Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zur Auftragsvergabe: Michelangelo und sein Auftrag zur Ausmalung der Decke der Sixtinischen Kapelle
2.1. Der Auftrag
2.2. Quellenforschung und -kritik am Beispiel von Frank Zöllner und Robin Richmond: Michelangelos Deckenbemalung der Sixtina
3. Michelangelo: eine Skizze des Künstlers als der Auftragnehmer
4. Papst Julius II: eine Skizze des Papsts als der Auftraggeber
5. Im Spannungsverhältnis: Michelangelo und Julius II - Zumutung oder Wohlgefallen des Auftrags?
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Ein aus den Primärquellen resultierendes Problem in Sekundärquellen zu verlagern und dort letztlich bis heute noch ungeklärt bzw. nicht erörtert zu lassen, trifft auf die Frage nach der Problematik bzw. Unstimmigkeit beim Auftrag zur Ausmalung der Sixtinischen Decke zu, wenn man verschiedene Forschungsmeinungen, Viten, Michelangelos persönliche Tagebucheinträge sowie seine ricordi betrachtet und versucht, anhand dieser Sekundär- und Primärquellen sich ein quellenkritisches und doch konzises Forschungsurteil zu treffen. Ob dies in Anbetracht der Vielzahl und antagonistischen Aussagen mancher Quellen möglich ist und ob überhaupt ein roter Faden erkennbar wird, der bei der Auftragsvergabe und der -durchführung auf gewisse unmissverständlichen Problematiken hinweist, soll in dieser Ausarbeitung erarbeitet werden.
Als Primärquellen werden u. a. die Briefe Michelangelos an seinen Vater z. B. sowie auch seine ricordi, also die Buchführung und die persönlichen Tagebucheinträge Michelangelos, nach Seymour im Englischen betrachtet, es wird ein Brief Piero di Jacopo Rossellis an Michelangelo ausgewertet, zudem wird die Vita des Ascanio Condivi herangezogen. Als Sekundärquellen werden nach Zöllner, Gabbert, Richmond, Pfisterer, Herzner und Barocchi angeführt, welche die Primärquellen teils kritisch, teils eher nicht kritisch untersuchen. An entsprechenden Stellen wird auf anzuwendende Quellenkritik verwiesen, sofern diese notwendig ist. Einführende Literatur zur Vorgeschichte der Sixtina und auch zur Durchführung des Auftrags - nur nicht von größerem Belang für diese Ausarbeitung - empfehlen sich zwei Ausarbeitungen von André Chastel1. Um schon zu Beginn der Arbeit der oftmals in der Forschungsliteratur aufgegriffenen Künstlerkonfrontation zwischen Bramante und Michelangelo keinen mythischen, emotionalisierenden Raum zu bieten, soll folgendes Zitat von Murray angeführt zu werden:
Michelangelo himself had a high regard for Bramante's designs, both in themselves and by contrast with the machinations of the Sangallo Gang. [...] Michelangelo's description of the original Bramante design as ,clear, pure and luminous‘ is true, and it seizes the point of Bramante's architectural aims: the liturgical aims of both men were, of cours, identical and taken for granted, although their emphases differed.2 Murray betont hier die Hochachtung Michelangelos gegenüber Bramante und legt das Lob Michelangelos gegenüber seinem Konkurrenten offen. Zusätzlich stellt Murray heraus, dass Michelangelo und Bramante eigentlich verschiedene Schwerpunkte hatten, Bramante der Architekt, Michelangelo der Bildhauer und Maler. Auch das kann schon als Beleg gewertet werden, dass beide Künstler keine direkten Konkurrenten waren und der Mythos des Bramante, der Michelangelo beim Papst bloßstellen möchte, auch eben eher ein emotional aufgeladener Mythos als eine gesicherte Tatsache ist.
2. Zur Auftragsvergabe: Michelangelo und sein Auftrag zur Ausmalung der Decke der Sixtinischen Kapelle
2.1. Der Auftrag
Um sich mit der Thematik der Auftragsvergabe zur Ausmalung der Decke der Sixtina tiefergehend zu befassen, empfiehlt sich eine kurze Werkchronologie, welche sich auch zugleich mit Michelangelos Biographie überschneidet. Für jene Werkchronologie wird die von Caroline Gabbert herangezogen, welche im Anhang der Neuübersetzung (von Victoria Lo- rini) des Lebens des Michelangelo von Giorgio Vasari aufzufinden ist.
