Dieses Forschungstagebuch zum Thema kritische Bildungswissenschaften analysiert folgende Texte: Liessmanns "Theorie der Unbildung"; Türckes "Lehrerdämmerung"; Münchs "Der bildungsindustrielle Komplex"; Horkheimers und Adornos "Begriff der Aufklärung"; Marcuses "Der eindimensionale Mensch".
Text A: Liessmann - Theorie der Unbildung
... über den veränderten Sinn des Bildungsbegriffs in der aktuellen Zeit
Die erste Aussage, die bei mir zuerst einmal zu Verwirrung und Irritation geführt hat war, dass Liessmann der Meinung ist, Bildung dürfe gar nicht gelingen, da dann ihre Beschränktheit deutlich würde (vgl. Liessmann: 51). Bildung wäre untauglich zur Kompensation verlorener Utopien oder gar für perfekt effiziente Ökonomien. Daraus schließt er, dass die Bildungsdebatten der Gegenwart von flächendeckendem Selbstbetrug gekennzeichnet sind. Ich kann bis hier hin ungefähr nachvollziehen, inwiefern sich die Bildungsdebatte selbst belügt, um von Schwächen abzulenken. Jedoch verstehe ich die Verbindung zum Gedankengang, Bildung dürfe gar nicht gelingen, noch nicht. Ich dachte bisher, gelungene Bildung könne eventuelle Schwächen des Bildungssystems aufzeigen und Menschen dadurch zur Selbstreflexion anregen, ihre verlorenen Utopien nicht durch das Bildungssystem, sondern in privaten Bereichen auszugleichen. Eventuell ist der Gedankengang des Autors dahinter jedoch ein anderer, den ich noch nicht erkenne.
Auf den folgenden Seiten greift Liessmann meine Meinung indirekt auf, dass gelungene Bildung zu Autonomie und Selbstfindung des Menschen führen solle und er dadurch frei und unabhängig werden könne (vgl. Liessmann: 54f). Anhand dieser Aussagen wäre meine Vermutung, gelungene Bildung so einzusetzen, dass der Mensch durch die gewonnene Autonomie in der Lage ist, seine Mangel selbst auszugleichen bzw. zu kompensieren, eventuell nicht ganz abwegig.
Jedoch stimme ich dem Autor zu, dass es kritikwürdig ist, dass die moderne Technik uns vermeintlich mehr Wissen bringt, der immer verfügbare Gebrauch der Technik jedoch dazu führt, dass wir uns weniger selbst anstrengen nachzudenken, alles nur noch schnell online nachschlagen und somit der Überblick über wichtige Wissenszusammenhänge verloren geht und Allgemeinwissenslücken entstehen (vgl. Liessmann: 56).
Seine Aussage, dass in den modernen Wissenschaften der Geist vollständig verabschiedet wurde, und dies ein erklärter Wille zum Verzicht auf Bildung zu deuten wäre, trifft die Entfremdung vom ursprünglichen Bildungsbegriff wohl auf den Punkt (vgl. Liessmann: 59).
Ein weiterer Punkt, der auf mich befremdlich wirkt ist der zitierte Befund Nietzsches, dass das Gymnasium zu kritisieren sei, da es nicht nur zur Journalistik, sondern auch mit Hilfe der Journalistik unterrichte (vgl. Liessmann: 60). Die gegenwärtige so weit verbreitete und erwünschte Medienkompetenz und Methodenvielfalt mit Zuhilfenahme verschiedener Medien, die uns die Universität einerseits und die Kompetenzrichtlinien des Landes andererseits nahebringen, stehen dem wohl im krassen Gegensatz. Warum wird uns in der Lehrerausbildung tagtäglich eingetrichtert, dass Medienkompetenz eines der vorrangigen Ziele von Unterricht sein muss? Wie begründet man dieses Ziel eigentlich?
