Liebe und Arbeit. Empirische Untersuchung von Einstellungen zu Paarbeziehungen am Arbeitsplatz


Masterarbeit, 2021

78 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Einführung in das Thema
1.2 Relevanz und Ziel der Untersuchung
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen der Organisationspsychologie
2.1 Organisationspsychologische Grundlagen
2.1.1 Begriff, Bedeutung und Charakteristika von Organisationspsychologie
2.1.2 Ebenen und Rollen einer Organisation
2.2 Organisationales Verhalten und Erleben
2.2.1 Betriebsklima und Konfliktpotenziale in Organisationen
2.2.2 Emotionen in Organisationen

3 Partnerschaften und Liebe in der Gesellschaft
3.1 Sozialwissenschaftlicher Hintergrund von Liebe und Partnerschaft
3.2 Rationaler und soziologischer Ansatz der Liebe
3.3 Partnersuche
3.4 Abgrenzung von Arbeit und Privatem
3.5 Sozialpsychologische Ansätze sozialer Beziehungen

4 Kritische Auseinandersetzung mit Paarbeziehungen
4.1 Paarbeziehungen: früher vs. heute
4.2 Aktuelle Studie zur Partnerwahl

5 Partnerschaften am Arbeitsplatz: eine empirische Untersuchung
5.1 Empirische Untersuchung
5.1.1 Forschungsfrage und Hypothesen
5.1.2 Methodische Vorgehensweise
5.1.3 Beschreibung der Erhebungsmethode
5.1.4 Beschreibung der Stichprobe
5.1.5 Forschungsdesign
5.2 Deskriptive Darstellung der Ergebnisse
5.2.1 Auswertung des standardisierten Interviews
5.2.2 Zusammenhänge und Diskussion der Ergebnisse

6 Fazit
6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
6.2 Schlussfolgerungen für die Gesellschaft und Organisationspsychologie
6.3 Ausblick und weiterführende Untersuchungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

Anhang

Executive Summary

Wir verbringen einen Großteil unserer Lebenszeit in Unternehmen. Dabei ist die Arbeit ein wesentlicher Bestandteil des Lebens und dient nicht nur der Überlebenssicherung, sondern erzeugt auch ein Zugehörigkeitsgefühl, stiftet Selbstverwirklichung und trägt zur gesellschaftlichen Eingebundenheit bei. Durch veränderte gesellschaftliche Werte und Rollenbilder bei gleichzeitigen Veränderungen von Erwerbsleben und Organisationskulturen nehmen Emotionen und soziale Beziehungen im organisationalen Kontext eine immer größer werdende Rolle ein. Die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen auch in eher homogenen, stereotypisch-männlichen Berufsfeldern führt zu einer Diversifizierung von Unternehmen. Diese Faktoren beeinflussen auch die Bildung von Beziehungen am Arbeitsplatz. Die eher populärwissenschaftlichen Ansätze der Auswirkungen von Paarbeziehungen am Arbeitsplatz betrachten vor allem die Haltung zu diesen aus Sicht der Unternehmensleitung. Weniger werden die Wahrnehmungen der Kollegen und mögliche Wirkmechanismen in Bezug auf die Kommunikation, das Verhalten, das Betriebsklima und die Leistung aller Beteiligten beleuchtet. Im Zentrum der Untersuchung steht aufgrund dessen die Einstellungen zu Paarbeziehungen am Arbeitsplatz seitens der betroffenen Kollegen und von Paarbeziehungen selbst in Bezug auf die oben genannten Wirkmechanismen. Zudem wird charakterisiert und untersucht, inwieweit soziodemografische Faktoren wie Alter, Branche, Geschlecht oder Unternehmensstruktur diese Wahrnehmung beeinflussen. Ein zentrales Ergebnis der quantitativen Untersuchung mithilfe eines standardisierten Fragebogens ist eine eher negative Wahrnehmung, obwohl einzelne Faktoren positiv bewertet sind. Auftretende Interdependenzen, nicht nur in Bezug auf das Paar, sondern auch zwischen Individuum und Organisation durch eine weniger offene Unternehmenskultur, liefern Erklärungsansätze für die eher negative Wahrnehmung. Die positive Psychologie im Sinne des Positive-Leadership sowie eine systemische Betrachtung der Paarbeziehungen, der Kollegen, der Führungskraft und der Organisation bieten einen Lösungsansatz für ein fruchtbares Betriebsklima und Chancen in Bezug auf Paarbeziehungen am Arbeitsplatz.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Annahmen der Theorie sozialer Interdependenz von Thibaut und Kelley

Abbildung 2: Verteilung der Teilnehmer nach ihrer Branchenzugehörigkeit

Abbildung 3: Häufigkeitsverteilung zu positiven und negativen Einstellungen in Bezug auf das Betriebsklima

Abbildung 4: Häufigkeitsverteilung zu positiven und negativen Einstellungen in Bezug auf die Leistung

Abbildung 5: Häufigkeitsverteilung zu positiven und negativen Einstellungen in Bezug auf das Verhalten

Abbildung 6: Häufigkeitsverteilung zu positiven Einstellungen in Bezug auf die Kommunikation

Abbildung 7: Häufigkeitsverteilung zu negativen Einstellungen in Bezug auf die Kommunikation

Abbildung 8: Teamklima im Zusammenhang mit Kenntnis von Paarbeziehungen am Arbeitsplatz

Abbildung 9: Commitment im Zusammenhang mit in einer Paarbeziehung am Arbeitsplatz lebenden Personen

Abbildung 10: Geschlecht im Zusammenhang mit Klatsch und Tratsch

Abbildung 11: Kollegenzusammenhalt im Zusammenhang mit Unternehmensstrukturen .

Abbildung 12: Alter im Zusammenhang mit Konfliktpotenzial

Abbildung 13: Unterteilung der Branchen in Wirtschaftssektoren

Abbildung 14: Kenntnis von Partnerschaften am Arbeitsplatz nach Wirtschaftssektoren

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Gesellschaftliche Veränderungen im Laufe der Zeit führen parallel zu Anpassungen der Führungsstile von Mitarbeitern1 in Unternehmen. Insbesondere soziale Beziehungen und Emotionen im organisationalen Kontext sind einerseits mit Risiken verbunden, lösen anderseits auch Chancen aus. Die zunehmende Vermischung von Arbeit und Privatleben aufgrund sich verändernder Arbeits- und Unternehmensstrukturen durch die gleichzeitige Veränderung von Bedürfnissen der Gesellschaft bewirken das Zustandekommen von Freundschaften bis hin zu Paarbeziehungen am Arbeitsplatz. Neben der Darstellung von theoretischen Überlegungen zu dem Thema, soll dieses Kapitel die Relevanz von Paarbeziehungen am Arbeitsplatz verdeutlichen. Außerdem ist das Ziel der Untersuchung und der strukturelle Aufbau der Ausarbeitung dargelegt.

