinge auf pädagogische Elemente verweisen, die nicht explizit genannt werden. Bei der betriebspädagogischen Literatur verhält es sich anders. Die Betriebspädagogik, die in einem nichtpädagogischen Umfeld wie dem Betrieb agiert, schöpft ihr pädagogisches Wissen aus der Erziehungswissenschaft, wodurch der Paradigmenpluralismus der Theoriebildung in der Betriebspädagogik deutlich wird.

Die Außenlegitimität der Führung beinhaltet kein pädagogisches Handeln. Die Binnenlogik zeigt jedoch etwas anderes: Die Pädagogik unterliegt in ihrer Handlungslogik dem sozialwissenschaftlichen Prinzip und ist auf situatives Handeln ausgerichtet. Führungskräfte können unter diesem Aspekt auch nur situativ angemessen handeln und stellen sich die Frage: Hat der Mitarbeiter das jetzt verstanden? Ebenso muss sich ein Pädagoge fragen, ob der Schüler einen Sachverhalt verstanden hat. Diese Situation ist hoch situativ, und es wird jeweils der individuelle Reifegrad berücksichtigt. Es liegt ein sogenanntes Technologiedefizit vor, bei dem man nichts Handfestes beweisen kann, wie z.B. in den Naturwissenschaften. Führungskräfte und Pädagogen können keine Technologie erzeugen.5 Beide haben aber Machtmittel, die sie einsetzen können; und sie müssen sich immer wieder situativ orientieren, z.B.: Wie viele Teilnehmer kommen? Wer sind diese Teilnehmer? Die theoretisch, kategoriale Untersuchung stellt anhand der Studienrichtung Betriebspädagogik den Bezug zwischen Führung und Pädagogik heraus. Dabei fungiert die Betriebspädagogik als Bindeglied zwischen beiden Bereichen. Bei der Beschäftigung mit dieser Thematik ist folgender Unterschied hervorzuheben: In der Pädagogik liegt der Fokus auf dem Individuum, während er bei der Führung außerhalb des Individuums liegt. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass das Individuum in einem Unternehmen nicht berücksichtigt wird. Vielmehr geht es darum zu klären, inwieweit sich pädagogische Aspekte in der Handlungsform des Führens erkennen lassen. Tatsache ist, dass eine erfolgreiche Unternehmenskultur durch Menschen umgesetzt wird, die gefördert werden müssen.6 Somit kristallisiert sich heraus, dass das Individuum im Unternehmen heute immer mehr in den Mittelpunkt rückt und dessen Relevanz nicht nur in der

Gesellschaft, sondern auch im Unternehmen zu beobachten ist. Die aktuellen Wandlungsprozesse lassen klar erkennen, dass geradezu die Pädagogik prädestiniert ist, auch die Unternehmen zum Reflektieren anzuregen und damit hilfreich zu unterstützen.7 Nachfolgend nehme ich stets Bezug auf die Fragestellung dieser Arbeit und erörtere interpretativ im Hinblick auf eine Synthese von Pädagogik und Führung.

1.3 Aufbau der Arbeit

Die Handlungsform des Führens bildet den Einstieg in die Thematik. In Bezug auf die Betriebspädagogik wird die Relevanz meiner Diplomarbeit erläutert. Aus dieser Thematik heraus wird die Pädagogik, die den Rahmen meiner wissenschaftlichen Arbeit darstellt, erörtert und auf die Verknüpfung von Pädagogik und Führung hingewiesen. Im dritten Kapitel werden die Handlungsform des Führens und die Begrifflichkeiten im Hinblick auf Führung sowie Führungstheorien und ihre Besonderheiten behandelt. Im vierten Kapitel geht es um die Begrifflichkeiten der Pädagogik und darum, einen Überblick über pädagogisch relevante Definitionen und Kernpunkte zu schaffen. Das fünfte Kapitel diskutiert die pädagogischen Aspekte in der Handlungsform des Führens und bildet den Kern meiner Arbeit. In diesem und dem darauf folgenden Kapitel analysiere ich, welche und wie viele pädagogischen Elemente die Handlungsform des Führens beinhaltet. Außerdem beantworte ich die Frage, in wieweit sich dadurch neue Aufgaben für die Betriebspädagogik ergeben. Diese Disziplin hat sich zwar in der Vergangenheit bereits damit auseinandergesetzt, die Anerkennung der Praxis bzw. ihre Umsetzung in die Praxis bedürfen indes noch der Legitimierung.

