Die Beziehungen zwischen Theater und Film sind seit der Etablierung des Kinos
Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Forschung begreift in
diesem Zusammenhang insbesondere das populäre Theater des späten 19. Jahrhunderts
als Pré-Cinéma, als Vorstufe des Films. Denn gerade populäre Theaterformen wie
Volkstheater, Jahrmarkt, Zirkus, Vaudeville und Music Hall nehmen spezifische
Gestaltungsprinzipien des frühen Films vorweg. Als Beispiel kann vor allem auf die
Anwendung vielfältiger Trick- und Illusionstechniken auf der Bühne verwiesen werden.
Der zunehmende Einsatz von Pyrotechnik, Licht-, Spiegel- und Projektionseffekten als
auch von aufwendigen beweglichen Kulissen wurde von Pionieren des Kinos wie
Georges Méliès aufgenommen und erweitert. Ralf Erik Remshardt spricht hierbei von
einem Prozess, in dessen Verlauf sich das Theater in eine Sensationsmaschine und
gleichsam zum wichtigsten Ideengeber des neuen Medium Films verwandelte.
Das „Spektakeltheater“ bildete ein Gegenpol zum literarisch geprägten, bürgerlichen
Theater und wurde vornehmlich von einem proletarischen Publikum besucht. Dieses
hatte sich in den wachsenden Industriestädten Europas und Amerikas des 19.
Jahrhunderts als eine neue soziale Schicht herausgebildet und war auf der Suche nach
neuen, volkstümlichen Unterhaltungsformen, die im angloamerikanischen Raum
hauptsächlich von Akteuren der Music Hall dargeboten wurden. Von entscheidender
Bedeutung für die Entwicklung des Slapstick-Kinos ist die Tatsache, dass viele
Komödianten des frühen Kinos zunächst in der Music Hall große Erfolge feierten. Viele
Bühnenkünstler entwickelten ihre mimischen, tänzerischen und akrobatischen
Fertigkeiten während unzähligen Auftritten vor einem Music-Hall-Publikum, bevor sie
schließlich zu Stars der Filmkomödie avancierten. So tourten Charlie Chaplin, Stan
Laurel und andere Music-Hall-Größen mit Fred Karnos berühmter Theatergruppe, den
Sprachlosen Komödianten, durch England und Amerika und brachten ihre
Bühnenerfahrung schließlich in die Filmburleske ein. Die Marx Brothers feierten
zunächst große Erfolge in Musical Comedies am Broadway. Und Buster Keaton alias
The Great Stone Face hatte bereits als Kind Bühnenauftritte im Vaudeville-Theater.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung – Das Spektakeltheater als Vorstufe des Films
- 2. Die englische Music Hall
- 2.1 Elemente der Music-Hall-Komik in der Slapstick-Komödie
- 2.2 Das Komikerduo
- 3. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Beziehungen zwischen dem populären englischen Musiktheater der Music Hall und der Entwicklung des Slapstick-Kinos. Die Zielsetzung besteht darin, die Einflüsse der Music-Hall-Tradition auf den Slapstick-Film aufzuzeigen und die Music Hall als Vorläufermedium des Genres zu belegen.
- Die Music Hall als populäre Theaterform des späten 19. Jahrhunderts.
- Elemente der Music-Hall-Komik (z.B. Slapstick, Komikerduos) und ihre Übertragung in den Film.
- Die gesellschaftskritischen Tendenzen der Music Hall und ihre Reflexion im Slapstick-Kino.
- Die Rolle von Music-Hall-Künstlern in der Entwicklung des frühen Films.
- Die „Kultur des Trostes“ in Music Hall und Slapstick-Komödie.
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Einleitung – Das Spektakeltheater als Vorstufe des Films führt in die Thematik ein und beleuchtet das Spektakeltheater als Vorläufer des Films, wobei besonders die vielfältigen technischen und inszenatorischen Mittel hervorgehoben werden. Die Bedeutung der Music Hall als Ausbildungsstätte für viele spätere Filmkomiker wird ebenfalls angesprochen.
Kapitel 2: Die englische Music Hall beschreibt die Entstehung und Entwicklung der Music Hall in Großbritannien, ihre sozialen und kulturellen Kontexte, sowie die typischen Elemente ihres Programms: Comic Songs, Tanz, Akrobatik und die aktive Beteiligung des Publikums. Die anarchische Atmosphäre und die gesellschaftskritischen Tendenzen der Music Hall werden ebenfalls thematisiert.
Schlüsselwörter
Music Hall, Slapstick-Komödie, Stummfilm, populäres Theater, Komik, Filmgeschichte, Gesellschaftskritik, Vorläufermedium, Charlie Chaplin, Buster Keaton, Komikerduos, „Kultur des Trostes“.
- Arbeit zitieren
- Sven Bulla (Autor:in), 2008, Von der Music Hall zur Filmfarce, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119228