Möglichkeiten von Onlinekommunikation in Berufsgewerkschaften. Eine Analyse am Fallbeispiel Verband medizinischer Fachberufe e.V.


Masterarbeit, 2021

68 Seiten, Note: 1,9


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.2 Problembeschreibung und Fragestellung
1.3 Methodik
1.4 Aufbau der Arbeit

2. Onlinekommunikation aus Nonprofit-Marketing-Sicht
2.1 Nonprofit-Marketing
2.2 Kommunikationspolitik aus Sicht des Nonprofit-Marketings
2.3 Onlinekommunikation
2.3.1 Operative Instrumente der Onlinekommunikation
2.4 Verortung und Eignung von Onlinekommunikation aus Sicht des Nonprofit-Marketings

3. Berufsverbände und Berufsgewerkschaften
3.1 Konstitutive Merkmale von Berufsverbänden und Berufsgewerkschaften als Interessenorganisationen
3.2 Was macht Gewerkschaften stark?
3.3 Bekannte und weniger bekannte berufsgewerkschaftliche Akteure

4. Fall: Der Verband medizinischer Fachberufe e.V
4.1 Organisationsbeschreibung und Hauptaufgaben
4.1.2 Der VMF als multifunktionale Interessenorganisation
4.1.3 Hauptaufgabe 1: Aushandeln angemessener Tarifverträge mit Tarifpartnern und Ausweitung der Tarifflächendeckung
4.1.4 Einfluss von Betriebsstruktur und beruflichem Selbstverständnis auf die Mobilisierungsfähigkeit
4.1.5 Hauptaufgabe 2: Einsatz für gesellschaftliche Anerkennung der Berufsangehörigen
4.1.6 Lobbying
4.2 Zusammenfassung und Diskussion der limitierenden Einflüsse auf die Kommunikation des VMF

5. Die Onlinekommunikation des VMF
5.1 Überblick: Relevante Online-Anspruchsgruppen des VMF
5.2 Kommunikationspolitische Instrumente des VMF
5.3 Die Online-Reichweitenstrategie des VMF
5.3.1 Facebook
5.3.2 Suchmaschinenoptimierung

6. Fazit & Diskussion

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Beispielhafte Instrumente und Schnittstellen der vier

Kommunikationskategorien von Nonprofit-Organisationen

Abbildung 2: Funktionsorientierter Systematisierungsansatz des kommunikationspolitischen Instrumentariums

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Verhältnis von Primär-, Organisations- und Institutioneller Macht

Tabelle 2: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in den vom VMF vertretenen Berufen

Tabelle 3: Mitgliederzahlen Verband medizinischer Fachberufe e.V

Tabelle 4: Überblick Presse- und Medienarbeit des VMF

Abstract

This Paper deals with online communications of Professional Associations, who also act as Trade Unions. In order to be able to assert their particular interests effectively for their members, these nonprofit organizations typically rely heavily on different public and/or non-public forms of communication (e.g. Lobbying, campaigning, media-effec­tive union strikes or threats to strike). In particular, some lesser-known organizations of this type lack opportunities to make sufficient use of these measures due to weak power resources and environmental conditions which can be identified on various lev­els (e.g., poorly respected professions, lack of a strike threat option, weak institutional integration, limited direct access to professionals). As a result, the organization re­mains largely unknown among its professionals which limits their scope for action even further.

Using a case study as an example (Verband medizinischer Fachberufe e.V.), this the­sis wants to show possibilities for these organizations, which enable them to maximize their reach through the use of today's common instruments of online communication and help them to achieve a necessary increase in awareness among their target groups while not (or not fully) outsourcing these tasks to third parties.

After showing why online communication is suitable for these organizations, constitu­tive characteristics of these organizations, as well as factors of trade union power are used to allow an analytical description of the case "VMF" and its (communicative) lim­itations. Finally, based on the online strategy pursued by the VMF, effective ways to increase its visibility are outlined in an exemplary way (Facebook & Search engine optimization).

1. Einleitung

Ich wusste gar nicht, dass ihr meine Gewerkschaft seid.

Ob Menschen einer Gewerkschaft aus Überzeugung, Solidarität, Berufsethos, sozia­len Beweggründen oder rationalen Nutzenkalkülen beitreten: Das Wissen Berufsan­gehöriger um die Existenz ihrer gewerkschaftlichen Interessenvertretung bildet das Fundament zur Gewinnung neuer Mitglieder. Diese sichern mit ihren Mitgliedsbeiträ­gen nicht nur die Existenz und Weiterentwicklung der Organisation, ihre Zahl nimmt ebenfalls Einfluss auf die gewerkschaftliche Organisationsmacht (Freidank 2010) (Eb­binghaus und Göbel 2014) (Greef und Speth 2013a). Als Teil der Kommunikationspo­litik kommt der Onlinekommunikation dabei aufgrund eines Reichweitenpotenzials und den heute äußerst vielfältigen Optionen zur zielgruppengerechten Ansprache speziell bei der Steigerung der Bekanntheit eine zentrale Rolle zu. In der Forschung zur Kommunikation von Verbänden und Gewerkschaften wird dies erst seit kurzem ver­einzelt untersucht (Futh 2018) (Hoffjann und Gusko 2013) (Nitschke 2019). Diese Ar­beit hat somit die (berufs-) gewerkschaftliche Onlinekommunikation zum Untersu­chungsgegenstand und möchte anhand eines Fallbeispiels („Verband medizinischer Fachberufe e.V.“) einen Beitrag zur Beleuchtung und Optimierung gewerkschaftlicher Kommunikationsstrategien im Kontext der Verbändeforschung leisten.

