Mit Beginn einer Schwangerschaft beginnt für eine Frau die wahrscheinlich außergewöhnlichste Zeit ihres Lebens. Die Bereitschaft ein neues menschliches Wesen in ihrem Bauch heranwachsen zu lassen und in ihrem Körper Platz dafür zu schaffen, stellt eine werdende Mutter vor neue Erfahrungen, Erlebnisse, aber auch Herausforderungen. So ist schon bereits der normale Verlauf einer Schwangerschaft mit großen Veränderungen im Leben einer Frau verbunden. Was aber passiert, wenn unerwartete Diagnosen und Ereignisse eintreten und den normalen Schwangerschafts- und Geburtsverlauf verändern?
Das für diese Bachelorarbeit ausgewählte Thema “Die Folgen für die Mutter-Kind-Bindung bei Geburtstraumata - Möglichkeiten und Grenzen der kindheitspädagogischen Arbeit hier postnatal unterstützend anzusetzen“ beschäftigt sich vorrangig mit dem Vorgang der Geburt und deren Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Bindung, sowie den Unterstützungsmöglichkeiten für die Mutter nach der Geburt. Es wird auch auf die möglichen Ursachen eines Geburtstraumas sowie mögliche Verhinderungsstrategien eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Beschreibung der verwendeten Methoden
2 Die Mutter-Kind-Bindung
2.1 Die erste Bindung an die Mutter
2.1.1 Fürsorgeverhalten und Muttergefühl
2.2 Die sichere Bindung
2.3 Zusammenfassung
3 Das Geburtstrauma der Mutter
3.1 Mögliche Ursachen eines Geburtstraumas
3.2 Folgen für Mutter und Kind nach einem erlebten Geburtstrauma
3.3 Zusammenfassung
4 Frühinterventionsprogramme
4.1 SAFE®
4.2 EmotionelleErste Hilfe
4.3 Erziehungsberatung und Eltern-Kind-Kurse
4.4 Gegenüberstellung der vorgestellten Frühinterventionsprogramme
4.5 Zusammenfassung
5 Das Arbeitsfeld der Kindheitspädagogen
5.1 Aufgaben und Tätigkeiten der Kindheitspädagogen
5.2 Arbeit im Rahmen der Frühinterventionsprogramme
5.3 Zusammenfassung
6 Fragebogen „Geburtstrauma und Mutter-Kind-Bindung“
6.1 Auswertung
6.2 Interpretation derErgebnisse
7 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Der Kreis der Sicherheit BECKER-STOLL, FABIENNE, Kathrin Beckh, JuliaBerkic, 2018 Bindung, eine sichere Basis fürs Leben; Kösel-Verlag, München
Abb. 2 Betreuung durch Hebammen im Kreißsaal / Mittelmäßige oder schlechte Gesamterfahrung mit der Betreuung im Kreißsaal Picker Report 2017 HoheFallzahlen - gute Geburten? Wie Frauen ihre Betreuung in großen und kleinen Kliniken erleben; Picker Institut Deutschland gGmbH, Dr. Katja Stahl, Maria Nadj-Kittler; 12/2017
Abb. 3 Die Säulen der EEH HARMS, THOMAS, 2008 Emotionelle Erste Hilfe, Bindungsförderung, Krisenintervention, Eltem-Baby-Thera- pie; S.166 Ulrich Leutner Verlag, Berlin
Abb. 4 Die 7 Schritte der Emotionellen Ersten Hilfe HARMS, THOMAS, 2008 Emotionelle Erste Hilfe, Bindungsförderung, Krisenintervention, Eltem-Baby-Thera- pie; S.183 Ulrich Leutner Verlag, Berlin
Abb. 5 „Dein Geburtserlebnis und die erste Zeit mit Kind“ Auszug aus dem für die Bachelorarbeit entwickelten Fragebogen „Dein Geburtserlebnis und die erste Zeit mit Kind“; Erstellt und Ausgewertet mit „Google Drive“ Stand: 25.03.2021
Tabellenverzeichnis
Tab. 1 Gegenüberstellung der Frühinterventionsprogramme Eigendarstellung des Autors, 19.04.2021
Tab. 2 Vergleich zweier Geburten Eigendarstellung des Autors, 28.04.2021
1 Einleitung
Mit Beginn einer Schwangerschaft beginnt für eine Frau die wahrscheinlich außergewöhnlichste Zeit ihres Lebens. Die Bereitschaft ein neues menschliches Wesen in ihrem Bauch heranwachsen zu lassen und in ihrem Körper Platz dafür zu schaffen, stellt eine werdende Mutter vor neue Erfahrungen, Erlebnisse, aber auch Herausforderungen.
So ist schon bereits der normale Verlauf einer Schwangerschaft mit großen Veränderungen im Leben einer Frau verbunden. Was aber passiert, wenn unerwartete Diagnosen und Ereignisse eintreten und den normalen Schwangerschafts- und Geburtsverlauf verändern?
Das für diese Bachelorarbeit ausgewählte Thema “Die Folgen für die Mutter-Kind-Bindung bei Geburtstraumata - Möglichkeiten und Grenzen der kindheitspädagogischen Arbeit hier postnatal unterstützend anzusetzen“ beschäftigt sich vorrangig mit dem Vorgang der Geburt und deren Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Bindung, sowie den Unterstützungsmöglichkeiten für die Mutter nach der Geburt. Es wird auch auf die möglichen Ursachen eines Geburtstraumas sowie mögliche Verhinderungsstrategien eingegangen.
