Mk 1,16–20 und die Berufung des Elischa durch Elija. Ein Vergleich


Seminararbeit, 2021

26 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhalt

1 Die ersten Anfänge Jesu Wirken

2 Mk 1,16–20: Die Berufung der ersten Jünger
2.1 Text in (kolometrischer Schreibweise)
2.2 Aufbau und Inhalt – Ein Überblick
2.3 Die Berufung des ersten Brüderpaars
2.3.1 Die erste Begegnung Jesu mit Simon und Andreas
2.3.2 „Folgt mit nach“ (17b) – Der Ruf in die Nachfolge
2.3.3 „[D]ie Unbedingtheit der Nachfolge“[1]
2.4 Die Berufung des zweiten Brüderpaars
2.4.1 Die erste Begegnung Jesu mit Jakobus und Johannes
2.4.2 „Und alsbald rief er sie“ (20a) – Der Ruf in die Nachfolge
2.4.3 Der doppelte Bruch

3 Kön 19,19–21: Die Berufung Elischas durch Elija
3.1 Text (in kolometrischer Schreibweise)
3.2 Aufbau und Inhalt – Ein Überblick
3.3 Die Berufung Elischas
3.3.1 Die erste Begegnung Elijas mit Elischa
3.3.2 Der Mantel – Ein „Symbol für das Prophetenamt“[2]
3.3.3 Die Nachfolge Elischas und der Bruch mit seinem bisherigen Leben

4 Mk 1,16–20 und 1 Kön 19,19–21 – Ein Vergleich
4.1 Mk 1,16–20 – Parallelen zur Berufung des Eliaschas durch Elija
4.2 Die Eigenart und spezifischen Akzente von Mk 1,16–

5 Mk 1,16–20 - Eine Nacherzählung oder ein Unikum?

1 Die ersten Anfänge Jesu Wirken

„Jesus beginnt ein Wirken, das sich im Wirken seiner Mitarbeiter ,unter allen Völkern‘ (Mk13,10) fortsetzt.“3 Mit diesen Worten wird darauf hingewiesen, dass die Wirksamkeit Jesu in der Berufung der ersten vier Jünger (vgl. Mk 1,16–20) seinen Anfang nimmt, so bilden doch die an dieser Stelle berufenen Schüler Jesu den Kern der vorösterlichen Jüngerschaft, welche er nicht nur zu sich, sondern „mit sich in die Welt hinein ruft.“4 So sind sie von Beginn an sowohl Begleiter auf seinem Weg zur Passion als auch gleichzeitig Zeugen seiner Verkündigung des Reiches Gottes sowie seines irdischen Wirkens.5

Somit weist diese Stelle für das Christentum eine nicht zu unterschätzende Relevanz auf, welche es in dieser Arbeit darzustellen gilt. Dabei soll vor allem die Frage im Fokus stehen, inwiefern Mk 1,16–20 formale sowie inhaltliche Parallelen zur alttestamentlichen Berufung des Elischas durch Elija aufweist und worin mögliche Unterschiede der beiden Bibelstellen liegen. Im Rahmen des Seminars „Und jetzt geh!“ (Ex 3,10) – Berufungsgeschichten im Alten Testament sowie des darin bereits aufgegriffenen Themenbereichs Berufung(en) im Neuen Testament bieten sich die Analyse sowie die Deutung und der Vergleich beider Textabschnitte äußerst gut an, können so doch in Abgrenzung zu den alttestamentlichen Prophetenberufungen neben den gemeinsamen Aspekten darüber hinaus auch die Besonderheiten der neutestamentlichen Berufungserzählung in Mk 1,16–20 konkret herausgearbeitet und verdeutlicht werden.

Zum Zweck dessen soll nun im Folgenden Mk 1,16–20 genau analysiert und gedeutet werden, um somit die Bedeutung der dabei berufenen Jünger sowie deren Vorbildcharakter für die nachösterliche Mission aufzuzeigen. Daraufhin soll eine ausführliche Untersuchung der Bibelstelle 1 Kön 19,19–21 erfolgen, um somit im Anschluss mittels eines konkreten Vergleichs mögliche Parallelen und Unterschiede der beiden Abschnitte zu ermitteln, auf Basis derer eine Stellungnahme zur bereits angegebenen, zentralen Forschungsfrage erfolgen soll.

