Neue Medien und die Veränderung von Gemeinschaftlichkeit und Skandalisierungsprozessen


Hausarbeit, 2021

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Wandel der Medien
1.1 Definition Medien und die Konstruktion von Wirklichkeit
1.2 Neue Medien

2. Wirken der Gemeinschaftlichkeit
2.1 Gemeinschaft
2.2 Gemeinschaft im Netz - Schwarm/Communities

3. Gemeinschaftliche Sanktionierung des einzelnen (Neue Medien und die digitale Öffentlichkeit)
3.1 Skandalisierung in den Medien
3.2. Skandalisierung und neue Medien
3.3 Shitstorms im Internet und die Folgen für die subjektive Meinungsäußerung

Ausblick

Literaturverzeichnis

Einleitung

Im Zeitalter der Digitalität gilt das Internet als relativ freies Medium, um seine Meinung(en) zu äußern und zu veröffentlichen. Ein paar Klicks und Tastenschläge später sind die eigenen Sichtweisen und Einschätzungen jedem1 der Online-Öffentlichkeit zugänglich. Anonym und scheinbar ohne Angst vor Sanktionen werden dabei auch Kommentare verfasst, die sich sehr konkret auf einzelne (Privat-) Personen beziehen und scheinbare Normverletzungen aufdecken wollen. Jene Kommentare werden jedoch als zunehmend aggressiver und beleidigender wahrgenommen (Geschke, Klaßen, Quen, & Richter, 2019), welche in ihrer Dynamik als sog. Shitstorm ihren Höhepunkt finden.

Ein sich schnell verbreitendender Meinungskonsens aus „Sollte man verbrennen“, „Feuern! Sofort!“ (Rönne, 2015), „Ich schlitze deinen Hund auf“ (Hayali, 2015) scheint zu bestehen, wirkt auf die betreffende Person(en) und auf die Nutzer der öffentlichen sozialen Medien-Plattformen.

In den klassischen Medien werden ebenfalls bereits Wertverstöße angeprangert (Ziemann, 2011), jedoch scheint jener Prozess der Skandalisierung in digitalen Netzwerken neue Dynamiken zu entfalten und einen umso größeren Einfluss auf die Mitglieder der Gemeinschaft zu haben. Laut Dobusch (2017) besteht eine erhöhte Redefreiheit aufgrund der Uneingeschränktheit im digitalen Netz, jedoch könnten eben diese Freiheiten auf einer anderen Seite negative Wahrnehmungs- und Handlungsprozesse in Gang setzen, die die oder einen Teil der Nutzer in ihren Äußerungen einschränken.

Hinführend möchte ich die Fragen beantworten: Wie verändern sich im Zuge digitaler Medien Gemeinschaftlichkeit und Skandalisierungsprozesse? Inwieweit wirkt sich dies auf die Meinungsäußerung des einzelnen aus?

Zunächst möchte ich den Begriff der Medien erklären und welchen Einfluss sie auf die Wirklichkeitskonstruktion von einzelnen haben. Nach der Bezugnahme auf neue Medien wird auf das Wirken von Gemeinschaftlichkeit im Allgemeinen sowie in digitalen sozialen Netzwerken eingegangen. Daraufhin steht der Skandalisierungsprozess, bezogen auf Massenmedien sowie auf Sozialen Medien, im Fokus und in inwiefern jener nicht nur die Meinungsbildung, sondern öffentliche Meinungsäußerung des einzelnen beeinflusst.

Abschließend werden die Kernaussagen kurz zusammengefasst und auf noch forschungsbedingte Lücken eingegangen.

1. Wandel der Medien

Über die Konstruktion von Wirklichkeit lässt sich verstehen welchen Einfluss Medien auf einzelne und somit auf die Gesellschaft haben. Wirklichkeitskonstruktionen und Meinungsbildung findet durch digitale Kommunikationsmedien auf eine erweiterte Weise statt, weswegen sich in vorliegender Arbeit auf jene sog. (Neue) Soziale Medien fokussiert wird.