2. Betriebspädagogische Relevanz der Diplomarbeit

Nach aktuellen Forschungen nimmt pädagogisches Handeln einen immer breiteren Raum ein, vor allem in der Aus- und Weiterbildung und in Personalentwicklungsmaßnahmen. Schon die Begriffsverschiebung von „Personalwirtschaft“ zu „Personalentwicklung“ zeigt die steigende Tendenz pädagogischen Handelns auf. Pädagogische Begriffe wie Bildung, Erziehung, Lernen, Sozialisation und Entwicklung spielen in der Betriebspädagogik eine zentrale Rolle. Somit sind pädagogische Themen ein Bestandteil von betrieblichen Aspekten. Lernen und Bildung verbindet beide oszillierend. Immer mehr Unternehmen erkennen die Notwendigkeit einer Verankerung des Pädagogischen in den Unternehmenskulturen. Die Betriebe sollen die in ihrem Unternehmen vorhandenen Lernpotenziale entdecken und aus eigener Kraft selbst gestalten. Man spricht von organisationalem Lernen oder vielmehr von lernenden Organisationen wie dem Wissensmanagement, dem Change Management und der Unternehmensberatung. Der Begriff des Lernens etabliert sich in allen Strukturen und Organisationen. Kompetenzen sind mehr denn je gefragt, was voraussetzt, dass die Beschäftigten Konflikte und Probleme selbstorganisiert lösen können. Doch welche Voraussetzungen muss ein Individuum dazu erfüllen? Und wie können diese Fertigkeiten erlernt werden? Wer ist dafür zuständig? Und vor allem: Wer soll diese Kluft zwischen dem pädagogischen und dem wirtschaftlichen Denken überbrücken? Bis heute gibt es noch kein erziehungswissenschaftliches Konzept betrieblicher Bildungsarbeit. Die Betriebspädagogik wird als ein Defizit der Erziehungswissenschaft gesehen. Betriebliche Bildungsarbeit wird auf den Begriff der Qualifizierung reduziert. Die Betriebspädagogik ist ein spezifisches Forschungsfeld und eine „Spezialdisziplin“ der Erziehungswissenschaft. Sie hat hier die Aufgabe, das pädagogische Prinzip mit dem ökonomischen zu vereinen. Innovative Unternehmen haben dies längst erkannt und sind sich darin einig, dass ein Unternehmen auf Interdisziplinarität ausgerichtet werden muss, damit es in Zukunft erfolgreich bestehen kann. Es muss ein neues Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die unterschiedlichen Menschenbilder in der Betriebspädagogik in die Unternehmenskultur zu integrieren sind. Ein erziehungswissenschaftlicher Zugang vermag eine Verbindung zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung zu schaffen. Die Pädagogik stellt das Individuum in den Fokus, und die Betriebspädagogik möchte die Individuen, in diesem Fall die Mitarbeiter bzw. Führungskräfte, in ihren Möglichkeiten entwickeln und bilden. Daraus ergibt sich wiederum die Frage, wie viel Pädagogik in der Handlungsform des Führens steckt. Betriebspädagogen möchten Bildungsprozesse im Unternehmen auslösen und fördern. Natürlich muss sich die Betriebspädagogik mit Elementen wie dem technischen Zwang und den Marktgegebenheiten arrangieren, die das Unternehmen hauptsächlich bestimmen. Die Betriebspädagogik steht folglich in einem Spannungsverhältnis zum ökonomischen Prinzip des Unternehmens.8 Sie hat nicht die Organisation oder Funktionszusammenhänge im Fokus, sondern den Einzelnen. Nur wenn Bildungsprozesse determiniert werden sollen, steht das ökonomische Prinzip im Vordergrund.9 Somit liegt der pädagogische Fokus der Betriebspädagogik auf der außerbetrieblichen Praxis und Theorie. Bis heute dominiert das ökonomische Prinzip.10 „Mit den normativen Unternehmenskulturansätzen sind veränderte Qualifikationsanforderungen an die Führungskräfte im Betrieb verbunden, die m.E. auch Chancen für eine Pädagogisierung der Führungsstile in sich bergen.“11

