Lettlands strategische Möglichkeiten in Rußlands Nachbarschaft


Seminararbeit, 1999

33 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Historischer Hintergrund
- Geschichte bis zum ersten Weltkrieg
- Erste Lettische Unabhängigkeit zwischen den Weltkriegen
- 1940 bis 1990 die Sowjetische Besetzung bis zur Unabhängigkeit

III. Lettlands geostrategische Position
- Lettland als Kleinstaat
- Bipolarität und Asymmetrie
- Abhängigkeiten von Rußland
- Innenpolitik (Minderheiten/Nationalismus/Sprache)

IV. Drei strategische Möglichkeiten Lettlands
1. Ostintegration: GUS
2. Westintegration: NATO und oder EU
3. Neutralität: Baltische Entente

V. Lettische Realpolitik seit 1990 (3 Phasen)
1. Konzentration auf Gewinnung der Souveränität
2. Phase der Außenpolitik
3. Phase der Innenpolitik

VI. Bewertung

VII. Anhang
Tabellen und Karte

VIII. Literaturverzeichnis

1 Einleitung:

Aufgabe dieser Hausarbeit ist es, zunächst Lettlands sicherheitspolitische und geostrategische Situation darzustellen. Diese Ausgangslage ist die Grundlage für Lettlands verschiedene Optionen, die Existenz des Landes in Zukunft zu sichern. Die verschiedenen Faktoren der Vergangenheit und der aktuellen Lage bestimmen die Grenzen und Möglichkeiten Lettlands. Diese sollen hier untersucht werden und die sich daraus ergebenden Optionen der Neupositionierung Lettlands in Europa dargestellt werden.

Zu diesem Zweck ist eine kurze Darstellung des historischen Hintergrundes nötig, der immer noch auf das Bewußtsein der Letten einwirkt. Die jahrhundertealte Abhängigkeit von fremden Besatzern wie z.B. Schweden, Deutscher Orden und Russen bestimmt die Gefühle der Letten gegenüber ihren Nachbarn, vor allem gegenüber Rußland, noch heute. Nicht zuletzt gibt es heute eine große russische Minderheit in Lettland, als direkter Folge der Geschichte. Außerdem zeigen sich gerade in der Geschichte1 Lettlands entscheidende Unterschiede zu den baltischen Nachbarn, wobei sich hier gerade Litauen auf eine wesentlich ältere, eigene Staatlichkeit berufen kann. Lettlands eigene Staatlichkeit kann gerade einmal auf die Zwischenkriegszeit verweisen. Die früheren Herzogtümer Kurland oder Livland umfaßten in der Regel immer nur einen Teil Lettlands, trugen dadurch nicht zur nationalen Einheit Lettlands bei. Aber trotzdem zeigen die Letten heute zurecht auf ihre Eigenstaatlichkeit und ihre eigene Geschichte. Das Baltikum und damit auch Lettland, waren in der Phase 1989/90 die Ersten, die es schafften, sich aus dem sowjetischen Imperium zu lösen. Damit brachten sie ihren Beitrag zur Auflösung der Sowjetunion. Lettland war sicher nicht der Vorreiter der Souveränitätsbestrebungen, das war eher Litauen. Die lettische Situation, die später noch genauer dargestellt wird, veranlaßte die politische Führung Lettlands zu mehr Vorsicht.