1.2 Problembeschreibung und Fragestellung

Der Verband medizinischer Fachberufe e.V. (VMF), Berufsverband und unabhängige Berufsgewerkschaft für die Angestellten in Arzt-, Tierarzt-, Zahnarztpraxen und zahn­technischen Laboren, wurde 1964 „von Frauen für Frauen“ gegründet und ist Interes­senvertretung für rund 700.000 Berufsangehörige bundesweit. Trotz nachweislicher Erfolge des VMF stehen dieser Zahl seit zehn Jahren konstant nur rund 22.000 orga­nisierte Mitglieder gegenüber. Bisherige Maßnahmen, die zu einem Nettozuwachs bei den Mitgliedern führen, blieben bisweilen ohne Erfolg. Befragungen von Nicht-Mitglie­dern, interne Umfragen, Rückmeldungen von neuen Mitgliedern sowie jahrelange Er­fahrungen von Haupt- und Ehrenamtlichen (z.B. auf Veranstaltungen, Messen, öffent­lichen Auftritten, etc.) zeigen außerdem, dass vom VMF vertretene Berufsangehörige mehrheitlich kein Wissen um ihre Interessenvertretung haben. Repräsentative Umfra­gen im Auftrag des VMF belegen ebenfalls eine defizitäre Darstellung des Verbandes, seiner Interessen und seiner Leistungen in der Öffentlichkeit. Dies bei jedoch gleich­zeitig guter emotionaler Mitgliederbindung und einer ausgeprägten Gesamtzufrieden­heit unter allen Mitgliedergruppen. Zusammengedacht im Kontext der bisherigen Kom­munikationspolitik des VMF, deutet dies aus meiner Sicht auf ein brachliegendes Po­tenzial zur Bekanntmachung und Bekanntheitssteigerung unter Berufsangehörigen.

Aus diesen Gründen beschloss der VMF die Umsetzung einer Online-Reichweiten­Strategie unter Nutzung spezieller Instrumente aus dem Bereich der Onlinekommuni­kation und stellte dafür neue Ressourcen bereit. Dies mit dem Ziel, die Bekanntheit des Verbandes unter Berufsangehörigen mittel- bis langfristig spürbar zu erhöhen und dadurch die satzungsgemäßen Aufgaben gegenüber seinen Mitgliedern besser erfül­len zu können.

Entgegen den in Untersuchungen genannten günstigen Merkmalen von in der Öffent­lichkeit präsenten Berufs-/Spartengewerkschaften unterscheidet sich der VMF von diesen in mancher Hinsicht deutlich: Konkret äußert sich dies in seiner eingeschränk­ten Streik-, Konflikt-, und Mobilisierungsfähigkeit, seines geringen Organisationsgrads, aber auch in weiteren schwach ausgeprägten Faktoren gewerkschaftlicher Macht. So wird der VMF im Kontext dieser Arbeit als eher atypischer „Spezialfall“ unter den Be­rufsgewerkschaften betrachtet.

Eine zentrale und begründbare Annahme dieser Arbeit besteht somit darin, dass für eine erfolgreiche Kommunikation im Zusammenhang mit einer Artikulation und Durch­setzung von Interessen strukturelle Besonderheiten des VMF limitierend wirken, da diese wesentlichen Einfluss auf die Reichweite kommunikativer Maßnahmen haben. Ein Beispiel für eine solche Limitation: Ohne Streikoption, keine medienwirksame Mo­bilisierung von Berufsangehörigen, was wiederum Einfluss auf die Medienpräsenz ei­ner Berufsgewerkschaft hat und damit Einfluss auf die Durchsetzungskraft von Tarif­forderungen haben kann. Somit lassen sich Kommunikationsmuster anderer Berufs­gewerkschaften nicht ohne weiteres auf den VMF übertragen. Eine analytisch zu erar­beitende und kontrastive Positionierung des VMF in der Verbände- und Gewerk­schaftslandschaft unter Herausstellung seiner Besonderheiten soll als Ausgangspunkt zur Beantwortung der zentralen Frage dieser Arbeit dienen:

Welche Möglichkeiten lassen sich für den „Spezialfall VMF unter den Berufsge­werkschaften“ identifizieren, die im Onlineraum zu einer Erhöhung seiner Be­kanntheit unter Berufsangehörigen führen?

Die Fragestellung hat aufgrund eines aktuellen praxisrelevanten Problems eine an­wendungsorientierte Bedeutung. Dabei hat diese Arbeit keine detaillierte Aufzählung passender Instrumente der Onlinekommunikation im Sinne einer „Handlungsanlei­tung“ zum Ziel. Dafür sind organisationale Gegebenheiten und die Auswahl potenziel­ler Instrumente zu vielfältig. Vielmehr sollen in der Fallbeschreibung strategisch gelei­tete Maßnahmen des VMF exemplarisch beschrieben und daraus Erkenntnisse für ei­nen spezifischen Teil gewerkschaftlicher Onlinekommunikation generiert werden, die sich in bisheriger Literatur kaum explizit findet („Bekanntheit durch Online-Reich­weite“). Die Maßnahmen zur Erhöhung der Bekanntheit im Fallbeispiel sind dabei als gezielt kompensatorisch im Kontext der VMF-Strategie zu bewerten. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen letztlich auch in der Praxis zur weiteren Bearbeitung eines tragfä­higen Konzeptes zur Onlinekommunikation des VMF beitragen und dem Verband hel­fen, den Blick auf eine langfristige Perspektive seiner Kommunikationspolitik zu schär­fen.