1.1 Definition Medien und die Konstruktion von Wirklichkeit

Bei Medien handelt es sich um Sinnvermittlungsanstalten, welche sich gegenseitig in einem Wettbewerb der Sinnprodukte gegenüberstehen und als Medium für Kommunikation dienen (Keppler, 2010). Medien als Verständigungs- und Verbreitungsmittel (Mock, 2006; Ziemann, 2012), wie die Zeitung, das Fernsehen oder das Internet, sind Teil der alltäglichen Lebenswelt und stellen prozesshaft jene Kommunikation zwischen räumlich, zeitlich oder raumzeitlich distanzierten Kommunikationspartnern her (Dittmar, 2011). Sie prägen nicht nur Strukturen kultureller oder gesellschaftlicher Natur, sondern ebenfalls Wahrnehmungsstrukturen (Mock, 2006; Keppler, 2014) und konstruieren somit zunehmend Wirklichkeit(en) (Keppler, 2005; Pietraß, 2014) als integrierter Teil der Individuums-Umwelt (Theunert & Schorb, 2010). Medien sind dadurch ein zentraler Bestandteil der sozialen Realität eines Individuums und geben die sozial geteilte Wirklichkeit in ihrer Sinnhaftigkeit wieder (Keppler, 2005). Die Soziale Wirklichkeit wird hierbei als ein Konstrukt verstanden, welches aus „subjektiven Wahrnehmungen, intersubjektiven Bedeutungszuschreibungen und gesellschaftlichen Bedingungen“ (Keppler, 2005: 95) besteht. Jenes kommunikative Vermittlungsverhältnis von gesellschaftlicher Realität zwischen Medium und Rezipient findet interaktiv auf Grundlage wechselseitiger Wahrnehmungen und Wirklichkeitskonstruktionen statt (Beck, 1994; Keppler, 2005). Die Informationen und Botschaften werden von Kommunikatoren über Medien öffentlich einem breiten Publikum vermittelt, von diesen überformt und vom einzelnen Rezipienten/Empfänger interpretiert, wodurch über diese doppelte Bezugnahme eine Rahmung entsteht. Jener ist wichtig für das Verstehen von Interaktion(en) und Kommunikation (Pietraß, 2014). Dieses Wechselspiel zwischen gesellschaftlicher Realität und Medien über 2

Kommunikation (Keppler, 2014) führt zu einem alltagsweltlich gemeinsam geteilten Wissenshorizont (Ziemann, 2012). So scheint ein subjektiv gemeinter Sinn zu einer objektiven Faktizität zu werden (Berger & Luckmann, 1980).

Medienhandeln seitens der Rezipienten ergibt sich aus dem menschlichen Bedürfnis nach Interaktion und deshalb aus einer sozialen Notwendigkeit der Integration (Beck, 1994), wodurch das Individuum gesellschaftlich handlungsfähig wird (Theunert & Schorb, 2010). Zusammenhängend damit sind Medien nicht nur als Organisationen, sondern gleichsam als Institutionen anzusehen. Denn in der Gesellschaft bilden sie als ebensolche soziale Systeme, ermöglichen soziales Handeln und tragen zur sozialen gesellschaftlichen Ordnung bei, welche sie ebenfalls auch repräsentieren. Dies erreichen sie durch das Festsetzen von Regeln und die damit einhergehende Beeinflussung von Erwartungen (Jarren, 2014). Durch Medien bzw. Medienöffentlichkeit wird die Basis für öffentliche Kommunikation geschaffen und damit die Herstellung und Beeinflussung von Öffentlichkeit (Stapf, 2006). Kommunikation ist als Basis jeder intersubjektiven Verständigung und somit als Herstellungsmittel von Gesellschaft zu verstehen (Luhmann, 1992).

Die Interpretation von medial kommunizierten Informationen scheint über die oben beschriebene Wirklichkeitskonstruktion zu einer Meinungsbildung des einzelnen zu führen.