So wichtig dieser geschichtliche Hintergrund vor allem auch für die Letten selbst ist, so ist er doch nur ein Teil der heutigen Ausgangslage Lettlands. Dessen geostrategische Situation stellt sich durch verschiedene Faktoren dar. Lettland gehört durch seine Fläche und Einwohnerzahl zu den Kleinstaaten2. Dies setzt dem Handlungsspielraum von vornherein enge Grenzen. Hinzu kommt die geographische Lage im Osten Europas. Lettland befindet sich in einem asymmetrischen, bipolaren Umfeld. Rußland, der große unmittelbare Nachbar einerseits, die Europäische Union andererseits. Dabei sollen hier vor allem die verschiedensten Abhängigkeiten Lettlands von seinen Nachbarn betrachtet werden. Es geht zum einen vor allem um wirtschaftliche Abhängigkeiten, die sich aus den alten Strukturen der Sowjetzeit ergeben, wie zum Beispiel die Importe von Rohstoffen und Energie aus Rußland. Zum anderen stellt die Minderheitenproblematik ein zentrales Problemfeld der lettischen Politik dar. Auch hier ist die Dominanz des Nachbarn Rußland durch den großen, russischen Bevölkerungsanteil nicht zu übersehen. Die Letten fürchten sich davor, in ihrem eigenen Land zur ethnischen Minderheit zu werden, da sie nur noch knapp mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Ihre Versuche, durch Gesetze zum Schutz der lettischen Sprache und damit die teilweise Ausgrenzung der Minderheiten, vor allem der Russen, tragen nicht gerade zur Verbesserung ihrer Beziehungen zu Rußland bei. Sie könnten sogar zum Hindernis für den von den Letten erwünschten EU-Beitritt werden. Schließlich ist Rußlands Außenpolitik noch ein wichtiger Faktor, der untersucht werden muß. Auch wenn das Baltikum nach offizieller russischer Lesart von der Definition des ,,nahen Auslands" ausgenommen ist, stellt die russische Hegemonialpolitik im alten Sowjetraum für die Letten ein ständiges Bedrohungsmoment dar, allein die Ungleichheit in der Größe der Nachbarn, sorgt für eine latente Bedrohung im lettischen Bewußtsein. Nicht zu übersehen sind schließlich noch die Interessen der beiden baltischen Nachbarn, deren Erfolge oder Mißerfolge sich ebenfalls auf Lettland auswirken. Dabei ist die begrenzte Handlungsfähigkeit eines Staates mit dem Potential und der Größe Lettlands stets zu beachten. Diese verschiedenen Faktoren stellen Lettlands geostrategische Situation dar und sollen untersucht werden, denn sie bilden die Grundlage, auf denen lettische Sicherheitspolitik aufbauen muß, will sie die zentralen lettischen Interessen schützen.

So ergeben sich für Lettland letztlich nur drei Möglichkeiten3, seine vitalen Interessen als Staat zu schützen. Diese drei Optionen der lettischen Sicherheitspolitik sollen hier genauer untersucht und dargestellt werden, mit ihren Vor- und Nachteilen und ihrer Aussicht auf Verwirklichung. Es handelt sich dabei einmal um die Ostintegration, was bedeuten würde, Lettland integriert sich in die letztlich russischen Sicherheitsstrukturen in Osteuropa, der GUS und begibt sich damit direkt in die Arme seines großen, dominanten Nachbarn Rußland. Zum anderen die verlockende, neue Möglichkeit der Westintegration, in die ,,Erfolgsmodelle" NATO und/oder EU. Wobei die Entscheidung Ost- oder Westintegration eben von den vielen Faktoren des historischen und geostrategischen und auch kulturellen Hintergrundes abhängig ist. Schließlich gibt es noch die dritte Möglichkeit für Lettland, die Neutralität. Besonders interessant wäre hierbei die Chance einer Baltischen Entente. Hier sind aber nicht nur die lettischen Interessen zu beachten, sondern um so mehr die Interessen Litauens und Estlands, von denen aus lettischer Sicht keiner vor einem eigenen Weg ohne die baltischen Nachbarn zurückschrecken würde, um des eigenen Erfolgs willen. So daß eine baltische Neutralität eine sehr interessante aber wohl weniger realisierbare Lösung sein könnte. Vor diesem Hintergrund versucht die lettische Politik seit nunmehr fast zehn Jahren lettische Sicherheitsinteressen zu wahren. Dabei läßt sich die lettische Politik in drei Phasen einteilen, die gleichzeitig eine Konzentration auf die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten des neuen Staates Lettland darstellen. Vor dem Hintergrund dieser zehn Jahre ,,praktischer" Politik stellen sich nun Lettlands Möglichkeiten und Wege für die Zukunft, seine Sicherheitsinteressen zu wahren dar, insbesondere sein Verhältnis zu Rußland, das durch seine unmittelbare Nachbarschaft und Dominanz, immer der wichtigste Faktor für die lettische Politik bleiben wird. Lettland schlägt heute vor diesem Hintergrund den ,,westlichen" Weg ein und versucht dadurch seine staatliche Souveränität und seine Interessen zu wahren. War dies letztlich der einzigste realistische Weg und ist dieser Weg überhaupt schon gesichert oder gab und gibt es für Lettland dazu wirkliche Alternativen? Die mögliche Westintegration könnte langfristig den lettischen Staat etablieren und stabilisieren, er könnte Teil der europäischen Staatengemeinschaft werden und dabei mit den baltischen Nachbarn positiv für Rußland wirken. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zur langfristigen europäischen Friedens- und Sicherheitspolitik, den die baltischen Staaten und damit Lettland hier leisten könnten. Sie könnten durch ihre Geschichte das Tor, von und nach Rußland der EU, des Westens werden.

