Emotionale Vernachlässigung in der Kindheit als Verursacher dissoziativer Störungen

Wie kann Beziehung aus Sicht der Pädagogik zu Frauen mit Bindungsangst gestaltet werden?


Hausarbeit, 2021

27 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Emotionale Gewalt
2.1 Definition emotionaler Vernachlässigung
2.2 Formen emotionaler Vernachlässigung
2.3 Folgen emotionaler Vernachlässigung
2.4 Interventionsmöglichkeiten
2.5 Prävention
2.6 Zahlen und Fakten

3. Dissoziative Störung
3.1 Definition dissoziativer Störung
3.2 Dissoziative Identitätsstruktur
3.3 Dissoziative Identitätsstörung

4. Beziehungsgestaltung
4.1 Definition Bindung und Bindungstheorie
4.2 Die professionelle pädagogische Beziehung
4.3 Pädagogisches Handeln als akzeptierter Beeinflussungsversuch

5. Der Fall Katharina
5.1 Erste Intervention: Beziehungsarbeit
5.2 Zweite Intervention: Resilienzförderung
5.3 Dritte Intervention: die psychotherapeutische Behandlung

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Wenn das Kindeswohl gefährdet ist

1. Einleitung

“Der Körper vergisst nicht. Wird die Erinnerung an ein Trauma im Körper in Form herzzerreißender und qualvoller Erinnerungen, Autoimmunkrankheiten und muskulo-skelettaler Probleme enkodiert, und ist andererseits die Kommunikation zwischen Geist, Gehirn und Körper der Königsweg zur Emotionsregu­lation, so müssen wir die Voraussetzungen unseres therapeutischen Handelns radikal überdenken und verändern.“ (Bessel van der Kolk)

Jeder kennt emotionale Verletzungen, sie begegnen jedem von uns, sind unvermeidbar und allgegen­wärtig. Oft kommt es zu Situationen, in denen man sehr emotional reagiert und man gar nicht genau weiß, warum man sich gerade so schlecht fühlt. Diese Erlebnisse ziehen sich meist wie ein “roter Faden“ durch unser Leben, die Beziehungen erschweren oder sie zum Scheitern verurteilen (Firus, 2018, S.9).

Grund dafür sind meistens negative Beziehungserfahrungen unserer Kindheit. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik gab es 2020 3.758 Fälle von Kindesmisshandlung (§225 StGB). Obwohl die Aufklärungsrate bei 96, 6 % lag, muss von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, da in vielen Fällen, die Kinder noch zu klein und hilflos sind, um diese Straftat zur Anzeige zu bringen. Zudem ist es schwer, emotionale Misshandlung zu erkennen, obwohl sie genauso häufig vorkommt, wie sexualisierte und körperliche Gewalt und genauso strafbar ist (Polizeiliche Kriminalprävention, 2020).

Wie der Titel schon deutlich macht, geht es in dieser Arbeit um schwerwiegende Verletzungen in der Kindheit, die dissoziative Störungen im Erwachsenenalter hervorrufen können.

Diese gilt es näher zu betrachten, um Aufschluss über das Denken, Fühlen und Handeln der betroffe­nen Personen zu gewinnen. Mit Hilfe der gesammelten Informationen soll die Frage beantwortet wer­den, wie aus der Sicht der Pädagogik Beziehung zu Frauen, die an Bindungsangst leiden gestaltet werden kann.

Im Rahmen dieser Arbeit wird die emotionale Gewalt, in Form von Vernachlässigung und Misshandlung thematisiert. Auf sexualisierte oder körperliche Gewalterfahrungen wird verzichtet. Zudem beschränkt sich die Gruppe von Betroffenen auf das weibliche Geschlecht.

2. Emotionale Gewalt

Emotionale (psychische oder auch seelische) Gewalt ist meist unsichtbar, sie richtet sich nicht gegen den Körper, sondern gegen die Gefühle und Gedanken der Betroffenen. Sie führt zu einer schweren Beeinträchtigung der vertrauensvollen Beziehung zwischen Bezugsperson und Kind und behindert des­sen geistig-seelische Entwicklung zu einer autonomen und lebensbejahenden Persönlichkeit.

Oft wird emotionale Gewalt nur als Einzelphänomen wahrgenommen, jedoch sind es meist kontinu­ierliche kleine und große Verletzungen und Bedrohungen der Bezugspersonen, welche zu traumati­schen Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen führen (Eggers, 1994, S.748-755).

Emotionaler Missbrauch ist eine der vielfältigen Formen von Missbrauch und kann mit der emotiona­len (psychischen oder auch seelischen) Gewalt gleichgesetzt werden. Er stellt eine strafbare Kindesmisshandlung dar, welche sich oft schwerer feststellen lässt, da sie “nur“ auf der persönlichen Ebene stattfindet und nicht durch äußere Anzeichen, wie blaue Flecken oder ähnliche körperliche Verletzungen, entdeckt werden kann (Faupel, 2021).