1.2 Neue Medien

Durch die fortschreitende Technisierung und Digitalisierung der Spätmoderne werden die klassischen Massenmedien, zu denen neben Zeitung auch Radio und Fernsehen gehören, um digitale Medien ergänzt. Mit ihnen wird das Internet, Digitalfernsehen und die ortsunabhängige mediale Nutzung von Smartphones verbunden. Neue Medien setzten sich aus den Kriterien digitaler Datentechnik, Interaktivität und Multimedialität zusammen. Mit ihnen als sogenannte Pull-Medien wird eine gezielte Auswahl und Abrufung von Medieninhalten möglich, statt dass ausschließlich massenmedial die Sender Inhalte steuern können und mit ihnen einseitig bzw. asymmetrisch kommuniziert wird ( Push-Medien ) (Dittmar, 2011). Zudem dienen sie nicht nur als Informations- und Unterhaltungsmedium oder als reiner Wissensspeicher, sondern bieten ebenfalls einen privaten sowie öffentlichen Kommunikationsraum, wodurch die Partizipation und Publikationsfreiheit von Einzelpersonen gefördert wird (Weichert, 2012). Die vormals passiven Medienkonsumenten werden über das Internet und seine zahlreichen Plattformen aktiv (Meyer-Lucht, 2017) und können sich schnell, mobil sowie unkompliziert an öffentlicher Kommunikation beteiligen. Ihre Informationen und Emotionen können sie an Einzelne, Gruppen oder an ein breites Publikum richten (Jarren & Klinger, 2017). So finden Diskurse ausgedehnt auf vielen unterschiedlichen Plattformen statt, wodurch mediale Öffentlichkeit nicht nur facettenreicher abgebildet wird (Meyer-Lucht, 2017), sondern die Öffentlichkeit selbst sich aufgrund der Überregionalität zunehmend erweitert (Schulzki-Haddouti, 2017) und eine mediale Durchdringung aller Gesellschaftsbereiche stattfindet (Ziemann, 2012). Digitale Medien erlauben Individuen somit (eine) umfassend geteilte Alltagsrealität(en) zu erfahren und gleichzeitig mitzuteilen, die weder an Zeit, Raum oder soziale Nähe gebunden ist (Keppler, 2005). Durch die Möglichkeit private Informationen oder Gedanken öffentlich sowie anonym auf einem tendenziell kontrollfreien Erscheinungsraum mitzuteilen (Weichert, 2012), verstärkt sich darüber hinaus zunehmend das Bedürfnis, Dinge mit anderen zu teilen ( Sharism ) (Meyer-Lucht, 2017).

Diese besondere Ausdehnung von Kommunikationsprozessen beeinflusst die Schaffung von intersubjektiven Wahrnehmungen und Annahmen hinsichtlich individuellem sowie gemeinsamen Handelns (Ziemann, 2012; Keppler, 2005). Digitale Kommunikationsmedien erweitern nicht nur öffentliche Kommunikation und damit Wirklichkeitskonstruktionen, sondern nehmen einen wachsenden Anteil der Alltagszeit und -kommunikation ein (Keppler, 2005), wodurch sich ihr Wirkungsfeld verstärkt.

Trotz oder auch wegen der Fülle und grundsätzlichen Diversität von zugänglichen Informationen und digitalen Medienplattformen, ist es zudem über algorithmisch personalisierten Suchanzeigen möglich, dass in der Gesellschaft und Öffentlichkeit weniger gemeinsame Realitäten geteilt werden. Denn jene Informationen werden selektiv und den Interessen des individuellen Nutzers entsprechend mit einer erhöhten Priorität angezeigt und sogenannte Echokammern entstehen (Jarren & Klinger, 2017), wodurch einseitige Wirklichkeitskonstruktionen und Meinungsbildungen unterstützt wird (in Anl. Keppler, 2005). Ein extremes Beispiel hierzu ist die Informationsaufnahme durch den Newsfeed auf Facebook, eines Forums, der Kommentarsektion oder durch geschlossene Gruppen auf Instant-Messenger-Diensten wie Whatsapp oder Telegram.

Vielleicht kann an dieser Stelle sogar von einer Fragmentierung der Öffentlichkeit in Teil­oder Nischenöffentlichkeiten gesprochen werden kann (Schad, 2017).

[...]


1 Aufgrund besserer Lesbarkeit wird in dieser Arbeit das Generische Maskulinum verwendet. Weibliche, diverse und weitere Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, sofern es für die Aussage erforderlich ist.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Neue Medien und die Veränderung von Gemeinschaftlichkeit und Skandalisierungsprozessen
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
19
Katalognummer
V1190993
ISBN (eBook)
9783346628985
ISBN (Buch)
9783346628992
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Shitstorm, Soziale Medien
Arbeit zitieren
Andrea Kern (Autor:in), 2021, Neue Medien und die Veränderung von Gemeinschaftlichkeit und Skandalisierungsprozessen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1190993

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