1.1 Einführung in das Thema

Die Arbeit als solche veränderte sich in ihrer Bedeutung zusehends. Arbeit ist nicht mehr nur dafür da, um die Familie zu ernähren, sondern vielmehr ein Ort und System des Austauschs und der Sinnhaftigkeit der Tätigkeit. Die veränderten Bedürfnisse der Gesellschaft lösen die hierarchischen Strukturen auf und sorgen für dynamische und selbstorganisierende Strukturen. Neben strukturellen Veränderungen der Organisationen, verändert sich auch die Gesellschaft in ihrem Wertesystem. Selbstverwirklichung, Interessensausgleich, Sinnfindung und Integration unterschiedlicher Lebensformen sind Werteräume der Gegenwart (vgl. Kruse & Greve 2016: S20f.). Die Integration des Privaten in die Arbeit und umgekehrt ist angesichts sich verändernder Arbeitsformen und Bedürfnissen eine Ursache für das Entstehen von sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz. Vermehrtes Projektmanagement und Teamarbeit führen dazu, dass sich Kollegen untereinander besser kennenlernen, die digitale Kommunikation dazu, dass schneller über Messenger-Dienste kommuniziert wird und Mitarbeiterevents dazu, dass Mitarbeiter sich auch privat vernetzen und austauschen. Emotionen im organisationalen Kontext ziehen Chancen, jedoch auch Risiken für das Betriebsklima und weiterhin auch für das Verhalten, die Kommunikation und folglich für die Leistung der Mitarbeiter nach sich. Auch die zunehmende Rolle der Erwerbstätigkeit von Frauen ist ein Faktor, der die Bildung von Paarbeziehungen am Arbeitsplatz fördert. Nicht nur der Anstieg der Frauen­Erwerbstätigenquote, sondern auch die Tätigkeit von Frauen in stereotypisierten männlichen Berufsfeldern, wie technische Berufe, heterogenisiert die Berufsfelder und diversifiziert Organisationen. Das Aufbrechen von traditionellen Linienhierarchien sorgt dafür, dass Frauen und Männer häufiger auf gleicher Hierarchieebene arbeiten (vgl. Raststetter 1999: S. 174). Im besonderen Interesse liegt hierbei die Einstellung zu Paarbeziehungen am Arbeitsplatz aus Sicht betroffener Kollegen.

1.2 Relevanz und Ziel der Untersuchung

Die Themen Liebe und Partnerschaft zeigen heute vor allem in der Populärwissenschaft eine große gesellschaftliche Relevanz. Eine Vielzahl von Ratgebern über Liebe, Glück in der Liebe und sogar über Flirts am Arbeitsplatz unterstreichen einerseits die Aktualität der Untersuchung, andererseits auch die Brisanz des Themas. Einige Ratgeber und Artikel raten von Paarbeziehungen am Arbeitsplatz ab, da diese nicht immer zu einem verbesserten Betriebsklima beitragen und auch die Arbeitsleistung der in der Beziehung befindlichen Partner verschlechtern können. Andererseits können Paarbeziehungen das Betriebsklima auch beflügeln, das wiederum erhöht die Motivation, die Loyalität und auch das Commitment (vgl. Fleig 2016: Web). Es sind jedoch auch die sich verändernden Bedürfnisse der Mitarbeiter in der Gesellschaft und im organisationalen Kontext, die in Unternehmen zum Abbau traditioneller Hierarchien und zu einem vernetzten System in Organisationen mit Teamarbeit, Projektmanagement oder agilen Methoden führen. Mit ebenfalls veränderten Arbeitsformen und -strukturen und der Flexibilisierung der Arbeit entstehen soziale Beziehungen am Arbeitsplatz und neben Freundschaften auch Paarbeziehungen. Laut aktuellen Statistiken werden zwischen 20 und 30 Prozent der Paarbeziehungen im organisationalen Kontext begründet (vgl. ebd.: Web). Soziale Beziehungen am Arbeitsplatz emotionalisieren die Zusammenarbeit in Unternehmen und in jeder Interaktion zwischen Menschen entstehen Konflikte, die das Betriebsklima beeinflussen. Im Zuge der Primär- und Sekundäranalyse ist ein Mangel an tiefergehenden Untersuchungen in Bezug auf Paarbeziehungen am Arbeitsplatz festgestellt worden. Es sind vielmehr Untersuchungen zu Affären am Arbeitsplatz und deren Auswirkungen auf die Leistung, das Verhalten der Mitarbeiter oder auch Reaktionen der Führungskräfte. Aufgrund persönlicher Erfahrungen des Verfassers mit Kenntnis von zunehmenden Paarbeziehungen am Arbeitsplatz, aber auch der Erfahrung aus der Ausbildungszeit im Tourismus, verfestigte sich das Anliegen, über die Einstellung vor allem betroffener Kollegen in Bezug auf das festgelegte Thema zu forschen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die Einstellung zu Paarbeziehungen am Arbeitsplatz aus mehreren Blickwinkeln zu untersuchen. Dabei geht es einerseits konkret um den Einfluss auf die Faktoren Betriebsklima, Verhalten, Leistung und Kommunikation, andererseits um die Charakterisierung von Paarbeziehungen am Arbeitsplatz im Unterschied zu Geschlecht, Branche, Berufserfahrung und Alter, also inwieweit soziodemografische Faktoren die Einstellung zu Paarbeziehung am Arbeitsplatz beeinflussen. Die dazu formulierte Forschungsfrage und erarbeiteten Hypothesen werden in Kapitel 5.1.1 dargestellt.