Als Mutter, Erziehungsberaterin und angehende Kindheitspädagogin mit praktischer Erfahrung in der Arbeit mit Müttern und ihren Kindern im ersten Lebensjahr, erlebe ich bei einem Großteil der Frauen, dass sie ihre gerade überstandene Geburt als negatives bis sogar traumatisches Erlebnis beschreiben und nun gerade in der Anfangszeit nach der Geburt Schwierigkeiten haben, sich auf ihr Neugeborenes einzulassen und ihren Intuitionen und Instinkten, sowie denen des Säuglings zu folgen.
Die Frage, die sich hierbei auftut, ist: „Hat eine für die Mutter negativ besetzte Geburtserfahrung Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Bindung?“
Diese Thematik giltjedoch immer noch weitestgehend als Tabuthema. Eine Mutter soll sich glücklich schätzen ein gesundes Kind geboren zu haben, alles andere wird als unbedeutend betrachtet. So gibt es viele Frauen, die sich nicht trauen über ihre traumatische Erfahrung zu sprechen, die es nicht wagen sich Hilfe zu suchen oder gar nicht wis-
sen, dass sie Hilfe bekommen könnten oder welche benötigen. Dabei können Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen erhebliche Anforderungen für Mutter und Kind mit sich bringen.
Diese Bachelorarbeit wird sich aufgrund des zu großen Umfangs des Themas auf die Seite der Mutter beschränken und auf die Möglichkeiten zu ihrer Unterstützung nach einer für sie als traumatisch erlebten Geburt eingehen und die des Kindes weitestgehend außen vor lassen - soweit sich dies voneinander trennen lässt.
Das Thema Geburtstrauma wurde schon vielfach wissenschaftlich erforscht. Hier sind zu nennen Sahib, T.1 und Schindler, S.2, die sich in ihren Büchern unter anderem mit Bewältigungsmöglichkeiten traumatischer Geburtserfahrungen beschäftigen. Vordergründig wird sich in dieser Thematik mit der psychologischen, therapeutischen Ebene befasst. Wenig wird das Thema bisher jedoch mit der pädagogischen Seite in Verbindung gebracht. Hier zu erwähnen ist Gerald Hüther3, der sich in seinem Buch mit dem Thema Trauma und Bindung beschäftigt.
Hier setzt auch ein weiterer Teil des Themas und somit der Zielsetzung der Arbeit an: „Kann der Beruf des Kindheitspädagogen mit seiner Ausbildung und seinem im Studium erlernten Wissen hier postnatal unterstützend ansetzten und ist er somit der richtige Ansprechpartner für Mütter in eben oben genannter Situation?“
In der nachfolgenden Arbeit wird zunächst die Entstehung und lebenswichtige Bedeutung der Mutter-Kind-Bindung anhand der Bindungstheorie erklärt und die tragende Rolle der Mutter zur Entstehung einer sicheren Bindung vom Kind zu ihr verdeutlicht. Danach wird auf das traumatische Erleben einer Geburt von Seiten der Mutter und die daraus resultierenden möglichen Folgen eingegangen.
Es sollen etablierte Frühinterventionsprogramme vorgestellt werden, die die Thematik aufgreifen und eventuell sinnvoll zur Bindungsstärkung nach einer traumatischen Geburt eingesetzt werden können. Es wird ein kurzer Vergleich der Programme mit den für wichtig empfundenen Kriterien dargestellt. Die drei Methoden wurden aufgrund von eigener beruflicher Erfahrungen mit den Programmen gewählt.
Der Beruf des Kindheitspädagogen wird analysiert und herausgearbeitet, ob eben dieser sich zur Durchführung der vorher genannten Frühinterventionsprogramme eignet und ob er ein guter Begleiter und Unterstützer für Mutter und Kind nach einer traumatisch erlebten Geburt darstellen kann.
Weiter wurde ein Fragebogen entwickelt, dessen Aufbau, die verwendete Methode und die Auswertungen in die Arbeit mit einfließen.
1.1 Beschreibung der verwendeten Methoden
Die Arbeit stützt sich vordergründig auf eine intensive Literaturrecherche, hierfür wurde eine quantitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Es wurden verschiedene Bücher und Artikel herangezogen, um einen Überblick über den bereits erforschten Wissensstand zum Thema Geburtstrauma und Mutter-Kind-Bindung zu erhalten. Hierbei ging es vordergründig um die Erforschung, ob bereits eine Verbindung der beiden Themen hergestellt wurde.
Es wurde nach Literatur gesucht, die zunächst beide Themen getrennt voneinander behandelt, um diese eingehend untersuchen zu können. Gesucht wurde hier nach Literatur zum Thema Bindung, speziell die Mutter-Kind-Bindung.
Literaturwerke sind hier zu nennen von:
- Lieselotte Ahnert (Hg.), (2008): Frühe Bindung; Entstehung und Entwicklung;
- Fabienne Becker-Stoll; Kathrin Beckh; Julia Berkic (2018): Bindung, eine sichere Basis fürs Leben;
- Karl Heinz Brisch (2013): Bindungsstörungen, von der Bindungstheorie zur Therapie;
- Grossmann, K. / Grossmann, K., (Hrsg.) (2011): Bindung und menschliche Entwicklung; John Bowlby und Mary Ainsworth und die Grundlagen der Bindungstheorie.
Des Weiteren wurde Literatur über das Thema Traumata, speziell Geburtstraumatas durchgearbeitet. Hauptwerke sind hier:
- Sahib, T., (2016): Es ist vorbei - ich weiß es nur noch nicht; Bewältigung traumatischer Geburtserfahrungen;
- Schindler, S., (1982): Geburt; Eintritt in eine neue Welt;
- Hüther G., (2003): Traumatische Erfahrungen und Hirnentwicklung. In: Brisch K., Hellbrügge T. (2003): Bindung und Trauma; Risiken und Schutzfaktoren für die Entwicklung von Kindern.