1.3 Methodik

Die Methode zur Erarbeitung und Durchführung der Fallstudie erfolgt dabei in Anleh­nung an Yin (2014). Als Hauptmethode nutzt die Arbeit eine (holistische) Einzelfallstu­die und arbeitet dabei deskriptiv, um einen Beitrag zum Praxiswissen zu leisten. Das unmittelbar relevante Analyseobjekt ist der Verband medizinischer Fachberufe e.V., den relevanten Kontext bildet die Kommunikationspolitik des Verbandes mit Fokus auf die Onlinekommunikation. Als weitere Technik der Fallstudie kommt eine Literaturana­lyse zu den Themenfeldern „Berufsgewerkschaften“ (Leitliteratur: (Keller 2017) und (Greef und Speth 2013), „Onlinekommunikation von Nonprofit-Organisationen“ (Leitli­teratur: (Bruhn 2005, 2009) sowie „Verbandskommunikation“ (Leitliteratur: (Hoffjann 2014; Hoffjann und Gusko 2018; Hoffjann und Stahl 2010) zum Einsatz. Außerdem werden Ergebnisse interner Dokumente des VMF herangezogen, die vor allem Daten für die Ausarbeitung der Besonderheiten des VMF beisteuern sollen. Zu nennen sind hier insbesondere zwei repräsentativen Umfragen („ Mitgliederfocus “ 2002 und 2011) und weitere Statistiken, wie z.B. zur internen Mitglieder- sowie allgemeinen Beschäfti­gungsstruktur. Informationen aus Hintergrundgesprächen mit der für die Öffentlich­keitsarbeit des Verbandes zuständigen Präsidentin des VMF (Hannelore König) erwei­tern den Blick um Perspektiven aus dem Inneren des Verbands. Sie dienen somit der zusätzlichen Validierung bzgl. der Annahme des „Spezialfalls VMF“, auf die diese Ar­beit fußt.

Die Arbeit ist einzugliedern in die Nonprofit-Marketingforschung („Was kennzeichnet Marketing von NPOs“) sowie der allgemeinen Online-Marketingforschung. Aus politik­wissenschaftlicher Perspektive sind die Verbands- und Interessengruppenforschung zu nennen („Wie organisieren sich Interessen, was sind konstitutive Merkmale von In­teressenorganisationen, welchen Handlungslogiken unterliegen Interessenorganisati­onen?“), die Forschung zu Gewerkschaften („Was kennzeichnet gewerkschaftliche Stärke?“) sowie eine spezifisch kommunikationswissenschaftlich ausgerichtete Ver­bandskommunikationsforschung mit Fokus auf den Einsatz von Instrumenten der On­linekommunikation in Berufsverbänden und -gewerkschaften.

1.4 Aufbau der Arbeit

Die Arbeit beginnt mit einer Definition und Einordnung der Onlinekommunikation als Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Ausgehend von einer Nonprofit-Logik, der Berufsverbänden und -gewerkschaften unterliegen, wird dabei vor allem auf Bruhns Nonprofit-Marketing-Konzeption zurückgegriffen. Diese erlaubt ein Herausstellen der Besonderheiten in der Kommunikationspolitik von NPOs. Anschließend werden für diese Arbeit relevante Merkmale und Instrumente von Onlinekommunikation skizziert und es erfolgt eine Positionierung im kommunikationspolitischen Instrumentarium aus Sicht des Nonprofit-Marketings. Hierüber werden die wesentlichen Marketingfunktio­nen sowie eine daraus begründbare vorteilhafte Eignung von Onlinekommunikation für NPO's sichtbar gemacht.

Da es sich bei Berufsverbänden und -gewerkschaften um höchst heterogene Organi­sationsformen handelt, werden im Vorfeld der Fallbeschreibung in Kap. 3 konstitutive Merkmale von vermittelnden Interessenorganisationen sowie Faktoren gewerkschaft­licher Macht erörtert -worunter auch Berufsverbände und Berufsgewerkschaften fallen. Dies erlaubt eine Zuspitzung und Überleitung auf den Fall „VMF“ . In der Fallbeschrei­bung in Kap. 4. werden auf Basis einer Beschreibung der wesentlichen Hauptaufgaben des VMF sowie im Kontrast zu den Kommunikationslogiken bekannterer Spartenge­werkschaften analytisch die Limitationen erarbeitet und begründet, die Einfluss auf die Kommunikation des VMF nehmen. Kap. 5 widmet sich anschließend der Onlinekom­munikation des VMF und skizziert exemplarisch zwei Bereiche (Facebook und Such­maschinenoptimierung), die dem VMF Möglichkeiten zur Bekanntheitssteigerung bie­ten. Kap.6 fasst die Ergebnisse zusammen und diskutiert diese.

2. Onlinekommunikation aus Nonprofit-Marketing-Sicht

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Analyse von Möglichkeiten von Onlinekommuni­kation in Berufsverbänden und -gewerkschaften unter spezifischen limitierenden Um­ständen. Nicht nur handelt es sich bei diesen als Verbände organisierten Interessen­vertretungen um Nonprofit-Organisationen (NPO), deren Kommunikationspolitik sich in vielerlei Hinsicht grundlegend von der von Forprofit-Organisationen unterscheidet. In ihrer Funktion als vermittelnde Interessenorganisation wird der Kommunikationspo­litik von Verbänden dabei aufgrund ihrer oftmals vielfältigen Aufgaben und Anspruchs­gruppen ein weitaus höherer Stellenwert im Marketing-Mix eingeräumt, als es in For- profit-Unternehmen der Fall ist (von Velsen-Zerweck 2011:157). Aus dieser Perspek­tive heraus betrachtet können Verbände aufgrund ihrer starken Ausrichtung auf kom­munikative Tätigkeiten -sei es Lobbying, Presse- und Medienarbeit oder Onlinekom­munikation mit externen und/oder internen Anspruchsgruppen- als „ Kommunikations­Dienstleister “ oder „ Kommunikationsorganisationen “ bezeichnet werden, denn sie ver­suchen „ mit Hilfe von Daten und Fakten sowie Erfahrungen und Meinungen gegenüber ihren unterschiedlichen Anspruchsgruppen Interesse zu wecken und Interessen zu vertreten “ (von Velsen-Zerweck 2011:445) (Hoffjann und Stahl 2010:9) (von Velsen- Zerweck 2011:153). Kürzer zusammengefasst lässt sich Marketing in NPO's grundle­gend auch als einen Austauschprozess von „ vor allem Werten, Interessen und Infor­mationen “ bezeichnen -z.B. zwischen einer Berufsgewerkschaft und „ihren“ Berufsan­gehörigen (von Velsen-Zerweck 2011:154).