Von den Führungskräften werden Qualifikationen erwartet, die methodische und soziale Kompetenzen voraussetzen, die dem Profil eines Pädagogen sehr nahe kommen.12 Die Ingenieure der Zukunft müssen Kompetenzen aufweisen, wie sie der Pädagogik entspringen könnten: Kommunikations­und Kooperationsbereitschaft, Teamfähigkeit, die Begabung zum Anleiten der Mitarbeiter, wozu didaktische Kenntnisse erforderlich sind, sowie ein gewisses Wertebewusstsein. Ohne an sich selbst zu arbeiten, können diese Voraussetzungen nicht geschaffen werden. In der pädagogischen „Professionalisierungsdebatte“ spricht man von einer Führung, die mit einer bestimmten Absicht handelt und etwas bewirken möchte, deren Fokus auf die Selbstreflexion und die Offenheit zur permanenten Weiterentwicklung gerichtet ist. Diese neue Form der Personalentwicklung soll auf Mitarbeiter ausgerichtet sein und über die reine Beschaffung und den Einsatz von Personal, früher Personalwirtschaft genannt, hinausgehen.

Es müssen Organisationsformen geschaffen werden, die Eigeninitiative und Verantwortung der Mitarbeiter voraussetzen. Solche Ansätze nähern sich denen einer individualpädagogischen Begründung in der Pädagogik. Es ist eine Wende erkennbar: Die Menschen stellen keine Objekte mehr dar, die man nur führen und steuern kann, sondern Subjekte mit eigenen Erfahrungen. Sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte haben das Interesse, sich in Bezug auf ihre Fähig- und Fertigkeiten in ihren Qualifikationen weiterzubilden und -entwickeln.13 Untersuchungsergebnisse zeigen, dass vor allem Führungskräfte an Weiterbildungsveranstaltungen teilnehmen. Die Gründe dafür sind, dass Führungskräfte die Aufgabe haben, ein positives Betriebsklima und eine erfolgreiche Unternehmenskultur zu schaffen sowie ihre Mitarbeiter zu motivieren.14 Dies zeigt wiederum, wie wichtig die Handlungsform des Führens ist, und es stellt sich die Frage, welche Einflüsse und Möglichkeiten die Pädagogik hat und wo sich diese in der Führungsebene widerspiegelt. An dieser Stelle kommt die Betriebspädagogik zum Zuge, die beide Prinzipien - das individuelle und das ökonomische Prinzip - vereinen möchte. Es ist zu berücksichtigen, dass in der Betriebspädagogik, die auf ein Wirtschaftssystem ausgerichtet ist, eine Pädagogik in einem nichtpädagogischen Konzept vorliegt. In der Erkenntnis, an welcher Stelle sich pädagogische Aspekte bei Führung verbergen, liegt der Schlüssel. Eine HR-Trendstudie aus dem Jahr 2013 von Kienbaum, die Unternehmen zu Aufgaben von Personalverantwortlichen befragt hat, konstatiert die Relevanz die Qualität von Führung und Management zu
verbessern. Führung steht damit ganz oben auf der Agenda, erst danach folgen Change- und Talentmanagement sowie Work-Life-Balance. 15

Petersen beschreibt die Betriebspädagogik als eine handlungsorientierte Wissenschaft zur Ausgestaltung einer dialogisch orientierten Unternehmenskultur, auf der die betriebliche Bildungsarbeit basiert. Der Betrieb definiert sich vorwiegend über die Betriebswirtschaft, aber es existieren zwei eminente Bestandteile, die darin verankert sind: Bildung und Lernen.16

Abbildung 1: Konstitution der betrieblichen Weiterbildung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Schwarz, M. (2013), o.S.