2 Historischer Hintergrund:

Der Bremer Domherr Albert von Appeldern (1199-1229 Bischof von Livland) gründet 1201 Riga4 (Hansestadt ab 1282) und unterwirft bis 1230 Livland und Kurland. Darauf folgt die Christianisierung des Gebiets durch die Westkirche/Rom und eine über 700jährige Herrschaftszeit fremder Mächte in Lettland. Katholische Kirche (Deutscher Orden), Dänen, Polen- Litauer, Schweden und schließlich Russen, lösten sich in der Herrschaft über Lettland ab. In guter Erinnerung bei den Letten blieben dabei nur die Schweden. Ihre Versuche die Leibeigenschaft der lettischen Bauern aufzuheben, halten noch heute die Erinnerungen an die Schwedenzeit5 als ,,die gute Zeit" wach. Dazu trug aber auch eine Universitätsgründung in Dorpat bei und andere schwedische Entwicklungsversuche. Ein weiteres Resultat der Schwedenzeit ist die Annahme des Protestantismus. Entsprechend der damaligen Aufteilung6 des lettischen Gebiets zwischen Schweden (protestantisch) und Polen (katholisch), sind die Letten heute noch protestantisch oder katholisch.

Als Folge des Nordischen Krieges7 (1700-21), wird Lettland 1721 Teil Rußlands. Damit beginnt für die Letten eine 200jährige russische Herrschaft. In dieser Zeit dominierte der deutschsprachige Adel das wirtschaftliche, kulturelle, soziale und kommunalpolitische Leben, wärend die Russen die Verwaltung und die höhere Politik bestimmten. So wendeten sich die Vorbehalte der lettischen Bevölkerung in dieser Zeit auch mehr gegen den deutschen Einfluß, der für die Letten viel unmittelbarer war, als gegen die Russen, die wesentlich weniger präsent für die Letten waren. Der deutsche Klerus und Adel, bemüht um die Loyalität der Letten, förderte deren Bildung und brachte die westeuropäischen Vorstellungen von Wirtschaftsleben und Kultur nach Lettland. Dies führte in Verbindung mit Rigas eisfreien Hafen dazu, daß Lettland mit zu den besser entwickelten Regionen des russischen Imperiums gehörte. Riga entwickelte sich bis 1913 zu einer Stadt mit einer halben Million Einwohner. Es war Handelszentrum, Eisenbahnknotenpunkt und einer der wichtigsten Häfen (17,2% aller Güter in russischen Häfen wurden in Riga umgeschlagen)8. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts bildete sich mehr und mehr ein lettisches Nationalgefühl heraus, das sich gegen die deutsche und russische Prägung Lettlands wendet. Es entsteht eine lettische Elite, die sich um Entwicklung und Fortbestand der lettischen Sprache und Kultur bewußt ist. Die Tötung von 70 lettischen Demonstranten am 13.1.1905 wärend der ersten russischen Revolution9, führte zu schweren Streiks und Aufständen, in deren Gefolge Herrschaftsitze, vor allem des deutschen Adels in Flammen aufgingen. Zur Vergeltung erschoß die zaristische Armee 3000 Revolutionäre, weitere 5000 mußten ins Ausland fliehen, andere wurden nach Sibierien deportiert. Die Ereignisse von 1905 und ihre Folgen, sorgten für ein aufkeimendes Unabhängigkeitsbewußtsein der Letten vom autokratischen zaristischen Imperium.

