Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsklärungen
2.1 Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund
2.2 Soziale Ungleichheit
2.3 Bildungsbeteiligung
2.4 Institutionelle Diskriminierung
3. Kinderund Jugendliche mit Migrationshintergrund im Bildungssystem
4. Erklärungen fürdie Bildungsbenachteiligung
4.1 Bildungsbenachteiligung aufgrund dersozialen Herkunft
4.2 Bildungsbenachteiligung aufgrund von kulturellen Defiziten
4.3 Bildungsbenachteiligung aufgrund von mangelnden Sprachkenntnissen
4.4 Bildungsbenachteiligung aufgrund von institutionellen Bedingungen Schulsystem
5. Bildungsaufträge und Handlungsmöglichkeiten für Pädagogen
6. Chance: Ganztagsschule - Das Genoveva-Gymnasium in Köln
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Spätestens seit der Veröffentlichung der für Deutschland mangelhaft ausgefallenen PISA-Ergebnisse im Jahr 2000 ist die Situation von Kindern und Jugendlichen im deutschen Bildungssystem zum relevanten Thema der Bildungspolitik geworden. Ursachen und Erklärungen für die Benachteiligung bestimmter Gruppen im Schulsystem werden zunehmend diskutiert, um Lösungen für das Problem „Bildungsbenachteiligung“ zu finden.
Im Verlauf dieser Ausarbeitung werde ich mich mit der Situation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem befassen. Wie sind Migrantenkinder im Schulsystem positioniert? Was sind mögliche Gründe für die in Studien aufgezeigte Bildungsbenachteiligung? Welche Bildungsaufträge und Handlungsmöglichkeiten liegen in der Hand der Lehrkräfte?
Im Rahmen meiner Ausarbeitung werde ich diese Fragen behandeln. Hierzu werde ich zunächst einige relevante Begriffe erläutern, um danach die Situation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem anhand von unterschiedlichen Daten darzustellen. Weiterhin werden unterschiedliche Erklärungsansätze für die Bildungsbenachteiligung aufgeführt, auf deren Grundlage ich Bildungsaufträge und Handlungsmöglichkeiten für Pädagogen hinsichtlich des Abbaus von Chancenungleichheiten aufzeigen werde. Anschließend gehe ich auf die Chancen des Konzeptes der Ganztagsschule anhand der Vorstellung des Genoveva- Gymnasiums in Köln ein. Meine Ausarbeitung schließt mit einem persönlichen Fazit ab.
2. Begriffsklärungen
2.1 Kinderund Jugendliche mit Migrationshintergrund
Zu den Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zählen alle, die nach Deutschland zugewandert oder in Deutschland als Ausländer geboren sind, sowie alle in Deutschland als Deutsche Geborene mit zumindest einem zugewanderten oderalsAusländerin Deutschland geborenen Elternteil. (vgl. Statistisches Bundesamt, 2015)
2.2 Soziale Ungleichheit
Sind in einer Gesellschaft die Lebensbedingungen oder die Verteilung von Ressourcen unterschiedlich, sodass einige Bevölkerungsgruppen regelmäßig bessere Lebenschancen und bessere Möglichkeiten zur Teilhabe an der Gesellschaft bzw. zum Zugang zu gesellschaftlich relevanten materiellen (z.B. Einkommen) sowie immateriellen (z.B. Bildung, Gesundheit) Ressourcen haben als andere Bevölkerungsteile, so spricht man in der Soziologie von „Sozialer Ungleichheit“.
Ob die Lebens- und Verwirklichungschancen von bestimmten Gruppierungen „besser“ sind, ist relativ und wird nach den jeweils geltenden gesellschaftlichen Maßstäben bewertet. Ausschlaggebend ist hier, ob die Verteilung der Ressourcen bestimmten Menschen Möglichkeiten zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und zurVerwirklichung eines „guten Leben“ bietet, anderen hingegen nicht.
„Soziale Ungleichheit“ beschreibt jede Art von unterschiedlichen Möglichkeiten der Teilhabe an einer Gesellschaft und bezieht sich hier nicht allein auf horizontale Unterschiede, sondern vor allem auf vertikale Besser-/Schlechterstellungen. (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2015)
2.3 Bildungsbeteiligung
Die Bildungsbeteiligung stellt dar, zu welchen Anteilen bestimmte Gruppen von Schülern an bestimmten Bildungseinrichtungen (z.B. Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Sonderschule etc.) oder Bildungswegen partizipieren.
Da das deutsche Schulsystem hierarchisch gegliedert ist, denn unterschiedliche Bildungseinrichtungen bauen aufeinander auf und führen zu unterschiedlichen Abschlüssen, kann auf Grundlage der Bildungsbeteiligung eine Aussage darüber gemacht werden, wie gut oder schlecht welche Schülergruppe im Bildungssystem positioniert ist. Anhand der Bildungsbeteiligung kann durch Vergleiche auch festgestellt werden, ob bestimmte Schülergruppen im Gegensatz zu anderen bildungsspezifisch benachteiligt werden. (vgl. Diefenbach, 2010)
2.4 Institutionelle Diskriminierung
Der Begriff „Diskriminierung“ (lat.: discriminare = trennen, abgrenzen, unterscheiden) beschreibt die Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund von gruppenspezifischen Merkmalen wie (sozialer) Herkunft, Hautfarbe, Nationalität, Kultur, Religion, Geschlecht, Alter, Behinderung oder sexuelle Orientierung. Während das Wort im 16. Jahrhundert zunächst mit einer wertneutralen Bedeutung („Trennung“, „Unterscheidung“) in den deutschen Sprachgebrauch aufgenommen wurde, ist es seit Ende des 20. Jahrhunderts sowohl in der Politik als auch in der Soziologie negativ konnotiert („Benachteiligung“, „Herabsetzung“). In diesem Sinne umfasst der Begriff der „Diskriminierung“ die ungerechtfertigte Schlechterbehandlung von einzelnen Personen oder Gruppen. (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2015)
Diskriminierungen werden meist als Ergebnis von Vorurteilen einzelner Personen oder sozialer Gruppen gesehen. Im Gegensatz zu diesem Vorurteilsansatz definiert der Begriff der „institutionellen Diskriminierung“ Benachteiligungen als Resultat von sozialen Prozessen. Die Ursachen von Diskriminierungen werden hier im organisatorischen Handeln von gesellschaftlichen Institutionen (z.B. Bildung- und Ausbildungssektor, Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen, Polizei) verortet.
