Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Teil
2.1 Vorstellung des Projekts
2.2 Coaching vs. Beratung
3. Empirischer Teil
3.1 Methoden
3.2 Erhebungsmethode
3.3 Feldzugang
3.4 Auswertungsmethode
3.5 Interpretation Forschungsergebnisse
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Rahmen der Forschungswerkstatt im Modul B13 habe ich das Pilotprojekt „RehaPro – IPS Zurück ins Berufsleben“ begleitet. Wie der Name schon beschreibt, handelt es sich bei dem Projekt um die Teilhabe am Berufsleben mit dem „Ziel […] durch die Erprobung von innovativen Leistungen und innovativen organisatorischen Maßnahmen Erkenntnisse zu gewinnen, wie die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch besser erhalten bzw. wiederhergestellt werden kann“ (Rathmann 2021 Internetquelle).
Die folgende Forschungsarbeit beschäftigt sich mit der Forschungsfrage, worin die Potenziale und Herausforderungen des IPS-Coachings aus der individuellen Sicht der Coaches liegen. Dafür werden zunächst die relevanten Begriffe näher beleuchtet.
An dieser Stelle wird der Theorierahmen, der das Projekt umrahmt, dargestellt, um ein besseres Verständnis für den Forschungsgegenstand zu gewinnen. Das Forschungsprojekt wird näher beleuchtet und die Begriffe Beratung und Coaching werden unter Bezugnahme der jeweils anderen Methode definiert.
Im darauffolgenden empirischen Teil der Arbeit werden die Erhebungs- sowie die Auswertungsmethode geschildert. Die im Anschluss dargelegte Interpretation der Ergebnisse beruft sich wieder auf die Forschungsfrage und widmet sich der darauffolgenden Beantwortung dieser, anhand des gewonnenen Materials.
Zum Abschluss finden Theorie und Forschungsergebnisse im Fazit wieder zusammen und werden gemeinsam betrachtet.
2. Theoretischer Teil
2.1 Vorstellung des Projekts
Die Forschungsarbeit befasst sich mit dem Projekt „RehaPro – IPS Zurück ins Berufsleben.
Für die Mehrheit der Menschen mit psychischen Erkrankungen stellt die Ausübung eines Berufs einen fundamentalen Bestandteil für den Genesungsprozess dar. Im Kontrast dazu sind nur knapp 20% der Betroffenen arbeitsnehmend. Darüber hinaus beeinträchtigt das Arbeitslosendasein oftmals nicht allein die psychische Gesundheit. Die Arbeitslosigkeit kann gleichermaßen einen Effekt auf den sozialen und gesellschaftlichen Status ausüben.
Wo Bedarf ist, gibt es auch Nachfrage? Die Praxis in Deutschland beweist, dass die aktuellen Unterstützungsangebote zur Rehabilitation/Behandlung nur ungenügend Rücksicht auf die berufsbedingten Bedürfnisse der Betroffenen nehmen. Zudem kommen die Hilfsangebote häufig verspätet zum Tragen, um die von der psychischen Erkrankung bedingte Arbeitslosigkeit zu verhindern.
Um dieser Lage entgegenzuwirken und Menschen mit psychischen Erkrankungen eine berufliche Teilhabe zu ermöglichen, gibt es in Deutschland seit 2020 das Forschungsprojekt „IPS-ZIB“, welches vom Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. und vom Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. realisiert wird (Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. 2022 Internetquelle).
Das Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“ unterstützt das Projekt und beabsichtigt, Menschen mit psychischen Erkrankungen „[…] mit komplexem Unterstützungsbedarf direkt aus der Krankenhausbehandlung durch frühzeitige an der Person orientierte evidenzbasierte Interventionen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen und zu unterstützen, sodass eine nachhaltige berufliche Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht wird“ (Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. 2022 Internetquelle).
Aus dem Projekt ergibt sich ein IPS-Coaching (Individual Placement and Support), das am evidenzbasierten Grundgedanken des Support Employment anknüpft. Das Pilotprojekt wird derzeit in der Region Greifswald, im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte und in der Region Bielefeld getestet. Das IPS-Coaching zeichnet sich durch ein Rehabilitationsprogramm aus, das sich konkret an die Person gebundenen Bedarfe anpasst. Dabei werden die Klient:innen von einem Jobcoach sowie einem anpassungsfähigem Finanzierungsplan begleitet (Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. 2022 Internetquelle).
