Der letzte Schuß


Klassiker, 2008

16 Seiten

Elisabeth von Heyking (Autor:in)


Leseprobe


Der letzte Schuß

Wie war es nur gekommen? Wer hatte zuerst vorgeschlagen, von dem Theater aus, wo die Jahresrevue gegeben wurde, noch ein Stündchen beieinander zu bleiben?

Dessen erinnerte sich nachher keiner. Auch Allan nicht.

Auf der Schwelle des Theaters stehend, hatten sie den Gassenhauerrefrain von vorhin, der ihnen allen noch in den Ohren lag, vor sich hingesummt, unschlüssig, in welches Lokal zu gehen.

»In den Klub,« hatte einer gesagt, »'s ist noch das Beste.«

Und sie waren hingegangen und hatten Allan mitgenommen, der sonst den Klub nie besuchte.

Es war etwas getrunken worden. Dann hatte es geheißen: »Wollen doch mal nachsehen, wer heute jeut?«

So hatten sie den Weg in den Spielsaal gefunden.

Eine Bakkaratpartie war im Gange. »Ah, Master ist da,« sagte einer der Neuangekommenen leise, »da kann's was zu sehen geben.«

Man drängte an den Tisch. - Da saßen die Spieler. Die einen interessiert, aber doch kühl und imstande, abzubrechen, wann sie wollten: die Kartenflirter. Die anderen, deren Züge sich zu starren, tragischen Masken verwandelt hatten, deren Augen glühten wie gierige Flammen: die Leidenschaftlichen, für die Spiel einziger Ernst ist.

Mit einemmal saß Allan zwischen ihnen.

Wie war er, der doch seit Jahren keine Karte mehr anrührte, nur an diesen Tisch gekommen? War es, weil er unter den Spielern den Mann erblickt hatte, den er früher einmal in einem ganz anderen Lebensspiele als Gegner vor sich gehabt und überwunden hatte? War es Schicksal, daß er ihn in diesem Kreise unerwartet wiedersah? Mußte er sich noch einmal mit ihm messen und ihm die Gelegenheit zu später Revanche bieten?

Als Graf Masier, aufblickend, sagte: »Sie sind hier, Lord Allan? Haben uns lange nicht gesehen. Setzen Sie gegen mich?« Da klang es ihm wie eine persönliche Herausforderung, der man sich stellen muß. Er nahm die Karten, und sobald er sie in Händen hielt, vergaß er alles andere, und es durchrieselte ihn auch schon das Gefühl, das er seit Jahren nicht mehr empfunden -, war es Schmerz, war es Wonne? Das wußte er nicht, aber es war das eine, das einzige, - wie hatte er es je ohne dies, was allein wirkliches, volles Leben ist, aushalten können?

Ihr Spiel begann.

Allmählich fielen die bloßen Flirter ab. »Ne, Kinder, das ist ein Tempo, wo einem die Puste verjeht,« meinte heimgehend ein Weiser.

Zu einem Rennen ward die Partie, wo weit vor dem übrigen Felde zwei Favorits laufen, mit beinah gleichen Chancen. Sie ward zum Zweikampf, zwei Riesen standen sich gegenüber inmitten einer Schlacht von Pygmäen.

Und die Pygmäen begannen zu fühlen, daß da etwas vor sich ging, was sie nicht verstanden, etwas Unheimliches, auf das sie gebannt blicken mußten und das sie nicht enträtseln konnten. Das war kein gewöhnliches Spiel, das war ein bitterböses Ringen, ein Duell um einen Grund, den keiner der beiden je nennen würde. Gleich grausamem Stahl kreuzten sich der beiden Blicke, und sie fühlten, daß sie dasselbe dachten. Hier in dem modernen Klubzimmer waren wilde Gefühle der Urzeit in den beiden erwacht, - so mußte es einst gewesen sein, als riesige haarige Menschenaffen um das erste nackte Menschenweib rangen.

Unentschieden schwankte lange der Kampf. Doch da trat, für alle unsichtbar, eine neue Gestalt in das Zimmer und stellte sich dicht neben des Grafen Stuhl. Die Göttin des sinnlosen Zufalls war es, die so oft seltsamer Vergeltung dient. Die mischte dem Grafen die Karten. Und er gewann, gewann, - gewann die ganze Nacht.

Es fing beinahe an, peinlich zu werden, so viel zu gewinnen, dachte er. Und er blieb länger sitzen, damit der andere doch auch eine Gelegenheit habe. Jetzt haßte er den anderen gar nicht mehr, - er tat ihm beinahe leid. Und die Frau von damals in der fernen grauen Stadt? - Seltsam, wie so etwas plötzlich wieder aufglimmen kann, - eigentlich hatten sie die doch wohl beide längst vergessen.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der letzte Schuß
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V119657
ISBN (eBook)
9783640226610
ISBN (Buch)
9783640227839
Dateigröße
870 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ernst, Leutsch
Arbeit zitieren
Elisabeth von Heyking (Autor:in), 2008, Der letzte Schuß, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119657

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