Mann gegen Mann. Eine Filmanalyse zum Männerbild im Western


Bachelorarbeit, 2021

51 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Männlichkeit
2.1 Ein Definitionsversuch
2.2 Männlichkeit nach Connell
2.2.1 Hegemonie
2.2.2 Komplizenschaft
2.2.3 Unterordnung
2.2.4 Marginalisierung
2.2.5 Zwischenfazit

3. Der filmische Western
3.1 Grundzüge zur Entstehung und Veränderung
3.2 Der Code des Westens
3.3Der Westernheld
3.4 Männlichkeit und Heldentum

4. Filmanalyse zum Männerbild
4.1 Methodisches Vorgehen
4.1.1 Die soziologische Film und Fernsehanalyse - Makroebene
4.1.2 Figurenanalyse nach Jens Eder
4.2 Männlichkeiten im klassischen Westernfilm: Stagecoach
4.3 Männlichkeiten im modernen Westernfilm: News of the World
4.4 Vergleichsanalyse anhand ausgewählter Motive
4.4.1 Psychische Merkmale
4.4.2 Physische Merkmale
4.4.3 Beziehungen der Figuren: Mann/Mann und Mann/Frau
4.4.4 Kampf und Wettbewerb

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Filmverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

„Only in the West could a man still be a man“ (Peter Freese 1990: S. 123). Oder, um es anders zu sagen: „Das waren noch Männer“. Im Volksmund erzählt der Western Geschichten von einsamen Cowboys, die auf ihren Pferden durch die Prärie reiten, von wilden Duellen, spannenden Verfolgungsjagden, der Eroberung und Besiedlung des Wilden Westens und einem Mann, der sich im Showdown als wahrer Held und Retter bewährt. Auffällig dabei ist, dass das Genre vor allem Männer in den Mittelpunkt des Geschehens stellt und sie zu Helden macht. Erhart merkt in seinem Nachruf auf den Westernhelden an, dass „jeder Western eine Männer Geschichte“ (Erhart 1997: S. 322) ist und „jeder Mann ein heimlicher Westernheld“ (ebd.). Somit ist auch die Thematik der Männlichkeit mit dem Genre verbunden, wirft allerdings einige Fragen auf: Warum werden speziell Männer thematisiert, wann gilt der Mann als Mann und was macht ihn zum Helden? In dieser Bachelorarbeit sollen die eben genannten Aussagen thematisiert und hinterfragt werden. Sind die Antworten auf die Fragen im Laufe der Zeit die gleichen geblieben oder wie hat sich das Männerbild über die Jahre verändert?