1.3 Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Masterarbeit ist in sechs Kapitel aufgeteilt. Der erste Teil der Untersuchung beinhaltet die Beschreibung des Forschungsvorhabens mit entsprechender Überprüfung der Relevanz des Themas und der Formulierung von Forschungszielen sowie die Einordnung des Themas in einen theoretischen Kontext. Aufgrund der Interdisziplinarität des Themas „Liebe und Arbeit“ ist im zweiten Kapitel der organisationspsychologische Hintergrund dargestellt. Dabei ist der Organisationsbegriff in seiner Bedeutung charakterisiert. Aufgrund der Interaktionen in einer Paarbeziehung am Arbeitsplatz, werden Ebenen in Organisationen im Sinne formeller Strukturen sowie Rollen/Akteure einzelner Bereiche dargestellt, denn diese fördern die sozialen Beziehungen. Des Weiteren dient die Beschreibung von Konfliktpotenzialen durch fehlendes oder mangelhaftes Betriebsklima sowie die Rolle von Emotionen in Organisationen einem theoretisches Erklärungsansatz der Ergebnisse. Das dritte Kapitel geht konkret auf die Partnerschaften in der Gesellschaft ein. Die Herleitung sozialwissenschaftlicher Hintergründe und Ansätze aus der Partnerschaft leiten nachfolgend zwei Theorien ein, die ebenfalls einen Erklärungsansatz für die Diskussion bieten. Zum einen ist die Spieltheorie von Morgenstern und Neumann ein zwar eher mathematischer Hintergrund, der sich jedoch in der Sozialpsychologie größerer Beliebtheit erfreut, da diese Theorie menschliches Verhalten erklären kann. Zum anderen erklärt die Interdependenztheorie von Thibaut und Kelley mögliche Abhängigkeiten im Kontext von Paarbeziehungen, die sich im späteren Verlauf auf Abhängigkeiten zu organisationalen Strukturen konzentriert. Das Folgekapitel Vier setzt sich kritisch mit dem Thema Paarbeziehung auseinander. Dabei geht es um die Veränderung und Entwicklung von Partnerschaften im Laufe der Zeit durch verschiedene Epochen und um eine Darstellung einer aktuellen Studie zur Partnerwahl, die die Bedeutung des Themas unterstreicht. Auf Grundlage der theoretischen Ausarbeitung kommt es in Kapitel Fünf zu Auswertung der erhobenen Daten, in dem die Forschungsfrage sowie die Hypothesen formuliert sind. Neben der Beschreibung der Erhebungsmethode, gibt die Beschreibung der Stichprobe einen Einblick in die Teilnehmer der Befragung. Zusätzlich dient das Forschungsdesign der wissenschaftlichen Überprüfung der Datenerhebung, die weiter im Zuge der Überprüfung der Gütekriterien quantitativer Untersuchungen eine repräsentative Erhebung garantieren soll. Die deskriptive Auswertung der Ergebnisse anhand der Forschungsfrage und der Hypothesen im zweiten Teil sind grafisch aufgearbeitet und bieten einen ersten Einblick in mögliche Zusammenhänge. Die Deutung der Zusammenhänge und Interpretationen der Ergebnisse geschehen anschließend. Die dafür ausgearbeiteten theoretischen Grundlagen dienen dabei als Diskussionsbasis. Das Fazit der Untersuchung fasst in Kürze die Erkenntnisse zusammen und ist die Grundlage für weiterführende Untersuchungen und gesellschaftliche und organisationspsychologische Schlussfolgerungen.

2 Theoretische Grundlagen der Organisationspsychologie

Aufgrund der Untersuchung von Einstellungen zu Paarbeziehungen am Arbeitsplatz, fallen hier verschiedene Termini, die der Organisationspsychologie zugeschrieben werden. Es geht konkret um das Erleben und Verhalten in Organisationen in Bezug auf Paarbeziehungen und deren Wahrnehmung von Kollegen. Aufgrund dessen sind im folgenden Kapitel grundlegenden theoretische Darstellungen der Organisationspsychologie, Charakteristika, Rollen und Ebenen der Organisation sowie mögliche Konfliktpotenziale aufgezeigt.

2.1 Organisationspsychologische Grundlagen

Im ersten Teil dieses Kapitel geht es um die Grundlagen der Organisationspsychologie in Bezug auf ihren Terminus, ihre Bedeutung und Charakteristika sowie die Abgrenzung von Ebenen in einer Organisation und deren einzelnen Rollen. Des Weiteren bietet die Beschreibung von organisationalem Verhalten und Erleben im Hinblick auf das Betriebsklima und mögliche Konfliktpotenziale eine Grundlage für die Diskussion der Ergebnisse im späteren Verlauf der Ausarbeitung.

2.1.1 Begriff, Bedeutung und Charakteristika von Organisationspsychologie

Die Psychologie beschäftigt sich allgemein mit dem Erleben und Verhalten von Menschen in Bezug auf sich selbst und das Verhalten und Erleben gegenüber anderen Menschen. Die Organisationspsychologie versteht sich hierbei als Teildisziplin der Psychologie, die sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen in einer Organisation beschäftigt. Bei Betrachtung des Konstrukts der Paarbeziehung am Arbeitsplatz spielen verschiedene Ebenen eine Rolle. Es geht um das Erleben der Paarbeziehung seitens der Kollegen, der Vorgesetzten, des Paares selbst, aber auch die Organisation selbst mit ihren Regeln und Werten, die Einfluss auf das Erleben und Verhalten von Paarbeziehungen nehmen. Um die einzelnen Ebenen im zweiten Teil der Grundlagen darstellen zu können, wird ein grundlegendes Verständnis von Organisation und ihren Charakteristika, also Zielen, Funktionen und Mechanismen hergestellt. Die Wissenschaft unterscheidet den Organisationsbegriff in drei wesentliche Kennzeichen. Zunächst ist Organisation als Instrument zu verstehen. Instrument meint hierbei das Regelwerk einer Organisation, das Aufgaben, Personen, Sachmittel beinhaltet und in Beziehung zueinander stellt. Diese Regeln sind im Laufe der Organisationsentwicklung formell festgelegt worden oder informell gewachsen. Diese Regeln dienen dazu, dass die Menschen in einer Organisation auf ein gemeinsames, festgelegtes Ziel hinarbeiten. Ferner wird Organisation auch als Funktion betrachtet, wobei die Begriffe Instrument und Funktion sich kaum voneinander unterscheiden. Bei der Organisation als Funktion geht es um das Mitwirken und Partizipieren, „indem zum einen Arbeiten auf die Mitarbeiter verteilt (Arbeitsteilung) und zum anderen alle Arbeiten auf die übergeordneten Ziele ausgerichtet werden (Koordination).“ (Friedemann et al. 2019: S. 48). In betriebswirtschaftlichen Kontexten werden diese beiden Abgrenzungen oft mit dem Management-Begriff verbunden, denn dieser thematisiert das Gestalten und Verändern von Regeln in den Prozessen der Planung, Implementierung und Durchsetzung von Regeln. Als drittes Kennzeichen versteht sich Organisation als soziales System, das zeitlich stabil, gegenüber seiner Umwelt offen, aus Individuen und Gruppen zusammengesetzt, zielgerichtet handelt und strukturiert ist. Umwelt meint hierbei die Überschreitung der Organisationsgrenzen, also die Durchlässigkeit gegenüber sozialen, technischen, politischen und wirtschaftlichen Faktoren von außen. Im Mittelpunkt einer funktionierenden Organisation stehen immer die Personen und ihr Verhalten sowie die dadurch entstehenden Beziehungen zwischen den Personen (vgl. Friedemann et al. 2019: S. 48f.).

2.1.2 Ebenen und Rollen einer Organisation

Da die in einer Organisation arbeitenden Personen maßgeblich zur Funktion einer Organisation beitragen, werden die Ebenen in einer Organisation sowie die Rollen und sozialen Interaktionen dargestellt. Eine Organisation unterscheidet sich nicht nur in ihren Strukturen, sondern auch in ihren Funktionen, daher werden im Folgenden Aufbau- und Ablauforganisation in ihren Begrifflichkeiten unterschieden. Die Aufbauorganisation bildet das hierarchische System eines Unternehmens und legt fest, welche Aufgaben von wem übernommen werden. Dabei unterscheidet die Literatur zwischen drei Organisationsformen. Die funktionale Aufbauorganisation bildet Einheiten und Abteilungen nach ihren Tätigkeiten und Funktionen ab, die divisionale Aufbauorganisation ist in Geschäftsbereiche oder Produkte strukturiert. Die Matrixorganisation strukturiert die Organisation nach Aufgaben in Geschäftsbereichen und Funktionen. Grundsätzlich dienen Aufbauorganisationen dem Aufbau einer wirtschaftlichen Wertschöpfungskette, die möglichst effizient Gewinne und Umsätze steigern und gleichzeitig Ausgaben minimieren sollen. Eine optimale und reibungslose Koordination der Aufgaben zwischen den Bereichen soll ermöglicht werden (vgl. Bergmann/Gaubitz 2021: Web).

Die Ablauforganisation hingegen behandelt die zeitlichen und örtlichen Ablaufprozesse unter Berücksichtigung und Verknüpfung der Aufgaben aus der Aufbauorganisation mit den Faktoren Zeit, Raum, Sachmittel und Personen. Ziele der Ablauforganisation sind der optimale Einsatz der gegebenen Ressourcen und Kapazitäten, die Gestaltung von Arbeitsplätzen und die generelle Optimierung von Prozessen im Ablauf der Organisation (vgl. Stamer 2020: Web.). Die oben eher betriebswirtschaftlich dargestellten Definitionen beider Begriffe betrachten weniger die Akteure in einem Unternehmen als eher die Hierarchien und Strukturen als Mittel zur Erreichung von Organisationszielen. Vielmehr sind die Akteure im Organisationskontext rationale und zielorientierte Individuen. Vergleichbar ist diese Darstellung nach dem Taylorismus, in dem der Mensch als Maschine betrachtet wurde und damit auch austauschbar war. Das Einhalten von Regeln stand im Mittelpunkt und ließ wenig Freiraum für das Aufbauen zwischenmenschlicher Beziehungen (vgl. Preisendörfer 2005: 96ff.). Unter Einbeziehung der oben genannten Definitionen als Gegenstand der Untersuchung würden Partnerschaften am Arbeitsplatz wohl kaum eine Bedeutung finden. Deshalb wird gesondert auf die Rollen in einer Organisation eingegangen werden, die im zweiten Teil des Kapitels höhere Relevanz in Bezug auf Betriebsklima, Konflikte und soziale Interaktionen haben.

Der soziale Rollenbegriff beschreibt die Verhaltensweisen durch die soziale Umwelt einer Person und gleichzeitig die Erwartungen, Werte, Handlungsmuster an diese Person. Diese werden vor allem durch die innehabende Position gegeben. Also spielt hier der Status einer Person, egal ob Führungskraft oder Mitarbeiter, eine entscheidende Rolle (vgl. Bayas-Linke 2019: Web). Inhalte und Gestaltung einer Rolle werden zum einen bestimmt durch die Ablauforganisation, also die Stellenbeschreibung, Position und Aufgaben und zum anderen durch die Erwartungen anderer an die Rolle (hier: Bezugsgruppen) sowie die Wahrnehmung der Erwartungen durch den Rolleninhaber. Ein Konflikt entsteht, wenn der Rolleninhaber hierbei eine wahrnehmbare Abweichung von seinen Bedürfnissen, Werten und Einstellungen verspürt (vgl. Frohnert 2020: Web). Dieser wiederum führt zu weiterführenden Konflikten in den sozialen Interaktionen (Kapitel 2.2). Das Rollenverständnis in Organisationen in Bezug auf Paarbeziehungen am Arbeitsplatz ist hier wichtig, da häufig Paarbeziehungen in Bezug auf ihre innehabende Position im Unternehmen neben- oder auch untergeordnet sind. „Diese Problematik könnte auch bei Partnerschaften, die innerhalb von Arbeitsorganisationen bestehen, von zentraler Bedeutung sein, da sich das organisationsspezifische Ideal der personalen Über- bzw. Unterordnung bzw. der Einführung von Kontrollinstanzen mit dem partnerschaftlichen Leitbild der Gleichberechtigung widerspricht.“ (Malzer 2007: S. 15). Diese angesprochene Problematik hat nicht nur innerhalb der Organisation, sondern auch innerhalb der Partnerschaft hohes Konfliktpotenzial.

2.2 Organisationales Verhalten und Erleben

Das Erleben und Verhalten von Mitgliedern einer Organisation, also die Mitarbeiter eines Unternehmens, bedingt auch, dass Konflikte entstehen. Jede Interaktion wird unterschiedlich von den verschiedenen betroffenen Parteien wahrgenommen. So bringen auch Paarbeziehungen am Arbeitsplatz wie auch im Privatem intra- und interpersonelle Konflikte mit sich. In Kapitel 2.2.1 werden allgemein die Themen Betriebsklima und Konfliktpotenziale dargestellt. Daran anschließend wird das Thema Emotionen in Organisationen erarbeitet, welches für den Verlauf der Untersuchung relevant sein wird.