Mit den seelischen Folgeschäden emotionalen Missbrauchs haben die Kinder und Jugendlichen ein Leben lang zu kämpfen, welche in der vorliegenden Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt näher beleuchtet werden.

Die emotionale Vernachlässigung stellt eine Besonderheit der emotionalen Gewalt da, welche im Fol­genden näher beleuchtet wird.

2.1 Definition emotionaler Vernachlässigung

Emotionale Vernachlässigung oder auch Deprivation genannt, wird als besondere Form der Gefähr­dung des Kindeswohls angesehen. Um diese inhaltlich beschreiben zu können, bedarf es zuerst der Definition von Kindeswohlgefährdung, die Blum-Maurice (2000, S.2) wie folgt zusammenfasst: “Eine nicht zufällige, gewaltsame psychische und/oder physische Beeinträchtigung oder Vernachlässigung durch Eltern, Erziehungsberechtigte oder Dritte, die das Kind schlägt, verletzt, in seiner Entwicklung hemmt oder zu Tode bringt.“

So kann emotionale Vernachlässigung als fehlende Zuwendung oder Fürsorge von Eltern, Erziehungs­berechtigten oder Dritten dem Kind gegenüber verstanden werden. Meist fehlt das sichere, beständige Beziehungsangebot, welches zu traumatischen Folgen in der Entwicklung des Kindes führen kann. Oft ist die Beziehung geprägt von einem wenig wertschätzenden sprachlichen Umgang erwachsener Bezugspersonen mit dem Kind.

Zweifelsfrei kann emotionale Vernachlässigung der Gruppe psychischer Vernachlässigung und/oder psychischer Misshandlung zugeordnet werden (Leitner, 2017, S. 1).

In der vorliegenden Arbeit werden emotionale Vernachlässigung und seelische Misshandlung synonym verwendet.

2.2 Formen emotionaler Vernachlässigung

Neben dem wenig wertschätzenden sprachlichen Umgang gibt es zahlreiche Formen der Vernachläs­sigung, die meistens in Kombination untereinander oder mit anderen Formen der Kindeswohlgefähr­dung auftreten. Die Bundesärztekammer in Deutschland unterscheidet dabei folgende Formen:

- Feindliche Ablehnung
- Erniedrigungen
- Liebesentzug und emotionale Erpressung
- Unangemessene Verhaltensweisen gegenüber dem Kind
- Drängen in Erwachsenenrolle
- Versagen von Zuneigung, Ablehnung
- Massive Bedrohung (auch Todesdrohung) und Einschüchterung
- Verängstigung
- Terrorisierung
- Soziale Isolation
- Kontaktverbot zu Gleichaltrigen
- Mangelnde Wahrnehmung und Unterstützung des schulischen Lernens
- Keine Förderung der Ausbildung und des Erwerbs sozialer Kompetenz
- Zuweisung der Sündenbockrolle
- Zu starkes Behüten, Erdrücken des Kindes

Seelische Misshandlung beginnt mit Verspotten, Beschimpfen, Erniedrigen und reicht von Einsperren, bis hin zu der zugewiesenen Rolle des “Sündenbocks“ (Bundesärztekammer Sachsen-Anhalt, 2010, S. 3 f.).

Durch die sich wiederholenden Handlungen oder Unterlassungen geben die Bezugspersonen dem Kind das Gefühl, dass es wertlos, ungeliebt und voller Fehler sei, schmälern somit seinen Selbstwert und hindern es in der Entfaltung einer gesunden Persönlichkeit. Daraus resultieren Bindungsangst und Stö­rungen in der physischen und/oder psychischen Entwicklung des Kindes (Bundesärztekammer Bayern, 2009, S. 18).

Welche Folgen noch aus seelischer Misshandlung resultieren soll im nächsten Punkt thematisiert wer­den.

2.3 Folgen emotionaler Vernachlässigung

Kindern und Jugendlichen, die in ihrer Kindheit Gewalterfahrungen erlebt haben, wurde das Gefühl von eigener Sicherheit genommen. Der Schutz durch die Erwachsenen, auf den sie in ihrer Entwicklung angewiesen sind, blieb ihnen verwehrt. Die Folgen sind umso gravierender, wenn die Gewalt von nahestehenden Bezugspersonen ausgegangen ist. Zu unterscheiden sind hier Kurzzeit- und Langzeit­folgen (Bundesärztekammer Sachsen-Anhalt, 2010, S.6).

Kurzzeitfolgen:

Diese zeigen sich innerhalb von ca. 2 Jahren nach der entsprechenden auslösenden emotionalen Ver­nachlässigung. Der Zusammenhang zwischen Ursache (Auslöser) und Wirkung (Folge) kann oft herge­stellt werden, so dass entsprechende Hilfsangebote entwickelt werden können.

Kurzzeitfolgen lassen sich als Auffälligkeiten sowohl im Sozialverhalten als auch auf der kognitiv-emo­tionalen Ebene, der somatischen und psychosomatischen Ebene erkennen.