Obige Abbildung repräsentiert die Stellung der Betriebspädagogik. Die Pädagogik bildet ein Oxymoron mit dem wirtschaftlichen Prinzip. Es wird deutlich, dass die betriebliche Handlungslogik, die einen organisationalen Bezug zum Betrieb aufzeigt, das organisationale Lernen und ihre Didaktik in den Vordergrund stellt. Dem gegenüber steht die pädagogische Handlungslogik, die das Subjekt zum Gegenstand hat und die Methodik und Kompetenzentwicklung in den Mittelpunkt rückt. Der Betrieb ist in das Unternehmen integriert. Ein Unternehmen kann mehrere Betriebe unterhalten. Ein weiteres Schaubild (Abbildung 2) veranschaulicht die Stellung der betrieblichen Weiterbildung als ein Bestandteil des wirtschaftlichen Systems:

Abbildung 2: Verortung der betrieblichen Weiterbildung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Dewe, B./Schwarz, M. (2011), S. 126

Es findet eine Aufteilung in zwei Strukturen statt. Die berufliche Weiterbildung gehört zum Teilsystem des Bildungssystems, wohingegen die betriebliche Weiterbildung als menschliche Ressourcenorientierung innerhalb der Personal- und Organisationsentwicklung vorzufinden ist und daher dem Teilsystem des Wirtschaftssystems zuzuordnen ist. Die berufliche Weiterbildung konzentriert sich auf die Teilnehmer der Qualifizierungsmaßnahmen im Sinne von Aufstiegschancen. Im Gegensatz dazu wird die betriebliche Weiterbildung von den Betrieben selbst initiiert, um das „Humankapital“ zu erhöhen. Sie agiert in einer nicht primär pädagogischen Organisation und unterliegt dem wirtschaftlichen Prinzip, woraus folgt, dass der pädagogische Interaktionsprozess des „people processing“ der Rentabilität des wirtschaftlichen Denkens unterliegt.17 Obwohl in der betrieblichen Weiterbildung nicht „gewirtschaftet“, sondern pädagogisch gehandelt wird, entsteht die Dominanz des ökonomischen Prinzips, denn wenn dieses Prinzip nicht dominiert, kann auch keine Bildungsarbeit stattfinden. In diesem Sinne muss die Pädagogik auf das Wirtschaftssystem Rücksicht nehmen und wird maßgeblich von diesem beeinflusst.18 Dabei sollte die Relevanz der Pädagogik gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass das Wirtschaftssystem von Individuen getragen und aufrecht erhalten wird, und ihre Möglichkeiten Beschäftigte begleitend zu fördern und deren Potenziale zu entwickeln, verdeutlicht werden.

Kistner beschreibt in seiner Dissertation, dass die heutigen Herausforderungen an Unternehmen erfolgreich bewältigt werden können, wenn man die Arbeit in Teams verstärkt. Dazu ist wiederum der Auf- und Ausbau von Team- und Kooperationskompetenzen erforderlich. Dies stellt eine Aufgabe an die Betriebspädagogik dar, da die Förderung von Sozial­und Persönlichkeitskompetenzen bei Führungsaufgaben zunehmend wichtiger wird. Viele leistungsstarke Teams für das Unternehmen zu entwickeln, ist die zukünftige Aufgabe der Betriebspädagogik.19 Im Zuge der Professionalisierungsdebatte von Betriebspädagogen stellt sich die Frage, über welche Kompetenzen Betriebspädagogen verfügen sollten damit sie ihre Aufgaben pädagogisch - professionell wahrnehmen können. Gerade in den Rollen als betriebliche Ausbilder, Bildungsmanager und Weiterbildner ist neben Führungsqualitäten auch pädagogisches Wissen notwendig.20

