Die Problematik der Gattungsdefinition des Werks "Lexikon-Roman" von Andreas Okopenko


Seminararbeit, 2021

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

Zum Autor

Zum Werk

Das Werk als Lexikon

Definition Lexikon

Lexikonvergleich

Das Werk als Roman

Definition Roman

Romanvergleich

Fazit

Literaturverzeichnis

Primärliteratur

Sekundärliteratur

Einleitung

Romane und Lexika sind zwei Gattungen, wie es sie bereits Jahrhunderte zuvor gegeben hatte. Doch nach dem 2. Weltkrieg geriet die Welt in Umschwung und so auch die Welt der Literatur. Einige Schriftsteller begannen sich von der alten Norm herauszulösen und zu experimentieren. Auch in Österreich bildete sich ein Verbund von progressiven Schriftstellern, der als „Wiener Gruppe“ bezeichnet wurde. Diese Gruppe war Bestandteil der literarischen Bewegung, die sich Avantgarde nannte und für die Idee des Fortschritts und der Abkehr vom Alten standen, wie es sich in vielen ihrer Werke äußert.

Doch nicht jeder österreichische Schriftsteller war Teil der „Wiener Gruppe“, wie auch An­dreas Okopenko, der sich bewusst von ihnen distanzierte. Unter seinen vielen Werken war eines seiner berühmtesten „Lexikon-Roman. Lexikon einer sentimentalen Reise zum Exporte­urtreffen nach Druden.“. Dieses Buch stand seinerseits für sich, denn Okopenko hat ein No­vum geschaffen, wie es damals nichts vergleichbar war: Er hat die Gattungen Lexikon und Ro­man miteinander vereint und damit den Lexikon-Roman erfunden.

Oder hat er das? Wie es sich zeigen wird, handelt es sich bei Okopenkos weder um einen klas­sischen Roman noch um ein typisches Lexikon. Das Werk genauer betrachtet, fällt auf, dass es sich nicht - wie man es von einem Roman würde - es sich um eine durchgehende Fiktion handelt. Stattdessen wird der*die Leser*in nicht mit einem durchgehenden Text konfrontiert, sondern wird zwischen vielen verschiedenen Einträgen hin und verwiesen, die teils weit von der Haupthandlung abschweifen. Dies könnten einen an diverse Romane erinnern, die den*die Leser*in zwischen mehreren Möglichkeiten der Fortsetzung entscheiden lassen, wie etwa der Kinderroman „Der Schatz im Ötscher“. Der wesentliche Unterschied ist hier jedoch, dass es sich nicht um Entweder/Oder-Entscheidungen handelt, sondern um komplex ver­zweigte Verweise, die oft von der eigentlichen Geschichte abschweifen und eine geschlossene Romanhandlung aufbrechen.

Auch zeigt das Buch wenig Ähnlichkeiten mit einem herkömmlichen Lexikon. Die Einträge sind nicht gewohnt sachlich-informativ, sondern fiktional-unterhaltend. Zudem gibt es mehrere Varianten eines Eintrags etc. Es wird schnell ersichtlich, dass die grundsätzliche Problematik darin besteht, dass eine lexikalische Struktur, die auf reale Fakten beruht, sich mit dem fiktio­nalen Konzept eines Romans kreuzt.

Diese und noch viele andere Punkte werfen die Frage auf, inwiefern Andreas Okopenkos Lexi- kon-Roman den Definitionen von Lexikon und Roman gerecht werden kann, oder ob solch eine Verschmelzung derart unterschiedlicher Gattungen überhaupt möglich ist.

Um diese Frage zu beantworten, werden zuerst grundlegende Dinge aufgegriffen, und zwar um wen es sich bei Andreas Okopenko handelt und wo er sich innerhalb der Avantgarde posi­tioniert bzw. inwiefern er zur „Wiener Gruppe“ steht. Danach gilt es, das Werk selbst vorzu­stellen, wie es aufgebaut, wie es gegliedert ist und wie es zu lesen ist. Dabei wird ersichtlich, dass diese Erklärung vonnöten ist, denn im Gegensatz zu anderen Romanen, ist dieses Werk auf eine ganz eigene und spezielle Art zu lesen.

Erst dann kann ein Gattungsvergleich erfolgen. Das wird separat geschehen, indem jeweils eine Definition für ein Lexikon und Roman herbeigeführt wird und anhand dessen Okopenkos Lexikon-Roman verglichen wird, um festzustellen, ob jene Definitionen anwendbar sind bzw. wo das Werk sich mit den Gattungen bricht. Wie es sich herausstellen wird, gestaltet sich vor allem eine Romandefinition nicht als einfach, da er eine lange Geschichte des Wandels mit sich trägt und es lange Kontroversen darüber gab, was einen Roman überhaupt ausmacht und wo er einzuordnen ist.

In einem Fazit werden die gesammelten Erkenntnisse nochmals aufgegriffen, um festzustel­len, ob eine Roman- bzw. Lexikonbezeichnung für Okopenkos Lexikon-Roman legitim ist und zu guter Letzt, was die Intention hinter dieser gewagten Gattungsfusion hätte sein können.

Zum Autor

Andreas Okopenko wurde 1930 in der heutigen Slowakei geboren, wo er seine früheste Kind­heit verbrachte, ehe er mit seiner Familie 1938 vor dem ungarischen Regime floh und schließ­lich nach Wien gelangte. Da sein Vater mit dem Einmarsch der russischen Mächte deportiert wurde, kämpfte er mit seiner Mutter verblieben um das wirtschaftliche Überleben. Allen Um­ständen zu trotz begann er ein Chemie-Studium, doch brach dieses ab, als er in einem Betrieb eintrat, und dort zum Leiter der Betriebsabrechnung wurde.