Im Anschluss daran wurden Werke gesucht, in denen beide Themenbereiche zusammen behandelt wurden, um herauszufinden, ob bereits eine Verbindung hergestellt wurde, dass Geburtstraumata sich auf die Mutter-Kind-Bindung auswirken oder ob sich hier eine Lücke auftut.
Eine Verbindung war beispielsweise bei Hüther G., (2003): Traumatische Erfahrungen und Hirnentwicklung. Und in: Brisch K., Hellbrügge T. (2003): Bindung und Trauma zu finden.
Weitere Werke zu Frühinterventionsprogrammen und der Arbeit des Kindheitspädagogen wurden herangezogen, um die eingangs gestellte Forschungsfrage beantworten zu können.
Die gesamte Literatur wurde über die Keyword-Suche und durch Vorwissen über Autoren aus diesem Themenbereich ausgewählt.
Die Literatur beantwortet insofern die Forschungsfrage dieser Arbeit, da sie aufzeigt, ob eine Verbindung zwischen Geburtstrauma und der Mutter-Kind-Bindung besteht und ob dies Auswirkungen auf das Entstehen einer sicheren Bindung hat. Ist dies der Fall, kann anschließend die Literatur über das Berufsfeld des Kindheitspädagogen Aufschluss geben, ob bindungsstärkende Arbeit in dessen Kompetenzbereich fällt.
Es wurde sich somit mit den vorgestellten Ansätzen in der Literatur kritisch auseinander gesetzt.
Des Weiteren ist ein Fragebogen entwickelt worden, um herauszufinden, ob und in welchem Umfang Frauen eine traumatische Geburtserfahrung machen und wennja, wie die Mutter die Wochenbettzeit und die weiteren Monate/Jahre in Bezug auf die Bindung zum Kind empfunden hat. Es soll aufgezeigt werden welche Faktoren eine Rolle gespielt haben, damit es zu einem traumatischen Erlebnis kam und welche Art der Unterstützung die Frauen danach erhalten haben oder aber sich gewünscht hätten, und um daraus einen Zusammenhang zur traumatischen Geburt ableiten zu können.
Hierfür wurde der Mixed-Methods-Ansatz als Erhebungsmethode gewählt. Diese Methode verbindet quantitative und qualitative Forschung, denn hier werden Ergebnisse sowohl statistisch dargestellt, als auch in Worten zusammengefasst.4
Hierbei wurde induktiv vorgegangen, d. h. eine eigene Forschung durchgeführt und daraus eine Theorie abgeleitet.
Der Fragebogen dient der Unterstützung der zu Beginn der Bachelorarbeit erstellten Hypothese. Diese Hypothese galt als Grundlage für die Entwicklung des Fragebogens. Darüber hinaus wurde eine Beobachtungseinheit festgelegt, wie z. B. die Auswahl der Personengruppe. Nach der Entwicklung der Fragen wurde ein Pretest durchgeführt und der Fragebogen erneut angepasst. Die im Rahmen der Bachelorarbeit durchgeführte Befragung mit Hilfe eines Fragebogens stellt eher den Ansatz einer qualitativen Forschungsmethode dar, da die Fragen zum größten Teil offen formuliert waren.
Bei einer qualitativen Forschung werden sprachlich oder textlich erworbene Informationen aus Gesprächen oder Fragebögen verarbeitet. Der Fokus liegt dabei auf dem Interesse nach der subjektiven Meinung einer Person. Die Umfrageteilnehmer sollen sich zu dem was sie erlebt haben oder denken selber äußern dürfen. So können die Erkenntnisse am Ende bei der Auswertung in Worten dargestellt werden und nicht wie bei der Erhebung einer quantitativen Umfrage meist üblich in Zahlen, Statistiken und Grafiken.5 Offene Fragen ähneln typischen Interviewfragen und ermöglichen dem Teilnehmer sich ausführlich und subjektiv zu äußern. Allerdings sind sie in der Auswertung schwer ska-
6 lierbar und es besteht die Gefahr der Interpretation. Geschlossene Fragen hingegen, wie Multiple-Choice-Fragen, sind leicht und eindeutig auszuwerten.6
Der Fragebogen wurde in schriftlicher Form verfasst und anschaulich in Farbe und passenden Bildern zum Thema gestaltet. Der Rücklauf bei schriftlichen Befragungen ist oft höher und zum anderen war diese Methode durch die aktuelle Situation, den Lockdown, angeordnet aufgrund der Corona-Virus-Pandemie, realisierbarer als persönliche Befragungen. Genutzt wurden hier die Social Media Kanäle, sowie das Versenden des Fragebogens per E-Mail.
Erstellt wurde der Fragebogen mithilfe des Programms „Google Drive“, der Anbieter stellt eine Reihe an Vorlagen kostenlos zur Verfügung, die dann individuell und nach eigenen Bedürfnissen erstellt und gestaltet werden können. Ein eigens dafür angefertigter Link erleichtert das Verbreiten und Verschicken des Fragebogens.
Zudem wurde der Fragebogen beabsichtigter Weise so gestaltet, dass die Teilnehmerinnen, hier ausschließlich Frauen, einen Mehrwert daraus ziehen konnten. Der Fragebogen stellt gezielt Fragen, durch die sich die Frauen mit ihren vergangenen Geburten bewusst auseinandersetzen und diese hinterfragen mussten. Sie wurden dadurch im besten Fall auf Begebenheiten und Ereignisse gestoßen, die ihnen vorher nicht bewusst oder in anderem Zusammenhang von Bedeutung gewesen waren.
