Die Ästhetisierung von Gewalt gehöre zum Kino der Neunziger wie sinnloses Küssen, Singen und Tanzen zum Kino der Goldenen Zeit (vgl. Gächter, in: Ossenagg 119). Gegenprinzip zur Gewaltästhetik ist „Coolness“, karikiert beispielsweise in „Beavis and Butthead“, die regelmäßig auf MTV ihre Kommentare abgegeben haben. Sie sind sinnbildlich für den abgestumpften Zuschauer: „Monster ohne Empfindungen und ohne Motivationen[...].“ (Ossenagg 119). Ihr Lachen scheint gegen alles zu immunisieren und „Erschreckend ist, wie ähnlich sie uns manchmal sind [...].“(Ossenagg 119).
Auch Benny, Protagonist in Michael Hanekes Film „Benny's Video“, zeigt keinerlei Emotionen und scheint komplett betäubt und berauscht von der Flut der furchtbaren Bilder, die tagtäglich auf ihn einprasselt. Durch die Alltäglichkeit verlieren die furchtbaren Bilder jedoch an Wirkung und führen zur Abstumpfung - Gewalt in den Medien ist somit Normalität. Wie Ossenagg sagt: „Die Wahrnehmung selbst ist zum Schlachtfeld geworden.“ (Ossenagg 119). Haneke kritisiert in seinem Film „Benny's Video“ die Unmündigkeit des Zuschauers, und appelliert an eine bewusstere Wahrnehmung über den reinen Konsum hinaus.
Der Film „Benny's Video“ (1994) von Michael Haneke ist, neben „Der Siebte Kontinent“ und „71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls“, der zweite Teil einer Trilogie namens „Emotionale Vergletscherung“. Der Name ist Programm, das Hauptthema die emotionale Abstumpfung und Desensibilisierung durch Reizüberflutung ausgelöst durch die Medien, die allgegenwärtig unsere Wahrnehmung beeinflussen. Hanekes These lautet also, dass die Wahrnehmungsflut zur Wahrnehmungsabstumpfung führt (vgl. Ossenagg 120).
Darauf versucht Haneke seine Zuschauer aufmerksam zu machen. Wie
Ossenagg formuliert sei es Hanekes Ziel „[...]den Bildern die Kraft ihres Verstörungspotentials wiederzugeben, sie wahrnehmbar zu machen.“(Ossenagg 121). Der Film „Benny's Video“ ist dem entsprechend ein Film über Wahrnehmung in einer medial vermittelten Welt und diesbezüglich selbstreflexiv. Ziel des Films ist es „[...] - das Sehen selbst ins Zentrum [zu] rücken. Selbstreflexiv sind insofern nicht nur Filme, die qua sujet als Selbstbespiegelung erscheinen, sondern die sich der Bilderproduktion überhaupt widmen und die fragen: Was ist ein Bild, wie strukturiert sich Wahrnehmung?“ (Reinecke 9).
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. „Die Videoapparatur als Erzählerin“ (Kilb 68) - Beschreibung und Analyse der Videos
- 2.1 Die Videos von Evis Partys und das „Pilotenspiel“ - ein Roter Faden
- 2.1.1 Beschreibung
- 2.1.2 Analyse - das Spiel als soziale Struktur
- 2.2 Das Video von der Schlachtung des Schweins
- 2.2.1 Beschreibung
- 2.2.2 Analyse - Das Video von der Schlachtung des Schweins als Exposition
- 2.2.3 Analyse - Wie Benny dem Mädchen das Video zeigt
- 2.3 Das Video von der Tötung des Mädchens
- 2.3.1 Beschreibung
- 2.3.2 Analyse – Habitualisierung, Desensibilisierung und fehlende Welterfahrung
- 2.4 Video vom Verwischen der Spuren
- 2.4.1 Beschreibung
- 2.4.2 Analyse – eine Ohrfeige für den Zuschauer
- 2.5 Video von der Ägyptenreise
- 2.5.1 Beschreibung
- 2.5.2 Analyse alles bleibt beim Alten - von der Medialisierung der Wirklichkeit und der Wirklichkeit der Medien
- 2.6 Das Video vom Gespräch der Eltern - die Auslieferung
- 2.6.1 Beschreibung
- 2.6.2 Analyse
- 2.1 Die Videos von Evis Partys und das „Pilotenspiel“ - ein Roter Faden
- 3. Ein Film der fragmentierten Wahrnehmung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Michael Hanekes Film „Benny's Video“ im Hinblick auf dessen Selbstreflexivität und die Darstellung von Desensibilisierung und Habitualisierung durch Medienkonsum. Der Fokus liegt auf der Untersuchung, wie die im Film gezeigten Videos Bennys Wahrnehmung und Handlungen beeinflussen und welche Kritik Haneke an der passiven Rezeption medialer Gewalt übt.
- Die Auswirkungen von Medienkonsum auf die Wahrnehmung und das Empfinden
- Die Rolle der Videoapparatur als Erzählerin und deren Einfluss auf die Erzählstruktur
- Die Darstellung von Gewalt und Desensibilisierung in einer medial geprägten Welt
- Die Selbstreflexivität des Films und seine Kritik an passiver Medienrezeption
- Die Analyse der verschiedenen Videos als Spiegel der Hauptthematik
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik des Films „Benny’s Video“ ein und skizziert die zentralen Aspekte der folgenden Analyse. Sie beleuchtet Hanekes Kritik an der passiven Medienrezeption und der daraus resultierenden Desensibilisierung gegenüber Gewalt. Der Film wird im Kontext der Trilogie „Emotionale Vergletscherung“ positioniert und als selbstreflexives Werk vorgestellt, welches die Wahrnehmung in einer medial vermittelten Welt thematisiert. Die Einleitung umreißt die Methodik der Analyse, welche sich auf die von Benny gefilmten Videos konzentriert.