Von vielen Autoren wie beispielsweise Eckey, Grundmann und Reuber ist bisher die Stelle aus dem Markusevangelium unter Anwendung verschiedener Methoden vielfach untersucht worden. Grund für die Vielzahl an zu diesem Text bereits vorhandener Literatur ist vermutlich dessen aus seiner Zugehörigkeit zu den vier Evangelien resultierende Wichtigkeit für das Christentum. Hierbei leistet vor allem das Handbuch zum Markus-Evangelium von Reuber einen wichtigen Beitrag, untersucht er doch die zu behandelnde Stelle innerhalb des Markusevangeliums Vers für Vers äußerst ausführlich und genau. Im Vergleich dazu liegt zur zweiten zu behandelnden Textstelle 1 Kön 19,19–21 nicht nur eine geringere Menge an Forschungsliteratur vor, sondern fallen die dazu vorliegenden Analysen größtenteils auch knapper aus. Auffallend ist zudem, dass zu Mk 1,16–20 eine erheblich größere Anzahl an neuerer Literatur existiert als zur Erzählung 1 Kön 19,19–21. Wenn auch in diesem Zusammenhang innerhalb der Forschungsliteratur immer wieder Hinweise und Andeutungen auf vorhandene Parallelen der beiden zu behandelnden Erzählungen vorliegen, wird jedoch äußerst selten mit vorheriger Behandlung der beiden Textstellen selbst anschließend konkret und umfangreich auf deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede eingegangen. Einen entscheidenden Beitrag aber leistet Majoros-Danowski mit seinem Werk Elija im Markusevangelium, in welchem er zumindest ausführlicher als andere Autoren die beiden Texte miteinander vergleicht, jedoch die einzelnen Abschnitte an sich nicht in einem solchen Umfang behandelt, wie dies bei den bereits oben genannten Autoren der Fall ist. Aufgrund dessen und in Abgrenzung zur bereits geleisteten Forschung besteht das spezifische Ziel der vorliegenden Arbeit darin, zunächst beide Bibelstellen separiert sowie ausführlich zu betrachten, bevor auf Basis der daraus resultierenden Erkenntnisse im Anschluss ein Vergleich durchgeführt werden soll.

2 Mk 1,16–20: Die Berufung der ersten Jünger

2.1 Text in (kolometrischer Schreibweise)

16 a Als er aber am Galiläischen Meer entlangging,

16 b sah er Simon und Andreas,

16 c Simons Bruder,

16 d wie sie ihre Netze ins Meer warfen;

16 e denn sie waren Fischer.

17 a Und Jesus sprach zu ihnen:

17 b Folgt mir nach;

17 c ich will euch zu Menschenfischern machen!

18 a Sogleich verließen sie ihre Netze

18 b und folgten ihm nach.

19 a Und als er ein wenig weiterging,

19 b sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, seinen Bruder,

19 c wie sie im Boot die Netze flickten.

20 a Und alsbald rief er sie

20 b und sie ließen ihren Vater Zebedäus im Boot mit den Tagelöhnern

20 c und folgten ihm nach.