Noch während seines Studiums begann er sich mit der österreichischen Literaturszene zu be­schäftigten und gestaltete sie aktiv mit, während er in den Jahren 1950-1951 für die Literatur­zeitschrift „Neue Wege“ arbeitete. Aufgrund von Differenzen brachte er die Zeitschrift „die publikationen einer gruppe junger wiener autoren“ heraus, die der Avantgarde-Literatur ei­nen Raum zur Publikation bot.1

Hier in den frühen 50er Jahren entstand ein Netzwerk rund um das Redaktionsteam, wie H.C. Artmann, Ernst Klein, Friedrich Polakovics u.a. Diese Gruppe gestalte sich als äußerst hetero­gen in vielen Hinsichten, doch ein Konsens bestand unter ihnen, dass sie ihre Literatur als „progressiv“ oder eher „modernistisch“ verstanden und sich gegen die bestehende Literatur­szene stellten. Unter diesem ,bunten Haufen' der Nachkriegsavantgardisten tat sich eine radi­kalere Gruppe hervor, die heutzutage genannte „Wiener Gruppe“. Diese Gruppe, zum Teil vom Dadaismus und dem Surrealismus inspiriert, versuchte sich an literarischen Experimen­ten, gegen die sich Okopenko bewusst stellte und äußerte (wie es auch in seinem Lexikon- Roman).2

1953 jedoch stellte Okopenko seine Tätigkeit ein. 1968 gab er seinen Beruf auf, um sich voll­ständig seiner Tätigkeit als Schriftsteller hinzugeben und dann im Jahr 1970 veröffentlichte Andreas Okopenko schließlich sein Werk. „Lexikon-Roman. Lexikon einer sentimentalen Reise zum Exporteurtreffen nach Druden.“.

Mit diesem Werk zeigt sich sein eigener Umgang mit Sprache und Realität und betonte dabei selbst, dass er mit der Romanform so nah wie möglich sich der Wirklichkeit nähern wollte, an deren Realität und Beschreibbarkeit er grundsätzlich glaube. Damit grenzte er sich von der „Wiener Gruppe ab“, denn wo sie sich von der Realität entfernte, plädierte Okopenko dafür, dass Experimente mit der Sprache, ohne dabei die Realität wiedergeben zu wollen, keinen Sinn ergäben.3

Zum Werk

Okopenkos Lexikon-Roman versucht - wie der Begriff es schon verrät - die Gattungen Lexikon und Roman zu vereinen. So ist das Werk nicht romantypisch in eine durchgehende und Kapitel gegliederte Erzählung aufgebaut, sondern unterteilt sich in Einträgen bzw. Lemmata begin­nend bei „A“ und endend bei „Zz“.

Am Anfang wird der*die Leser*in eingeführt, wie das Buch zu lesen ist. Dabei schlägt der Autor vor, der Hauptgeschichte zu folgen, indem man den Hauptverweisen gekennzeichnet durch Pfeile mit Kursivbuchstaben folgt. So gelangt man z.B. vom ersten Eintrag „Anfang der Reise“ zur Fortsetzung der Geschichte mit dem Verweis „-> Brücke “. Doch neben den Hauptverwei­sen in den Lemmata gibt es auch andere Verweise, die eine erläuternde Funktion haben. So kann man im selben Eintrag stattdessen dem Verweis „-> Straßenbahn.“ folgen.

Wie auch in der Gebrauchsanweisung beschrieben wird, ergeben sich drei Möglichkeiten, den Lexikon-Roman zu lesen:

1. Reiseschema - Der*die Leser*in folgt den Hauptverweisen
2. Interessensschema - Der*die Leser*in folgt nach seinem Ermessen beliebigen Einträgen.
3. Alphabetische Reihenfolge - Der*die Leser*in liest chronologisch die Einträge.4

Von letzterer Methode rät Okopenko jedoch ab, denn wer beginnt bei „A.“ zu lesen, der findet folgenden Text vor:

„A. Sie sind es gewohnt, ein Buch - unter Umgehung des Vorwortes - von vorn nach hinten zu lesen. Sehr praktisch. Aber diesmal schlagen Sie, bitte, zur GEBRAUCHSAN­WEISUNG zurück, ohne die werden sie das Buch nicht zum Roman machen5.“

Ein ähnlicher Hinweis findet sich auch beim Eintrag „Zz“.6

[...]


1 Vgl. Fromm, Sigried (1996): Lexikon und Flexion. Ein Vergleich des Lexikon-Romans von Andreas Okopenko mit seiner Umsetzung als Hypertext. Diplomarbeit. Univ. Wien, 14f.

2 Vgl. Herberth, Arno / Tezarek, Laura (2017): “Andreas Okopenko. Die österreichische Nachkriegsliteratur und das Politische. In: Folia Linguistica et Litteraria 18/1:129-141, 134f.

3 Vgl. Fromm (1996), 15f.

4 Vgl. Okopenko, Andreas (1996): Lexikon einer sentimentalen Reise zum Exporteurtreffen in Druden. Wien: Deuticke, 5-7.

5 Ebd., 9.

6 Vgl. ebd., 292.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Problematik der Gattungsdefinition des Werks "Lexikon-Roman" von Andreas Okopenko
Hochschule
Universität Wien
Note
1
Autor
Jahr
2021
Seiten
20
Katalognummer
V1193793
ISBN (eBook)
9783346635259
ISBN (Buch)
9783346635266
Sprache
Deutsch
Schlagworte
problematik, gattungsdefinition, werks, lexikon-roman, andreas, okopenko
Arbeit zitieren
Samson Messerer (Autor:in), 2021, Die Problematik der Gattungsdefinition des Werks "Lexikon-Roman" von Andreas Okopenko, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1193793

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