Die Soziologen Joe R. Feagin und Clairece B. Feagin (1986) stellten eine Unterscheidung zwischen direkter und indirekter institutioneller Diskriminierung auf, welche in die Antidiskriminierungsgesetze einiger Länder eingegangen ist.
Feagin und Feagin verstehen unter direkter institutioneller Diskriminierung regelmäßige, intentionale Handlungen in Organisationen. Diese Form der Ungleichbehandlung kann auf formalen, administrativen Regelungen aber auch auf informellen organisatorischen Praktiken, die als Routine ins Organisationsgeschehen einfließen, beruhen.
Indirekte institutionelle Diskriminierung umfasst hingegen alle institutionellen Regelungen, die bestimmte Gruppen überproportional negativ treffen. Hierunter werden oberflächlich neutrale Regeln verstanden, deren Einhaltung in Chancenungleichheit resultiert. (vgl. Gomolla, 2010) https://bettinakumpe.de/wp-content/uploads/2019/01/Chancengleichheit.jpg Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt.
Abbildung 1: „Indirekte Diskriminierung"
Indirekte Diskriminierung resultiert häufig aus der Anwendung gleicher Regeln, die bei unterschiedlichen Gruppen grundsätzlich ungleiche Chancen ihrer Erfüllung zur Folge haben. (vgl. Feagin&Feagin,1986)
3. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund im Bildungssystem
Spätestens seit der Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse von 2000 ist die Situation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem ein relevantes Thema in der Bildungspolitik. Die Kompetenzen der Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund waren in allen Bereichen der Lesefähigkeit und auch im mathematischen Bereich, im Vergleich zu Jugendlichen ohne Zuwanderungshintergrund, deutlich niedriger. Diese festgestellten Disparitäten finden sich auch in den Ergebnissen der PISA-Studie von 2012. Obwohl sich im Vergleich zu den vorherigen Untersuchungen eine Annäherung der Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund abzeichnet, beträgt der Abstand zwischen den beiden Schülergruppen im Bereich der mathematischen Kompetenz immer noch 54 Punkte, was etwa einem Vorsprung von eineinhalb Schuljahren entspricht. (vgl. OECD - Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2012)
Betrachtet man die Bildungsbeteiligung von Schülern und Schülerinnen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem, so lässt sich eine deutliche Überrepräsentation an Hauptschulen und eine Unterrepräsentation an höher qualifizierenden Schultypen wie dem Gymnasium oder der Realschule erkennen. In Abbildung 2 ist die Verteilung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund auf die besuchte Schulart im Jahr 2011 dargestellt. Demnach lag der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund die eine Hauptschule besuchten bei 44,6 %. Das Gymnasium hingegen besuchten nur 24% der gleichen Gruppe. (vgl. Statistisches Bundesamt, 2013)
Tab 4c Schülerinnen und Schüler nach besuchter Schulart und Migrationshintergrund 2011
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Elternteil mit höchstem Schulabschuss.
2 Zum Beisb.el Fachooerschule, berufliches Gymnasium, Wirtschaftsgymnasium. Berufsoberschuie.
3 Zum Beispiel Berufsvorbere tungsjahr, Berufsgrundbildurgs>ahr, Berufsfachschule, die e.nen Anschluss in einem Beruf vermittelt, einjährige Schule des Gesundheitswesens. / keine Angabe, da Zahlenwert nicht sicher genug.
Ergebnisse des Mikrozensus.
Abbildung 2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), Auszug aus dem
Datenreport 2013
Auch die Zahlen in Abbildung 3, welche die Anteile der Schülerinnen und Schüler mit und ohne Zuwanderungsgeschichte an den unterschiedlichen Schulformen in Nordrhein-Westfalen im Schuljahr 2010/2011 zeigt, spiegeln ähnliche Ergebnisse wider. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund an Hauptschulen ist in Nordrhein-Westfalen beinahe dreimal so hoch wie der Anteil der migrantischen Kinder, die das Gymnasium besuchen. Die Integration in das weiterführende Schulsystem der Sekundarstufe I wird somit überproportional von den Hauptschulen und Gesamtschulen übernommen.
Anteile der Schüler/-innen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte 2010/11 nach Schulform
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1) Die Volksschule wurde mit ihrer Primarstufe der Grundschule und mit ihrer
Sekundarstufe I der Hauptschule zugeschlagen. - 2) einschl. Schule für Kranke Grafik: IT.NRW
Abbildung 3
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Information und Technik NRW www.it.nrw.de/statistik/querschnittsveroeffentlichungen/Statistik_kompakt/Archiv_2012/ausgabe3_2012/ind ex.html
Doch was sind die Gründe für die Bildungsbenachteiligung von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungssystem? Im weiteren Verlauf meiner Ausarbeitung werde ich nun auf unterschiedliche Erklärungsansätze der Ursachen von Bildungsbenachteiligung eingehen.
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