Innerhalb des Coachings treten Klient:in und Coach in Beziehung und führen z.B. Gespräche darüber, ob die Person wieder bei der ehemaligen Arbeitsstelle tätig sein möchte und was sich dort ggf. verändern müsste. Unter anderem können nach Bedarf Klärungsgespräche veranlasst werden, bei denen Klient:innen eine andere Stelle im selben Betrieb oder ein Praktikum beantragen können. Demgegenüber haben Klient:innen auch die Möglichkeit neue Perspektiven einzunehmen und ihre persönliche Erfahrung mit der psychischen Erkrankung und den daraus resultierenden Auswirkungen für eine EX-IN Ausbildung zu nutzen, um anschließend als Genesungsbegleiter:in oder Peerberater:in beschäftigt zu sein.
Die Ausbildung kann in entsprechenden Fällen (keine Finanzierung seitens der Klient:innen umsetzbar) mithilfe des Finanzierungsplans unterstützt werden. Falls die vorangestellten Maßnahmen zu überfordernd für die betroffene Person sind, gibt es Möglichkeiten wie Tagesangebote, die niederschwellig und weniger verbindlich sind, aber den Klient:innen eine Alltagsstruktur geben können. Hierbei rücken Themen zur Alltagsbewältigung in den Fokus, die den Teilhabeprozess am Berufsleben, aufgrund von Ängsten, gesundheitlichen oder finanziellen Problemen sowie Organisationschwierigkeiten, stark einschränken kann (Steinhart 2021, S. 237).
Zu den Personen, die für das IPS-Coaching in Frage kommen, gehören Menschen die aufgrund ihrer psychotischen oder affektiven Störungen, eine ausgeprägte Einschränkung für die Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt erleben.
Die Kooperationspartner:innen des Projekts sind DRV Bund und DVR KBS.
In Mecklenburg-Vorpommern sind weitere Beteiligte des Projekts das Berufsförderungswerk Stralsund GmbH, die Psychiatrische Klinik am Mediclin Müritz Klinikum, die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin und das Evangelische Krankenhaus Bethanien gGmbH. Die Projektbeteiligten in Nordrhein-Westfalen sind die Stiftung Bethel, das Evangelische Klinikum Bethel gGmbH sowie dessen Forschungsabteilung (Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. 2022 Internetquelle).
Im Anschluss an dieses Kapitel, welches allgemein über das forschungsrelevante Projekt aufklärt, folgt die Gegenüberstellung von Coaching und Beratung. Da Unklarheit über die genaue Abgrenzung herrscht, ist es sinnvoll, die beiden Begriffe näher unter die Lupe zu nehmen, um die Profession der Coaches bestmöglich nachvollziehen zu können.
2.2 Coaching vs. Beratung
Das immer weite wachsende Spektrum an Beratungsangeboten führt zu einer Vielfalt an Ansätzen und Methoden. Mit dieser Strömung an Unterstützungsmöglichkeiten stehen Hilfesuchende sowie beratende Personen vor der Entscheidung, welches Beratungsformat sie nutzen bzw. anbieten möchten. Eine präzise Definition der eigenen Profession ist folglich Voraussetzung für eine erfolgreiche Unterstützung/Begleitung der jeweiligen Klient:innen.
Eine diesbezügliche Internetrecherche verrät allerdings, dass keine einheitlichen Begriffserklärungen existieren (Reyer 2016, S. 463f.) und daher die für diese Arbeit relevanten Definitionen für ein besseres Verständnis der Thematik aufgeführt werden.
Coaching findet seine Herkunft auf der einen Seite im Businessbereich und auf der anderen Seite im Kontext des Sports. In der Theorie wird Coaching oft als Teilbereich von Beratung angesehen (Best 2020, S. 65f.).
Auch in der Praxis werden Coaching und Beratung häufig als Handlungsfelder angesehen, die sich in ihrer Tätigkeit überschneiden. Im jeweiligen Bezugsrahmen ist es gewinnbringend, Gemeinsamkeiten auszumachen oder diese in ihren differierten Zielvorstellungen konkret voneinander zu separieren. Übereinstimmung finden beide Praktiken darin, dass sie von Personen in Anspruch genommen werden, die sich in Konflikt- oder Notlagen befinden (Bredl/Bräutigam/Herz 2017, S. 3).
„Beratung ist in der Regel ein begrenzter und kürzerer Prozess, der auf die Lösung von Problemen, die einzelne Lebensbereiche betreffen, abzielt. Coaching hingegen meint eine explizit lösungs- und zielorientierte „partnerschaftliche Beratung und Begleitung von Klienten unter Berücksichtigung ihrer Ressourcen und Fähigkeiten“ (Spitczok von Brisinski 2011, zitiert nach Bredl/Bräutigam/Herz, 2017, S. 3).