Die Kriegshandlungen des ersten Weltkriegs, insbesondere der Vormarsch der Deutschen, brachten Flucht und Vertreibung für die Hälfte der lettischen Bevölkerung. Am 3.3,1918, im Frieden von Brest-Litowsk verzichtet Rußland unter anderem auf Livland und Kurland10 und nur eine Woche nach Waffentillstand am 18. Nov. 1918, erklärte eine Gruppe führender lettischer Repräsentanten verschiedenster, gesellschaftlicher Gruppierungen die Unabhängigkeit Lettlands. Deutsche Truppen, die immer noch im Land waren, vertrieben die provisorische Regierung. Später lösten sich zaristische Verbände, die für die ,,heiligen" Grenzen Rußlands kämpften und lettische Bolschewisten an der Macht ab. Erst im Januar 1920 wurde Lettland von polnischen und lettischen Truppen befreit. Am 11. August 1920, wurde im Vertrag von Riga, formal die lettische Unabhängigkeit durch die UdSSR anerkannt, wärend sich die Westmächte in der Hoffnung der Zerschlagung des Bolschewismus und der Wiederherstellung Rußlands in seinen alten Grenzen, bis 1921/22 Zeit ließen. Die folgenden 20 Jahre Unabhängigkeit11 waren gekennzeichnet durch die Verwüstungen von sechs Jahren Krieg und wechselnden Besatzungen. Wirtschaft und Infrastruktur waren weitgehend zerstört, gleichzeitig verschwand der russische Absatzmarkt durch die Sowjetisierung. Eine Bodenreform, die hauptsächlich den deutschen und polnischen Adel traf, sollte für Erleichterung sorgen und den kommunistischen Kräften entgegenwirken. Der lettische Staat bemühte sich um den Aufbau des zerstörten Landes. Gleichzeitig drängten Flüchtlinge vor dem Kommunismus aus Rußland nach Lettland, so daß ich die Zahl12 der Russen im Land von 118023 im Jahr 1920, auf 237809 in 1930 und die Zahl der Juden, von 60892 auf 94388, im gleichen Zeitraum steigt. Die anfänglich liberale Minderheitenpolitik, die den Minoritäten eigene Schulen und staatliche Förderung zuteil werden ließ, endete mit dem Staatsstreich13 von 1934 durch Karlis Ulmanis. Ein zersplittertes Parteiensystem und instabile Regierungen, mit häufigem Wechsel (1922-34: 18 verschiedene parlamentarische Regierungen), ähnlich dem Weimarer System in Deutschland, bereiteten den Boden für den Staatstreich. Ulmanis löste den Saeima, das lettische Parlament, auf, setzte die Verfassung außer Kraft und erklärte den Notstand. Der Widerstand der Letten war aufgrund der ,,schlechten" Erfahrungen mit der Demokratie, gering. Die lettische Sprache wurde zur einzigen offiziellen, gesprochenen oder geschriebenen Sprache im Lande erklärt, Deutsch und Russisch, bislang dominant in Wirtschaft und Staatsbürokratie, wurden verboten und die Schulen der Minderheiten übernahm der lettische Staat und machte sie zu lettischen Schulen. Auch wenn Ulmanis nicht mit Hitler oder Stalin gleichgesetzt werden darf, so ließ auch er die Opposition verfolgen und einsperren.