Um die Entwicklung des Männerbildes im Westernfilm aufzuzeigen, soll der Zeitraum der letzten 80 Jahre dienen. Vorab wird in dieser Bachelorarbeit daher eine Einführung in die theoretischen Grundlagen erfolgen. Um zu verstehen, wie sich das Männerbild verändert hat, muss zunächst versucht werden, Männlichkeit als solche zu definieren. Als übergeordneter Rahmen soll daher das Konzept der Soziologin Raewyn Connell dienen, die sich mit Formen von Männlichkeiten auseinandergesetzt hat und sie in Hegemonie, Unterordnung, Komplizenschaft und Marginalisierung gliedert. Diese Begriffe sollen vorab erklärt werden, um später ein Verständnis generieren zu können, in welchem Beziehungs- und Machtgefüge die Figuren zueinander stehen. Wichtig dabei wird, wie Männlichkeit „in jedem einzelnen Fall hergestellt und wodurch sie jeweils bedroht wird, was zur Männlichkeit gehört und auf was sie verzichtet“ (ebd.). Da der klassische Western aufgrund seiner immer wieder auftretenden narrativen Elemente, stilistischer Mittel, schauspielerischer Rollen und präsenten Männlichkeit einen starkem Widererkennungswert hat (vgl. Verstraten 1999: S. 22), könnte bei diesen anscheinend vertrauten und festgefügten Strukturen schnell von Monotonie gesprochen werden: „If you've seen one, you've seen them all“ (Everson 1992: S. 10) . Dabei wird allerdings meist ausgeblendet, dass dem Western einer Entstehungsgeschichte zugrunde liegt, die sich durch immanente Beweglichkeit und historische Veränderbarkeit auszeichnet. Daher wird im nächsten Kapitel der geschichtliche Wandel untersucht, der aufweisen soll, welche Elemente in den zunehmenden Epochen wichtig wurden. Hier werden überwiegend Filme der USA thematisiert, da der Western zum einen ein primär amerikanisches Genre ist und die gewählten Filmbeispiele zum anderen dort produziert wurden. Darüber hinaus soll herausgearbeitet werden, durch welche Merkmale der filmische Western ausgezeichnet werden kann. Wie wird der klassische Westernheld charakterisiert und welche Motive sind ausschlaggebend für die Konstruktion von Heldentum und Männlichkeit? Sobald ein Verständnis für die scheinbar beständigen Strukturen generiert wurde, kann untersucht werden, ob und wie sich diese anhand eines aktuellen Westernfilms verändert haben. Daher folgt daraufhin der analytische Teil, der den Film Stagecoach (1939) als klassischen und News of the World (2020) als modernen Western untersucht. Dabei soll ermittelt werden, wie die Männer in den ausgewählten Filmen dargestellt und beleuchtet werden, wie sie sich voneinander abgrenzen und wie kulturelle und gesellschaftliche Aspekte Einfluss auf die verschiedenen Epochen und männlichen Westernfiguren genommen haben. Dabei soll ein weiterer Schwerpunkt auf den Helden gelegt werden, für den Rezipient*innen in der Regel einen spezifischeren und detaillierteren Blick erhalten. Das Konzept nach Connell spielt in Anbetracht dessen immer eine Rolle, um zu überprüfen, inwiefern Formen von Über- oder Unterordnung bezüglich der Männlichkeiten bestehen. Daraufhin sollen im Fazit beide Ergebnisse zusammengetragen werden, um ein Ergebnis für die Forschungsfrage erhalten zu können, wie sich das Männerbild in den letzten 80 Jahren verändert hat. Da das Medium Film wichtige Punkte für die Gesellschaft visualisieren und transportieren kann, soll analysiert werden, wie zeitgenössisch alte Genres heutzutage sind. Gerade im Bereich der immer präsenter werdenden Genderforschung ist die Auseinandersetzung mit den Figuren im Film infrage zu stellen. Bisherige Untersuchungen in diesem Bereich setzen sich überwiegend mit feministischen Bezügen auseinander, auch wenn sich bereits einige literarische Werke zur Männlichkeitsforschung finden lassen. Die bislang eher vernachlässigte Forschung der Männlichkeit im Film führte mich als Autorin dieser Arbeit schlussendlich dazu, mich im Rahmen dieser Bachelor-Arbeit auf die Entwicklung derselben zu konzentrieren.

2. Männlichkeit

Was braucht es, um ein Mann zu sein? Wie definiert die Gesellschaft das ideale Konstrukt von Männlichkeit? Um es noch praktischer zu hinterfragen: Wie äußert sich (Un-)Männlichkeit? (vgl. Zsolnay 2017: S. 1) Für den Begriff der „Männlichkeit“ eine allgemeingültige Definition zu finden, erweist sich bis heute als schwierig. Trotzdem gehören verwandte Ausdrücke wie „seinen Mann stehen“ oder „ein richtiger Mann sein“ zu einem Wortschatz, den die meisten unhinterfragt voraussetzen (vgl. Oppermann 2005: S. 4). Allerdings ist Männlichkeit nicht als naturgegeben zu begreifen. Sie orientiert sich stets an kulturellen, psychischen, sozialen, ökonomischen und politischen Faktoren, die zeitlich und örtlich variabel sind (vgl. Meuser 1995: S. 108). Das zeigt sich bereits daran, dass Männlichkeit im Laufe der Zeit immer wieder mit anderen Vorstellungen besetzt war. Faktoren wie „Klasse, Ethnizität und die Umgebung“ prägen kulturell wünschenswerte Konstrukte von Männlichkeit und wirken immer wieder neu auf sie ein (vgl. Zsolnay 2017: S. 1). Von zahlreichen Quellen wurden zwei Texte ausgewählt, die in dieser Bachelorarbeit als Orientierung für eine Männlichkeitsdefinition dienen sollen.