Bis heute stellt sich die Frage nach dem Individualpädagogischen: Diese Frage greift die Betriebspädagogik auf und findet ihren Niederschlag in zeitgemäßen Formen in Bezug auf Bildung von betriebsbezogenem Lernen (siehe Arnold). Die Betriebspädagogik ist eine Wissenschaft von der betrieblichen Bildungsarbeit und hat das Individuum zum Gegenstand. Betriebliche Organisations- und Funktionszusammenhänge sind nur bei der Determinierung von Bildungsprozessen von Bedeutung.21 Angesichts dessen stellen die Bezugspunkte der Betriebspädagogik Folgendes dar: Die Theorie steht unter Begründungszwang, sie ist von der Realität losgelöst und betrachtet das Individuum. Sie stellt Hypothesen von wahr oder unwahr im Hinblick auf Erklärungen oder Prognosen aus empirischen Methoden auf, sowie in Bezug auf das „Verstehen“. Das Verstehen ist die genuine Methode, die individualpädagogisch ausgerichtet ist und aus den geisteswissenschaftlichen Methoden stammt, z.B. aus der Hermeneutik. Woraus sich ein Paradigmenpluralismus der Theoriebildung in der Betriebspädagogik ableiten lässt, bei dem Ebenen pädagogischen Wissens auf der Hermeneutik (Verstehen) und der Empirie basieren. Dem gegenüber steht die Praxis unter einem Handlungszwang. Der Fokus liegt auf der Gestaltung in z.B. Organisationen.22 Im Zuge von technologischen und arbeitsorganisatorischen Entwicklungen in Betrieben haben sich neue Möglichkeiten für pädagogisches Handeln ergeben, woraus eine pädagogische Begründbarkeit für Unternehmen resultiert.23

3. Die Handlungsform des Führens

3.1 Die Begrifflichkeit der Führung

Der Begriff der Führung ist durch eine negative Assoziation gerade in Deutschland „vorbelastet“, bedingt durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg. Global und inzwischen auch vermehrt in der deutschsprachigen Literatur wird Führung unter den Begriffen „Leader“ oder „Leadership“ benutzt. Leadership wird in Profit-Organisationen mit Unternehmertum übersetzt, das für die Weiterentwicklung eines Unternehmens zuständig ist. Das ist die Aktivität, die der Einzelne zur Führung beisteuert. Daraus erfolgt ein besserer „Führungsoutput“. So gesehen ist Leadership ein Teil bei der Erfüllung von Aufgaben der Führung, und Management der andere Teil.24 Nach Koch erlebt der Begriff durch die veränderten Strukturen in Organisationen eine Art Wiedergeburt. Führung wurde vom Verb „führen“ abgeleitet. Es gibt zwei Bedeutungen: „in Bewegung setzen“ und die „Richtung bestimmen“. Führung veranlasst zu einer „Bewegung“.25

Nachfolgende Definitionen betrachten das Führen auf zwischenmenschlicher Basis und nicht etwa das Führen von Maschinen oder anderen Objekten. Der Begriff der Führung wird oft synonym mit Management verwendet, beide Termini sind indes zu differenzieren. Führung ist personenbezogen. Management hingegen ist sachbezogen und es handelt sich um Prozesse und Gebilde. „Man managt einen Geschäftsprozess oder eine divisionale Organisation, aber man führt Menschen oder Gruppen.“26 Management stammt vom italienischen ,maneggiare‘ ab. In der Betriebswirtschaft wird es für die Leitung eines Unternehmens verwendet. Damit ist Führung personal und interaktional, Management hingegen strukturell und institutionell angesiedelt.27 Bei Management gibt es drei Ebenen von Führung als Institution: erstens die oberste Führungsebene, das Topmanagement, zuständig für Zielplanung und langfristige Entscheidungen, zweitens die mittlere Führungsebene, auch Middle-Management genannt, für kurzfristige Planungen, Entscheidungen sowie Kontrolle verantwortlich, und drittens die untere Führungsebene bzw. das Lower-/Junior-Management, die die Entscheidungen des mittleren Managements realisiert. Management stellt die betriebliche (organisationale) Handlungslogik dar.28 Neuberger führt in seinem Buch „Führen und Führen lassen“ zahlreiche Definitionen auf. Einige davon möchte ich an dieser Stelle anbringen: „Führung (ist) der Prozess der Beeinflussung der Aktivitäten einer organisierten Gruppe in Richtung auf Zielsetzung und Zielerreichung.“29 „Führung in Organisationen: Zielorientierte soziale Einflussnahme zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben in/mit einer strukturierten Arbeitssituation.“30 Aber auch „Führung wird verstanden als systematisch-strukturierter Einflussprozess der Realisation intendierter Leistungs-Ergebnisse; Führung ist damit im Kern zielorientierte und zukunftsbezogene Handlungslenkung, wobei diese Einwirkung sich auf Leistung und Zufriedenheit richtet.“31 „Die Feststellung über den Prozess des Führens beinhaltet demnach, 1. dass Führen eine Beziehung und eine Interaktion zwischen mehreren Individuen innerhalb einer Organisation darstellt, in der Einfluss und Macht ungleich verteilt sind (d.h. ein Führer operiert nicht in Isolation für sich); 2. dass die Führer-Geführten-Beziehung einen psychologischen und einen wirtschaftlichen Austausch darstellt, in dem die Geführten zu einem gewissen Grad ihre Einwilligung dazu geben müssen, dass sie geführt werden wollen; 3. dass dem Konzept der Kommunikation erhöhte Bedeutung zukommt; 4. dass in den Elementen (a) tatsächlich erbrachte Gruppenleistung; (b) Erreichen eines Zieles; und (c) befriedigte Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeiter die Effizienz des Gruppenführers gesehen wird.“32