Beratung zielt auf den (Neu-)Aufbau der Fähigkeiten der Klient:innen ab, welche gegenüber der beratenden Person eine kooperative Haltung einnehmen. Berater:innen gelten als Expert:innen für Problemlöseprozesse, die mithilfe von ziel- und ressourcenorientierten Ansätzen lösungsrelevante Verhaltensmuster (re-)konstruieren. Im Coaching steht die Weiterentwicklung der Fähigkeiten und Charakteristik der Klient:innen (s.g. Coachees) im Fokus. Ein Coach wird als motivierende Unterstützungskraft definiert, die das Selbstmanagement der Coachees aktiviert und Impulse zu Perspektivwechseln und bevorzugten Verhaltensmustern weckt (Reyer 2016, S. 468).
Als gemeinsames Ziel von Beratung und Coaching wird „das Ziel […], die Perspektiven auf Situationen, Problem- oder Fragestellungen zu erweitern, indem diese aus anderen Sichtweisen betrachtet werden“ (Best 2020, S. 67) angesehen. Zudem stehen Beziehungsaufbau, Kooperationsbereitschaft und Hilfe zur Selbsthilfe im Fokus beider Professionen (Best 2020, S. 67f.). Als ein deutlicher Unterschied sticht die thematische Differenz der jeweiligen Anliegen hervor, wobei Coaching mehr im beruflichen Kontext in Anspruch genommen wird und Beratung sich vorwiegend mit privaten Themen beschäftigt (Best 2020, S. 69).
Ebenso gilt es zu beachten, dass Beratung nicht gleich Beratung ist. Es kann sich um reine Informationsangebote, bis hin zur psychotherapeutischen Unterstützung alles abspielen. Für professionelle Berater:innen ist es folglich Voraussetzung, sich regelmäßig über Theorie und Praxis auf den neuesten Stand zu bringen, um sich fortlaufend auf neue Bedarfe der Klient:innen einstellen zu können. (Psychosoziale) Beratung ist im Kontext ihres Haupteinsatzgebiets immer in der Sozialen Arbeit verortet (Beushausen 2016, S.18f.).
Coaching und Beratung haben beide ihre Stärken und Schwächen. Es ist allgemein zu beachten, dass keine Maßnahme der anderen überlegen ist. Vielmehr ist es produktiv, die eigene Konfliktsituation zu verstehen und der jeweiligen Unterstützungsmöglichkeit zuordnen zu können. Dies sollte in der Praxis v.a. durch die ratgebenden Personen umgesetzt und nach außen repräsentiert werden, um (zukünftigen) Klient:innen die passende Hilfeleistung anbieten zu können.
Im Fall des Pilotprojekts „RehaPro – IPS Zurück ins Berufsleben“ ist es daher sinnvoll im Rahmen des IPS-Coachings – wie der Name es bereits betitelt – keine Beratung, sondern ein Coaching durchzuführen.
Aus dem theoretischen Teil lassen sich Vorannahmen zur Beantwortung der Forschungsfrage entnehmen. Innerhalb des IPS-Coachings führen Klient:in und Coach Gespräche über den Zugang zur alten oder neuen Arbeitsstelle. Gemeinsam können diesbezüglich Klärungsgespräche bei neuen Arbeitgeber:innen veranlasst werden. Insgesamt kann aus der Literatur entnommen werden, dass die Coaches im Prozess der Wiedereinführung in den Berufsalltag sehr involviert sind und dementsprechend mit Arbeitgeber:innen vernetzt sind. Diese Netzwerkarbeit könnte sich positiv auf die Umsetzung des Coachings (auch aus Sicht der Coaches) auswirken. Resultierend aus diesen theoretischen Vorannahmen bildet sich die Hypothese (H1): Es wird vermutet, dass Coach und (zukünftige) Arbeitgeber:in der am Coaching teilnehmenden Person im regelmäßigen Kontakt zueinanderstehen.
Nachdem der theoretische Teil Aufschluss über das Projekt, die forschungsrelevanten Begriffe und die daraus resultierenden Vorannahmen gegeben hat, folgt im Anschluss die Betrachtung der Empirie und diesbezügliche Methoden der Erhebung, Auswertung und Interpretation der Ergebnisse.