Ziel soll nun sein, den Begriff Onlinekommunikation über eine möglichst exakte Be­stimmung und Eingrenzung sinnvoll am weiteren Untersuchungsgegenstand der Ar­beit (Bekanntheitssteigerung unter relevanten Anspruchsgruppen) auszurichten. Die Einordnung darf dabei nicht zu detailliert erfolgen, da Kommunikation aus Sicht des Marketings heute in Organisationen aller Art bereichsübergreifend verankert ist und eine strikte Trennung dieser Bereiche ab einem gewissen Punkt weder theoretisch noch in der Praxis zweckmäßig ist (Kolano 2017:5).

Bevor Funktionen, Merkmale und Instrumente von Onlinekommunikation dargestellt und diese sodann in einen verbandlichen Kontext übertragen wird, erfolgt die Begriffs­bestimmung der übergeordneten Begriffe „ Marketing “ und „ Kommunikationspolitik “, da Onlinekommunikation diesen beiden Bereichen untergeordnet ist. Da es in dieser Arbeit um Berufsverbände und -gewerkschaften geht, geschieht dies ausgehend der Logik und Besonderheiten von Nonprofit-Organisationen.

2.1 Nonprofit-Marketing

Bruhn, der das betriebswirtschaftliche Marketing in Anlehnung an das Dienstleistungs­marketing systematisch und unter Berücksichtigung der Besonderheiten von NPOs auf diese übertragen hat, sieht Nonprofit-Marketing als „[...] eine spezifische Denkhaltung. Sie konkretisiert sich in der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher interner und externer Aktivitäten, die durch eine Ausrichtung am Nutzen und den Erwartungen der Anspruchsgruppen (z. B. Leistungsempfänger, Kostenträger, Mit­glieder, Spender, Öffentlichkeit) darauf abzielen, die finanziellen, mitarbeiterbezoge­nen und insbesondere aufgabenbezogenen Ziele der Nonprofit-Organisation zu errei­chen.“ (Bruhn 2005:65). Während zum Erreichen von Unternehmenszielen beim klas­sischen Forprofit-Marketing-Mix eher der Kunde, ein (Absatz-)Markt und/oder eine strategische Marktausrichtung im Vordergrund stehen, ergibt sich für ein von Bruhn definiertes Nonprofit-Marketing ein Fokus auf die NPO-typische Vielfalt der Anspruchs­gruppen und die Kommunikation mit diesen zum Erreichen der aufgabenbezogenen Ziele einer NPO. Bruhn sieht NPOs daher als „ Anwalt der Anspruchsgruppen “ und spricht in diesem Kontext von einem „ Paradigma der Anspruchsgruppenorientierung “, wie es z.B. bei Interessenvertretungen/Verbänden ersichtlich ist (Bruhn 2005:45, 44). Gemeint ist damit die Vielzahl an internen und externen Personengruppen mit oftmals sehr heterogenen und teils konträren Interessen, der sich NPOs grundsätzlich gegen­übersehen. Er verweist auf eine damit einhergehende hohe Komplexität des Nonprofit­Marketings, dessen Aufgabe es schließlich ist, eben diesen Ansprüchen gerecht zu werden (Bruhn 2005:45). Dies erfolgt nach Bruhn bei NPOs grundsätzlich über das Marketing-Instrument „Kommunikationspolitik“.

2.2 Kommunikationspolitik aus Sicht des Nonprofit-Marketings

Bruhn definiert Kommunikationspolitik für NPO's als „ Gesamtheit der Kommunikati­onsinstrumente und -maßnahmen einer Organisation [.], die eingesetzt werden, um die Nonprofit Organisation und ihre Leistungen den relevanten Anspruchsgruppen dar­zustellen und/oder mit diesen in Interaktion zu treten “ (Bruhn 2009:1156). Die Kommu­nikationspolitik umfasst also die gesamte Kommunikation einer Organisation (in- tern/extern; aktiv/passiv; on-und offline; einseitig/dialogisch; etc.) und ist besonders für NPOs, und damit für Verbände und Gewerkschaften, das wichtigste Marketinginstru­ment zur Erfüllung ihrer größtenteils qualitativen, heterogenen und grundsätzlich nicht gewinnorientierten Ziele (Bruhn 2005:384). Die Ziele der Kommunikationspolitik selbst, und damit einhergehend die Auswahl entsprechender kommunikativer Instrumente , leiten sich dabei stets von den übergeordneten strategischen Organisationszielen ab, wie sie bei Verbänden in der Rechtsform eines Vereins beispielsweise in der Satzung formalisiert sind.

Bruhn sieht dabei einige grundsätzliche Besonderheiten in der Kommunikations­politik von NPO's, die der Kommunikationspolitik einen übergeordneten Stellenwert einräumen und gleichzeitig entscheidenden Einfluss auf Planung, Umsetzung und den Erfolg der Organisationskommunikation haben.

Neben der bereits genannten starken Orientierung an den vielfältigen Anspruchsgrup­pen nennt Bruhn die tendenzielle Knappheit von (Marketing-)Budgets. Diese ergibt sich aus einer bei Teilen der Anspruchsgruppen oftmals fehlenden Akzeptanz von Mar­ketingaktivitäten, wie sie zum Beispiel bei einer Verwendung von Mitgliedsbeiträgen zur Schaltung einer werblichen Anzeige in sozialen Netzwerken, oder bei der Finan­zierung von Kampagnen mit werblichem Charakter entstehen kann. Es kommt dadurch zu einem verstärkten, nach innen gerichteten Legitimationsdruck bezüglich der Mittel­verwendung in Hinblick auf die Umsetzung kommunikationspolitischer Maßnahmen. Dieser entsteht vor allem dann, wenn es nicht um etablierte kommunikative Maßnah­men der NPO geht, diese also nicht direkt mit der Erfüllung der formalisierten Organi­sationsziele in Verbindung gebracht werden können bzw. hohe Kosten verursachen.

