[...] Mit der Unterzeichnung des KSE-Vertragswerks vom 19.11.1990 verpflichten sich die Vertragsstaaten, ihre konventionellen Hauptwaffensysteme im Bereich zwischen Atlantik und Ural zu reduzieren, sodass in diesem Raum ein möglichst gleiches Kräfteverhältnis hergestellt wird (vgl. BT-Drucksache 16/6603 : 1). Die Schaffung des KSE-Übereinkommens hat somit die Intention einer kooperationsfördernden Wirkung zwischen den Vertragsparteien, um die Sicherheit der einzelnen Staaten zu verbessern.
Auf den folgenden Seiten werde ich die Frage beantworten, wie es aus der Sicht der Regimetheorie erklärbar ist, dass die russische Seite aus dem KSE- Übereinkommen ausschert. Um diese komplexe Frage zu beantworten, werde ich zunächst das Vertragswerk des KSE-Regime näher erläutern, um anschließend in meinen theoretischen Vorüberlegungen zu einem Lösungsschema für die von mir aufgeworfene Frage zu kommen. Anschließend werde ich unter Zuhilfenahme dieses Lösungsschemas die politisch aktuelle Situation um die KSE-Krise analysieren um eine adäquate Antwort auf die Frage zu geben, warum es aus russischer Perspektive rational ist den KSE-Vertrag auf Eis zu legen.
Bei der Beantwortung der dieser Arbeit zugrundeliegenden Fragestellung ist es mein Anliegen, die Regimetheorie selbst, Überlegungen zu internationalen Institutionen und kollektiven Dilemmas sowie den gedanklichen Überbau des „Rational-Choice-Ansatzes“, näher zu erläutern.
Die aktuelle Krise in der internationalen Politik, die mit der Aufkündigung des KSE-Regimes auf russischer Seite Ende 2007 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, zeigt beispielhaft, wie sich die strategische Unsicherheit der Akteure auf dem „rutschigen Parkett der internationalen Politik“ zu einer ernsthaften Krise steigern kann.
Ein Konzept, strategische Unsicherheit zu überwinden und die Kooperation zwischen Akteuren – eigentlich das zentrale Ziel jeder friedlichen politischen Tätigkeit – zu ermöglichen, bieten die Regime. Hierzu im Folgenden später mehr.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Der Vertrag über die konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE)
- Der Vertrag über die konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE)
- Theoretische Vorüberlegungen: Die Regimetheorie
- Internationale Institutionen
- Kollektive Dilemmas
- Das Gefangenendilemma
- Die Anarchie im internationalen System
- Regime
- Regimewirkung
- Das KSE-Regime
- Der Nutzen des KSE-Regimes
- Die Kosten des KSE-Regimes
- Warum kündigt Russland das KSE-Regime auf?
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Gründe für die russische Kündigung des KSE-Vertrages im Jahr 2007 unter Anwendung der Regimetheorie. Das Ziel ist es, die Entscheidung Russlands aus der Perspektive der Regimetheorie zu erklären und die zugrundeliegenden strategischen Überlegungen zu beleuchten.
- Die Regimetheorie und ihre Anwendbarkeit auf internationale Beziehungen
- Das KSE-Regime: Nutzen, Kosten und Sicherheitsaspekte
- Das Konzept kollektiver Dilemmas und strategischer Unsicherheit
- Die Rolle von internationalen Institutionen und Vertrauensbildung
- Analyse der russischen Sicherheitsinteressen im Kontext des KSE-Vertrages
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Der Vertrag über die konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE): Die Einleitung beschreibt die politische Brisanz der russischen Kündigung des KSE-Vertrages im Jahr 2007 und hebt die Bedeutung des Vertrages für die europäische Sicherheit hervor. Sie skizziert den Forschungsansatz, der die Regimetheorie nutzt, um die russische Entscheidung zu erklären, und umreißt die Struktur der Arbeit. Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage nach den rationalen Gründen für Russlands Ausstieg aus dem KSE-Vertrag in den Mittelpunkt.
Der Vertrag über die konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE): Dieses Kapitel erläutert den KSE-Vertrag und seine Ziele, darunter die Reduzierung konventioneller Waffen und die Schaffung eines stabileren Kräfteverhältnisses in Europa. Es beschreibt die Verhandlungen, die zur Unterzeichnung des Vertrages führten, und die beteiligten Akteure. Besonderes Augenmerk liegt auf der Anpassung des Vertrages (AKSE) und den damit verbundenen Verpflichtungen Russlands, insbesondere dem Truppenabzug aus Moldau und Georgien. Das Kapitel verdeutlicht, wie die Nicht-Ratifizierung des AKSE-Vertrages durch NATO-Staaten und die Pläne für ein US-Raketenabwehrsystem in Osteuropa die russische Entscheidung beeinflusst haben könnten.