2.2.1 Betriebsklima und Konfliktpotenziale in Organisationen

Das Betriebsklima in Organisationen ist wesentlich verantwortlich dafür, ob sich Mitarbeiter wohl oder unwohl fühlen und sorgt dementsprechend auch für Konfliktpotenziale. Das Betriebsklima ist die subjektive Wahrnehmung und Bewertung von Organisationsgegebenheiten aus Mitarbeiterperspektive. Entsprechend ist für Veränderung des Betriebsklimas eine Interaktion zwischen Mitarbeitern erforderlich (vgl. Rothe 2009: S. 126). Diese sozialen Interaktionen bergen jedoch hohes Konfliktpotenzial. Da das generelle Forschungsfeld von Konflikten jeglicher Art sehr komplex ist, wird hier nur kurz auf mögliche Konfliktfelder eingegangen. Grundlage der Untersuchungen ist die Entstehung einer Paarbeziehung in Unternehmen. Zunächst gilt es darzustellen, welche möglichen Interaktionsakteure der Paarbeziehung betroffen wären. Offensichtlich gibt es die Interaktion innerhalb der Paarbeziehung, aber auch die intrapersonelle Interaktion, also der jeweils einzelnen Person mit sich selbst. Außerdem gibt es im Arbeitsumfeld die Interaktion mit den Kollegen, dem Vorgesetzten und der Organisation. Auf der persönlichen Konfliktebene, die jedes Individuum aus der eigenen Vergangenheit trägt, 8 entwickeln sich Eigenschaften und Werte, die es auf der Paarebene zu vereinbaren gilt. Im Laufe der Zeit entstanden jedoch auch Konflikte, die durch Erfahrungen in anderen Bereichen wie Arbeit und im sozialen Umfeld gesammelt wurden und prägen. Auf der Paarebene entstehen die ersten Interaktionskonflikte wie Identitätskonflikte, aber auch Kommunikations- und Rollenkonflikte. Vor allem der Rollenkonflikt spielt bei der Paarbeziehung am Arbeitsplatz eine große Rolle, da am Arbeitsplatz die Rolle meist anders als im Privaten ist. So sind beispielsweise die Rollen im Unternehmen hierarchisch voneinander getrennt, jedoch im Privaten meist auf einer Ebene. Dieser Rollenkonflikt hat großes Konfliktpotenzial in Organisationen und steht im Sinne der Paarbeziehung im Widerspruch. Des Weiteren können Konflikte bei der Interaktion des Paares mit dem Vorgesetzten entstehen. Die sogenannten Dreieckskonflikte kommen vor allem bei dem Thema der Delegation zum Tragen. Es geht hier um Sympathie des Vorgesetzten zu einem einzelnen aus der Paarbeziehung. Ist Sympathie gegeben, so kann der Vorgesetzte steuern, welche Aufgaben und Informationen dieser an welchen Partner weitergeben möchte und enthält es dem anderen vor. Aber auch hier entsteht der Konflikt, dass der Bevorzugte auch die Informationen an seinen Partner weitergeben kann, da diese sich das Privatleben teilen und entsprechend Informationen austauschen können. Weiterhin gibt es Gruppenkonflikte vor allem im Hinblick auf die unmittelbaren Kollegen der Paarbeziehung. Dieses Konfliktfeld beschreibt den komplexen Teil der Interaktionskonflikte. Durch die Paarbeziehung entstehen Rangkonflikte, da sich die Partner gegenseitig bevorzugen, Kollegen Informationen vorenthalten oder sich in Überzahl sehen können. Auch können sich Kollegen gegen das Paar stellen, da sich die Rangordnung durch die Paarbildung verändert hat, so dass versucht wird, einen Ausgleich zum vermeintlichen Ungleichgewicht wieder herzustellen, dies kann jedoch zu einem größeren Konflikt ausufern. Wie eingangs erwähnt, entstehen in der heutigen Arbeitswelt nicht nur Paarbeziehungen, sondern auch Freundschaften zwischen Kollegen. Entsteht eine Paarbeziehung unter den Mitarbeitern, so können naturgemäß auch Loyalitätskonflikte entstehen. Pausen werden nicht mehr in der Gruppe der Kollegen verbracht, das Paar stellt sich nicht mehr hinter die Kollegen, sondern agiert als Paar (vgl. Schwarz 2010: S. 131ff.). Schnell entstehen Gerüchte und sogenannter Klatsch und Tratsch. Der Arbeitsplatz wird zur Plattform, auf der sich die Kollegen austauschen. Gerade Paarbeziehungen am Arbeitsplatz können Gerüchte anfeuern. Der vermeintliche Geda nke, dass hauptsächlich Frauen Gerüchte verbreiten, entspricht nicht den Tatsachen. Männer und Frauen klatschen und tratschen gleichermaßen, nur eben anders. „Die Themen sind dabei ähnlich gelagert, dennoch gibt es kleine Unterschiede: Die Forschung geht davon aus, dass Frauen eher über Freunde und Familie reden, während Männer zum Beispiel über Sportsta rs sprechen." (Riedel 2020: Web). Auch im Rahmen der Untersuchung von Einstellungen zu Paarbeziehungen am Arbeitsplatz spielt ein einhergehender Image- und Vertrauensverlust eine Rolle. Gerade in Bezug auf hierarchieübergreifende Paarbeziehungen entstehen schnell Interessenskonflikte. Beispielsweise gab es 2018 einen Fall in der Schweiz, in dem ein Unternehmen sich vom Vorstandschef trennte, da dieser eine Liebesbeziehung zu einer Verwaltungsrätin hatte. Das Problem war, dass die Verwaltungsrätin die Arbeit des Vorstands kontrollieren sollte. Somit entstand der Eindruck, dass eine objektive Bewertung der Arbeit des Vorstands nicht mehr möglich sei. Ein Image- und Vertrauensverlust geht häufig mit der innehabenden Position einher und weniger auf der (zwischen)menschlichen Ebene (vgl. Deters 2019: Web). Dies sind mögliche Konfliktpotenziale, die sich mittelfristig auf das Arbeitsklima auswirken können. Zuletzt entstehen Konflikte durch unterschiedliche Haltungen und Werte in Bezug auf die Organisation und die organisationalen Ziele (vgl. Schwarz 2010: S 6). Grundsätzlich entstehen bereits Konflikte zwischen Organisationszielen und Individuen, da ihre Interessen anders verlagert sind. Das Einführen von Strukturen und Formalisierungen dient dabei der Konfliktvermeidung sowie als Kontrollinstanz, um die beiden Institutionen miteinander zu vereinbaren. Vor allem auch in den USA gelebt, sind in vielen Unternehmen Paarbeziehungen untersagt. Diese Organisationsvorschrift steht im Widerspruch zu dem evolutionsbedingten Interesse einer Paarbeziehung der Fortpflanzung und grundsätzlich dem Fortbesta nd einer Paarbeziehung (vgl. Malzer 2007: S. 14ff.).

Diese Interaktionskonflikte aus Sicht der Paarbeziehung, aber auch aus Sicht der Kollegen, Vorgesetzten und Organisationen wirken sich vor allem auf das Betriebsklima aus, das sich wiederum auf die Arbeitsleistungen, das Commitment, auf die Kommunikation und das Verhalten allgemein auswirkt (vgl. Brucker 2021: Web). Dieser Einfluss wird im Laufe der Ausarbeitung und der Forschung untersucht.