Es wurden nur vollständig ausgefüllte Fragebogen in die Auswertung einbezogen. Des Weiteren wurde die Umfrage nur mit Müttern mit leiblichen Kindern durchgeführt, die zum Zeitpunkt der Datenerfassung im Alter zwischen 0-5 Jahren waren.
Fragebogen die inkorrekt ausgefüllt waren, d.h. bei denen unklar war, welche Möglichkeit angekreuzt wurde oder deren Aussagen widersprüchlich waren, flössen nicht in die Auswertung ein. Der Fragebogen war anonym und bedurfte daher keiner Datenschutzerklärung oder ähnlichem.
Die Umfrage wurde im Zeitraum vom 25.01.-25.03.2021 durchgeführt. Der Fragebogen wurde als externer Link in fünf Facebook-Gruppen rund um das Thema Schwangerschaft, Geburt und Baby geteilt. In diesen Gruppen sind ausschließlich Mütter, verteilt auf ganz Deutschland. Die Gruppen haben jeweils ungefähr eine Teilnehmerzahl
von 500-1000 Frauen. Somit war jede der Gruppenmitglieder eine potenzielle Teilnehmerin, die die Teilnahmekriterien voll erfüllte.
Weitere Fragebögen wurden an Mütter aus dem Bekannten- und Freundeskreis verschickt.
Im Rücklauf wurden 223 vollständig ausgefüllte von insgesamt 227 Fragebögen gezählt.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
2 Die Mutter-Kind-Bindung
Das Verhalten eines Säuglings ist vom Tag seiner Geburt an darauf ausgerichtet, eine erwachsene Bezugsperson an sich zu binden, da es auf die Versorgung und Pflege durch einen Erwachsenen angewiesen ist. Um seine Bedürfnisse auszudrücken bleibt dem Kind vorallem im ersten Lebensjahr nur Schreien, Weinen oder seine Mimik. Die Bezugsperson - in den meisten Fällen sind das Mutter oder Vater -, reagiert auf diese Signale, nimmt die Bedürfnisse des Säuglings wahr, stillt sie und gibt ihm somit die nötige Sicherheit für seine Entwicklung und das Entdecken der Welt.7
Der Verhaltensforscher Harry Harlow untersuchte in den 1960er Jahren an der University of Wisconsin bereits das Verhalten vonjungen Rhesusaffen, die von ihren Müttern getrennt wurden. Harlow wollte wissen, welche der Attrappen, die er ihnen stattdessen als Elternersatz zur Verfügung stellte, die Affen bevorzugten. Die eine Attrappe war ein kahles Drahtgestell, das jedoch Milch gab, das andere gab keine Nahrung, war aber weich und anschmiegsam. Das Ergebnis zeigte eindeutig, dass die jungen Affen Zuwendung der Nahrung vorzogen und die weiche Ersatzmutter wählten.8
Zu eben dem selben Ergebnis kam um etwa die gleiche Zeit der britische Psychoanalytiker John Bowlby (1907-1990). Er gilt als Begründer der Bindungsforschung und war einer der ersten, der auf dem Gebiet der kindlichen Entwicklung interdisziplinär geforscht hat. Nachdem Bowlby die Erkenntnisse aus der Medizin, der Biologie und weiteren wissenschaftlichen Bereichen zusammengetragen hatte, kam er zu dem Ergebnis, dass Säuglinge aufgrund ihres biologisch verankerten Verhaltenssystems von Anfang an eine Bindung zu der Person aufbauen, die sich dauerhaft um sie kümmert und somit ihr Überleben sichert.9
Bowlby war der Ansicht, dass ein Neugeborenes die angeborene Fähigkeit besitzt, eine Bindung zu einer Bezugsperson herstellen zu können. Ein Kleinkind verfügt, so Bowlby, über ein motivationales System. Dieses System befähigt es dazu, Zuwendung, Schutz oder Beruhigung von der Bezugsperson einzufordern, wodurch das Neugeborene wiederum sein Überleben sichert und es ihm auf der anderen Seite auch die nötige Auseinandersetzung mit der Umwelt (Exploration) ermöglicht. Nach Bowlby bedingen sich Mutter und Kind wechselseitig, ebenso wie sie sich in ihrem eigenen, zusammengehörenden System selbst regulieren können.10
In der Entwicklungspsychologie bezeichnet Bindung die enge emotionale Beziehung zwischen Menschen, hier vorrangig die eines Kindes zu seinen Eltern.
„Sie Hegt in den Emotionen verankert und verbindet das Individuum mit diesen besonderen Bindungspersonen über Raum und Zeit hinweg. Darüber hinaus wird als Bindung auch die intensive Beziehung erwachsener Menschen bezeichnet. Die individualisierte Bindung heißt Liebe“.11
Somit ist Bindung ein Teil des komplexen Systems der Beziehung.