Als erstes wichtiges Ereignis sei die im Februar 1505 erfolgte Beauftragung Michelangelos zum Entwurf des Grabmals Julius' II zu nennen. 1506 - so Gabbert - erfolgen Meinungsverschiedenheiten zum Grabmal und Michelangelo verlässt Rom mit dem Ziel, nach Florenz zu gehen. „Im November kommt es in Bologna zur Aussöhnung mit dem Papst“3, merkt Gabbert folgend an. 1508 im Mai erfolgt dann die Auftragsvergabe zur Ausmalung des Gewölbes der Decke der Sixtina, doch schon im August wird die Arbeit das erste Mal unterbrochen. Erst im Januar 1511 beginnt die Wiederaufnahme der Arbeiten an den Deckenfresken der Kapelle; am 15. August desselben Jahres lässt der Papst ebenso zum ersten Mal die bis dahin verrichtete Arbeit Michelangelos an der Decke zur Betrachtung freigeben. Zum 31. Oktober 1512 erfolgt letztlich die Fertigstellung der Deckenausmalung, doch schon im Februar 1513 stirbt der Auftraggeber Papst Julius II, weshalb im Mai ein Vertrag der Erben des Papstes zur weitervollführenden Arbeit am Grabmal Julius' II geschlossen wird.4
Interessant ist hier zu beobachten, dass es nach des Zitats Gabberts eine Aussöhnung zwischen Papst und Michelangelo vor Beginn des Auftrags5 gab; Gabbert benutzt statt den hier genannten Meinungsverschiedenheiten das Wort „ Unstimmigkeiten“6, was ebenso auf eine zumindest temporär existente, negativ zu konnotierende Beziehung zwischen Michelangelo und Papst Julius II hindeutet. Diese Meinungsverschiedenheit, ließe sich sagen, zwischen Auftraggeber (Papst Julius II) und Auftragnehmer (Michelangelo) soll als grundlegende Beobachtung für die Analyse dieser Ausarbeitung herangezogen werden.7
Doch ist Gabberts Wertung der Darstellung gestützt auf entweder Grundlagenforschung oder andere Forschermeinungen aus dem Diskurs, die sie für ihre Ausarbeitung als nützlich empfang. Es ist vor allem zu jenem Auftrag des Michelangelo die Grundlagenforschung als auch deren Interpretation kritisch zu betrachten, denn: Primär- sowie Sekundärquellen enthalten oft überbordende subjektivistische Darstellungen oder Interpretationen des Dargestellten. Als Beispiel hierfür sollen zum einen Frank Zöllners eher kritische Arbeit zu den Quellen zu Michelangelos Deckenfresken in der Sixtinischen Kapelle aufgezeigt, zum anderen Robin Richmonds eher subjektivistisch aufgeladene Arbeit zum Auftrag im nächsten Unterkapitel betrachtet werden, um zu zeigen, wie (un-)kritisch Primärquellen ausgelegt und fortformuliert werden können.
2.2. Quellenforschung und -kritik am Beispiel von Frank Zöllner und Robin Richmond: Michelangelos Deckenbemalung der Sixtina
Exemplifizierend für die Nützlichkeit der Quellenkritik soll zu Beginn Zöllners folgendes Zitat genannt werden:
Immer dann, wenn sich Deutungen und Forschungsmeinungen wie ein dichter und undurchdringlicher Schleier über den Gegenstand kunstwissenschaftlicher Betrachtung legen, gibt es nur eins: ad fontes, zurück zu den Quellen! Diese Devise sollte inzwischen jeder Auseinandersetzung mit Michelangelo Buonarrotis (1475-1565) Ausmalung der Sixtinischen Decke (1508-1512) voranstehen, deren Entstehungsgeschichte und Bildinhalt ohne die Analyse verschiedener Quellen gänzlich unverständlich blieben.8
[...]
1 Vgl. hierzu: André Chastel: Rom, die Päpste und die Künste. In: Die Sixtinische Kapelle. Mit einem Vorwort von Carlo Pietrangeli. Übersetzt und bearbeitet von Robert Schnieper. Zürich; Köln 1986, S. 8-22. Vgl. hierzu ebenso: André Chastel: Zeitgenossen über Michelangelos Fresken. In: Die Sixtinische Kapelle. Mit einem Vorwort von Carlo Pietrangeli. Übersetzt und bearbeitet von Robert Schnieper. Zürich; Köln 1986, S. 140-176.
2 Peter Murray: Bramante and Michelangelo. In: Stil und Überlieferung in der Kunst des Abendlandes. Hg. v. Herbert von Einem. Berlin 1964, S. 54ff.
3 Caroline Gabbert (Hg.): Giorgio Vasari. Das Leben des Michelangelo, neu übersetzt von Victoria Lorini, herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Caroline Gabbert. Berlin 2009, S. 499.
4 Vgl. Gabbert (2009), S. 500.
5 Anmerkung: Wenn in der Ausarbeitung von dem einen Auftrag öfters die Rede sein wird, so ist immer der Auftrag zur Ausmalung der Decke der Sixtinischen Kapelle gemeint. Andere Aufträge werden explizit genannt.
6 Gabbert (2009), S. 499.
7 Vgl. ebd.
8 Frank Zöllner: Die Quellen zu Michelangelos Deckenfresken in der Sixtinischen Kapelle. Heidelberg 2004. In: Kunsthistorische Arbeitsblätter, Nr. 7/8 (2004), S. 39.
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- Anonym, 2021, Michelangelo und Julius II. Auftragsvergabe der Deckenausmalung der Sixtinischen Kapelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1191283
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