Theoretische Vorüberlegungen: Die Regimetheorie: Dieses Kapitel legt die theoretischen Grundlagen der Arbeit dar und konzentriert sich auf die Regimetheorie. Es beschreibt die zentrale Herausforderung kooperativer Abkommen im internationalen System, die durch strategische Unsicherheit und Misstrauen geprägt ist. Das Kapitel beleuchtet die Rolle von internationalen Institutionen bei der Bewältigung kollektiver Dilemmas und der Förderung von Kooperation. Die Bedeutung von Vertrauen und die Schwierigkeiten bei der Vorhersage und Sanktionierung des Verhaltens von Akteuren im internationalen System werden hervorgehoben.
Das KSE-Regime: Dieses Kapitel analysiert das KSE-Regime im Detail, indem es den Nutzen und die Kosten für die beteiligten Staaten beleuchtet. Es untersucht die Sicherheitsüberlegungen, die sowohl für Russland als auch für andere Vertragsstaaten eine Rolle spielten. Die Kapitel analysiert kritisch, inwiefern die vom KSE-Vertrag beabsichtigte Sicherheitsverbesserung für Russland tatsächlich erreicht wurde, und wie die wahrgenommenen Kosten und der Nutzen das Verhalten Russlands beeinflusst haben. Die Analyse beleuchtet die Bedeutung des Vertrauens und Misstrauens zwischen den Akteuren und untersucht, wie strategische Unsicherheit die Entscheidung Russlands beeinflusst haben könnte.
Schlüsselwörter
Regimetheorie, KSE-Vertrag, Internationale Beziehungen, Kooperation, Kollektive Dilemmas, Strategische Unsicherheit, Rüstungskontrolle, Russland, NATO, Sicherheitspolitik, Rational-Choice-Ansatz.
Häufig gestellte Fragen zum Dokument: Der Vertrag über die konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE)
Was ist der Gegenstand dieses Dokuments?
Dieses Dokument bietet einen umfassenden Überblick über eine wissenschaftliche Arbeit, die die Gründe für die russische Kündigung des Vertrages über die konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE) im Jahr 2007 untersucht. Es enthält das Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und Schlüsselwörter.
Welche Theorie wird zur Analyse verwendet?
Die Arbeit verwendet die Regimetheorie, um die russische Entscheidung zu erklären. Diese Theorie wird im Detail im dritten Kapitel erläutert und dient als analytisches Werkzeug, um die strategischen Überlegungen Russlands zu beleuchten.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in folgende Kapitel: Einleitung (mit Beschreibung des KSE-Vertrags und des Forschungsansatzes), eine detaillierte Erläuterung des KSE-Vertrags selbst, theoretische Vorüberlegungen zur Regimetheorie, eine Analyse des KSE-Regimes (inkl. Nutzen und Kosten) und schließlich ein Fazit.
Was sind die zentralen Themen der Arbeit?
Die zentralen Themen sind die Anwendung der Regimetheorie auf internationale Beziehungen, die Analyse des KSE-Regimes unter Berücksichtigung von Nutzen, Kosten und Sicherheitsaspekten, das Konzept kollektiver Dilemmas und strategischer Unsicherheit, die Rolle internationaler Institutionen und Vertrauensbildung sowie die russischen Sicherheitsinteressen im Kontext des KSE-Vertrages.
Welche Aspekte des KSE-Vertrages werden behandelt?
Das Dokument behandelt die Ziele des KSE-Vertrages (Reduzierung konventioneller Waffen, stabileres Kräfteverhältnis), die Verhandlungen und beteiligten Akteure, die Anpassung des Vertrages (AKSE), die Nicht-Ratifizierung des AKSE durch NATO-Staaten und die Rolle des geplanten US-Raketenabwehrsystems in Osteuropa als potenzielle Einflussfaktoren auf die russische Entscheidung.
Was sind die Schlüsselwörter der Arbeit?
Die Schlüsselwörter umfassen Regimetheorie, KSE-Vertrag, Internationale Beziehungen, Kooperation, Kollektive Dilemmas, Strategische Unsicherheit, Rüstungskontrolle, Russland, NATO, Sicherheitspolitik und Rational-Choice-Ansatz.
Welche Forschungsfrage steht im Mittelpunkt der Arbeit?
Die zentrale Forschungsfrage ist die nach den rationalen Gründen für Russlands Ausstieg aus dem KSE-Vertrag.
Wie wird das KSE-Regime analysiert?
Das KSE-Regime wird durch die Analyse von Nutzen und Kosten für die beteiligten Staaten untersucht. Die Sicherheitsüberlegungen für Russland und andere Vertragsstaaten werden beleuchtet, ebenso wie die Bedeutung von Vertrauen und Misstrauen und der Einfluss strategischer Unsicherheit.
- Quote paper
- Tilman Graf (Author), 2008, Die Regimetheorie: Warum kündigt Russland den KSE-Vertrag auf?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119198