2.2.2 Emotionen in Organisationen

In Anbracht der Tatsache, dass Unternehmen das Ziel verfolgen, vor allem Gewinne zu maximieren und Kosten/Verluste zu minimieren, finden bzw. fanden Emotionen in Unternehmen keine Daseinsberechtigung. Der Wertewandel der Arbeit durch die Vermischung von Arbeit und Privatem aufgrund neuer Arbeitszeitmodelle, durch das Schließen von Freundschaften im Unternehmen führt dazu, dass immaterielle Werte an Bedeutung gewinnen (vgl. Nölting 2013: Web). Die sogenannten Hygienefaktoren der Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg besagen, dass Unzufriedenheit bei positiver Ausprägung der Hygienefaktoren verhindert werden könne. Darunter zählen, neben Entlohnung und Führungsstil, auch die zwischenmenschlichen Beziehungen zu Mitarbeitern und Vorgesetzten. Diese Faktoren sorgen im positiven Sinne auch für ein gutes Betriebsklima und eine langfristige Produktivitätssteigerung. Durch menschliche Beziehungen und Kommunikation entstehen Emotionen, die auch eine Chance für ein positives „Change“ in Unternehmen darstellen, denn Emotionen sind gesellschaftsfähig geworden und akzeptiert. „Unternehmen sind hochemotionale Akteure. Diese Feststellung und ihre Anerkennung sind die ersten Schritte, die Organisationen auf den Weg bringen, sich auf die Suche nach dem inneren Antrieb ihrer Unternehmung zu begeben. Denn Unternehmen sind von Menschen gemacht und keine Systeme, die der kühlen Logik von Maschinen unterliegen. In den Schlüsselemotionen eines Unternehmens verbirgt sich die Art und Weise, wie sie Zukunft sehen, und dementsprechend auch, wie sie auf Zukunft ausgerichtet handeln.“ (Gatterer et al. 2018: Web). Die Studie des Zukunftsinstituts (2018) schreibt der Gesellschaft und Wirtschaft einen Siegeszug der Emotionen zu, jedoch noch nicht als Höhepunkt, sondern als Anfangsstadium. Dies gilt es, in der Akzeptanz der Paarbeziehungen am Arbeitsplatz herauszufinden und dient als möglichen Erklärungsansatz für eine Nichtakzeptanz von Paarbeziehungen am Arbeitsplatz sowohl seitens der Kollegen als auch der Führungskräfte. Grund für eine entemotionalisierte Organisation sind Führungstechniken und Unternehmenswerte von gestern, in denen die Arbeit von Kennzahlen und Produktivität geleitet war (vgl. ebd. 2018: Web).

3 Partnerschaften und Liebe in der Gesellschaft

Im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklungen kamen verschiedene Formen der Liebesbeziehungen auf, welche hier kurz dargestellt werden sollen. Dieser Entwicklung zugrundeliegend wird kurz auf den sozialwissenschaftlichen Hintergrund von Partnerschaften mit ihrem rationalen und soziologischen Ansatz eingegangen. Ergänzend relevant für die vorliegende Untersuchung ist die Art und Weise der Partnersuche sowie die Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatem, in der vor allem auf die work life border theory von Clark aufgebaut wird. Die Darstellung zweier sozialpsychologischer Theorien dient im Verlauf der Ausarbeitung als möglicher Erklärungsansatz für die Ergebnisse. Konkret wird auf die ursprünglich eher mathematisch basierte Theorie menschlichen Verhaltens, die Spieltheorie nach Morgenstern und Neumann, sowie die darauf aufbauende Interdependenztheorie nach Thibaut und Kelley eingegangen.

3.1 Sozialwissenschaftlicher Hintergrund von Liebe und Partnerschaft

Die sozialwissenschaftliche Betrachtung von Paarbeziehungen ist durch verschiedene Strukturmerkmale und durch die historische Entwicklung von Liebe sehr komplex. Norbert Schneider erarbeitete vier wesentliche Strukturmerkmale einer Paarbeziehung, die hierbei nicht nur als soziale Beziehung, sondern auch als Institution betrachtet werden. Die Exklusivität beschreibt Schneider als erstes Merkmal. So wird eine Paarbeziehung als aus nur zwei, sich verbundenen Personen definiert. Als weiteres Merkmal charakterisiert Schneider die wechselseitige Solidarität, die Dauerhaftigkeit und zuletzt die Ko-Residenz, also ein Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt, wobei diese sich heutzutage durch zunehmende Distanzbeziehungen im Veränderungsprozess befindet (vgl. Burkhart 2018: S. 28).

Lenz (2003), ein weiterer Sozialwissenschaftler, der sich mit sozialen Beziehungen beschäftigt, betrachtet weitere, strukturelle Merkmale einer Paarbeziehung. So definiert dieser die Paarbeziehung als Zweibeziehung mit einer Nichtaustauschbarkeit der Personen sowie die Fortdauer-Idealisierung, also die ewige Dauer einer Paarbeziehung. Des Weiteren ergänzt Lenz seine zwei wesentlichen Merkmale mit weiteren Eigenschaften. So sind Individualität, Einzigartigkeitsanspruch, hohe Affektivität in Bezug auf die Liebe und Sexua lität sowie Vertrauen weitere Merkmale der Paarbeziehung (vgl. Burkhart 2018: S. 29). Er definiert schließlich Zweierbeziehung als „eine enge, verbindliche und auf Dauer angelegte Beziehung zwischen zwei Personen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts, die sich durch eine besondere Zuwendung auszeichnet und die Praxis sexueller Interaktion einschließt.“ (Lenz 2003: S. 16).

Es gibt zahlreiche Soziologen, die sich mit den Charakteristiken der Paarbeziehungen und der Liebe auseinandergesetzt haben, aus den dort dargestellten Theorien werden in Kapitel 3.2 zwei wesentliche Ansätze zu Liebe und Partnerschaft dargestellt.

3.2 Rationaler und soziologischer Ansatz der Liebe

Die Wissenschaft der Liebe bedient sich der Theorien und Erkenntnisse der sozialen Bindungen, sozialen Systeme und sozialen Beziehungen und versucht dies auch auf den Terminus der Liebe anzuwenden. Im Wesentlichen gibt es zwei Ansätze zur Beschreibung von Liebe, die hier kurz dargestellt werden, um daraufhin noch einmal wesentliche Merkmale von Liebe erklären zu können.

Der rationale Ansatz betrachtet Liebe in der Alltagsrealität als das Ergebnis von Austausch- und Aushandlungsprozessen zwischen zwei Menschen, die in sich als autonome, individualisierte und möglichst rationale Individuen darstellen (vgl. Burkhart 2018: S. 30f.).

Der soziologische Ansatz hingegen betrachtet Liebe mehr als nur Individuen, sondern auch die Individuen und dessen Systeme. Das Paar als solches erzeugt durch die Liebe eine neue, eigenständige Realitätsebene und ist mehr als nur die Interaktion zweier autonomer Individuen. Die Paarbeziehung entwickelt sich zu einer sozialen Einheit mit einer eigenen Dynamik und eigenem Operationsmodus. Zusätzlich entsteht eine eigene Beziehungskultur, in der die Entwicklung von einer „Ich-Du“- zu einer „Wir“-Perspektive gefördert wird (vgl. Burkhart 2018: S. 31ff.).