Meine Irritation hierhin löst sich allerdings etwas auf, wenn ich mich daran erinnere, dass das erste Ziel von Medienkompetenz ist, Schüler*innen auf die digitale Lern- und Arbeitswelt vorzubereiten. Der eigentliche Bildungsbegriff, den Geist des Menschen zu bilden und ihn zu Autonomie und Freiheit zu führen, findet man in der gegenwärtigen Zielsetzung der Medienkompetenz gar nicht mehr. Vielmehr wird der eigentliche Sinn von Bildung umgekehrt. Das erste Ziel scheint demnach heutzutage die perfekte Eingliederung der Schulabsolventen im Arbeitsmarkt zu sein. Selbiges bestätigt der Autor auf den darauffolgenden Seiten und kommt zu dem Schluss, dass es durchaus Ausbildungsstätten bedarf, die auf stereotype Arbeitsabläufe vorbereiten. Jedoch nannte Nietzsche solche Schulen Orte der Lebensnot, da die Zeit zum Nachdenken und geistigen Wachsen fehle (vgl. Liessmann: 61f).
Auch neu für mich ist die Kritik am Bildungssystem dahingehend, dass Fächer, die nur auf die Praxis abzielen, nur ihren Sinn in der derzeitigen Wettbewerbsgesellschaft finden. Somit entstünde ein Hass auf alle Fächer, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unmittelbar nützlich im späteren Arbeitsleben sind, wie z.B. Kunst, Philosophie oder alte Sprachen (vgl. Liessmann 65).
Die ständige Frage nach der Legitimität solcher Fächer ist mir durchaus bekannt, da ich auch Kunst studiere. Jedoch ist Kunst Unterricht in der Schule im hohen Maße praktisch und wenig theoretisch angelegt, im Gegensatz zu dem, was der Autor hier proklamiert. Ich verstehe dennoch die ständige Kritik und Frage nach der Legitimität nach Fächern wie z.B. Kunst, da hier oftmals der Spaß an der Praxis und am spielerischen Erproben im Vordergrund steht, und weniger das Konkurrenzdenken oder der messbare Kompetenzzuwachs wie in anderen Fächern.
Auch ist bekannt, dass sich praktische Arbeiten im Kunstunterricht schlecht benoten lassen, weil quasi alles als Kunst bezeichnet werden kann, worin sich ein Künstler ausgedrückt hat. Kunstunterricht ist also nicht so einfach an Wissensvermittlung zu knüpfen oder in Kompetenzkategorien zu unterteilen, wie es in Fächern wie z.B. Biologie oder Sprachen möglich wäre. Selbige Diskussionen finden sich aber auch im Fach Sport, welche der Autor hier nicht explizit aufführt. Ich nehme an, Sport macht für seine Kritik an der hohen Praxisorientierung der Schule ebenso keinen Sinn, weil Sportunterricht auch fast nur praktisch und wenig theoriegeleitet abläuft. Dennoch trägt auch die körperliche Betätigung zur Bildung des Menschen bei, da er sich seiner körperlichen Möglichkeiten dabei bewusst wird. Ich stimme dem Auto in dem Punkt, die praxisnähe der Schule gänzlich zu verurteilen, nicht zu.
Liessmann kritisiert im weiteren Verlauf des Textes, dass die Öffnung der Bildungssysteme zur Institutionalisierung von Halbbildung führte (vgl. Liessmann 69). In vorangegangenen Textabschnitten räumte er aber ein, dass Schulen, die nur auf bestimmte Arbeitstätigkeiten hin vorbereiten, ebenfalls ihren berechtigten Platz im Bildungssystem haben (vgl. Liessmann: 61f). Für mich findet sich hier ein Wiederspruch. Eine Gesellschaft braucht auch Menschen, die bestimmte Arbeitstätigkeiten übernehmen, für die es keiner höheren Bildung bedarf. Wenn wirklich jeder Mensch in Deutschland in den Genuss der vollen Bildung, mit dem Abitur als Abschluss und vielleicht noch einem Studienabschluss kommen würde, bliebe niemand mehr übrig, der Tätigkeiten wie zum Beispiel bei der Müllabfuhr, den Reinigungsdiensten, Kassiertätigkeiten, Umzugshelfer, Nacht- und Schichtarbeiten oder Aushilfstätigkeiten ausüben würde. Man kann zwar immer noch unterstellen, die Menschen wären dann so sehr zur Autonomie hin gebildet, dass sie sich völlig frei für einen Beruf endscheiden können. Jedoch bezweifle ich stark, dass es dann noch genügen Menschen geben würde, die freiwillig schlecht bezahlte, gesellschaftlich wenig angesehene, gefährliche und oder körperlich sehr belastende Arbeitstätigkeiten auswählen würden.