Somit kann man sagen, dass es nicht eine allgemeingültige Definition gibt, vielmehr bereichert jede Definition die Handlungsform des Führens.33 Führung in Profit- und Non-Profit-Organisationen, bei denen Führung gleichermaßen funktioniert, hat eine wichtige Bedeutung, um in Bezug auf eine Organisation den erwünschten Erfolg zu erbringen. Führung orientiert sich also an Zielen und erfüllt durch eine soziale Einflussnahme gemeinsame Aufgaben, die sich aus einer Organisation ergeben. Im Gabler Wirtschaftslexikon findet sich folgende Kurzerklärung zu Führung: „durch Interaktion vermittelte Ausrichtung des Handelns von Individuen und Gruppen auf die Verwirklichung vorgegebener Ziele; beinhaltet asymmetrische soziale Beziehungen der Über- und Unterordnung.“34 Zusammenfassend kann man vermerken, dass Führung ein „kommunikativer und organisatorischer Prozess der Einflussnahme auf die Mitarbeiter zum Zweck der zielorientierten Leistungserstellung“35 ist. Eine Führungsperson wird wie folgt definiert: Sie „ist dasjenige Mitglied einer Gruppe, das zur Koordinierung, Leitung und Überwachung aufgabenrelevanter Gruppenfunktionen entweder von einer übergeordneten Organisation eingesetzt ist, von der Gruppe explizit gewählt wird, oder durch impliziten Konsens ein gewisses Maß an Einfluss bei aufgabenrelevanten Aktivitäten besitzt.“36

Daraus ist ersichtlich, dass der Terminus „Führung“ aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Gerade im Hinblick darauf, dass Führung in Unternehmen immer facettenreicher und komplexer wird, lässt sich die Definitionsvielfalt erklären. Andere Autoren beschreiben den Führungsbegriff aus einem betriebswirtschaftlichen, psychologischen, soziologischen und philosophischen Blickwinkel. Meine Untersuchung basiert darauf, Führung aus einem pädagogischen bzw. betriebspädagogischen Winkel zu betrachten, wobei ich problemorientierte Komponenten der Führung analysiere, die darauf hinweisen, dass sich pädagogische Elemente aus der Handlungsform des Führens ableiten lassen.

3.2 Funktion, Aufgabe und Ziel von Führung

Die Funktion von Führung kann als eine „Aufrechterhaltung der Kommunikation“ und „Fokussierung von Aufmerksamkeit“ verstanden werden; die von einer Person ausgeführt wird.37 Aus obiger Funktion lassen sich die Aufgaben von Führung bzw. Führungskräften ableiten. Mythologien, warum es überhaupt Führung gibt, besagen, dass Menschen und Kollektive geführt werden möchten und müssen. Die Form einer Hierarchie ist ein „universelles soziales Prinzip“38 und sichert erfolgreiches Handeln. Diese Hierarchie spiegelt menschliche Fähigkeiten und Motivationshintergründe wider. Solche Mythologien sind aber weder kritisch, noch sind sie fähig, sich selbst zu reflektieren oder zu beobachten.