2.2 Aufbau und Inhalt – Ein Überblick

Der zu behandelnden Textstelle geht eine Art Prolog (vgl. Mk 1,1–15) voraus, in welchem der Autor des Markusevangeliums sowohl das Auftreten Johannes des Täufers, als auch die Taufe, die Versuchung Jesu sowie dessen erstes Auftreten in Galiläa mit der Verkündigung der nahe herbei gekommenen Königsherrschaft Gottes und dem Aufruf zum Umdenken thematisiert. Mit der darauffolgenden, in Mk 1,16–20 enthaltenen Berufung der ersten Jünger werden nicht nur deren zukünftige Aufgaben beschrieben, sondern zugleich die Gemeinde des Reiches Gottes sowie das öffentliche Wirken Jesu in und um Kapernaum eingeleitet.6 Zum Zweck der Markierung dieses neuen Abschnitts ist auch eine Änderung des Erzähltempos erkennbar: Werden die vorherigen Ereignisse noch in einer Art Zeitraffer dargestellt, werden die nun folgenden Verse Mk 1,16–38 in einem deutlich langsameren Tempo erzählt.7 Daraufhin folgt eine Reihe von Erzählungen, in welchen Jesu Verkündigung in Vollmacht anhand von Heilungen, Wundergeschichten sowie Dämonenaustreibungen demonstriert wird. So erfolgt die Darstellung Jesu Vollmacht in einer für Ringleben typischen Konstellation, zunächst durch die Berufung (vgl. Mk 1,16–20), anschließend durch die Lehre (vgl. Mk 1,21–22) und die Heilungen (vgl. Mk 1,23–2,12).8 Die dadurch entstehende Gemeinde des Reiches Gottes sowie das dabei empfangene, persönliche Heil sind somit unauflöslich mit der Botschaft der Königsherrschaft Gottes verbunden.9

Mk 1,16–20 umfasst dabei zwei analog gebaute Szenen, welche jeweils eine Doppelberufung beinhalten. Während sie dem festen Schema der Erzählung einer Prophetenberufung – die Berufung Elischas durch Elija (vgl. 1 Kön 19,19–21) – folgen, lassen sie sich nach Kollmann in drei Akte10 gliedern. Hierbei besteht der erste Akt in einer Situationsbeschreibung, in welcher Jesus die zu Berufenden sieht und trifft, während sie ihrer Arbeit nachgehen. Daraufhin erfolgt die Berufung durch einen Ruf. Im dritten Akt vollzieht sich der Eintritt in die Nachfolge und die damit zusammenhängende Lösung aus dem bisherigen sozialen Umfeld, wobei die Berufenen dieses verlassen und Jesus unverzüglich und ohne zu zögern nachfolgen.11

Beide Sequenzen spielen, so ist Jesus doch laut Mk 1,14 auf dem Weg nach Galiläa, am Galiläischen Meer, wobei Jesus zunächst auf das Brüderpaar Simon und Andreas trifft, welche gerade dabei sind, die Netzte in das Wasser zu werfen. Bereits bei dieser ersten Begegnung und während der beschriebenen Ausübung ihrer Berufstätigkeit erfolgt Jesu Ruf völlig voraussetzungslos, wobei auf diese Aufforderung unmittelbar das Versprechen Jesu folgt, sie beide in Zukunft zu Menschenfischern zu machen. Daraufhin geben die Berufenen widerspruchslos ihre Arbeit auf, indem sie die Netzte fallen lassen, und schließen sich Jesus an. Im Anschluss erfolgt die parallele Szene der Berufung der Zebedäus-Brüder Jakobus und Johannes, die gleichfalls wie das erste Brüderpaar bei ihrer Arbeit, dieses Mal in einem Boot beim Herrichten und Flicken ihrer Schleppnetze, von Jesus erblickt werden. Auch hier folgt nun die Berufung durch Jesus in die Nachfolge. Während in 18a der Bruch des ersten Brüderpaars mit ihrem bisherigen Beruf erwähnt wird, wird hier am Schluss darüber hinaus auch die Loslösung aus dem familiären und sozialen Umfeld betont, indem Jakobus und Johannes auch ihren Vater mit seinen Tagelöhnern im Boot zurücklassen und Jesus unmittelbar nachfolgen.

2.3 Die Berufung des ersten Brüderpaars

2.3.1 Die erste Begegnung Jesu mit Simon und Andreas

Bereits 16a weist durch sein Lokalkolorit einen bedeutungsvollen Gehalt auf, wenn es heißt, Jesus geht am „Galiläischen Meer“ entlang, wobei damit der See Genezareth gemeint ist, für welchen, wie Klaiber betont, in der griechischen Fassung stets das Wort Meer verwendet werde, welches allerdings der tatsächlichen Größe sowie der Lage des Gewässers nicht gerecht werden würde und daher für den Rezipienten eher irreführend sei.12 Aufgrund seines außenordentlichen Fischreichtums sowie seiner Nähe zu den am Westufer liegenden Städten Kafarnaum, Genezareth, Magdala und Tiberias stellte er für viele der dort angesiedelten Menschen den Lebensmittelpunkt dar. So versuchten sie mit den dort – meist bei Nacht – gefangenen Fischen, welche durch Konservierung haltbar gemacht wurden und somit auch in den östlichen Mittelmeerraum exportiert werden konnten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, was nicht immer mit Erfolg verbunden war.13

