Die Märchenhexe. Verschiedene Hexenbilder in den Märchen der Brüder Grimm


Studienarbeit, 2020

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definitionen

3 Hexenverfolgung

4 Hexenfiguren in den Märchen der Brüder Grimm

5 Fazit: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Mittelalter verfolgt, gefoltert und verbrannt, hat sich die Hexenfigur nicht nur in die Albträume der Menschen geschlichen, sondern auch in die unterschiedlichsten Geschichten und Erzählungen und ist heute aus der Literatur nicht mehr wegzudenken. Der Glaube an Menschen, die in Verbindung mit bösen und übernatürlichen Mächten stehen und über spirituelle Fähigkeiten verfügen, ist kulturell übergreifend seit jeher verbreitet: „Kräuterfrauen, Medizinmänner, Schamanen […] hatten und haben […] immer mit Kräften zu tun, […] die sich dem modernen naturwissenschaftlichen Denken verschließen.“1 Durch die Angst vor dem Unerklärlichen und Fremden ergab sich bereits in der Antike ein stark negativ belastetes Bild von Magie, die nicht in christlich religiösem Kontext stand. Auch in der Bibel wird zwischen legitimer Magie, welche von Priestern und Propheten durchgeführt wurde und unautorisierter religiöser Praxis, die oft in Verbindung mit dem Heidentum stand, unterschieden.2 Der europäische Begriff Hexe wurde zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert durch Hexenverfolgung und Hexenprozesse nahhaltig geprägt, da man davon ausgegangen ist, dass jene Frauen Übel und Schaden verbreiteten.3

Durch die romantische Poetik wurde das Hexenbild erstmals aufgewertet. Das Mysteriöse, Geheimnisvolle und Morbide gewann zur Wende des 19. Jahrhunderts neues literarisches Interesse.4 Die Romantiker wollten mithilfe jener Literatur dazu auffordern, das Altbekannte aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, was dazu führte, dass das rationalistische Hexenbild von dem der mystischen Hexenfigur abgelöst wurde.5

Diese neue Sichtweise wurde von verschiedensten Literaten des 18. und 19. Jahrhunderts verarbeitet und bekam im Jahr 1812 einen gewichtigen Platz in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm.6 Sie gehören heute zu den meist gelesenen und übersetzten Werke der deutschen Literatur, wurden etliche Male verfilmt, neu adaptiert und sind fast überall bekannt.7

Welche unterschiedlichen Ausprägungen und Charakteristika die Märchenhexe in den Geschichten der Brüder Grimm hat, soll in dieser Arbeit thematisiert werden. Dazu erfolgt zunächst eine Erläuterung der Gattung Märchen und des Begriffs Hexe. Daraufhin soll die Geschichte der europäischen Hexenverfolgung aufgegriffen und Merkmale früherer Hexenbilder herausgearbeitet werden. Anschließend erfolgt eine Analyse der unterschiedlichen Hexenfiguren in den Märchen der Brüder Grimm anhand der Märchen Hänsel und Gretel, Schneewittchen und Frau Holle. Zuletzt werden die verschiedenen Hexentypen miteinander verglichen.

2 Definitionen

2.1. Gattung: Märchen

Die Grundlage des Begriffs Märchen bildeten die Substantive māri, was im Althochdeutschen Nachricht, Kunde, Erzählung bedeutet und mārī mit den Bedeutungen Berühmtheit, Rede, Kunde. Ab dem 9. Jahrhundert wurden diese Begriffe in dem mittelhochdeutschen Wort Märe (maera, mär) zusammengefasst und waren bis ins 19. Jahrhundert gebräuchlich.8 Zwischen den Jahren 1350 und 1600 beschrieb das Wort Mär eine spannende Prosadarstellung und galt bis ins 17. Jahrhundert als Begriff für eine fiktive Erzählung. Märchen liegt als Deminutiv von Mär dem Wort Märlein zugrunde, welches ab dem 18. Jahrhundert jedoch keine Verwendung mehr fand.9

Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache definiert Märchen als eine „auf Volksüberlieferungen beruhende, oft auch als literarisches Kunstwerk gestaltete, kurze Erzählung, in der von wunderbaren und phantastischen Begebenheiten berichtet wird.“10 Märchen beschreibt einen Gattungskomplex, der sich in viele verschiedene Bereiche gliedert, darunter z.B. Tier-, Legenden-, Rätsel- und Zaubermärchen. Letztere handeln meist von Phantastischem und sehen dieses als selbstverständlich an. Fabelwesen und Magie treten als natürliche Gegebenheiten der Märchenwelt auf und der Held oder die Heldin stehen ihnen aufgeschlossen gegenüber. Weitere Merkmale, anhand derer Märchen identifiziert werden können sind neben den phantastischen Elementen, die realen Gegebenheiten und Alltagserfahrungen der Protagonisten (z.B. Familiengeschichten und -hierarchien). Darüber hinaus existieren typische Stilmittel wie Einleitungs- und Schlussformeln wie z.B. Es war einmal, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.11 Des Weiteren gelten unter anderem ein Happy End, eindimensionale Figuren und eine klare Strukturierung (Mangelsituation am Anfang, der Held/die Heldin geht auf ein Abenteuer) als typische Merkmale der Märchenliteratur.12 Ein Unterschied zur Gattung Sage besteht zum Beispiel darin, dass das Phantastische, anders als im Märchen, in der Sage nicht als selbstverständlich angesehen wird und oft das Happy End fehlt. Ähnlich verhält es sich mit der Legende, die anders als die Sage jedoch Antworten auf die überirdischen Geschehen gibt.13

2.2. Begriff: Hexe

Hagazussa ist der althochdeutsche Begriff für Hexe, der ein Kompositum darstellt, dessen Bestimmungswort aus dem unter Hag behandelten Substantiv besteht, was „Hecke“ bedeutet.14 Er beschrieb ursprünglich zumeist eine Frau, die tief im Wald lebte. Sie stellte das Bindeglied zwischen der menschlichen Kultur und der Wildnis und ihren Geschöpfen dar. Die Hagazussa war eine weise Frau, die auf einer Hecke lebte, die zwischen dem Wald/der Wildnis und der menschlichen Gemeinschaft lag und dadurch sowohl den Menschen, als auch der Natur eng verbunden war.15 Durch kirchlichen Aberglauben wurde ab dem 15. Jahrhundert aus der holden Frau eine hässliche, krankheits- und todbringende Zauberin. Von da an wurde mit dem Hexenbegriff eine Beziehung zu bösen Mächten oder ein Bündnis mit dem Teufel in Verbindung gebracht. Lange Zeit wurden Hexen deswegen verfolgt und hingerichtet.16

[...]


1 Rummel, Walter, Voltmer, Rita (2008), „Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit“, Darmstadt, WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), S. 3.

2 Vgl. Deutsche Bibel Gesellschaft, „Hexen (AT)“, bibelwissenschaften.de .

3 Vgl. Rummel, Walter, Voltmer, Rita (2008), „Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit“, Darmstadt, WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), S. 3-4.

4 Vgl. Wiedermann, Felix (2007), „Rassenmutter und Rebellin: Hexenbilder in Romantik, völkischer Bewegung, Neuheidentum und Feminismus“, Würzburg, Königshausen & Neumann, S. 56-57.

5 Vgl. ebd.

6 Vgl. ebd. S. 59.

7 Vgl. Blaha-Peilexx, Nathalie (2008), „Mütter und Anti-Mütter in den Märchen der Brüder Grimm“, Tübingen, Tübinger Vereinigung für Volkskunde e.V., S. 36.

8 Vgl. Pöge-Alder, Kathrin (2011), “Märchenforschung: Theorien, Methoden, Interpretationen“, Tübingen, Narr Francke Attempto Verlag GmbH, S. 24.

9 Vgl. ebd. S. 25.

10 Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, „Märchen“, dwds.de, URL: https://www.dwds.de/wb/Märchen (Letzter Zugriff: 22.02.2021, 23:22).

11 Vgl. Pöge-Alder, Kathrin (2011), “Märchenforschung: Theorien, Methoden, Interpretationen“, Tübingen, Narr Francke Attempto Verlag GmbH, S. 28-29.

12 Vgl. ebd. S. 30-31.

13 Vgl. ebd. S. 37, 40.

14 Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, dwds.de, „Hexe“, URL: https://www.dwds.de/wb/hexen (Letzter Zugriff 22.02.2021, 23:54).

15 Vgl. Arnds, Peter (2015), „In the Company of Witches and Wolves: Biopolitics and Frau Holle from the Grimm Brothers to Hilsenrath”, In: Märchen, Mythen und Moderne: Teil 2“, Inder, Annekatrin (Hrsg.), Frankfurt, Peter Lang GmbH, S.837.

16 Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, dwds.de, „Hexe“.

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Details

Titel
Die Märchenhexe. Verschiedene Hexenbilder in den Märchen der Brüder Grimm
Hochschule
Universität Potsdam  (Germanistik)
Veranstaltung
Literaturwissenschaft
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
16
Katalognummer
V1195865
ISBN (eBook)
9783346639448
ISBN (Buch)
9783346639455
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hexe, Märchen, Grimm, Deutsch, Lehramt, Germanistik
Arbeit zitieren
Annika List (Autor:in), 2020, Die Märchenhexe. Verschiedene Hexenbilder in den Märchen der Brüder Grimm, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1195865

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