Jeder Mensch hat ein Grundbedürfnis nach tiefen emotionalen Beziehungen, das unabhängig vom Nahrungstrieb existiert und nicht durch anderweitige Ersatzmittel befriedigt werden kann. Das Grundbedürfnis nach Bindung steht für den Wunsch, enge zwischenmenschliche Beziehungen eingehen zu wollen, um sich sicher zu fühlen und als liebesfähig und liebenswert angesehen werden zu können.12
Kommt es nach der Geburt eines Kindes nicht unmittelbar zu engem Körperkontakt mit der Mutter, so nahmen Forscher lange Zeit an, dass sich die Bindung zwischen Mutter und Kind nicht entwickeln kann.13
Ainsworth, die heraus fand, dass das Band (bond) zwischen Mutter und Kind unmittelbar nach der Geburt, durch das sogenannte Bonding, dem ersten engen Körperkontakt zwischen Mutter und Kind, entsteht, sagt jedoch, dass Bonding auch noch in den folgenden Tagen nach der Geburt durch engen Körperkontakt nachgeholt werden oder auch durch eine andere Bezugsperson, wie beispielsweise dem Vater stattfinden kann.14 In einer deutschen Vergleichsstudie diesbezüglich konnten Grossmann und Grossmann Ainsworths Theorie nachweisen:
Sie bestätigten, dass auch Mütter, die keinen unmittelbaren Körperkontakt zu ihrem Neugeborenen nach der Geburt hatten, eine Bindung zu ihrem Kind aufbauen können, jedoch sollte hierfür der enge Körperkontakt in den folgenden Tagen nachgeholt werden.15
„Kinder brauchen von Geburt an verlässliche Beziehungen. Sonst leiden sie 'womöglich noch als Erwachsener an der Erfahrung 'von emotionaler Unsicherheit“.16
2.1 Die erste Bindung an die Mutter
„Eine Muller und ihr Kind- ein Urbildfür Liebe, Glück und Wärme. Auch heute
noch“.17
Nicht nur die ersten Lebenstage des Säuglings, sondern bereits die Schwangerschaft und die Geburt spielen nachweislich eine tragende Rolle in Bezug auf die Mutter-KindBindung und ihren Verlauf, wie Götze und auch Harms beschreiben:
Ein Baby nimmt schon pränatal den Herzschlag und die Stimme der Mutter wahr und somit ist sie die erste mögliche Bindungsperson für das Kind.18 19
„Es ist durch neun Monate -währende Schwangerschaft auf eine -vollkommen umschließende Geborgenheit derMutter geprägt und an sie gewöhnt“.20
Nach der Geburt erkennt der Säugling die Stimme seiner Mutter wieder und fühlt sich somit bei ihr sicher und geborgen. Bei einer komplikationslos verlaufenden Geburt wird das Neugeborene der Mutter unmittelbar danach mit direktem Hautkontakt auf den Bauch gelegt, was den Beginn der Bindung zwischen Mutter und Kind darstellt, denn wie bereits beschrieben, sind diese ersten Minuten zwischen Mutter und Kind wertvoll für den weiteren Bindungsverlauf. In den ersten Wochen und Monaten entwickelt und vertieft sich die Bindung dann in einem wechselseitigen Prozess zwischen Mutter und Kind und ist nicht mehr rückgängig zu machen.21
2.1.1 Fürsorgeverhalten und Muttergefühl
Gaschler und Buchheim beschreiben in ihrem Buch, dass die meisten Mütter instinktiv die Fähigkeit besitzen, positiv mit ihrem Kind zu interagieren. Diese Fähigkeit jedoch kann in unterschiedlichen Phasen unterbrochen werden.22
So konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass Säuglinge von depressiven Müttern, bereits mit wenigen Monaten unterschiedliche Interaktionserfahrungen gemacht hatten.23
Diesen Nachweis liefert auch die sogenannte „Still-face“-Situation.
„Still-face“ bezeichnet ein im Jahre 1978 von Edward Tronick entwickeltes Experiment, bei dem die Mutter für eine kurze Zeit in ihrer Mimik erstarrt und die Reaktionen des Babys daraufhin beobachtet werden. Durch mehrere fehlgeschlagene Versuche eine Reaktion bei der Mutter hervorzurufen, wurden die Babys erregt. Sie versuchten zuerst durch Lachen und Greifen nach der Mutter, bis hin zu einer abwendenden Haltung und Weinen diese wieder „zurückzuholen“. Dabei wurde gezeigt, dass Babys von depressiven Müttern eine geringere Reaktion auf das „Still- face“ zeigten. Weitere Untersuchungen in diesem Experiment haben gezeigt, dass Kinder, deren Eltern nicht auf deren Bedürfnisse als Säuglinge eingingen, mehr Schwierigkeiten haben anderen Menschen zu vertrauen und ihre eigenen Emotionen zu regulieren.24
Damit Mutter und Kind eine gegenseitige innige und andauernde Beziehung zueinander aufbauen können und das Kind sich geistig und seelisch gesund entwicklen kann, spielt das Fürsorgeverhalten der Mutter zum Kind in den ersten Lebensjahren eine wesentliche Rolle.25
Alltägliche Zuwendungen der Mutter, die sie ihrem Kind durch inniges Stillen oder dem abendlichen Zubettgeh-Ritual gibt, zeigen dem Kind bereits, dass es wertvoll und wichtig ist.
Kommt es zu einer sehr frühen Trennung zwischen Mutter und Kind, so bedeutet dies nach Largo26 für die Mutter-Kind-Beziehung jedoch nicht, dass eine Mutter ihr Kind nicht mehr annehmen kann, da der Bindungsvorgang beim Menschen kein ’’zeitgebundenes Reflexgeschehen“ ist (dieses Phänomen findet sich beispielsweise bei gewissen Huftieren). Beim Menschen ist ein Beziehungsaufbau auch nach einiger Zeit möglich, wird dann jedoch wiederum maßgeblich durch Hautkontakt und Zusammensein unterstützt.
Schöne und Herrmann27 geben einen wichtigen Aspekt zum Aufbau des Muttergefühls zu bedenken, indem sie die Wichtigkeit einer guten und vertrauensvollen Unterstützung, sowohl während der Geburt als auch während der ersten Zeit mit dem Kind hervorheben, was einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung des Muttergefühls hat. Wird eine Mutter von einer Person liebevoll versorgt und umsorgt, so wirkt sich das auf ihre Fähigkeit aus, ihr Kind ebenso liebevoll versorgen zu können.28
Auch Gaskin29 hebt das soziale Umfeld als wichtige Voraussetzung zur Entwicklung des Muttergefühls hervor. Im Speziellen verweist sie hier auf erfahrene Frauen, die mit der Mutter in einem vertrauensvollen Verhältnis stehen und selbst positive Erlebnisse in Bezug auf das Muttersein aufweisen können.