2.1 Ein Definitionsversuch

„In seinem modernen Gebrauch beinhaltet der Begriff, dass das eigene Verhalten davon abhängt, was für ein Typ Mensch man ist“ (Connell 2015: S. 119). Diese Annahme fundiert auf einem Konzept, welches Individualität und persönliche Handlungsfähigkeit voraussetzt. Auf der anderen Seite spielt auch die innere Relationalität eine Rolle (vgl. ebd.). Dies meint, dass „Männlichkeit“ immer in Relation zu seinem konträren Begriff „Weiblichkeit“ zu betrachten ist. Das eine existiert nicht ohne das andere und bedeutet zunächst lediglich, dass „männlich“ sein als „nicht weiblich“ sein festgelegt ist (vgl. ebd.: S. 123). Allerdings ist jede Form von Normen oder Idealen in einer „binären Geschlechteropposition skaliert“ (Gotto/Seefried 2017: S. 9f.), was bedeutet, dass das jeweilige Geschlecht einen anderen Bezug für „Wahrnehmung, Bewertung und Ausübung sozialen Verhaltens“ (ebd.) einnimmt. Folglich könnte eine moderne Gesellschaft nur dann einen Männlichkeitsentwurf aufbauen, wenn beiden Geschlechtern „polarisierte Charaktereigenschaften“ (Connell 2015: S. 120) diskursiv zugewiesen werden. Hinsichtlich stereotypischer Merkmale scheint es in der Gesellschaft einen eindeutigen Konsens zu geben, wie ein Mann sein sollte, um als „männlich“ zu gelten (vgl. Urwin 2017: S. 115f.). Klassische Zuweisungen wären bei Männern Attribute wie abenteuerlustig, aggressiv, kräftig, mutig und stark, während Frauen Verhaltensweisen wie liebevoll, emotional oder schwach nachgesagt werden (vgl. Bündel/Hurrelmann 1999:S. 14). Allerdings erfassen Modelle geschlechtstypischer Merkmale nicht die „Komplexität ihrer Lebenswirklichkeiten“ (Oppermann 2005: S. 4), weshalb eine alleinige Kennzeichnung dessen unzureichend wäre. In dieser Arbeit muss hinsichtlich des männlichen Geschlechts sowohl zwischen den Lebensrealitäten, als auch dem herrschenden Männerbild unterschieden werden (vgl. Engelfried 1997: S. 55). Auch Soziolog*innen wie Connell halten ein solch einförmiges und stereotypisches Modell weder als „konzeptuell haltbar“ (Carrigan/Connell/Lee 1996: S. 48), noch als „praktisch oder empirisch adäquate Basis für eine Analyse von Männlichkeit“ (ebd.). Es wird argumentiert, dass eine männliche Rolle nicht existiert, denn kaum ein Mann kommt einem solch normativen Maßstab nach (vgl. Oppermann 2005: S. 4f.). Was ist also an einer Norm normativ, die kaum jemand erfüllen kann [oder möchte]?

Schlussfolgernd lässt sich Männlichkeit als eine Postion im Geschlechterverhältnis verstehen. Um sich einer Definition anzunähern, muss zunächst vorausgesetzt werden, dass Männlichkeit als soziales, veränderbares Konstrukt verstanden wird (vgl. ebd.: S. 5), welches unter ständiger Überwachung und Bewertung steht. Einerseits können unter dem Begriff Praktiken eingeordnet werden, durch die Männer und Frauen eine Stellung einnehmen. Andererseits wirken sich diese Praktiken auch auf die Persönlichkeit, die Kultur oder die Körperlichkeit aus. Männlichkeit ist demnach nicht als etwas „Fassbares“, sondern eher als eine Art Ideologie zu verstehen (vgl. Meuser 1995: S. 152). Eine Definition könnte demnach im Sinne einer Haltungsperspektive gedeutet werden, die im Leben von Jungen oder Männern eingenommen werden kann. Dabei geht es ebenfalls um Veränderung und Grenzen der Männlichkeit, die überschritten oder überformt werden. Alle Ansätze haben jedoch gemeinsam, dass sie überzeitliche Konzeptionen von Männlichkeit ablehnen (vgl. Erhart 1997: S. 135). Besonders die „New men's studies“ weisen die Revisionsbedürftigkeit der „Old men's studies“1 auf und legen die eigentliche Vielschichtigkeit des Männlichen dar. Homosexualität wäre ein Beispiel für dieses Konzept. Es zeigt nicht nur Differenzen, sondern auch

Hierarchien innerhalb einer Männlichkeit (vgl. ebd.: S. 136), die bei der weiteren Forschung nach Männlichkeiten seitens Connell genauer aufgegriffen wird.