Dem ist vor allem durch ein hohes Maß an Transparenz beizukommen, was eine Ver­stärkung der internen Kommunikation voraussetzt, die wiederum Teil der Kommunika­tionspolitik ist (Bruhn 2009:1158).

Eine weitere Besonderheit bildet in diesem Kontext die Immaterialität der Botschaf­ten von NPO's. Kommuniziert eine Berufsgewerkschaft beispielsweise den Wunsch nach Änderung einer Meinung oder Verhaltensweise zu einem Thema, die im Sinne der Organisationsziele steht (z.B. Öffentliche Forderung nach mehr Wertschätzung bestimmter Berufsgruppen im Allgemeinen, speziell bei Arbeitgebern oder auf politi­scher Ebene) ist das Ergebnis i. d. R. ebenfalls immaterieller Natur bei gleichzeitiger Orientierung an einem konkreten Ergebnis (Beispiel: mehr Wertschätzung, die sich durch Verhaltensänderungen auf Arbeitgeberseite, oder durch die Nennung einer kor­rekten Berufsbezeichnung in der medialen Kommunikation z.B. durch Journalisten ausdrücken kann). Hieraus ergibt sich als Konsequenz für die Kommunikationspolitik eine Notwendigkeit der „ Quantifizierung “ des jeweiligen Organisationsziels und des­sen Kommunikation (Bruhn 2009:1158). Es ist dann nötig „ Signale zu senden, die den relevanten Anspruchsgruppen glaubwürdig vermitteln, dass die Organisation über die zur Problemlösung notwendigen Kompetenzen verfügt “ (Bruhn 2005:385). Am ge­nannten Beispiel der Berufsgewerkschaft wird über entsprechende Kommunikation messbarer Erfolge an Mitglieder eine Leistungskompetenz der Organisation sichtbar, was wiederum Einfluss auf die Einschätzung der Handlungsfähigkeit und das Image der Gewerkschaft hat und damit zu ihrer Legitimation und zur Vertrauensbildung unter den Mitgliedern beiträgt (Beispiel: „Seit unserer Forderung nach mehr Wertschätzung für Beruf X auf unterschiedlichen Kanälen, benutzen nachweislich eine Anzahl X an Medien die Berufsbezeichnung korrekt und X unserer Mitglieder haben dies bereits positiv zur Kenntnis genommen. Unsere Arbeit ist dahingehend erfolgreich“).

Als letzte relevante Besonderheit von NPO's hinsichtlich ihrer Kommunikationspolitik ist das Polarisierungspotenzial von Botschaften zu nennen. Dieses tritt einerseits nach außen hin in Erscheinung, wenn aufgrund der Organisationsziele durch externe Kommunikation Verhaltensweisen bei bestimmten Zielgruppen, oder die öffentliche Meinung geändert werden sollen. Andererseits kann eine Polarisierung aufgrund he­terogener Ziele und/oder Anspruchsgruppen auch nach innen hin erfolgen und somit für Konflikte sorgen (z.B. bei einer Gewerkschaft, die vier unterschiedliche Berufe ver­tritt, kommunikativ aber nur den Fokus auf einen Beruf setzt) (Bruhn, Esch, und Lang­ner 2016a:608).

2.3 Onlinekommunikation

Onlinekommunikation ist ein Teilbereich des Marketings einer Organisation sowie instrumenteller Teil der Kommunikationspolitik und wird daher oft synonym als Online­Marketing bezeichnet (Kolano 2017:7). Die Onlinekommunikation von Organisationen umfasst dabei „ alle Formen interpersonaler, gruppenbezogener und öffentlicher Kom­munikation die über vernetzte Computer vermittelt werden“ (Fraas, Meier, und Pentzold 2012:16). Diese knappe Definition schließt aufgrund ihrer Ausrichtung an den genannten drei Kommunikationsformen alle gängigen Formen heutiger Onlinekommu­nikation mit ein. Hierzu zählen neben den Instrumenten selbst auch die ermöglichten Kommunikationsrichtungen. Darunter fallen insbesondere synchrone und asynchrone Formen (Echtzeit- oder Nah-Echtzeit-Kommunikation wie in Chats oder Diskussions­plattformen) sowie vielfältige Optionen, als Einzelperson mit Einzelperson(en) oder als Gruppe mit Gruppe(n) zu kommunizieren (Averbeck-Lietz und Meyen 2016:337)1. Der Ausdruck „ vernetzte Computer “ meint dabei das Internet/den Onlineraum als Medium der Übertragung. Bruhn drückt das Gleiche aus, betont dabei aber die für NPO wich­tige Anspruchsgruppenorientierung. Für ihn umfasst „ Online-Kommunikation sämtli­che Maßnahmen elektronischer Medien, die dazu dienen, mit den relevanten An­spruchsgruppen entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse in Interaktion zu treten“ (Bruhn u. a. 2016a:618). Dabei zählt Bruhn speziell die Onlinekommunikation (aber auch das Lobbying) aufgrund verhältnismäßig überschaubarem Kosten-/Nutzenauf- wand zu den Instrumenten der Marketingkommunikation mit für NPO's hohem Poten­zial (Bruhn u. a. 2016a:617).