Nicht zuletzt werden in der wirklichkeitssoziologischen Betrachtung von Liebe vier weitere Aspekte charakterisiert. Der emotionale Aspekt der Liebe betrachtet vor allem die physische Attraktion im Sinne des Aussehens und der Schönheit und ist einer der wichtigen Aspekte in der erotisch-sexuellen Partnerbeziehung. Ein Übergang dazu bildet der Handlungs- und Erfahrungsaspekt, der hierbei auch die Intimität und einhergehende Erfahrungen berücksichtigt, jedoch ebenfalls die Aspekte des Zusammenlebens und des gemeinsamen Zeitverbringens und Erfahrungsammeln integriert. Der kognitive Aspekt ist charakterisiert durch Kommunikation, sich-Kennenlernen und das Erarbeiten einer gemeinsamen Wirklichkeit und Weltansicht. Der ethisch-normative Aspekt beinhaltet schließlich den Faktor Commitment und Verpflichtung innerhalb einer Liebesbeziehung (vgl. Haller 2016: 159). Relevant für die Untersuchung der Einstellung zu Paarbeziehungen am Arbeitsplatz ist der soziologische Ansatz von Liebe, denn dieser bezieht das System mit ein, welches hier die Umwelt, also die Kollegen, darstellt.

3.3 Partnersuche

Die zahlreichen gesellschaftlichen Veränderungen erschweren das Finden von Partnern. Durch Digitalisierung und Globalisierung steht die Welt im Wandel: Das Streben nach etwas Neuem und etwas Besserem sowie dem Wert nach einem erlebnisorientierten Leben bei gleichzeitiger Selbstverwirklichung. Auch das Autonomiebestreben und die Gleichberechtigung sind aktuelle Themen der Gesellschaft, die eine Partnerwahl beeinflussen können (vgl. Haring/Höllinger 2009: S. 17ff.). „Während die PartnerInnenwahl und Ehe bis ins 18. Jahrhundert vorwiegend ein ökonomisches Arrangement war, bleibt heute genug Raum für persönliche Neigungen, Motive und Gefühle.“ (Beck/Beck-Gernsheim 1990: S. 69). Der Ort, an dem Paare sich kennenlernen und der Beziehungsaufbau spielen in der Untersuchung eine große Rolle. Neben dem Kennenlernen in Bars und Discotheken, über den Freundeskreis oder auch durch immer beliebter werdende Partnervermittlungsinstitute und Dating-Plattformen, ist der Arbeitsplatz auch ein potenzieller Ort, an dem Pa rtnerschaften entstehen (vgl. Haring/Höllinger 2009: S. 17ff.). Immerhin haben in einer Umfrage von der Dating- Plattform Parship 2016 51 % der Befragten angegeben, dass sie sich schon einmal auf dem Arbeitsplatz verliebt haben (vgl. Parship 2016: Web). In Bezug auf den Beziehungsaufbau spielt die Umgebung, in der sich Paare kennenlernen, eine große Rolle. Zunehmend werden Kollegen durch gemeinsam verbrachte Pausen, Teamevents oder Feierabendgetränke zu Freunden. Beim Kennenlernen werden persönliche Gespräche geführt und private Angelegenheiten eingebracht; es entstehen Sympathien, Freundschaften und auch Beziehungen am Arbeitsplatz. Diese können zu einem positiven Betriebsklima beisteuern und die Motivation und Leistung der Beteiligten steigern, jedoch ist Vorsicht bei der Informationsweitergabe oder der „Gerüchteküche“ geboten. Auch im Hinblick auf die berufliche und monetäre Entwicklung kann schnell ein Konkurrenzdenken hervorgerufen werden. Sollte aus Freundschaft am Arbeitsplatz Liebe werden, so entstehen nicht nur die oben genannten Vor- und Nachteile, sondern es gilt Berufliches mit Privatem zu vereinbaren oder zu trennen. In Kapitel 3.4 wird die Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatem behandelt.

3.4 Abgrenzung von Arbeit und Privatem

Es scheint, als sei das Trennen von Beruflichem und Privatem nicht nur eine gesellschaftliche Herausforderung, sondern gilt ebenso bei Paarbeziehungen am Arbeitsplatz. Durch zunehmend aufkommende, neue Arbeitsmodelle verschwimmen die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben. Zentrale Begrifflichkeiten in diesem Kontext sind Work-Life-Balance oder Work-Life-Integration. Dabei verbringen Menschen die meiste Zeit ihres Arbeitslebens in zwei Umgebungen: bei der Arbeit und zuhause. Clark argumentiert, dass die zwei Systeme Arbeit und Privates zwar zwei einzigartige, aber miteinander korrelierende Systeme sind. In seiner work/life border theory beschreibt er, dass die Kommunikation in einem System sich auf die andere überträgt, sobald die Systeme Schnittmengen haben. So sind Paarbeziehungen am Arbeitsplatz Schnittmengen. Auf der einen Seite werden persönliche Probleme im System der Arbeit diskutiert, aber die Arbeit wird auch Dauerthema im System Privates. Diese Schnittmengen führen zu Konflikten, die Interaktionen am Arbeitsplatz oder gar auch die Leistung beeinflussen können. Nicht zuletzt mahnt Clark, dass sich Paarbeziehungen am Arbeitsplatz bewusst sein müssen, dass ihre Paarbeziehungen nicht nur das allgemeine Verhalten verändert, sondern auch die Kommunikation (vgl. Horan & Chory 2011: S. 563ff.).

In der Theorie der Work-Life-Balance gibt es verschiedene Ansätze der Separation und Copingstrategien, die hier kurz dargestellt werden. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen der privat orientierten Separation, bei der Arbeit und Privates getrennt ist, jedoch die privaten Interessen bei Abwägungen handlungsleitend sind. Die arbeitszentrierte Separation trennt auch Arbeit und Privates, hier jedoch beeinflusst die Belastung durch die Arbeit das Private. In der Korrelation beider Ansätze kommt es häufig zu Konflikten und Spannungen, die mithilfe von Umsetzungsstrategien ausgeglichen werden können. Diese sollen hier nicht dargestellt werden. Hier ist jedoch bedeutend, dass Work-Life-Balance immer vom individuellen Empfinden ausgeht (vgl. Jochmann/Böckenholt/Diestel 2017: S 165ff.). Existiert nun eine Paarbeziehung am Arbeitsplatz, so sind individuelle Interessen bei der Umsetzung einer Work-Life-Balance eine Herausforderung für das Paar. Die Form der Interessenskonflikte werden durch die Interdependenztheorie nach Thibaut und Kelley in Kapitel 3.5 erklärt.

3.5 Sozialpsychologische Ansätze sozialer Beziehungen

Hier werden zwei Theorien vorgestellt, die im Rahmen der Untersuchung zu Paarbeziehungen bedeutend sein können: Zum einen dient die Spieltheorie nach Morgenstern und Neumann als Basis von sozialen Erscheinungsformen und Vorhersagetheorie zwischenmenschlichen Verhaltens. Die anschließende Interdependenztheorie betrachtet im Rahmen der Paarbeziehungen Abhängigkeiten zwischen den Partnern und deren Umwelten, die auch relevant zur Entstehung von Partnerschaften sind.

