Bertolt Brechts Marxismus in "Fragen eines lesenden Arbeiters". Das Schreiben der Wahrheit über die Eigentumsverhältnisse und den Faschismus


Hausarbeit, 2021

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Bertolt Brecht: Fragen eines lesenden Arbeiters

Einleitung: Brecht im Exil und sein künstlerisches Engagement für das Proletariat

Brechts Schreiben der Wahrheit in Fragen eines lesenden Arbeiters

Der lesende Arbeiter und Klassenbewusstsein

Fazit: Die Relevanz des lesenden Arbeiters heute

Quellen

Bertolt Brecht: Fragen eines lesenden Arbeiters

Wer baute das siebentorige Theben?

In den Büchern stehen die Namen von Königen.

Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?

Und das mehrmals zerstörte Babylon

Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern

Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?

Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war Die Maurer? Das große Rom

Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie? Über wen Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz

Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis Brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang

Die Ersaufenden nach ihren Sklaven

Der junge Alexander eroberte Indien.

Er allein?

Cäsar schlug die Gallier.

Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?

Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte Untergegangen war. Weinte sonst niemand?

Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer Siegte außer ihm?

Jede Seite ein Sieg.

Wer kochte den Siegesschmaus?

Alle zehn Jahre ein großer Mann.

Wer bezahlte die Spesen?

So viele Berichte

So viele Fragen.1

Einleitung: Brecht im Exil und sein künstlerisches Engagement für das Proletariat

Bertolt Brechts Gedicht Fragen eines lesenden Arbeiters ist 1935 im dänischen Exil entstanden, wurde 1939 in die Svendborger Gedichte aufgenommen und leitet hier die Chroniken ein. Der Dichter war zwei Jahre vor der Niederschrift des Textes mit seiner Familie aus dem nationalsozialistischen Deutschland geflohen und bezog mit den Svendborger Gedichten von seiner ersten Exilstation in der dänischen Hafenstadt Svendborg aus zur Zeitsituation direkt und kämpferisch Stellung.2 Am Beginn der Abteilung Chroniken, „die Beispiele der Ausbeutung und Unterdrückung von der Antike bis zur zeitgenössischen Gegenwart anführt“, steht, gewissermaßen „als Gebrauchsanweisung“,3 Fragen eines lesenden Arbeiters. In die politische Lyrik der Gedichtsammlung reihen sich die Fragen eines lesenden Arbeiters nahtlos ein: im Mittelpunkt des Textes steht ein Arbeiter, der mit kritischem Blick die herkömmliche Geschichtsschreibung infrage stellt und im Begriff ist, durch sein Verständnis der Geschichte und ihrer Manipulation durch die Herrschenden Klassenbewusstsein zu erlangen.

Es sind Werke wie dieses, denen ihr Autor die Zuschreibung „Marxist“ zu verdanken hat. Wie berechtigt jenes Etikett, das ihm seit den frühen 1920ern zeitlebens anhaftete, für Brecht ist, sei dahingestellt und ist für die Interpretation dieses Gedichts nicht weiter relevant. Für ein differenziertes Verständnis von Fragen eines lesenden Arbeiters ist es jedoch wichtig festzuhalten, dass Brecht den ,Aufbau des Sozialismus‘ grundsätzlich unterstützte4 und er Mitte der 1920er Jahre, erstmals im Rahmen seines Jae-Fleischhacker -Projekts, begann, sich intensiv mit den Schriften Marxens zu beschäftigen und „systematisch Material über die kapitalistische Gesellschaft zu sammeln, um Einblicke in deren undurchsichtige Machenschaften zu gewinnen.“5 1932 erschienen erstmals Marxens Ökonomisch­philosophische Manuskripte, die für großes Aufsehen unter marxistischen Intellektuellen sorgten6 und in denen Marx einen Kerngedanken aus Brechts Fragen eines lesenden Arbeiters vorwegnahm: „Die Arbeit producirt Wunderwerke für d[en] Reichen, aber sie producirt Entblössung für d[en] Arbeiter. Sie producirt Paläste, aber Höhlen für d[en] Arbeiter. Sie producirt Schönheit, aber Verkrüpplung für d[en] Arbeiter.“7 Vor diesem Hintergrund können die marxistischen Themen im Werk Brechts sowie die Implikationen von Marxens materialistischer Geschichtsauffassung für Brechts Geschichtsverständnis als „ideologische Substanz“8 behandelt werden und den Ausgangspunkt dieser Interpretation bilden.