Abbildung 3: Organisationsbezogene Funktion von Führung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Lorenz, F./Schwarz, M. (2012), S. 23

Demgemäß wird die Rolle von Führungskräften durch ihre Funktion und Aufgabe determiniert. Daraus folgt, dass man ein „Verständnis von Führung als organisationale Funktion“ besitzt, Führungskompetenzen aufweist, mit Führungsinstrumenten umgehen kann. Zudem muss eine Übereinstimmung zwischen personalen Eigenschaften und den Anforderungen vorliegen. Das Gabler Wirtschaftslexikon weist vier wichtige Funktionen von Führung auf:

- Unternehmen müssen Personen und Sachmittel aufeinander abstimmen und koordinieren.

- Das Informieren über Aufgaben der Mitarbeiter und das Motivieren der Mitarbeiter.

[...]


1 Der Begriff „Unternehmen“ wird als Oberbegriff verwendet und inkludiert damit auch den Begriff „Betrieb“.

2 vgl. Petersen, J. (1997), S. 6.

3 Damit eine bessere Verständlichkeit und Lesbarkeit gewährleistet ist, werden bei Personenbezeichnungen entweder das generische Maskulinum oder geschlechterneutrale Bezeichnungen benutzt. Es sind Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gemeint.

4 vgl. Petersen, J. (1997), S. 116.

5 vgl. Litt, T. (1969), S. 283.

6 vgl. Petersen, J./Olesch, J.-R. (2011), o.S.

7 vgl. Lorenz, F./Schwarz, M. (2012), S. 95 ff.

8 vgl. Arnold, R. (1997), S. 19 ff.

9 vgl. Dewe, B./Schwarz, M.P. (2011), S. 118 ff.

10 vgl. Arnold, R. (1997), S. 94..

11 ebd., S. 94.

12 vgl. ebd., S. 95.

13 vgl. Arnold, R. (1997), S. 95 ff.

14 vgl. ebd., S. 170 ff.

15 vgl. http://www.haufe.de/personal/hr-management/hr-trends-fuehrung-schlaegt-work-life- balance_80_203416.html.

16 vgl. Folien aus Einführungsveranstaltung BP, 2007/2008.

17 vgl. Dewe, B./Schwarz, M. (2011), S. 126 f.

18 vgl. Schwarz, M. (2009), S. 104 f.

19 vgl. Kistner, D. (2010), S. 13 ff.

20 vgl. Arnold, R. (1997), S. 186 ff.

21 vgl. ebd., S. 23.

22 vgl. ebd., S. 42.

23 vgl. Arnold, R. (1997), S. 199 f.

24 vgl. Lorenz, F./ Schwarz, M. (2012), S. 32 ff.

25 vgl. Koch, D. E. (2011), S. 30.

26 Neuberger, O. (2002), S. 49.

27 Lorenz, F./Schwarz, M. (2012), S. 32 ff.

28 vgl. Lorenz, F./Schwarz, M. (2012), S. 34 ff.

29 Stogdill (1950, 4), in Neuberger, O. (2002), S. 12

30 Wunderer & Grundwald (1980, Bd. I, 62), in Neuberger, O. (2002), S. 13.

31 Steinle (1978, 27), in Neuberger, O. (2002), S. 12.

32 Weinert (1998, 419 f.), in Neuberger, O. (2002), S. 13ff.

33 vgl. Neuberger, O. (2002), S. 15ff.

34 http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/fuehrung.html#definition.

35 Schwarz, M. (2012), Reader: Führungstheorien und Führungskräfteentwicklung.

36 Definition nach Müller & Irle (1978), Folien Führung Schwarz.

37 Lorenz, F./Schwarz, M.P. (2012), o. S.

38 Lorenz, F./Schwarz, M.P. (2012), S.23

Ende der Leseprobe aus 98 Seiten

Details

Titel
Wie viel Pädagogik steckt in der Handlungsform des Führens? Eine theoretisch-kategoriale Studie mittels Literaturstudium
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Betriebspädagogik
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
98
Katalognummer
V1189879
ISBN (eBook)
9783346632203
ISBN (Buch)
9783346632210
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Betrieb, Führung, Mitarbeitergespräche Führungsstile professionalisiertes Führen
Arbeit zitieren
Ewelina Linke (Autor:in), 2014, Wie viel Pädagogik steckt in der Handlungsform des Führens? Eine theoretisch-kategoriale Studie mittels Literaturstudium, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1189879

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