In dieser Arbeit wird Onlinekommunikation als Aufgabe der übergeordneten Öffentlich­keitsarbeit von Verbänden betrachtet (Voss 2010:298). Wie in der Fallbeschreibung (Kap. 4) aufgezeigt wird, handelt es sich aus einem NPO-Kontext heraus gedacht bei der Onlinekommunikation um ein Instrument, das dem für Verbände typischen und zentralen Instrument der Pressearbeit folgt und dieses produktiv ergänzt. Diese Dy­namik hat ihren Ursprung in der etablierten Stellung von Pressearbeit in Verbänden, die einen Knotenpunkt für die Erstellung von Inhalten bildet. Von daher können diese beiden Bereiche in der Organisation kaum losgelöst voneinander bearbeitet werden, auch wenn Ziele, Zielgruppen und inhaltliche Form sich deutlich voneinander unter­scheiden. Zur theoretischen Erklärung eignet sich an dieser Stelle Bruhns Konzept der kommunikativen Leit-, Kristallisations-, Integrations- und Folgeinstrumente (Bruhn, Esch, und Langner 2016b:38-40). Bruhn listet dabei für NPO's relevante Kommunika­tionsinstrumente auf und differenziert diese innerhalb der vier genannten Kategorien nach der „ Einflussnahme auf andere Instrumente und der Beeinflussbarkeit durch an­dere Instrumente “ (Bruhn u. a. 2016b:38). Charakteristisch für ein Leitinstrument ist dabei seine hohe strategische Bedeutung für die Organisation. Charakteristisch für ein Kristallisationsinstrument ist, dass es besonders für spezielle, eingrenzbare An­spruchsgruppen eine enorm hohe Bedeutung hat und neben einer Informationsfunkti­onen zusätzlich affektiv und persuasiv wirken kann -wie es bei der Onlinekommunika­tion der Fall ist. Gleichzeitig werden sie von anderen Instrumenten mit beeinflusst. Beide Instrumente zählen im NPO-Kontext nach Bruhn zu den „Muss“-Instrumenten (im Gegensatz zu „Soll“ und „Kann“-Instrumenten wie es bspw. beim Event- oder Di­rektmarketing der Fall ist)2.

Bei der späteren Beschreibung der Kommunikationspolitik des VMF in Kap. 5 werden das kommunikative Leitinstrument Pressearbeit des VMF (als zentrale Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit) sowie das Kristallisationsinstrument Onlinekommunikation, welches dem Leitinstrument bezüglich der Inhalte in großen Teilen folgt und von die­sem am stärksten beeinflusst wird, erneut aufgegriffen.

2.3.1 Operative Instrumente der Onlinekommunikation

Zu den operativen Instrumenten der Onlinekommunikation zählen insbesondere: Platt­formbasierte Social Media-Kommunikation im Sinne des Web 2.0 (darunter fallen vor allem: Weblogs, Pod- und Videocasts, Wikis, Foren, RSS-Feeds, Chats), Mobile Kom­munikation (Smartphones/Tablets), E-Mail und Newsletter, Homepage, Suchmaschi­nenmarketing und -optimierung, sowie Online-Kooperationen und domänenübergrei­fende Verlinkungen (Taddicken 2016:446) (Domahidi 2016:85). Hoffjann, der die On­linekommunikation speziell von Verbänden untersucht hat nimmt dabei an, dass vor allem die Anwendungen des Web 2.0 „ eher für die externe Kommunikation und Neu­werbung von potentiellen Mitgliedern genutzt“ werden (Hoffjann u. a. 2013:8). Zu die­sen Anwendungen zählen vor allem die Instrumente, die eine zweiseitige Kommunika­tion zwecks Förderung von Interaktion mit Nutzern in potenziell Echtzeit ermöglichen, indem diese selber Inhalte erstellen und mit dem Absender interagieren können (Social Media, Foren, Chats, Blogs) (Bruhn u. a. 2016a:471). Erwähnt sei an dieser Stelle die Besonderheit von sozialen Medien: Diese liegt darin, dass Nutzer selber Inhalte erstel­len, jederzeit teilen und privat wie öffentlich adressieren können. Hieraus ergeben sich organisationsseitig vielfältige Formen des kommunikativen Austauschs jenseits einfa­cher Textbeiträge wie der Einsatz von Videos, Bildern, Gif's, Emoticons, Memes, etc. und es leitet sich aus diesen Merkmalen eine soziale Funktion ab, die „ soziale Interak­tion “ und „ kommunikativen Austausch “ fördert (Hoffjann und Gusko 2018:446).

2.4 Verortung und Eignung von Onlinekommunikation aus Sicht des Nonprofit-Marketings

Um Onlinekommunikation im vielfältigen kommunikationspolitischen Instrumentarium von Nonprofit-Organisationen klarer zu verorten und ihre NPO-typischen Funktionen sichtbar zu machen, eignet sich ein funktionsorientierter Systematisierungsansatz. Die Onlinekommunikation (in Abb.1 „Multimediakommunikation“ genannt) bildet nach Bruhn eins von fünfzehn Kommunikationsinstrumenten, welche sich für NPO's den drei Kategorien Institutionelle-, Marketing,- und Dialogkommunikation zuordnen lassen (Bruhn 2005:400). Die nach innen gerichtete Mitarbeiterkommunikation (auch „interne Kommunikation“ genannt) bildet dabei funktional eine Schnittstelle mit allen drei Kom­munikationskategorien, und richtet sich nach innen. Die Onlinekommunikation ist das einzige weitere Instrument, das ebenfalls Schnittmengen mit allen drei Kategorien hat.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Beispielhafte Instrumente und Schnittstellen der vier Kommunikationskategorien von Nonprofit-Organisationen (Bruhn 2009: 400)

Die Institutionelle Kommunikation wird heute auch Unternehmenskommunikation genannt. Dort finden sich maßgeblich die kommunikativen Maßnahmen subsumiert, die die Erscheinung der NPO maßgeblich nach außen hin prägen. Die Marketingkom­munikation dient im Wesentlichen der Bekanntmachung der NPO-Leistungen und de­ren Merkmale und hat dadurch einen eher absatzorientierten Charakter. Die Dialog­kommunikation hat vor allem das Ziel, die sich verändernden Informationsbedürf­nisse der jeweiligen Anspruchsgruppen zu erkennen und zu befriedigen und nutzt dazu eine differenzierte Ansprache (Bruhn 2009:1167-69). Die drei Kategorien erfüllen da­bei unterschiedliche Funktionen, welche in folgender Abbildung präziser dargestellt werden können:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Funktionsorientierter Systematisierungsansatz des kommunikationspolitischen Instrumentariums (Bruhn 2009: 39)