Beispiele für Auffälligkeiten im Sozialverhalten sind Distanzlosigkeit, Rückzugsverhalten, Impulsivität und mutwilliges Zerstören, sowie Anzeichen aggressiven Verhaltens.

Auf der kognitiv-emotionalen Ebene zeigen sich diese in Form von Aufmerksamkeits- bzw. Konzentra­tionsstörungen (ADS, ADHS), depressiven Phasen, einem niedrigen Selbstwert, dem damit verbunde­nen selbstverletzenden Verhalten und Schwierigkeiten in der Gefühlsregulation.

Zu den somatischen und psychosomatischen Auffälligkeiten zählen körperliche Verletzungen, psycho­somatische Beschwerden, wie Atembeschwerden oder chronische Bauch- und Kopfschmerzen, auffäl­lige Essgewohnheiten und Einnässen oder Einkoten (Leitner, 2017, S. 4-5).

Langzeitfolgen:

Anhaltend wiederholte auftretende Folgen, nicht unmittelbar nach der auslösenden emotionalen Ver­nachlässigung werden als Langzeitfolgen bezeichnet. Die Herstellung des Ursache-Wirkungs-Zusam­menhangs ist oft nicht mehr möglich, da die Folgen erst zu einem späteren Zeitpunkt, sprich in der Pubertät oder sogar erst in der Adoleszenz auftreten. Dies erschwert die Entwicklung eines entspre­chenden Hilfsangebotes, weil oft nicht mehr nachvollzogen werden kann, was der Auslöser gewesen ist.

Folgende Störungen und Krankheitsbilder stellen Langzeitfolgen emotionalen Vernachlässigung dar:

- Posttraumatische Belastungsstörungen
- Angststörungen
- Depression
- Persönlichkeitsstile und Persönlichkeitsstörungen
- substanzgebundenes Suchtverhalten
- selbstschädigendes Verhalten
- somatische und psychosomatische Symptome
- dissoziative Störungen
- Suizidalität
- Schlafstörungen
- Essstörungen
- Sexuelle Störungen
- Störungen im sozialen Bereich

(Leitner, 2017, S. 5-7)

2.4 Interventionsmöglichkeiten

Die im Folgenden dargestellten Interventionsmöglichkeiten beziehen sich auf Kinder- und Jugendliche, die emotionale Vernachlässigung erfahren haben, weil hier der Ursache-Wirkungszusammenhang noch festgestellt werden kann.

Bei Erwachsenen, die meist mit Langzeitfolgen emotionaler Gewalt zu kämpfen haben, müssen die Interventionen individuell gestaltet werden. Eine Möglichkeit wird im nächsten Kapitel anhand eines Praxisfalles dargestellt.

Laut dem bayerischen Ärzteleitfadens des bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales spielt bei einer Feststellung von seelischer Misshandlung des Kindes der Gesundheitszustand der Eltern eine entscheidende Rolle:

- Liegt eine psychiatrische Krankheit vor, so muss die Realitätskontrolle der Eltern, das Maß an Überforderung und die von ihnen ausgehende Gefahr eingeschätzt werden. Weiter erfolgt eine Beratung mit dem Jugendamt und Informationen zur psychiatrischen Behandlung der Eltern müs­sen eingeholt werden.
- Treten Persönlichkeitsstörungen bei den Eltern auf oder neigen sie zu sadistischen Verhaltenswei­sen, so ist eine körperliche Gewalt gegenüber den Kindern nicht auszuschließen, deshalb sollen sie körperlich untersucht werden und eventuelle Befunde dem Jugendamt mitgeteilt werden.
- Haben die Eltern selbst die Einsicht über ihr Fehlverhalten und können dieses als transgeneratio­nale Übertragung ihrer eigenen Erfahrungen benennen, so ist der Weg über spezielle Hilfemaß­nahmen der Kinder- und Jugendhilfe geebnet. Es findet eine Beratung mit dem Jugendamt statt, welches die Eltern in der Durchführung der Hilfemaßnahmen unterstützt (Bayerisches Staats­ministerium für Familie und Arbeit, Soziales und Integration, 2012, S. 115).

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Details

Titel
Emotionale Vernachlässigung in der Kindheit als Verursacher dissoziativer Störungen
Untertitel
Wie kann Beziehung aus Sicht der Pädagogik zu Frauen mit Bindungsangst gestaltet werden?
Hochschule
IU Internationale Hochschule
Note
1,0
Jahr
2021
Seiten
27
Katalognummer
V1192251
ISBN (eBook)
9783346631015
ISBN (Buch)
9783346631022
Sprache
Deutsch
Schlagworte
emotionale, vernachlässigung, kindheit, verursacher, störungen, beziehung, sicht, pädagogik, frauen, bindungsangst
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Emotionale Vernachlässigung in der Kindheit als Verursacher dissoziativer Störungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1192251

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