Die Kritik an der Kompetenzorientierung des Bildungssystems würde ich dann verstehen, wenn sie sich nur auf das Gymnasium beziehen würde. Das Gymnasium solle nach Liessmann ja idealerweise Vollbildung ermöglichen, also nicht nur Kompetenzen vermitteln, sondern auch zum freien Denken und Reflektieren ausbilden.
Wenn in Haupt- und Realschulen schlussfolgernd dann nur Halbbildung vermittelt wird, wäre doch eine Kompetenzorientierung zur Praxisorientierung hier geradezu sinnvoll, weil diese die Schüler*innen ideal auf den Arbeitsmarkt vorbereitet.
Text B: Türcke - Lehrerdämmerung
... über mangelnde Ausbildung zur Tugend im deutschen Bildungssystem
Der Text beginnt direkt auf seiner ersten Seite mit einer Definition des Wortes Kompetenz. Für mich ist die ursprüngliche Bedeutung, die gleichsam Macht wie ebenso auch Wissen meint, bis hierhin neu. Mir war die seit dem 20 Jahrhundert verwendet Bedeutung von Kompetenz als Sachverstand eher geläufig (vgl. Türcke 2016: 19f). Beim Kompetenzbegriff denke ich an gelehrte Kernkompetenzen aus der Universität die den Arbeitsmarkt betreffen, zum Beispiel Belastbarkeit, Entschlossenheit oder Innovation. Der Begriff der Macht taucht gegenwärtig im Universitären Alltag nicht mehr direkt auf. Im Bezug zum kompetenzorientierten Schulunterricht dachte ich bisher, Kompetenz zeige sich darin, dass Schüler*innen ihr Wissen praktisch anwenden können. Diese Zielsetzung schaut auch eher auf die praktische Nutzbarkeit von Kompetenz im Arbeitsmarkt und nicht auf die Macht des einzelnen Menschen.
Interessant ist für mich auf den darauffolgenden Seiten die Betonung der Wichtigkeit von Tugend in Platons Schrift „Protagoras“. Laut ihm solle der ganze menschliche Lernprozess immer auf Tugend hinauslaufen, sei jedoch nicht direkt lehrbar, da Tugend keine Kompetenz ist. Sie entstünde aber gerade da, wo aus der Sachkenntnis das Ungenügen des Sachverstands verspürt und über dessen hinausgedacht würde. Tugend meint für Platon so viel wie Lebensklugheit. Darunter versteht er die Wohlberatenheit, selbst Rat zu wissen aber auch Rat annehmen zu können (vgl. Türcke 2016: 22f). Diese Sichtweise auf Tugend war für mich interessant, da sie für mich komplett neu ist. Ich persönlich verstand bis dahin unter Tugend eher Eigenschaften wie Mut, Charisma, Stärke, Belastbarkeit, soziales Engagement o.Ä. Lebensklugheit mit der Fähigkeit Rat zu geben wie auch selbst Rat zu suchen finde ich aber sehr schlüssig, weil es einschließt, sich seiner eigenen intellektuellen Grenzen bewusst zu sein und sich die eigene Unwissenheit auch eingestehen zu können, indem man Rat bei Anderen sucht.
[...]
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.