Ahnert30 betont die Entwicklung der Mutterliebe, welche sich durch besondere Fürsorge und Selbstaufopferung dem Neugeborenen gegenüber präsentiert und maßgeblich durch das Hormon Oxytocin, dem Bindungshormon mitbestimmt wird. So gelingt der Mutter auch die Fähigkeit im Umgang mit Stress, z.B. Schlafmangel und Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse wird durch dieses Hormon leichter.
Daraus lässt sich schließen, dass das Bindungshormon Oxytocin in der Rollenfindung der Frau als Mutter und während des Kennlernprozesses zwischen Mutter und Kind eine große Rolle spielt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Muttergefühls ist die Intuition. Die meisten Mütter stellen sich intuitiv auf die Bedürfnisse ihres Kindes ein.31 Das bedeutet, dass sie in-
13 stinktiv wahrnehmen, was ihr Kind braucht und wie sie am besten mit ihm in Kontakt treten können.
Die intuitive Fähigkeit der Mutter im Umgang mit ihrem Kind kann durch Erlebnisse, die Ängste und Unsicherheiten verursachen, leicht gefährdet und gestört werden.32 Somit hängt die Stärkung der Intuition im Umgang mit dem Neugeborenen wesentlich davon ab, wie konstant der Kontakt zwischen Mutter und Kind von Geburt an ist, bzw. erhalten bleibt und wie geborgen und sicher sich die Mutter fühlt.33
2.2 Die sichere Bindung
„Die gesunde Bindungsentwicklung des Säuglings zeichnet sich dadurch aus, dass er durch vielfältige feinfühlige Interaktionserfahrungen mit der Mutter bzw. dem \aler oder anderen Bindungspersonen während des ersten Lebensjahres beginnt, sich an diese zu binden“.34
Der Säugling entwickelt in dieser Zeit eine Bindungshierarchie. Entsprechend macht er denjenigen zu seiner Hauptbindungsperson, die sich besonders feinfühlig um ihn kümmert.35 D.h. der Säugling entwickelt im Laufe des ersten Lebensjahrs eine spezifische emotionale Bindung an eine Hauptbindungsperson.
„Diese emotionale Bindung sichert das Überleben des Säuglings und kann auch als „sicherer emotionaler Hafen “ bezeichnet werden“36
Daher kann man der mütterlichen Feinfühligkeit, mit der sie sensibel auf die Bedürfnisse des Säuglings eingeht, einen hohen Stellenwert zuordnen.
„Ist das Baby geboren, wird die Entstehung einer sicheren Bindung durch liebevolle Zuwendung und Ansprache, Körperkontakt (zum Beispiel durch Tragen, Kuscheln, Babymassage), Stillen nach Bedarf und Ernähren nach dem Bedürfnis des Kindes bei ge-
sundem Nahrungsangebot, Co-Sleeping (Nähe zu den Eltern beim Schlafen) und der
Unterstützung der Schutz-, Explorations- und Autonomiebestrebungen des Kindes ge-
fördert“.37
Der Kreis der Sicherheit
Die Bindungsperson ist die sichere Basis für das Kind, wenn es die Umwelt erkundet (obere Kreishälfte) und der sichere Hafen, wenn es überfordert ist und Hilfe braucht (untere Kreishälfte). .
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Der Kreis der Sicherheit
Die Bindung vom Kind an die Eltern (Attachment) kann wie ein Sicherheitssystem gesehen werden. Das Kind baut sein Urvertrauen auf, indem es sich auf der Suche nach Schutz und Sicherheit an seine Bindungsperson wendet.38
Kommt es zu einer Trennung zwischen dem Kind und seiner Bezugsperson, reagiert ein sicher gebundenes Kind zunächst mit Angst, es weint und ruft nach seiner Bindungsperson. Kommt diese zurück, zeigt das Kind einen deutlichen Wunsch nach Körperkontakt, es beruhigt sich nach kurzer Zeit und kann sich von der Bindungsperson wieder lösen.39
Bereits während der Schwangerschaft beginnt der Aufbau der Mutter-Kind-Bindung. Alle Erfahrungen die hierbei von der Mutter gemacht werden, beeinflussen die zukünftige Bindung zum Kind.40
Das heißt, der Grundstein für eine sichere Bindung wird gelegt, indem die Mutter eine weitestgehend angst- und sorgenfreie Schwangerschaft und Geburt erlebt, ausreichend Unterstützung erfährt und sich nach der Geburt feinfühlig den Bedürfnissen des Säuglings widmet.
Zugleich zu der Sicherheit, die eine Bindungsperson dem Kind geben muss, braucht das Kind auch Freiheit, damit es sich von der Bindungsperson wegbewegen und exploderen kann. Dies schafft eine sichere emotionale Bindung, auf deren Grundlage die Kinder Belastungen im Leben bewältigen können.41
2.3 Zusammenfassung
Jeder Mensch hat ein Grundbedürfnis nach emotionalen Beziehungen, das durch enge zwischenmenschliche Beziehungen und das Gefühl geliebt zu werden - sprich durch Bindung an eine Bezugsperson - erfüllt wird.
Diese Bindung, speziell zwischen Mutter und Kind, beginnt schon in der Schwangerschaft und wird durch den ersten Körperkontakt nach der Geburt, dem sogenannten Bonding geprägt.