Die Positionierung der einzelnen Instrumente ist dabei nicht fix. Jedes der Instrumente kann, je nach operativen Einsatzzweck, unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Durch die in Abb. 2 dargestellte mittige Positionierung innerhalb dieser systematischen Funkti­onslogik wird aber ersichtlich, dass das Instrument Onlinekommunikation bereits in der Grundtendenz multifunktional und flexibler einsetzbar ist als andere Berei­che, wie z.B. Public Relations, Mediawerbung oder Sponsoring, und damit bei Bedarf geeignet ist zur Erfüllung aller drei kommunikationspolitischen Funktionen. Heute ist dieser multifunktionale Einsatz in Organisationen aller Art vertikal wie horizontal inte­griert und es ist für eine Organisation kaum noch denkbar keine Onlinepräsenz zu haben. So werden beispielsweise über eine Homepage mit hohem Informationsgehalt, als ein typisches Instrument der Onlinekommunikation, Leistungen transparent ge­macht (z.B. Rechtsberatung) oder angeboten (z.B. Fortbildungen), zu denen bei NPOs oft ein bereitgestelltes Online-Informationsangebot hinzukommt (z.B. Fachpublikatio- nen/Broschüren): In dieser Funktion zählt Onlinekommunikation aus Marketingsicht zur Marketingkommunikation, es wird der Absatzcharakter ersichtlich und dies deckt sich üblicherweise mit den satzungsgemäßen Aufgaben eines Verbandes/einer NPO. Individualisierte E-Mails/Newsletter hingegen werden als Teil der Onlinekommunika­tion in dieser Logik eher der Dialogkommunikation zugeordnet, da hier eine Dia­logfunktion mit den Anspruchsgruppen besteht, die es auf einer kommunikativ passiv ausgerichteten Homepage nicht gibt. Im interaktiven Bereich Social Media (als Instru­ment des Web 2.0) ist diese Dialogfunktion ganz besonders stark ausgeprägt (Bruhn 2005:402).

Es wurden die wesentlichen Funktionen von Onlinekommunikation innerhalb des über­geordneten Kontexts eines Nonprofit-Marketings skizziert und damit die Multifunktio­nalität innerhalb des kommunikationspolitischen Instrumentariums hervorgehoben. Diese liegt bei anderen Instrumenten, wie z.B. der Pressearbeit oder dem Eventmar­keting in dieser Form nicht vor. Zu diesen Funktionen zählen: 1) Erscheinungsbild der Organisation nach außen (damit verbunden das Image einer Organisation), 2) Absatz von (Dienst-)Leistungen und 3) Dialog/Austausch mit Anspruchsgruppen. Insbeson­dere zur Steigerung der Bekanntheit über eine Erhöhung der Online-Reichweite eig­nen sich hierzu das Instrument Onlinekommunikation. Dies wird im Fallbeispiel in Kap. 5 anhand der Beispiele Facebook und Suchmaschinenoptimierung exemplarisch auf­gezeigt.

3. Berufsverbände und Berufsgewerkschaften

Zur grundlegenden Einordnung werden nun wesentliche, in der Forschung diskutierte konstitutive Merkmale vermittelnder Interessenorganisationen dargestellt. Hierunter fallen Berufsverbände und Berufsgewerkschaften und damit ebenfalls der VMF. An­schließend erfolgt ein Wechsel auf die gewerkschaftliche Ebene und es wird danach gefragt, welche Faktoren zur Stärke einer gewerkschaftlichen Organisation beitragen. Dieser Kontext erlaubt es abschließend den Verband medizinischer Fachberufe e.V. differenzierter in der berufsgewerkschaftlichen Landschaft zu verorten, was Ausgangs­punkt bildet zur kontrastiven Fallbeschreibung.

3.1 Konstitutive Merkmale von Berufsverbänden und Berufsgewerk­schaften als Interessenorganisationen

Berufsverbände und -gewerkschaften sind nicht-profitorientierte Mitgliederorganisatio­nen mit natürlichen Personen und Individuen als Mitglieder (im Gegensatz zu Meta­Organisationen wie Verbandsverbände, die juristische Personen und Organisationen als Mitglieder zählen3 ). Überwiegend organisiert als eingetragene Vereine, sind sie Nonprofit -Organisationen und damit dem Dritten Sektor in Deutschland zuzuordnen, wobei eine Mitgliedschaft in diesen Organisationen fast immer exklusiv ist, da an for­male Eintrittsbedingungen geknüpft (vor allem: Nachweis der Zugehörigkeit zu einem Berufsstand) (Witt 2006:40). Berufsgewerkschaften werden dabei synonym oft als Sparten-, seltener auch als Betriebs-, Standes-, oder Fachgewerkschaften bezeichnet. Sie zählen zu den Wirtschaftsverbänden und grenzen sich hinsichtlich ihrer Mitglieder­zahlen deutlich von den großen Industrie- und Branchengewerkschaften wie ver.di o­der der IG Metall ab (Witt 2006:37) (Greef und Speth 2013b:25).

Sie zählen zu den intermediären Organisationen, was bedeutet, dass sie „ sowohl Mit­glieder haben als auch Mitglieder sind -nämlich des Nationalstaatlichen Institutionen­systems“ und damit funktional betrachtet zwischen Staat und Politik auf der einen und zwischen ihren Mitgliedern (als Arbeitnehmer*innen) auf der anderen Seite vermitteln (Streeck 1987:526)4 5. Sie übersetzen dabei die Interessen, Wünsche und Erwartungen ihrer Mitglieder (Mikro-Ebene: z.B. mehr Wertschätzung für Berufsangehörige seitens der Gesellschaft und/oder der Politik) sowie Zwänge aus der sozioökonomischen Um­welt (Makro-Ebene: z.B. Gesundheitspolitik) und versuchen diese in „ praktische Poli­tik “ zu transformieren (Müller-Jentsch 2008:68).