2.2 Männlichkeit nach Connell

Mitte der 1990er-Jahre entwickelte die australische Soziologin Raewyn Connell das Konzept der hegemonialen Männlichkeit, welches bis heute einen Teil der gesamten sozial- und geisteswissenschaftlichen Männerforschung prägt (vgl. Fenske 2012: S. 211). In ihrer Einführung spricht sie zunächst davon, dass es verschiedene Formen von Männlichkeiten gibt, deren Beziehung sowohl untereinander als auch in Verbindung mit den Milieus Rasse und Klasse untersucht werden sollte (vgl. Connell 2015: S. 130). Die Komponenten der Männlichkeit sind nach Connell Hegemonie, Unterordnung, Komplizenschaft und Marginalisierung. Dabei macht sie deutlich, dass es sich nicht um Charakterzüge handelt, sondern um „Handlungsmuster, die in bestimmten Situationen innerhalb eines veränderlichen Beziehungsgefüges entstehen“ (ebd.: S. 135). Jede wissenschaftliche Männlichkeitstheorie muss „diesen Veränderungsprozess mit einbeziehen“ (ebd.).

2.2.1 Hegemonie

In Anlehnung an Gramsci (1971) beschreibt Connell die hegemoniale Männlichkeit als eine soziale Konstruktion, die je nach historischem Kontext und innerhalb eines komplexen Geschlechterverhältnisses verortet werden kann. Wichtig dabei ist, diese Form von Männlichkeit immer als dynamisch zu betrachten. Hegemonie umschreibt zwar die derzeit „durchsetzungsfähigste“ Männlichkeitsstrategie, allerdings bestehen Formen alternativer Machtkonfigurationen zu jedem Zeitpunkt und können sich durch kulturelle Entwicklungen oder der Verschiebung gesellschaftlicher Wertvorstellungen zu einem hegemonialen Muster entwickeln. Dieser Umstand könnte eine Erklärung dafür sein, warum sich die hegemoniale Männlichkeit in einem andauernden Wandel befindet: Sie ist sowohl zeitlich flexibel; als auch adaptionsfähig (vgl. ebd.: S. 12). Demnach spricht die Soziologin nicht von etwas Statischem, sondern beschreibt sie als „jene Form von Männlichkeit, die in einer gegebenen Struktur des Geschlechterverhältnisses die bestimmende [aber jeder Zeit infrage zu stellende] Position einnimmt“ (ebd.: S. 130). Das Konzept , mit welchem „eine Gruppe eine Führungsposition im gesellschaftlichen Leben einnimmt und aufrechterhalten kann“ (ebd.), weist folglich neben Frauen auch anderen existierenden Formen von Männlichkeiten einen untergeordneten Status zu. Genauer definiert sie Hegemonie als „jene Konfiguration geschlechtsbezogener Praxis [...], welche die momentan akzeptierte Antwort auf das Legitimitätsproblem des Patriarchats verkörpert und die Dominanz der Männer sowie die Unterordnung der Frauen gewährleistet (oder gewährleisten soll)“ (ebd.). Die vielleicht naheliegendsten Vertreter der hegemonialen Männlichkeit sind dabei nicht unbedingt auch die mächtigsten Männer, die dem entsprechen. So können zwar fiktive Personen wie der Gladiator oder Schauspieler wie John Wayne als Vorbild gelten, das bedeutet allerdings nicht, dass sie auch eine hegemoniale Vorstellung vertreten. Ein einflussreicher Mann muss nicht homophob sein oder den Feminismus diskriminieren. Folglich bedingen sich Macht und Hegemonie nicht zwangsläufig. In diesem Zusammenhang betont Connell, dass „hegemoniale Männlichkeit nur dann entstehen kann, wenn es zwischen dem kulturellen Ideal und der institutionellen Macht eine Entsprechung gibt, sei sie individuell oder kollektiv“ (ebd.: S. 131). Die Soziologin setzt dabei Führungsebenen wie Politik, Wirtschaft und Militär in eine Position von „überzeugender korporativer Inszenierung von Männlichkeit, [...] die von feministischen Angriffen und sich verweigernden Männer immer noch ziemlich unberührt scheint“ (ebd.). Auch wenn Gewalt eine gewünschte soziale Form herbeiführen kann [aber nicht sollte], meint diese Art von Vorherrschaft den „erhobenen Anspruch auf Autorität“ (ebd.).

