Folgen wir Niklas LUHMANNs Sicht auf moderne Gesellschaften, wird alles, was diese von sich selbst wissen, durch Massenmedien generiert und vermittelt. Demnach ist unser heutiges Wissen im höchsten Maße (massen-)medial geprägt. Presse, Fernsehen, Kino, Internet, etc. generieren und verbreiten Sinnangebote, die unsere Sicht auf die Welt nicht nur organisieren und bestimmen, sondern konstituieren, indem sie eine Instanz bilden, durch welche die Welt zu sehen gegeben wird. Jedoch sind Medien mehr als nur Filter, die unsere Weltsicht kanalisieren – sie selbst sind als konstitutives Moment zu betrachten, in dem Sinnerzeugung und Sinnzuschreibung zusammenfallen. So gesehen
wird selbst das, was wir am eigenen Leib erfahren, vor der Hintergrundfolie medial vermittelter Erfahrungen wahrgenommen, verstanden und reflektiert. Unsere Wahrnehmung und unser Reflexionsvermögen werden folglich von den historisch und kulturell bedingten Seh- und Sinnangeboten medialer Kommunikation bestimmt. Die Produktion und Distribution von Wissen vollzieht sich zunehmend auf visueller Ebene. Durch nahezu alle Wissenschaftszweige erstreckt sich heute die Notwendigkeit, Erkenntnisse in evidenter Form darzustellen und diese möglichst auf breiter Ebene zu streuen, damit sie in außerwissenschaftliche Diskurse eingehen können. Insbesondere für die so genannten Life Sciences vermerkt der Wissenschaftstheoretiker Michael HAMPE:
„Die Anschaulichkeit eines Forschungsprojektes scheint zu einem eigenen Wert geworden zu sein.“ In diesem Zusammenhang spricht HAMPE von der „Autorität der sichtbaren Evidenz.“ Hier sei speziell die Medizin genannt, die sich im besonderen Maße auf die bildliche Darstellung beruft. So erscheint die Anatomie ohne Anschauung undenkbar.
Inhaltsverzeichnis
- 0 Einleitung
- 1 Die Historizität des Sehens - ein theoretischer Aufriss
- 1.1 Visuelle Medien in der gegenwärtigen Forschungslandschaft
- 1.2 Spuren der Geschichte: Anmerkungen zum Untersuchungsgegenstand
- 1.3 Körper | Hygiene | Geschichte: Anmerkungen zum Untersuchungsfeld
- 1.4 Fragestellung und methodischer Ansatz
- 1.5 Vorgehensweise und vorhergehende Reflexionen
- 2 Das Lichtbild – ein Medium im Fokus
- 2.1 Rahmung oder die Frage: Was ist ein Lichtbild?
- 2.2 Die historische Entwicklung der Lichtbildprojektion
- 2.3 Das Lichtbild als Bildungsmedium
- 2.4 Die Vortragskultur in der Weimarer Republik
- 3 Vom Blickwinkel der Akteure - Kontext der Lichtbilder
- 3.1 Betrachtungen zum Hygienediskurs
- 3.1.1 Divergierende Positionen: Der Hygienediskurs in der Weimarer Republik
- 3.1.2 Die Entwicklung der hygienischen Volksbelehrung
- 3.2 Das Deutsche Hygiene Museum
- 3.2.1 Die Geschichte der Institution
- 3.2.2 Die Organisation des Museums und seine gesellschaftliche Ausrichtung
- 3.2.3 Einblicke in die Lehrmittelwerkstatt und die Lichtbildstelle
- 3.3 Einsichten: Resümee des ersten Teils dieser Arbeit
- 3.1 Betrachtungen zum Hygienediskurs
- 4 Der forschende Blick – Bildbetrachtungen
- 4.1 Die Begegnung mit dem Lichtbildmaterial
- 4.2 Korpusbildung
- 4.2.1 Themen und Motive der Lichtbildreihen
- 4.2.2 Auswahl der Lichtbildreihen
- 4.3 Visualisierungsformen
- 4.4 Narrative Muster in ausgewählten Lichtbildreihen
- 4.4.1 Reihe 3: Haut und Muskeln
- 4.4.2 Reihe 40: Soziale Bedingungen der Geschlechtskrankheiten
- 4.4.3 Ergebnisse der Untersuchung
- 5 Diskursformationen - Spuren in den Bildern
- 5.1 Körperbilder I: Die »Medikalisierung des Sehens«
- 5.2 Körperbilder II: Das Pathologische im Kontrast zum Gesunden
- 5.3 Körperbilder III: Der entblößte und der bloßgestellte Leib
- 5.4 Der skeptische Blick: Der Mensch als Ansteckungsquelle
- 5.5 Zwei Leitbilder: Der Arbeitskörper und der athletische Mann
- 5.6 Perspektivwechsel? Vom individuellen Körper zum »Volkskörper«
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die hygienische Volksbelehrung in der Weimarer Republik anhand von Lichtbildreihen des Deutschen Hygiene Museums. Die Arbeit analysiert die visuelle Konstruktion von Wissen und die Rolle von Bildern in der Gestaltung des gesellschaftlichen Verständnisses von Hygiene und Körperlichkeit.
- Die Historizität visueller Medien und deren Einfluss auf die Wahrnehmung.
- Das Lichtbild als Medium der hygienischen Volksbelehrung.
- Der Hygienediskurs in der Weimarer Republik und seine Widersprüche.
- Analyse der Bildsprache und der dargestellten Körperbilder.
- Die Konstruktion von "Wissensbildern" im Kontext gesellschaftlicher Diskurse.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und begründet die Relevanz visueller Medien für die Wissensproduktion. Kapitel 1 bietet einen theoretischen Rahmen, während Kapitel 2 das Lichtbild als Medium im Detail beleuchtet. Kapitel 3 untersucht den Kontext der Lichtbilder, den Hygienediskurs und das Deutsche Hygiene Museum. Kapitel 4 analysiert das Lichtbildmaterial selbst, seine Visualisierungsformen und narrative Muster in ausgewählten Reihen. Kapitel 5 befasst sich mit den Diskursformationen, die in den Bildern sichtbar werden.
Schlüsselwörter
Hygienische Volksbelehrung, Weimarer Republik, Deutsches Hygiene Museum, Lichtbildreihen, Visuelle Kultur, Körperbilder, Wissensbilder, Medikalisierung des Sehens, Diskurse, Visualisierung.
- Arbeit zitieren
- M.A. Berit Bethke (Autor:in), 2007, Sichtbare Spuren / Spuren der Sichtbarkeit - Betrachtungen zur hygienischen Volksbelehrung in der Weimarer Republik anhand von Lichtbildreihen des Deutschen Hygiene Museums, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119211