John Bowlby gilt als der Begründer der Bindungstheorie und seiner Ansicht nach bedingen sich Mutter und Kind wechselseitig, ebenso wie sie sich in ihrem zusammengehörendem System selbst regulieren und so gemeinsam eine Bindung zueinander aufbauen.
Ist der Grundstein aus Liebe, Fürsorge und Bedürfnissen gegenüber dem Neugeborenen von Seiten der Mutter gelegt, so kann eine sichere Mutter-Kind-Bindung entstehen.
Hierfür spielen die Schwangerschaft und Geburt eine große Rolle. Verläuft diese für die Mutter nicht stressfrei und komplikationslos, kann die Entstehung der Bindung gefährdet sein.
Bindung ist elementar und lebenswichtig. Kann die Bindung zwischen Mutter und Kind nicht entstehen oder wird sie durch äußere Faktoren gestört, kann dies ausschlaggebend für die weitere Entwicklung des Kindes sein.
Im weiteren Abschnitt der Bachelorarbeit gilt es nun zu prüfen, ob eine von der Mutter als traumatisch erlebte Geburt einen solchen äußeren Faktor darstellen kann, der die Mutter-Kind-Bindung beeinflusst.
3 Das Geburtstrauma der Mutter
Während der Schwangerschaft, der Geburt und auch dem Wochenbett findet in Deutschland eine intensive gynäkologische, ärztliche und von Hebammen geleitete Betreuung statt. Dabei liegt die Gesundheit des Fötus und späteren Neugeborenen im Vordergrund.
Die psychosoziale Betreuung der Mutter in der prä- und postnatalen Zeit dagegen bekommt kaum Aufmerksamkeit, wobei in dieser Zeit lebensverändernde Prozesse bei ihr stattfinden, die eine akute oder chronische Stressbelastung sein können.42
Im Folgenden wird schwerpunktmäßig auf das traumatische Empfinden der Geburt aus der Sicht der Mutter eingegangen, nicht aus der des Kindes, wobei hier aufgrund der Symbiose zwischen Mutter und Kind keine klare Trennung stattfinden kann.
Das griechische Wort „Trauma“ bedeutet „Verletzung“. Es kann ein körperliches Trauma wie vergleichsweise eine Wunde sein oder ein psychisches Trauma, das durch eine erhebliche seelische Belastung und/oder eine unzureichende Bewältigungsmöglichkeit entstehen kann.43
Die Geburt wird als Austreibungsvorgang des Kindes aus dem Mutterleib beschrieben. Sie beginnt mit dem regelmäßigen Einsetzen rhythmischer Uteruskontraktionen und hat bei einer physiologischen Geburt drei Phasen. Die Eröffnungsperiode, die Austreibungsperiode und Nachgeburtsperiode.44 Daraus lässt sich folgern, dass ein Geburtstrauma einen durch den Geburtsakt entstandenen seelischen oder körperlichen Schaden bei Mutter und/oder Kind vergleichsweise durch eine Geburtsverletzung oder eine Störung des Geburtsverlaufes auslösen kann.
Es konnte beobachtet werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer Geburtskomplikation steigt, je mehr Stress und mögliche vorangehende Traumata die Mutter in der PränatalZeit erlebt hat. Auch die Frage, ob eine Schwangerschaft gewollt war oder nicht, kann Einfluss auf den Geburtsverlauf haben. Lukesch bestätigt, dass Frauen, die geplant schwanger waren, weniger somatische Beschwerden in der pränatalen Zeit aufwiesen und die Geburt komplikationsfreier verlief, als bei Frauen mit einer ungeplanten Schwangerschaft.45
Es konnte festgestellt werden, dass Frauen, die psychoprophylaktisch auf die Geburt vorbereitet wurden, einen besseren Verlauf der Schwangerschaft und der Geburt sowie eine höhere postnatale Leistungsfähigkeit aufzeigten. Sie konnten sofort eine konstante Beziehung zu ihrem Kind aufbauen, da sie nicht noch mit der Verarbeitung der Geburt beschäftigt waren.46
3.1 Mögliche Ursachen eines Geburtstraumas
Das Thema des Geburtstraumas ist nicht im direkten Sinn ein Tabuthema, aber ein in der Gesellschaft bisher nur wenig diskutiertes und mit wenig Verständnis für die Frauen behängtes Thema. In unserer Gesellschaft vertritt man immer noch stark die Meinung, nur die Gesundheit des Säuglings zähle und hat die Mutter soeben ein gesundes Neugeborenes zur Welt gebracht, sollte sie nur noch Glück und Dankbarkeit empfinden, ganz gleich wie die Geburt verlaufen ist. Nicht selten sind Frauen aber mit der eben erlebten Geburt überfordert. Sie beginnen an sich selbst zu zweifeln, ob sie überhaupt eine gute Mutter sein können.
