„Ich habe Hunger auf das Leben, ich trinke meinen Becher aus bis zur Neige“.1
Dieses Bekenntnis aus ihren Tagebüchern bestimmte das aufregende und vor allem ausschweifende Leben von Brigitte Reimann, und bis "zur Neige" arbeitete die Schriftstellerin auch an ihrem letzten und größten Roman „Franziska Linkerhand“. Fast zehn Jahre lang schrieb und feilte die DDR-Autorin an diesem Buch, schaffte es aber trotz größter Anstrengungen nicht mehr, das fünfzehnte und letzte Kapitel noch vor ihrem Tode zu vollenden. Dennoch fällt auf, dass gerade dieses Werk, das postum 1974 als Fragment veröffentlicht wurde, immer wieder Anlass zu Spekulationen, Analysen und Interpretationen gibt. Nahezu euphorisch stürzen sich die Literaturwissenschaftler seit Jahrzehnten auf „Franziska Linkerhand“ und finden immer wieder neue Deutungsansätze. Im Mittelpunkt stehen dabei vornehmlich zwei Aspekte: zum einen Brigitte Reimanns Sicht auf den Staat in dem sie lebte, und zum anderen die Schriftstellerin selbst, deren Buch sich dem Leser geradezu als ein autobiographischer, ehrlicher und vor allem intimer Lebensroman aufdrängt. Dieser zweite Aspekt soll auch Thema meiner Magisterarbeit sein.
„Sehnsucht nach Identität. Franziska Linkerhand als Medium der Auseinandersetzung Brigitte Reimanns mit sich selbst“ soll die Verbindung zwischen dem Leben der Autorin und ihrem Roman untersuchen, soll klären, inwieweit Brigitte Reimann ihr Leben, ihre Wünsche und Ängste auf ihre Romanheldin Franziska projiziert und darstellen, wie sich Ihr Verhältnis zu den Menschen und Orten auf ihrem Lebensweg im Roman widerspiegelt und inwieweit diese Menschen mehr als nur Begegnungen sind – Begegnungen in einem Roman, der die Brücke zwischen Realität und Fiktion schlägt und dem dabei eine selbstfindende Bedeutung zukommt.
„Brigitte Reimann hat es nicht vermocht, wohl auch nicht gewollt, Leben und Literatur auseinander zu halten. Wer ihren Roman „Franziska Linkerhand“ liest, zumal auf dem Hintergrund ihrer Tagebücher und Briefe, der erfährt, daß es zwischen beiden Polen kaum eine Distanz gibt, daß Brigitte Reimann nur wenig verfremdet, ihr Leben, ihre Leiden, ihre Affären in Literatur verwandelt.“2
1 Reimann, Brigitte: Ich bedaure nichts: Tagebücher 1955-1963. Drescher, Angela (Hrsg.), Berlin: Aufbau, 1997.
2 Mechtenberg, Theo: Schriftstellerisches Selbstverständnis und 'weibliche
Ästhetik': Die Tagebücher und Briefe der Brigitte Reimann. in: Deutsche Studien,
Lüneburg 1986, S.381.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- 1. Vorwort
- 2. Vorgehensweise
- 3. Literaturlage
- II. Hauptteil
- 1. Identität und Rollendefinition
- 1.1. Identität - eine Begriffsklärung
- 1.2. Identität und Rollenverständnis
- 1.2.1. Die Rolle der Frau in der DDR
- 1.2.2. Die Rolle des Schriftstellers in der DDR
- 1.2.3. Schriftstellerinnen der DDR - die wahren Feministinnen?
- 2. Die Frau und die Schriftstellerin Brigitte Reimann
- 2.1. Brigitte Reimann - ein kurzes und intensives Leben
- 2.2. Literatur als zweites Leben von Brigitte Reimann
- 3. Der Roman „Franziska Linkerhand❝
- 3.1. Entstehungsgeschichte
- 3.2. Zusammenfassung
- 3.3. Erzählstil
- 4. Sehnsucht nach Identität in „Franziska Linkerhand“
- 4.1. Franziska Linkerhand - Brigitte Reimanns Spiegelbild?
- 4.1.1. Beziehung zur Arbeit
- 4.1.2. Erlebte Weiblichkeit und Liebesideal
- 4.1.3. Leben im Sozialismus
- 4.2. Lebenswelten
- 4.2.1. Die bürgerliche Familie
- 4.2.2. Neustadt und Hoyerswerda
- 4.2.3. Flucht aus Neustadt und Rückkehr
- 4.3. Begegnungen
- 4.3.1. Die Männer
- 4.3.1.1. Ben
- 4.3.1.2. Wilhelm
- 4.3.1.3. Professor Reger
- 4.3.1.4. Schafheutlin
- 4.3.1.5. Wolfgang Exẞ
- 4.3.2. Die Frauen
- 4.3.2.1. Gertrud
- 4.3.2.2. Sigrid, Frau Hellwig und Frau Schafheutlin
- 4.3.2.3. Franziskas Mutter und Großmutter
- 4.3.1. Die Männer
- 4.1. Franziska Linkerhand - Brigitte Reimanns Spiegelbild?
- III. Resümee
- 1. Der unvollendete Roman - Identitätssuche ohne Erfolg?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die Verbindung zwischen dem Leben der Schriftstellerin Brigitte Reimann und ihrem Roman „Franziska Linkerhand“. Das zentrale Anliegen ist die Analyse der Frage, inwieweit Brigitte Reimann ihre eigenen Erfahrungen, Wünsche und Ängste in ihrer Romanfigur Franziska widerspiegelt.
- Die Suche nach Identität im Kontext der DDR-Gesellschaft
- Das Spannungsfeld zwischen individueller Selbstfindung und gesellschaftlichen Normen
- Die Rolle der Frau und des Schriftstellers in der DDR
- Autobiographische Elemente in der Literatur
- Die Bedeutung des Romans „Franziska Linkerhand“ als Spiegelbild der Lebensrealität Brigitte Reimanns
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung bietet einen Überblick über die Arbeit, die Vorgehensweise und die Relevanz des Themas. Kapitel 1 beleuchtet die Konzepte von Identität und Rollendefinition, wobei der Fokus auf die Rolle der Frau und des Schriftstellers in der DDR liegt. Kapitel 2 widmet sich dem Leben und Werk der Schriftstellerin Brigitte Reimann, während Kapitel 3 den Roman „Franziska Linkerhand“ genauer untersucht, einschließlich seiner Entstehung, Zusammenfassung und des Erzählstils. Kapitel 4 analysiert die Sehnsucht nach Identität, die in „Franziska Linkerhand“ deutlich wird, wobei die Beziehungen der Protagonistin zu ihrer Arbeit, zur Weiblichkeit, zum Leben im Sozialismus und zu anderen Figuren im Roman beleuchtet werden.
Schlüsselwörter
Identität, Rollendefinition, DDR, Frau, Schriftstellerin, Brigitte Reimann, Franziska Linkerhand, Autobiographie, Lebenswelt, Beziehungen, Sehnsucht, Sozialismus.
- 1. Identität und Rollendefinition
- Quote paper
- Jana Mohme (Author), 2002, Sehnsucht nach Identität. "Franziska Linkerhand" als Medium der Auseinandersetzung Brigitte Reimanns mit sich selbst, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11936