Sie werden daher, und dies ist charakteristisch für Verbände aller Art, den Interessen­organisationen zugeordnet (Witt 2006:23). Indem sie kollektive Interessen ihrer Mit­glieder aggregieren (Zusammenfassen oftmals heterogener Interessen zu verbands­politischen Zielen), selektieren (Filterung und Gewichtung von Interessen) und artiku­lieren (z.B. über Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit), bilden sie „ neben Parteien und Kir­chen eine dritte Säule politischer Integration “ für Teile der Bevölkerung und erfüllen dadurch eine Vielzahl an Funktionen innerhalb des politischen Systems (Witt 2006:22­23) (Hoffjann und Stahl 2010:22-30) (Speth und Zimmer 2015:33).

Als zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen vermittelnde und interes­senvertretende Organisationen bewegen sie sich dabei stetig im Spannungsfeld einer Einfluss- und einer Mitgliederlogik, d.h. sie müssen kontinuierlich zwischen den Notwendigkeiten sozialer Integration (Mitglieder und ihre individuellen Bedürfnisse) und einer durchsetzungsfähigen Vertretung der aggregierten Interessen nach außen balancieren (Sack und Strünck 2016:2). Einfluss- und Mitgliederlogik werden dabei in Verbänden zwangsläufig „ vertikal verkoppelt “, d.h. sie ermöglichen eine Verbindung zwischen Individuum und Staat/Politik (Speth und Zimmer 2015:36). Dabei gilt: je mehr eine der Logiken dominiert, desto schwächer ist der Einfluss der anderen (Greef und Speth 2013:51)6 7. Das Sicherstellen einer möglichst stabilen „ Balance zwischen Basis- und Systeminteressen “ ist vorrangig Aufgabe der Verbandsführung und betrifft damit die Kommunikationspolitik, denn: nur mit Zustimmung der Mitgliederbasis lässt sich nach außen hin eine Verpflichtungsfähigkeit erreichen, oder zumindest darstellen, die es überhaupt erst ermöglicht Kompromisse und Einigungen mit anderen Verhand­lungsakteuren (z.B. der jeweiligen Arbeitgeberorganisationen) zu erzielen (Schroeder, Kalass, und Greef 2008:17).

[...]


1 Zu den Eigenschaften von Onlinekommunikation wie Hyper- und Multi-, Interaktivität, Virtualität und Multifunktionalität vgl. (Bruhn, Esch, und Langner 2016a:618) sowie (Hillebrand 2018:211-19).

2 Die anderen beiden Kategorien von Instrumenten sind für diese Arbeit nicht relevant und werden hier bzw. in der Fallbeschreibung nicht weiter verwendet.

3 Ein ausführlicher Versuch der Kategorisierung von Verbänden mittels verschiedener konstitutiver Merkmale (Verbände als: Nonprofit-Organisationen, Dienstleistungsorganisationen, demokratische Or­ganisationen, Interessenorganisationen, wertgeprägte Gemeinschaften sowie als Aktionsräume ehren­amtlichen Engagements) findet sich bei: (Witt 2006:15-28) sowie bei (Zimmer und Paulsen 2010:39­42). Ein Überblick über die Vielfalt der „Funktionszuschreibungen an Interessenverbänden“ sowie über die zahlreichen „Funktionen der Interessenvermittlung“ findet sich bei: (Winter und Willems 2007:24­26)

4 Bromberg spricht in diesem Kontext zusammenfassend „von einem organisatorischen Dilemma da die Effektivierung der formalen Organisation der Gewerkschaften und die Interessenvertretung ihrer Mitglieder nicht gleichsinnig optimiert werden könnten “ (Bromberg 2009:24).

5 Zum kritischen Diskurs über die intermediäre Funktion von Gewerkschaften vgl. u.a. (Dörre 2011) (Müller-Jentsch 2005) (Meise 2015).

6 Speth und Greef konstatieren an dieser Stelle neben weiteren Gründen, dass bei Berufsverbänden die Mitgliederlogik überwiegt und dadurch der Einfluss auf Politik und Medien dahinter zurücktritt, ob­wohl ein Bestreben zum Ausbau ihrer Lobbying-Aktivitäten und damit ihre wachsende Rolle als politi­sche Akteure mit Einfluss festzustellen ist (Greef und Speth 2013b:52).

7 Zur kritischen Betrachtung der gegenseitigen Abhängigkeiten („Interdependenz“), die sich aus diesem Mikro- und Makro-Modell ergeben vgl. (Streeck 1987:543-46).

Ende der Leseprobe aus 68 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten von Onlinekommunikation in Berufsgewerkschaften. Eine Analyse am Fallbeispiel Verband medizinischer Fachberufe e.V.
Hochschule
Universität Münster
Note
1,9
Autor
Jahr
2021
Seiten
68
Katalognummer
V1190400
ISBN (eBook)
9783346628411
ISBN (Buch)
9783346628428
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nonprofit-Marketing, Online-Marketing, Interessenvertretung, Social Media, Kommunikationspolitik, Berufsverbände, Gewerkschaft, Interessenorganisation, Lobbying, Tarifverhandlungen, Tarifpolitik, Suchmaschinenoptimierung, Verein, Reichweitenerhöhung
Arbeit zitieren
Martin Völkner (Autor:in), 2021, Möglichkeiten von Onlinekommunikation in Berufsgewerkschaften. Eine Analyse am Fallbeispiel Verband medizinischer Fachberufe e.V., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1190400

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