2.2.2 Komplizenschaft

Die Anzahl der Männer, die das Ideal der derzeit dominantesten Männlichkeitsform auch tatsächlich praktizieren, mag vergleichsweise gering erscheinen, allerdings profitiert eine breite Masse des männlichen Geschlechts von ebendieser Vorherrschaft. Connell bezeichnet diese Gruppe als Komplizen, da sie „an der patriarchalen Dividende teilhaben, [...] der den Männern aus der Unterdrückung der Frau erwächst“ (ebd.: S. 133). Dieser Männlichkeitsentwurf lebt nicht aktiv von hegemonialen Merkmalen, allerdings sprechen sie sich auch nicht dagegen aus, weshalb sie von der sozialkulturellen Vorrangstellung der Männer profitieren (vgl. Gotto/Seefried 2017: S. 10). Sie könnten als eine Art Mitläufer bezeichnet werden, die sich nicht „den Spannungen und Risiken an der vordersten Frontlinie des Patriarchats aussetzen“ (ebd.). Als Beispiel zählen Ehemänner, Beziehungspartner oder Väter, die ihre Frau in der Kindeserziehung oder im Haushalt [neben der Berufstätigkeit] unterstützen. In diesem Rahmen kann keine allgemeine Dominanz oder Zurschaustellung von Autorität festgestellt werden. Die komplizenhafte Männlichkeit ist für Connell wichtig aufzuführen, da sie auf einen Großteil an Männern zutrifft. Auch wenn bei Connell Zahlen eher außerhalb des Fokus stehen, möchte sie diese hier zum Verständnis anwenden. Sie sagt, dass Geschlechterpolitik Massenpolitik ist, und die Mehrheitsmeinung daher berücksichtigt werden muss (vgl. ebd.).

2.2.3 Unterordnung

Wie bereits erwähnt, kann die hegemoniale Männlichkeit nicht nur Frauen einen untergeordneten Status zuweisen. Auch binnengeschlechtliche Beziehungen von Männlichkeiten sind von der Subordination betroffen. Dazu führt Connell insbesondere homosexuelle Männer auf, die durch die Dominanz heterosexueller Männer untergeordnet werden. Kulturelle Stigmatisierung sowie zahlreiche „Praktiken von politischem und kulturellem Ausschluss, kulturellem Missbrauch [...], staatlicher Gewalt [...], Gewalt auf den Straßen [...], wirtschaftlicher Diskriminierung und Boykottierung als Person“ (Connell 2015: S. 132) belegen eine teilweise noch anhaltende Inakzeptanz und Subsumierung dieser Männlichkeitsform. Dadurch gerät Homosexualität auf die unterste Ebene der männlichen Geschlechterhierarchie (vgl. ebd.). Sämtliche Merkmale oder Vorlieben werden schnell verweiblicht und widersprechen demnach allem, was die patriarchale Ideologie einer hegemonialen Männlichkeit ausmacht (vgl. ebd.). Dieses Prinzip der Unterordnung gilt laut Connell aber nicht nur für homosexuelle, sondern auch für heterosexuelle Männer, die durch ihr Verhalten oder Aussehen von den heteronormativen Strukturen ausgeschlossen werden. Begriffe wie Weichei, Pussy, Schwächling, Muttersöhnchen, Waschlappen, Feigling, halbe Portion oder Memme werden in diesem Rahmen als Beispiele verwendet, um zu verdeutlichen, dass die Befürworter der hegemonialen Männlichkeit eine klare Vorstellung von dem vertreten, wie ein Mann zu sein hat und wie nicht. Folglich könnte das Fazit gezogen werden, dass Connell die Unterordnung als direkten Antagonismus zur Hegemonie begreift. Darüber hinaus können untergeordnete Männlichkeitsformen auch marginalisiert werden.