„Rundjede siebte Frau leidet im ersten Jahr nach der Geburt unter Depressionen oder Angststörungen“4748
In Social Media Kanälen oder Blogbeiträgen findet man zusehends immer mehr Beiträge von betroffenen Frauen, die über traumatisch erlebte Geburten berichten. In einem Artikel einer Familienzeitschrift aus dem Jahre 2018 steht geschrieben:
„Was die Berichte der Frauen allemal zeigen: Ein Geburtstrauma können nicht nur die Babys erleiden, sondern auch dieMamas - eine Erkenntnis, die bis vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre“.[43]
Gründe für das Entstehen eines aus Sicht der Mutter traumatischen Geburtserlebnisses wurden in der groß angelegten Picker Studie „Picker Report 2017“ erforscht. Hier wur
den 9600 Mütter befragt, die in den Jahren 2014 bis 2017 an deutschen Kliniken ihr Kind entbunden haben. Das Ergebnis lautete, dass rund 9% dieser Frauen, die an großen Kliniken mit über 2000 Geburten im Jahr ihr Kind bekommen hatten, ihre Geburtserfahrung als mittelmäßig oder gar schlecht bezeichneten. In Kliniken mit unter 1000 Geburten pro Jahr, lag die Zahl bei 5%.49
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Betreuung durch Hebammen im Kreißsaal / Mittelmäßige oder schlechte Gesamterfahrung mit der Betreuung im Kreißsaal
Der Grund für dieses Ergebnis ist darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Kreißsäle sinkt. 2017 sei sie bereits um über 40 Prozent seit 1991 zurückgegangen und die Versorgung wird immer stärker auf große Geburtskliniken konzentriert, wie beim deutschen Hebammenverband nachzulesen ist.50
Die Krankenkassen sind seit mehreren Jahren darauf fokussiert, ihre Ausgaben zu verringern, während die Klinikbetreiber darauf aus sind, ihre Erträge zu steigern. Im Zuge
20 dieser Ökonomisierung des Gesundheitswesens, kam es in den letzten Jahren zu vielen Klinikschließungen oder auch voranging zu Schließungen der Geburtsstationen. Zudem ist eine Geburtsstation für eine Klinik nur dann rentabel, wenn zum einen genügend Geburten stattfinden und diese zum anderen dabei möglichst viel Geld einbringen.51 Eine Kaiserschnitt-Operation beispielsweise wird einer Klinik von den Krankenkassen mit bis zu 1000 Euro mehr vergütet, als eine spontan Geburt und ist so ökonomisch rentabler.52 53
„Besonders bedenklich ist dabei, dass es in der Fallpauschalenlogik für natürliche Geburtsverläufe, die viel Zeit, aber wenig technische Intervention verlangen, vergleichsweise wenig Geld gibt. Das führt dazu, dass sich geburtshilfliche Abteilungen mit einer geringen Interventionsrate und wenigen Frühgeburten nicht rechnen und sich das Angebot immer mehr auf spezialisierte Versorgungszentren konzentriert“."
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sich für die Kliniken nur dann eine Geburt rentiert, wenn möglichst wenig Zeit investiert wird und so viele Interventionen wie möglich stattgefunden haben.
Des Weiteren gaben die Mütter der Picker Studie an, schlechter über die Ernährung des Säuglings informiert worden zu sein und weniger Unterstützung erfahren zu haben, je größer die Klinik war. Auch fehlendes Personal und unverständliche Antworten sind Probleme, die eher bei Geburten in größeren Krankenhäusern auftraten.54
Auf dem Mama-Blog „stadtlandmama.de“ schildert in einem Gastbeitrag eine junge Mutter ihre als traumatisch erlebte Geburt. Sie kam mit einem Blasensprung ins Krankenhaus und bekam direkt eine PDA, da der Muttermund sich nicht öffnete. Sie hätte daraufhin neun Stunden lang Presswehen gehabt und sei immer schwächer geworden.55 Sie erzählte: „Viele Arzte kamen, es wurde geschnitten, mit der Saugglocke hantiert, zwei Hebammen pressten auf meinen Bauch... Ich fühlte mich einfach nur elend. Abgesehen von meinen schweren vaginalen Verletzungen, konnte ich keinerlei Freude über
[...]
1 Sahib, T„ 2016
2 Schindler, S., 1982
3 Gerald Hüther, 2003
4 vgl. Scribbr, o.A., o.J.
5 vgl. Surveymonkey.de, o.J.
6 dito
7 vgl.WunderK.,2021
8 vgl. Buchheim in: Gaschler/Buchheim, 2014
9 vgl. Becker-Stoll, 2018
10 vgl. Brisch, 2013
11 Herbst, 2012,o.S.
12 vgl. Brisch, 2013
13 vgl.Grossmann/Grossmann,2011
14 dito
15 dito
16 Buchheimin:Gaschler/Buchheim2012
17 Götze, 2012,S.13
18 vgl. Götze, 2012
19 vgl. Harms, 2008
20 Götze, 2012,S.29
21 vgl. Harms, 2008
22 vgl. Gaschler/Buchheim, 2012
23 vgl.Castello,2011
24 vgl. Gregory, 2020
25 vgl. Brisch, 2013
26 vgl. Largo, 2011
27 vgl. Schöne und Herrmann, 2011
28 dito
29 vglGaskin,2012
30 vgl. Ahnert,2010
31 vgl.Largo 2011
32 vgl.Gaskin2012
33 vgl.SchöneundHerrmann2011
34 Brisch, 2014,S23
35 vgl. Brisch, 2014
36 Brisch, 2015, S, 12
37 Herbst, 2009,o.S.
38 vgl. Brisch, 2015
39 vgl. Brisch, 2013
40 vgl. Herbst, 2009
41 vgl.Becker-Stoll,2018
42 vgl. Wurmser, 2007
43 vgl. Hildebrandt, 2004
44 dito
45 vgl. Lukesch, 1982
46 vgl. Fijalkowski, 1982
47 Gaschler, 2012, S. 76
48 Bunte.de, 2018, o.S.
49 vgl. Picker Report 2017, 2017
50 vgl. Deutscher Hebammen Verband, 2017
51 vgl. Deutscher Hebammen Verband, 2017
52 vgl. Grenz, 2021
53 Deutscher Hebammen Verband, 2017
54 vgl. Picker Report 2017
55 vgl. Nachtsheim, 2016
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