3. Empirischer Teil
3.1 Methoden
3.2 Erhebungsmethode
Um an den Forschungsgegenstand der vorliegenden Hausarbeit mittels qualitativer Methoden heranzutreten, verlangt es eine Methode, die problemzentriert Wissen erfasst.
Das problemzentrierte Interview ist offen und halbstrukturiert aufgebaut, sodass die interviewte Person weitgehend freispricht, aber dabei auf eine konkrete Problemstellung hingelenkt wird. Im Fokus steht das Erzählprinzip, wobei die interviewende Person das Gespräch dabei immer wieder zum Problemgegenstand hinführt und dabei relevante Aussagen in die Fragestellung miteinbezieht. Das problemzentrierte Interview eignet sich daher gut, für die Datenerhebung.
Das qualitative Interview wird als Leitfadeninterview durchgeführt. Hierbei wurden im Voraus mit Blick auf die Forschungsfrage Themenbereiche entwickelt und als offene sowie auf das Problem zentrierte Fragen formuliert (Kurz 2007, S. 465). Nachdem der Interviewleitfaden feststand, folgte die Kontaktaufnahme mit potenziellen Interviewpartner:innen, welches im nächsten Kapitel näher beleuchtet wird.
3.3 Feldzugang
Für die Beteiligung des Forschungsprojekts stellten sich sechs Coaches für ein Interview zur Verfügung.
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit einem der IPS-Coaches aus Mecklenburg-Vorpommern (Berufsförderungswerk Stralsund). Um herauszufinden, worin die Potenziale und Herausforderungen des IPS-Coachings aus der individuellen Sicht der Coaches liegen, wurde am 07.12.2021 ein problemzentriertes Interview durchgeführt. Die befragte Person ist bereits in unterschiedlichen Bereichen der Sozialen Arbeit (u.a. als Familienhelferin) tätig gewesen und seit dem 01.01.2020 ein Teil des IPS-Coachings. Durch einen ersten E-Mail-Kontakt konnte ein Termin vereinbart werden.
Vorab wurde die interviewte Person darüber mündlich sowie schriftlich (mittels Datenschutzerklärung) informiert, dass das Gespräch aufgenommen wird und die Daten ausschließlich für das Forschungsprojekt verwendet und nicht an Dritte weitergeben werden.
Das Interview wurde aufgrund der Corona-Pandemie digital (Face-to-Face über Video-Konferenz) durchgeführt und dauerte insgesamt 55 Minuten. Im Anschluss wurde das Interview transkribiert.
Im folgenden Kapitel wird dargelegt, mit welcher Methode die erhobenen Daten ausgewertet worden sind. Es wird näher betrachtet, aus welchem Grund welche Vorgehensweisen für den Forschungsgegenstand in Frage kommen und wie dies in der Umsetzung gelang.
3.4 Auswertungsmethode
Für die Auswertung eines problemzentrierten Interviews eignet sich die qualitative Inhaltsanalyse nach Phillip Mayring, da diese insgesamt systemisch und zielgerichtet agiert. Allgemein ist die Inhaltsanalyse beauftragt, Medien (in diesem Fall Textmaterial), auf vorher festgelegte Eigenschaften hin zu prüfen und im Anschluss Rückschlüsse zu ziehen (Rechberg 2016, S. 261). Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring „will Texte systematisch analysieren, indem sie das Material schrittweise mit theoriegeleitet am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet“ (Mayring 2002, S. 114). Die qualitative Forschung kann im Gegensatz zu quantitativen Forschungsansätzen, den Kontext der Informationen, Einzelfälle sowie unbewusste Sinnstrukturen verbessert wahr- und aufnehmen. Die qualitative Inhaltsanalyse kann diese Kriterien umsetzen und zudem das Material in Kategorien unterteilen, die sie nacheinander bearbeitet. Das selbsterarbeitete Kategoriensystem steht dabei im Fokus und bestimmt, welche Informationen aus der Datenerhebung herausgefiltert werden. In Abgrenzung zu anderen Methoden, ist die qualitative Inhaltsanalyse weniger interpretativ als z.B. die Hermeneutik (Mayring 2002, S. 114). Mayring unterteilt die qualitative Inhaltsanalyse in drei Grundformen - zusammenfassend, explizierend und strukturierend. Hierbei ist die zusammenfassende Inhaltsanalyse passend, da sie darauf abzielt, die Reduzierung des Materials auf wesentliche Inhalte durch Abstraktion in eine übersichtliche Grundform zu bringen, die immer noch dem Grundmaterial entspricht (Mayring 2002, S. 115).
[...]