2.2.4 Marginalisierung

Connell erwähnt weiterhin andere Beziehungsmuster zwischen Männlichkeitsformen, die in einem gesellschafts-dynamischen Kontext zu den Strukturen der Rasse und Klasse gesehen werden sollten (vgl. ebd.: S. 134). Demnach meint Marginalisierung die Beziehung zwischen Männlichkeitsausformungen auf intersektionalen Ebenen (vgl. Gotto/Seefried 2017: S. 10). Sie entsteht nach Connell immer „relativ zur Ermächtigung hegemonialer Männlichkeit“ (Connell 2015: S. 135). Neben Klassenaspekten wie Arbeiter- und Mittelschicht bezieht sich die Soziologin in ihren Ausführungen vor allem auf den Aspekt der Rasse. Im Zusammenhang einer weiß dominierten Gesellschaft schreibt sie schwarzen Männern eine „symbolische Bedeutung für die Konstruktion des sozialen Geschlechts von Weißen“ (ebd.) zu. Zur Verdeutlichung zählt sie als Beispiel einen schwarzen, amerikanischen Sportler auf, der durch seine Fähigkeit, Größe oder Muskulosität als Vorbild für hegemoniale Männlichkeit gelten kann. Allerdings überträgt sich ein solch „positives“ Bild nicht automatisch auf alle Männer mit dunkleren Hauttypen. Die häufig assoziierte männliche Härte wird ebenfalls als Stigmatisierung für Kriminelle und Vergewaltiger benutzt. Die gleiche Tat, begangen von zwei Männern mit unterschiedlicher Hautfarbe, wäre somit in einer weiß dominierenden Gesellschaft von einem dunkelhäutigen Mann begangen als schlimmer angesehen (vgl. ebd.). Dieser Umstand zeigt nach Connell deutlich, dass auch Klassen- und Rassenaspekte „integrale Bestandteile der Dynamik“ (ebd.) zwischen den einzelnen Männlichkeiten werden können.

2.2.5 Zwischenfazit

Folglich lässt sich festhalten, dass Formen von Männlichkeiten nach Connell einerseits im Verhältnis zu anderen über- oder untergeordneten Machtstrukturen und andererseits im gesamten Geschlechterverhältnis gesehen werden müssen, welches sich auf die Symbolik der Differenz bezieht (vgl. ebd.: S. 292). Hegemonie, Unterordnung und Komplizenschaft beschreibt Connell als „interne Relationen der Geschlechterordnung“ (ebd.: S. 135), während die Marginalisierung und ihre Ermächtigung auf der anderen Seite stehen (vgl. ebd.). Mit diesem theoretischen Rahmen lassen sich spezifische Formen von Männlichkeiten analysieren, die sowohl zeitlich begrenzt als auch flexibel interpretierbar sind, weshalb sie immer wieder hinterfragt werden müssen.

3. Der filmische Western

Kaum ein Genre kann so viele verschiedene Filme vereinen wie der Western. Von Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts galt der filmische Western global als „most enduring genre of Hollywood's repertoire“ (Schatz 1981: S. 45) oder auch als „das bedeutendste Genre des Kinos“ (Buscombe 1998: S. 260). Wie in keiner anderen amerikanischen Kunstform spiegelt sich in seinen Produktionen ein Teil der Mentalität und Geschichte der Vereinigten Staaten jener Zeit wider. Besonders zwischen den Jahren 1907 und 1911 entwickelte sich der Western als ein Genre, in dem nationale Identität verhandelt wurde (vgl. Neale 2000: S. 39ff.). Daher wird er nicht zuletzt als Ausdruck des amerikanischen Gründungsmythos verstanden (vgl. Brunow 2013: S. 39). Folglich ist er dafür prädestiniert, gewisse Punkte der Historie und Politik zu verdeutlichen, beschönigen oder schonungslos zu kritisieren (vgl. Jeier 1987: S. 218). Darüber hinaus leben Western auch von Moral, Gier, Hoffnungen oder Ängsten und vereinen daher oft typisch amerikanische Nationaltugenden, wie den Individualismus. Neben der Verknüpfung zur Historie zeichnet sich das Genre jedoch vor allem durch Bewegung aus, weshalb es von André Bazin als „das amerikanische Kino par excellence“ (ebd.: S. 112) bezeichnet wurde. Zu eben genannter Aussage zählt er alle „auf die äußerste Spitze getriebenen ständigen Bewegungen“ (ebd.), wie Schlägereien, galoppierende Pferde oder Menschen in Spannung, die zur naiven und mythischen Kraft des Genres beitragen. Aber wie kann der filmische Western genau definiert werden? „Jeder von uns weiß zwar, was ein Western ist, aber zugleich müssen wir zugeben, dass wir einen Film nur dann dem Genre Western zuordnen können, wenn wir vorher bereits wissen, was denn nun einen Western ausmacht“ (Faulstich 2013: S. 30). Für die meisten reicht womöglich schon ein Mann mit Cowboyhut aus, um ihn als Westernfilm zu klassifizieren. Neben den zuvor erwähnten Aspekten gilt es nach Faulstich, die „geographischen und historischen Merkmale“ (ebd.) zu untersuchen, um ein Genre als solches kennzeichnen zu können. Die historische Einordnung der amerikanischen Western kann dabei auf die Zeit zwischen 1850 und 1900 festgelegt werden, während zu den geographischen Merkmalen die „frontier-town“, Städte, Dörfer oder Landschaften wie das Monument Valley zählen. Die Geschichten weisen gleichende ikonografische Muster auf, die mit zunehmendem, geschichtlichem Verlauf der Filme allerdings deutlich facettenreicher und psychologisch tiefgründiger wurden. Es gibt unterschiedliche Erzählungen, die im Mittelpunkt des Genres stehen können. Die Filmwissenschaftler Grob und Kiefer differenzieren dabei zwischen neun zentralen Erzählstrukturen. Hierzu zählen die Entdeckung neuer Grenzen, der Krieg gegen die Indianer, der Prozess der Zivilisierung, die Strafverfolgung und Rache, die Zweite Beruhigung der Städte (town tamer stories), der Aufbruch in die Wildnis, die Indianerabenteuer, der Verfall einer Gründerdynastie sowie die Legendenbildung (Kiefer 2014: S. 22ff.).

