„[W]as wir Glauben nennen, ist Lug und Trug oder Täuschung oder Stupidität, was wir Loyalität nennen, ist Vortheilsberechnung, was wir Liebe nennen, ist alles Mögliche, nur meist nicht Liebe, was wir Bekenntnißtreue nennen ist Rechthaberei.“ In diesen Worten, die Teil einer brieflichen Äußerung sind, die nach LUCÁCS Ausdruck einer „bis zum nihilistischen Pessimismus“ gesteigerten Skepsis ist, artikuliert sich Fontanes Wahrnehmung seiner Umgebung, etwa zu einer Zeit, da er mit der Geschichte der Elisabeth von Ardenne vertraut gemacht wird, die bekanntlich zum Auslöser für seinen bis dahin größten literarischen Erfolg wird – Effi Briest.
Es verwundert also nicht, dass in diesem Roman von weiten Teilen der Forschung eine starke gesellschaftskritische Komponente herausgearbeitet worden ist. Auf den folgenden Seiten soll versucht werden, diesen Aspekt in Fontanes Werk etwas genauer zu beleuchten, um einen Eindruck zu erhalten, was unter Gesellschaftskritik verstanden sein kann und wie sie sich bei ihm literarisch äußert. Auch wenn MECKLENBURG betont, dass „ästhetische und gesellschaftsbezogene Betrachtung“ bei Fontane nicht von einander zu trennen sind, müssen formale Gesichtspunkte hier vernachlässigt werden, die sich mit dem Reichtum ästhetischer Besonderheiten im Werk des Autors befassen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt stattdessen auf der inhaltlichen Seite, die der Frage nachgeht, welches Subjektverständnis im Spätwerk des Fontanes, nicht nur gegen Ende seines Lebens, sondern auch am Ausgang des 19.Jahrhunderts im vorliegenden Text deutlich wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitendes
- Individuen in Fontanes Gesellschaft
- Effi Naturkind mit Heimweh
- Innstetten und das Gesellschafts-Etwas
- Effis Eltern
- Crampas - Teufel oder liebenswerter Hazardeur?
- Effi Briest - ein gesellschaftskritisches Stück?
- Die Schuldfrage
- Liebe vs. Gesetz
- Polyphone Menschlichkeit
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung von Individuum und Gesellschaft in Fontanes Roman "Effi Briest". Ziel ist es, die gesellschaftskritische Komponente des Werkes zu beleuchten und das Subjektverständnis Fontanes am Ausgang des 19. Jahrhunderts zu ergründen. Formale Aspekte werden zugunsten einer inhaltlichen Analyse vernachlässigt.
- Die Darstellung des Individuums im Kontext gesellschaftlicher Normen und Erwartungen
- Die Problematik der arrangierten Ehe und ihre Auswirkungen auf die Protagonistin
- Die Frage nach Schuld und Verantwortung im Kontext des Ehebruchs
- Die Konflikte zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlichen Zwängen
- Fontanes Subjektverständnis und seine gesellschaftliche Kritik
Zusammenfassung der Kapitel
Das einleitende Kapitel führt in die Thematik ein und beschreibt Fontanes pessimistische Weltsicht. Das Kapitel "Individuen in Fontanes Gesellschaft" stellt die zentralen Figuren des Romans vor und skizziert die Ausgangssituation. Der Abschnitt über Effi beschreibt sie als ein unbeschwertes, naturverbundenes Mädchen, das durch die Heirat mit Innstetten in eine fremde Welt gerät. Weitere Abschnitte beleuchten die Rolle der anderen Figuren, ohne jedoch detailliert auf den Handlungsverlauf einzugehen.
Schlüsselwörter
Effi Briest, Theodor Fontane, Individuum, Gesellschaft, Gesellschaftskritik, arrangierte Ehe, Ehebruch, Schuldfrage, Subjektverständnis, 19. Jahrhundert, bürgerliche Gesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Fritz Hubertus Vaziri (Autor:in), 2008, „jenes […] uns tyrannisierende Gesellschaftsetwas“ - Individuum und Gesellschaft bei Fontane am Beispiel von Effi Briest, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119494