2. „Die Videoapparatur als Erzählerin“ (vgl. Kilb 68) - Beschreibung und Analyse der Videos: Dieses Kapitel bildet den Kern der Arbeit und analysiert die verschiedenen von Benny aufgenommenen Videos im Detail. Jedes Video wird zunächst beschrieben und anschließend im Hinblick auf seine Bedeutung für die Gesamtgeschichte und die Darstellung der zentralen Themen interpretiert. Die Analyse umfasst die Videos von Evis Partys mit dem „Pilotenspiel“, die Schlachtung des Schweins, die Tötung des Mädchens, das Verwischen der Spuren, die Ägyptenreise und das Gespräch der Eltern. Die einzelnen Videosequenzen werden als Fragmente einer fragmentierten Wahrnehmung präsentiert, welche die Desensibilisierung und Habitualisierung Bennys verdeutlichen. Die Kapitelstruktur folgt dabei nicht einer chronologischen Abfolge, sondern einer thematischen Ordnung, um die argumentative Linie zu stärken.
3. Ein Film der fragmentierten Wahrnehmung: Dieses Kapitel fasst die Ergebnisse der Videoanalysen zusammen und betont die zentrale Rolle der fragmentierten Wahrnehmung im Film. Es beleuchtet, wie die mediale Reizüberflutung zu einer Abstumpfung der Emotionen und zu einem Verlust der Fähigkeit zur Empathie führt. Die Analyse dieses Kapitels knüpft an die vorhergehenden Kapitel an und vertieft die Interpretation der dargestellten Themen im Kontext der filmischen Gestaltung.
Schlüsselwörter
Benny’s Video, Michael Haneke, Mediengewalt, Desensibilisierung, Habitualisierung, Wahrnehmung, Selbstreflexivität, Medienkonsum, Reizüberflutung, Fragmentierung, emotionale Vergletscherung, Filmanalyse.
Häufig gestellte Fragen zu „Benny's Video“-Analyse
Was ist der Gegenstand dieser Analyse?
Diese Arbeit analysiert Michael Hanekes Film „Benny's Video“ mit Fokus auf dessen Selbstreflexivität und die Darstellung von Desensibilisierung und Habitualisierung durch Medienkonsum. Die Analyse untersucht, wie die im Film gezeigten Videos Bennys Wahrnehmung und Handlungen beeinflussen und welche Kritik Haneke an der passiven Rezeption medialer Gewalt übt.
Welche Themen werden im Einzelnen behandelt?
Die Analyse befasst sich mit den Auswirkungen von Medienkonsum auf Wahrnehmung und Empfinden, der Rolle der Videoapparatur als Erzählerin und deren Einfluss auf die Erzählstruktur, der Darstellung von Gewalt und Desensibilisierung in einer medial geprägten Welt, der Selbstreflexivität des Films und seiner Kritik an passiver Medienrezeption sowie der Analyse der verschiedenen Videos als Spiegel der Hauptthematik.
Wie ist die Analyse strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in drei Kapitel: Eine Einleitung, die den Film einführt und die Methodik erläutert; ein zentrales Kapitel, das die im Film gezeigten Videos detailliert beschreibt und analysiert (Evis Partys, Schlachtung des Schweins, Tötung des Mädchens, Verwischen der Spuren, Ägyptenreise, Gespräch der Eltern); und ein abschließendes Kapitel, das die Ergebnisse zusammenfasst und die Bedeutung der fragmentierten Wahrnehmung im Film betont.
Welche Videos werden im Detail analysiert?
Die Analyse untersucht folgende Videos: Videos von Evis Partys mit dem „Pilotenspiel“, das Video von der Schlachtung des Schweins, das Video von der Tötung des Mädchens, das Video vom Verwischen der Spuren, das Video von der Ägyptenreise und das Video vom Gespräch der Eltern. Jede Videosequenz wird einzeln beschrieben und im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesamtgeschichte und die zentralen Themen interpretiert.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Analyse?
Die Analyse zeigt, wie die mediale Reizüberflutung zu einer Abstumpfung der Emotionen und zu einem Verlust der Fähigkeit zur Empathie führt. Der Film wird als selbstreflexives Werk interpretiert, das die fragmentierte Wahrnehmung in einer medial vermittelten Welt thematisiert und Kritik an passiver Medienrezeption übt.
Welche Schlüsselbegriffe sind für das Verständnis der Analyse relevant?
Schlüsselbegriffe sind: Benny’s Video, Michael Haneke, Mediengewalt, Desensibilisierung, Habitualisierung, Wahrnehmung, Selbstreflexivität, Medienkonsum, Reizüberflutung, Fragmentierung, emotionale Vergletscherung, Filmanalyse.
Wie ist die Methodik der Analyse?
Die Methodik der Analyse konzentriert sich auf die von Benny gefilmten Videos und deren Interpretation im Kontext der Gesamtgeschichte und der zentralen Themen des Films. Die Kapitelstruktur folgt dabei einer thematischen Ordnung, um die argumentative Linie zu stärken.
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- Alexandra Appel (Author), 2008, Desensibilisierung, Habitualisierung und der Verlust von Welt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118992