Im Folgenden wird in dieser Bachelorarbeit auf die Grundzüge zur Entstehung und Veränderung des Westerns eingegangen. Der zeitliche Verlauf trägt dazu bei, ein Grundverständnis für den Westernfilm zu generieren. Die Veränderung innerhalb des Genres spielt dabei eine wichtige Rolle zur Analyse der Forschungsfrage. In einem nächsten Schritt werden wichtige Merkmale wie der Code des Westens und die Konstruktion des Helden betrachtet, um erste Züge der Männlichkeitsbildung herausarbeiten zu können und eine Grundlage für den analytischen Teil zu schaffen.

3.1 Grundzüge zur Entstehung und Veränderung

Die Anfänge des Westerngenres finden sich in der Literatur. Lee Clark Mitchell sieht die literarischen Western daher als Vorreiter der Filmwestern an (vgl. Mitchell 1996: S. 161). Die Bücher von James Cooper zwischen 1827 und 1841 galten als die großen Romane der Vereinigten Staaten, die sich erstmals mit der amerikanischen Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts befassten. Somit formten diese sowie weitere literarische Werke gemeinsam mit der Malerei, der Musik oder den Wild-West-Shows von Buffalo Bill die Grundlage für die ersten Filme (vgl. Brunow 2013: S. 41). André Bazin merkte in den 1950ern dazu an: „Der Western ist das einzige Genre, dessen Anfänge mit denen des Kinos überhaupt fast identisch sind“ (Bazin 1975: S. 111). Nachdem Annie Oakleys Schießkunst2 zu den ersten Kurzfilmen zählt, die sich mit dem Leben im Western beschäftigten, ist die Geburt des Genres mit der Publikation des Films The Great Train Robbery im Jahr 1903 zu datieren. Edwin S. Porter schuf mit diesem Werk den ersten kreativ-dramatischen Film, der die grundlegenden Handlungsstränge für Variationen und Nachahmungen des Genres vorgab. Überfälle, Verfolgungsjagden und Shoot-outs bestimmten fortan den Inhalt der Westernfilme (vgl. Seeßlen 2011: S. 19f.), welche die Filmindustrie von Amerika boomen ließen.

[...]


1 „Old men's studies“ sind herkömmliche Erforschungen des Mannes, während „New men's studies erneuerte Forschungen bezeichnet (vgl. Erhart 1997: S. 136).

2 Inszenierung mittels Kinetoskop.

Ende der Leseprobe aus 51 Seiten

Details

Titel
Mann gegen Mann. Eine Filmanalyse zum Männerbild im Western
Hochschule
Universität Siegen
Autor
Jahr
2021
Seiten
51
Katalognummer
V1193837
ISBN (eBook)
9783346635594
ISBN (Buch)
9783346635600
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mann, eine, filmanalyse, männerbild, western
Arbeit zitieren
Alexandra Rischard (Autor:in), 2021, Mann gegen Mann. Eine Filmanalyse zum Männerbild im Western, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1193837

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