Die Spieltheorie wird oftmals in der Theorie als „Entscheidungstheorie“ bezeichnet und beschreibt vor allem die sozialen Interaktionen zwischen Individuen, hier Entscheidern und Akteuren. Gegenstand der Spieltheorie ist die Situation, in der das Ergebnis für einen Akteur von den Entscheidungen anderer Akteure abhängig ist (vgl. Holler 2000: S. 1).

Diese Theorie ist in ihrem Ursprung eine eher mathematische Theorie, die allerdings auf soziale, wirtschaftliche und politische Probleme angewandt werden kann. Das Interesse verschiedener Disziplinen an der Theorie ist groß, da sich der mathematische Aufbau der Theorie auch in sozialen Phänomenen anwenden lässt. „Die Menschen setzen ihre Handlungen manchmal gegeneinander, manchmal miteinander; sie haben ein uneinheitliches Wissen voneinander, und sie lassen sich von Zielen und Hoffnungen leiten, die zu Konfliktsituationen führen, aber auch Zusammenarbeit hervorrufen können.“ (Davis 1983: S. 15ff.). Zweck der Spieltheorie ist es eine Entscheidungshilfe für komplexe Entscheidungen zu liefern, in denen nicht nur der Zufall, sondern auch die eigenen Erfahrungen und Präferenzen mit eingebunden werden (vgl. Holler 2000: S. 15f.). Die Spieltheorie unterscheidet sich zwischen kooperativer und nicht kooperativer Spieltheorie. In der kooperativen Spieltheorie haben die Akteure die Möglichkeit, Absprachen zu treffen, wobei der Nutzen später unter dem erwarteten Nutzen liegt, denn es werden Kompromisse geschlossen. Diese verbindlichen Absprachen setzen vor allem Kommunikation und eine Verpflichtung gegenüber den anderen Akteuren voraus. Der wesentliche Unterschied zum nicht kooperativen Spiel ist die Strategie der Akteure. Im nicht kooperativen Spiel werden die Möglichkeiten der Absprachen nicht in Regeln festgehalten, sondern innerhalb der individuellen Strategie des teilnehmenden Akteurs. Der Unterschied beruht also weniger auf dem Verhalten der Akteure, „sondern auf Unterschieden in der institutionellen Struktur des Spiels, die sich in der Formulierung des Spiels bzw. der Spielregeln ausdrücken.“ (Stiller 2017: Web).

Dennoch ist das Ergebnis des Spiels abhängig von der Strategie des Akteurs und letztendlich von dem Verhalten des Partners, welches durch Absprachen zu einem Kompromissergebnis führen kann. Aber es entstehen auch

Interessenskonflikte/Interdependenzen. Stichwort ist hierbei die Abhängigkeit vom Partner, welche Gegenstand der nächsten Theorie, der Interdependenztheorie nach Thibaut und Kelley, sein wird.

Die Interdependenztheorie nach Thibaut und Kelley bezeichnet eine soziale Austauschtheorie, die auf dem ökonomischen Modell des menschlichen Verhaltens basiert. Zentrale Aspekte sind hierbei Ergebnismaximierung und Aufwands- sowie Verlustminimierung. Die darin vorkommenden Personen verfolgen voneinander unabhängige Aktivitäten, die sich aber durch gegenseitige Präferenzen und Handlungsmöglichkeiten beeinflussen. Jede Interaktion führt zu Belohnungen, aber auch zu Kosten. In einer Paarbeziehung sind mehr Belohnungen zufriedenstellender und zieht eine wahrscheinlich längere Beziehung nach sich. Belohnungen im Kontext der Paarbeziehung meinen hierbei das Erleben von Gemeinschaft, Liebe, Zuneigung, Trost und Zuwendung, aber auch die sexuelle Befriedigung. Nicht nur die reale, erlebte Belohnung, sondern auch die zu erwartende, antizipierte Belohnung spielt hierbei eine große Rolle in der Handlung. Allerdings sind Paarbeziehungen auch mit Kosten verbunden, so dass auch Zeit und Anstrengungen Gegenstand des Aufrechterhaltens der Paarbeziehung sind. Kompromisse spielen dabei eine übergeordnete Rolle. Diese investierten Kosten in eine Paarbeziehung sind subjektiv und höchst individuell. Wenn die erlebten Kosten höher sind als der positive Output, so gehen Paarbeziehungen in die Brüche (vgl. Macher 2006: S. 18ff.).

Abbildung 1 zeigt schematisch die Annahmen von Thibaut und Kelley in Bezug auf die Belohnungen, Kosten und zu erwartenden Ergebnissen resultierend für eine Paarbeziehung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Annahmen der Theorie sozialer Interdependenz von Thibaut und Kelley (vgl. Macher 2006: S. 21).

„Das aus einer Beziehung resultierende Ergebnis [...] ist nicht notwendigerweise mit der Zufriedenheit mit einer Beziehung gleichzusetzen.“ (Macher 2006: S. 20).

Thibaut und Kelley meinen hier die subjektive, erlebte Differenz zwischen Belohnungen und Kosten. Des Weiteren nehmen beide an, dass zu einer Vorhersage einer gelingenden Beziehung Erwartungen und Erfahrungen der jeweiligen Personen berücksichtigt werden müssen. Damit meinen beide konkret die Ergebnisse aus vorherigen Paarbeziehungen und die darauf basierenden, gestellten Erwartungen an die jetzige Paarbeziehung. Das durchschnittlich erwartete Ergebnis ist hierbei das Vergleichsniveau (Comparison Level CL), jedoch sollte der soziale Kontext bzw. das soziale Umfeld in der Interdependenztheorie mitberücksichtigt werden, hier als 2. Vergleichsstandard (CLalt) dargestellt. Dies sind hier Ergebnisse, welche von Personen in einer anderen alternativen Beziehung erwartet werden. Ist CLalt größer als die erlebten Ergebnisse aus der aktuellen Beziehung (E > CLalt), so ist ein Beziehungserhalt wahrscheinlich. Werden die Erwartungen jedoch enttäuscht und das Ergebnis resultierend kleiner als das Vergleichsniveau, entsteht eine Beziehungsunzufriedenheit (vgl. Macher 2006: S. 20ff.).

[...]


1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung aller personalisierten Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für jedes Geschlecht.

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Liebe und Arbeit. Empirische Untersuchung von Einstellungen zu Paarbeziehungen am Arbeitsplatz
Hochschule
Fachhochschule des Mittelstands
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
78
Katalognummer
V1190846
ISBN (eBook)
9783346626493
ISBN (Buch)
9783346626509
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Personal, employer branding, liebe, Human Resources, Beziehungen, soziale Beziehungen, positive Psychologie, psychologie, arbeitspsychologie, organisationspsychologie
Arbeit zitieren
Maximilian Klischat (Autor:in), 2021, Liebe und Arbeit. Empirische Untersuchung von Einstellungen zu Paarbeziehungen am Arbeitsplatz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1190846

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