Eckey ist zuzustimmen, wenn er in 16a eine Parallele zu dem in Jes 8,23 genannten „Weg am Meer“ sieht, welcher in der Antike als Verbindungsstraße der damaligen Großmächte gegolten und von der wichtigen Routenkreuzung in Damaskus über das Ostjordanland und Galiläa zu den Häfen am Mittelmeer geführt habe. Wie in Jes 9,1 bereits verheißen, bringe die Geburt des göttlichen Kindes Jesus Licht über diejenigen, welche dort, „im finstern Lande“ Galiläa wohnen.14 Das Entlanggehen am See Genezareth, welcher die Grenze zu den Völkern kennzeichnete, deutet aber nicht nur auf die Ankunft Jesu und das mit ihm anbrechende Reich Gottes hin, sondern kann gleichfalls als Grenze zwischen Festland und Wasser und damit zwischen dem gewohnten Umfeld und einer bisher fremden, mit Unsicherheit verbundenen Weite verstanden werden. Diese wird mit der Berufung der vier Jünger im Vertrauen auf Gott überschritten.15

Durch die Verwendung der Erzählperspektive Jesu („sah er“ (16b.19b)) erfolgt eine direkte Übertragung der „Unmittelbarkeit von Jesu Blick“16 auf den Rezipienten, wobei dieser Blick weniger lediglich als bloßes Sehen verstanden werden kann, als vielmehr als eine Art Ersehen, welches gleichzeitig die Auserwähltheit der Brüderpaare, die jeweils in einer Berufung durch Jesus gipfelt, betont.17

[...]


1 Schumacher: Kirche Christi, S. 240.

2 McKenzie: 1 Könige 16 - 2 Könige, S. 166.

3 Grundmann: Markus, S. 42.

4 Bieder: Berufung, S. 15.

5 Vgl. Eckey: Markusevangelium, S. 90.

6 Vgl. Kollmann: Neutestamentliche Schlüsseltexte, S. 70.

7 Vgl. Majoros-Danowski: Elija, S. 174.

8 Vgl. Ringleben: Jesus, S. 335.

9 Vgl. Grundmann: Markus, S. 53.

10 Auch Ernst sieht eine Gliederung in drei Akte vor: Situationsschilderung, Nachfolgeruf sowie Notiz über die Reaktion der Angesprochenen (vgl. Evangelium nach Markus, S. 55), wohingegen Eckey vier Akte vorsieht. (vgl. Markusevangelium, S. 86).

11 Vgl. Kollmann: Neutestamentliche Schlüsseltexte, S. 70.

12 Vgl. Klaiber: Markusevangelium, S. 40.

13 Vgl. Kollmann: Neutestamentliche Schlüsseltexte, S. 71.

14 Vgl. Eckey: Markusevangelium, S. 87f.

15 Vgl. Ringleben: Jesus, S. 335f.

16 Ebd., S. 335.

17 Vgl. Eckey: Markusevangelium, S. 88.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Mk 1,16–20 und die Berufung des Elischa durch Elija. Ein Vergleich
Hochschule
Universität Regensburg
Note
1,00
Autor
Jahr
2021
Seiten
26
Katalognummer
V1195921
ISBN (eBook)
9783346640949
ISBN (Buch)
9783346640956
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mk 1, Berufung, Berufung der ersten Jünger, Brüderpaar, Simon, Andreas, Nachfolge, Jakobus, Johannes, Elischa, Elija, Berufung Elischas, Mantel, Prophet, Prophetenamt, 1 Kön, Mk 1 16-20, 1 Kön 19
Arbeit zitieren
Selina Kreuzer (Autor:in), 2021, Mk 1,16–20 und die Berufung des Elischa durch Elija. Ein Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1195921

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