Betrachtungen zu Alan Scroufe's Buch "Der Weg zur eigenen Persönlichkeit. Wie Bindungserfahrungen uns lebenslang prägen"


Essay, 2022

18 Seiten


Leseprobe


Rezensionzum Buch vonAlan Scroufe, promov. in klinischer Psychologie an der Universität Wisconsin, Prof. em. Institute of Child Development, University of Minnesota, USA, Geleitwort von Karin und Klaus Grossmann und Gerhard Suess

„Der Weg zur eigenen Persönlichkeit . Wie Bindungserfahrungen uns lebenslang prägen“. Klett-Cotta, Stuttgart, 2022

Originalausgabe 2020 „A Compelling Idea How We Become the Persons We Are“, Safe Society Press, Brandon, Vermont, USA

Unwissenheit wird als Herrschaftsinstrument endemisch eingesetzt, die Massen zu führen. Das gehört seit etwa 40 Jahren zm Einmal-Eins des real existiereden Neoliberalismus der westlichen Welt. (Mausfeld, „Angst und Macht“, 2019). Die Folgen in den Familien und für den Einzelnen sind fatal. Das bekennt Scroufe in seinem Buch freimütig mit der Wiedergabe der Schicksale seiner Familienmitglieder.

Und diese Offenheit nimmt den Leser sofort für ihn ein. Denn er vermutet zu Recht, dann werden auch die wissenschaftlichen Fakten und Thesen stimmen, die der Forscher A. Scroufe veröffentlicht.

Diesen Einfluss der Umwelt auf seine Erziehung und das Klima in seiner Familie das beschreibt der Autor fast wie in einem Krimi anhand der Geschichte seiner Familie und seiner eigenen ganz persönlichen psychischen Probleme, die ihn lebenslang begleiten. Er hatte lange Angst vor seinen Wutäußerungen, seiner inneren Unsicherheit, er hatte Angst vor Nähe, weil er die Erfahrung, umarmt und geküsst zu werden, von seiner Mutter her nicht kannte.

So war es sehr naheliegend für ihn als Studienfach an der Universität/College Psychologie zu wählen. Diese Angst und Unsicherheit bekämpfte er zunächst einmal mit seiner übergroßen Wissbegierde und setzte sich unter einen enormen Leistungsdruck, um ein guter Behaviorist zu werden und später mit seinen Beiträgen das Fachgebiet Psychologie und die Gesellschaft zu bereichern.

Neben Wissen vertraute er auch auf die Hilfe zweier Therapeuten, Schwarz und Scher, und sagt von sich „ich war kein leichter Fall“. Pg. 7 in der Danksagung.

Am Schluss des Buches verleugnet er die heute psychoanalytisch anerkannte wissenschaftliche Tatsache, dass frühkindliche Beziehungserfahrungen der ersten drei Lebensjahre sich tief in das limbische System des Gehirns einbrennen und damit ein fast unabänderliches Schicksal für emotionales und interaktionelles Agieren mit anderen begründen. Diese Erfahrungen werden nie gelöscht! Aber wir sind uns dessen nicht bewusst (pg. 193 unten).

Er sagt, ich gehe auf die 80-zig zu, und da erkenne ich, Wachstum und Wandel sind ein ganzes Leben lang möglich. Aber trotz jahrelanger Therapie und einer emotional unterstützenden Partnerschaft haben seine Wutanfälle für ihn immer noch etwas Ängstigendes. Angst speist sich für ihn vor allem auch aus dem Erleben, wenn er anderen gegenüber Ärger und Kritik vorbringen soll sogar gegenüber seiner Frau (pg. 200).

Aber das Spannende und persönlich gewinnbringende dieses Buches liegt nun darin, dem Leser wird gezeigt wie und womit Veränderungen möglich sind und vom Autor selbst erfahren wurden. Die Therapie, die wissenschaftlichen Fakten, seine Forschungsarbeit in engem Kontakt zu seinem Team und natürlich seine Frau und seine Familie – Scroufe wurden wie Bolwby vier Kinder geschenkt - das lohnt die Lektüre dieses Berichtes/ Buches wirklich sehr.

Andererseits ist seit R. Spitz' Untersuchung „Hospitalism-an inquiry into the genesis of psychiatric condition in early infancy“klar,- (Spitz, 1887-1974,Spitz s. bei Dornes 1981) - Bindung-Bindungsstile-Bindungsstörungen-Persönlichkeitsstörungen sind eine Skala der Orientierung, die das Lebensalter als Kriterium verwendet. Ab dem vollendeten 15. Lebensjahr in der BRD, nach der WHO dem 18 Lbsj. sprechen die Experten von Persönlichkeitsstörungen. Und mit den Leitaffekten der Wut, des Hasses, der Angst ist davon die Borderline-Persönlichkeitsstörung wahrscheinlich die schlimmste. Und die würde ich ihm zuschreiben. Disorder ist dabei nicht Krankheit!

Erst seit 1980 etwa wird die Diagnose Borderline-Persönlichkeit in der Nomenklatur des ICD und wissenschaftlichen Arbeiten verwendet und in der Merkmalslistung wird häufig unerwähnt gelassen, die Betroffenen werden geradezu täglich gequält mit dem Hin und Her zwischen Angst, Wut, Hass. Und dem unbewusst bleibenden Wunsch, zu zerstören und vernichten wie es ihnen selbst in der frühen Kindheit erging und was sie tief beschämte. Der Hamburger Psychiater Dulz (2013) hat das sehr treffend bildhaft dargestellt.

Säuglinge bzw. Neugeborenen erleben bei mütterlicher Mangelbetreuung sog. Vernichtungsängste, archaische Qualen der Wut, des Hasses verbunden mit dem Erleben, ich soll vernichtet werden, wenn nicht prompt eine Reaktion auf Bindungssignale erfolgt. Weil damit eine tiefe Beschämung erlebt wird i.S. von ich soll getötet werden.

Diese Vernichtungsdrohung hat schon Winnicott in seinen Arbeiten beschrieben.

Die Aufgabe der Mutter in der Frühkindheit ist es u.a., ihr Kind zu spiegeln: spiegele mir wie ich mich fühle und bestätige mir dadurch, dass ich in Ordnung bin und zeige mir mit dem Glanz Deiner Augen, dass Du Dich über mich freust und mich liebst!

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Betrachtungen zu Alan Scroufe's Buch "Der Weg zur eigenen Persönlichkeit. Wie Bindungserfahrungen uns lebenslang prägen"
Autor
Jahr
2022
Seiten
18
Katalognummer
V1192287
ISBN (eBook)
9783346619822
ISBN (Buch)
9783346619839
Sprache
Deutsch
Schlagworte
betrachtungen, alan, scroufe, buch, persönlichkeit, bindungserfahrungen
Arbeit zitieren
Hans E. W. W. Sachs (Autor:in), 2022, Betrachtungen zu Alan Scroufe's Buch "Der Weg zur eigenen Persönlichkeit. Wie Bindungserfahrungen uns lebenslang prägen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1192287

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Betrachtungen zu Alan Scroufe's Buch "Der Weg zur eigenen Persönlichkeit. Wie Bindungserfahrungen uns lebenslang prägen"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden