Betrachtet man die Rezeptionsgeschichte des von Gert Ledig verfassten Romans Vergeltung , ein für mehrere Jahrzehnte vergessenes Werk der frühen Nachkriegsjahre, das erst 1999 durch die veröffentlichten Vorlesungen W.G. Sebalds literarische Würdigung fand, so zeigt sich, dass, heute wie damals, hauptsächlich der Inhalt kontroverse Diskussionen in der Literatur-wissenschaft und in den Feuilletons auslöste, dabei aber weniger die formale Gestaltung und Erzählweise des Werkes Beachtung fanden. Diese Hausarbeit hat nicht den Anspruch eine umfassende narrative Analyse des Werkes darzubieten, sondern konzentriert sich vielmehr auf das konzeptionelle Geschick des Autors und versucht mit stukturalistischen Mitteln die Kunstgriffe dieser schwindelerregenden, den Leser in ständiger Hetzte und Atemlosigkeit haltenden, Erzählung zu entschleiern. Somit gleich zum analytischen Hauptthema, das in einem Roman über einen infernalischen Bombenangriff auf eine Stadt, neben der radikalen Darstellung von Zerstörung, Unmenschlichkeit und Tod, einen zentralen Gesichtpunkt einnimmt und einnehmen muss – es handelt sich hierbei um die Zeit, die sich in den verschiedensten Ausformungen der Narration wieder findet. Nicht nur, dass das der Inhalt des Buches auf einen Zeitraum von 69 Minuten beschränkt wird, in dem sich nahezu Augenblick für Augenblick nacherleben lässt, der Text schafft es ebenfalls die Gefühle der betroffenen Menschen herauszustellen, wobei sich deren psychologische Zeitwahrnehmungen teilweise erheblich von der existierenden Realzeit entfernt. Und so stellt der Roman nicht selten die Frage nach dem Wesen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und begibt sich unausgesprochen auf das Terrain philosophischer und naturwissenschaftlicher Betrachtungen, die im kleinen Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht berücksichtigt werden können. In den folgenden Punkten soll vorwiegend Ledigs literarischer Stil, eine Rhetorik unendlicher Plötzlichkeit, an Beispielen dargestellt und in seiner Wirkungsweise verdeutlicht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zeitdarstellung und Zeiterleben permanenter Augenblicklichkeit
- Die narrative Dauer - Erzählzeit im Verhältnis zur erzählten Zeit
- Ordnung und Chronologie – die enge Verwebung von Zeit, Raum & Handlung
- Sprachliche Ausformungen – Verben, Adjektive, Adverbien
- Syntaktische Strukturen
- Kurzlebige Gegenwart (Handlung) contra langatmige Vergangenheit (Biographien)
- Uhren, Zeitlosigkeit & temporäre Unorientiertheit
- Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die Zeitgestaltung in Gert Ledigs Roman „Vergeltung“. Ziel ist es, Ledigs konzeptionelles Geschick und die kunstvollen Erzähltechniken zu untersuchen, die eine Atmosphäre permanenter Unruhe und Atemlosigkeit erzeugen. Die Analyse konzentriert sich auf die formalen Aspekte des Romans, weniger auf den Inhalt.
- Die Darstellung von Zeit und Zeiterleben im Kontext eines Bombenangriffs
- Das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit
- Die Rolle der Syntax und sprachlicher Mittel in der Gestaltung der Zeitlichkeit
- Die Organisation und Struktur des Romans als Mittel der Zeitgestaltung
- Die Wirkung der Erzählweise auf den Leser
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Rezeptionsgeschichte von Ledigs Roman und beschreibt den Fokus der Arbeit auf die Analyse der Zeitgestaltung. Das Hauptkapitel untersucht, wie Ledig durch narrative Kunstfertigkeit, Syntax und Struktur des Romans eine permanente Unruhe erzeugt. Es wird die starke Relation zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit, die sich aus dem 69-minütigen Handlungszeitraum ergibt, erläutert. Der Abschnitt zur Ordnung und Chronologie beschreibt die 93 Szenen, verteilt auf dreizehn Kapitel und zwölf Erzählstränge, die parallel und fragmentiert erzählt werden. Weitere Abschnitte befassen sich mit sprachlichen Mitteln (Verben, Adjektive, Adverbien) und syntaktischen Strukturen, die zur Vermittlung der Zeitlichkeit beitragen.
Schlüsselwörter
Gert Ledig, Vergeltung, Zeitgestaltung, Erzähltechnik, narrative Dauer, erzählte Zeit, Syntax, Bombenangriff, permanente Unruhe, Fragmentarisierung, strukturalistische Analyse.
- Quote paper
- Ronny Franz Buth (Author), 2006, Unendliche Plötzlichkeit , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119447