Eine fundamentale Einsicht von Brechts Marx-Studium und seiner Wende zum Sozialismus war, dass Kapitalismus und Imperialismus ständig mit Faschismus und Krieg ,schwanger‘ gingen.9 Es ist anzunehmen, dass Brecht sich im Jahre 1935 der Kriegstreiberei der Nationalsozialisten bereits voll bewusst war.10 Fragen eines lesenden Arbeiters ist also nicht lediglich als Kritik an der kapitalistischen Produktionsweise und den damit einhergehenden Eigentumsverhältnissen, die Brecht nie müde wurde anzuprangern, zu lesen, sondern darüber hinaus als Warnung vor den ,großen Männern' der Geschichte und dem kommenden Krieg, den der deutsche Faschismus herbeiführen würde.

Brechts Schreiben der Wahrheit in Fragen eines lesenden Arbeiters

Fragen eines lesenden Arbeiters ist in einer Art lyrischer Prosa verfasst; der Text ist weder gereimt noch fallen rhythmische Muster auf, was für den Autor von Über reimlose Lyrik mit unregelmäßigen Rhythmen nicht weiter ungewöhnlich scheint. Das Gedicht ist in vier Abschnitte untergliedert. Im ersten Abschnitt, von Vers Zwei bis 14, werden zivilisatorische Errungenschaften und prächtige Kulturdenkmäler wie bedeutende Städte des Altertums behandelt. Auf der Suche nach einer Antwort auf seine erste Frage, „Wer baute das siebentägige Theben?“, stößt der Arbeiter „[i]n den

[...]


1 Brecht, Bertolt: Die Gedichte. S.291-2.

2 Hinck, Walter: Der Weise und der Wißbegierige. S. 142. In: Knopf, Jan (Hg.): Interpretationen. Gedichte von Bertolt Brecht.

3 Knopf, Jan: Bertolt Brecht. Leben, Werk, Wirkung. S.105.

4 Link, Jürgen: Klassik als List, oder über die Schwierigkeit des späten Brecht beim Schreiben der Wahrheit. S.163. In: Knopf, Jan (Hg.): Interpretationen. Gedichte von Bertolt Brecht.

5 Knopf, Jan: Bertolt Brecht. Leben, Werk, Wirkung. S.26.

6 Marx, Karl: Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Kommentar von Michael Quante, vgl. S.334.

7 Ebd. S.86.

8 Barthes, Roland: Mythen des Alltags. S.288.

9 Link, Jürgen: Klassik als List, oder über die Schwierigkeit des späten Brecht beim Schreiben der Wahrheit. Vgl. S.171.

10 Knopf, Jan: Bertolt Brecht. Leben, Werk, Wirkung. Vgl. S.48.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Bertolt Brechts Marxismus in "Fragen eines lesenden Arbeiters". Das Schreiben der Wahrheit über die Eigentumsverhältnisse und den Faschismus
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Veranstaltung
Kulturwissenschaftliche Literaturwissenschaften
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
13
Katalognummer
V1192619
ISBN (eBook)
9783346630902
ISBN (Buch)
9783346630919
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Brecht Marxismus Eigentumsverhältnisse Faschismus
Arbeit zitieren
Leon Maack (Autor:in), 2021, Bertolt Brechts Marxismus in "Fragen eines lesenden Arbeiters". Das Schreiben der Wahrheit über die Eigentumsverhältnisse und den Faschismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1192619

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