Als Folge des Hitler- Stalinpaktes14, in dem Lettland der sowjetischen Einflußsphäre zugeordnet wurde, zwang Stalin den baltischen Staaten am 5.10. 1939 einen Verteidigungspakt auf, der die Stationierung von 30000 sowjetischen Soldaten allein in Lettland festlegte. Finnland, ebenfalls bedroht, widersetzte sich, was zum Sowjetisch-Finnischen Winterkrieg führte. Im Gefolge des Paktes holte Hitler die deutschstämmige baltische Bevölkerung ,,Heim ins Reich", was die 700 Jahre alte deutsche Besiedelung des Baltikum beendete15. Schon im Juni 1940 aber, die Konzentration der Welt auf Hitlers Frankreichfeldzug nutzend, verlangte Stalin von den baltischen Staaten einen Regierungswechsel in seinem Sinne und die unbegrenzte Stationierung von sowjetischen Truppen. In ausichtsloser Situation und ohne Unterstützung von außen, fügten sich die Baltischen Staaten. Es kam zur Bildung von neuen ,,Volksregierungen" unter der Aufsicht der Roten Armee, darauf angesetzte Neuwahlen erbrachten ein typisch ,,kommunistisches" Ergebnis16 für Lettland von 97.6% Zustimmung zur allerdings auch einzigsten, möglichen kommunistischen Liste. Der dann gewählte oberste lettische Sowjet beantragte die Aufnahme der Lettischen Volksrepublik in die UdSSR, die in der ersten Augustwoche gewährt wurde.

Nun begann für Lettland ein verhängnisvolles Kapitel seiner Geschichte. Nach der völligen Machtübernahme Stalins in Lettland, wurde systematisch die lettische Intelligenz hingerichtet oder deportiert, die meisten landeten im sowjetischen Lagersystem in Sibierien. Die Sowjets deportierten oder erschossen 35000 Letten17. So waren die 1941 ankommenden Deutschen Besatzer für die Letten zunächst die Befreier von Stalin, es gab für sie keine lettische Oberschicht mehr, die sie beseitigen mußten, außerdem bedrohte die Verfolgung und Vernichtung der Juden in Lettland die Letten selbst nicht. Da die Letten, in den Augen der jetzigen Besatzer, zudem arischer Herkunft waren, wurden sie besser behandelt als z.B. Juden, Russen oder andere Slawen. Im Zuge des Krieges standen sie zudem vor der Wahl, sich für den Arbeitsdienst oder den ,,Kampf gegen den Bolschewismus" in der Waffen-SS zu entscheiden. Viele Letten entschieden sich dabei, die aus ihrer Sicht von der Roten Armee akut bedrohte Heimat, zu verteidigen. Sicher gingen auch Letten aus ideologischer Überzeugung zur Waffen-SS. Freiwillig oder nicht, wurden wärend des Krieges 150000 Letten von den Deutschen zum Kriegsdienst eingezogen. So oder so wurde ihnen dies bei Kriegsende, als wieder die Rote Armee das Land besetzte, zum Verhängnis. So kam es 1944/45 zu einer großen Fluchtwelle in den Westen.

Am Ende des zweiten Weltkrieges hatte sich die Zusammensetzung der Bevölkerung Lettlands entscheidend verändert. Der vormals große jüdische Bevölkerungsanteil, genauso wie der deutsche Bevölkerungsanteil, war verschwunden. Die schon 1940 eingesetzte Sowjetisierung Lettlands wurde nun durchgeführt. Als Strafaktion für die Kollaboration mit den Deutschen, kam es zu Verhaftungs- und Deportationswellen, bei denen von 1945-53 119000 Letten verhaftet oder deportiert wurden. Um den Widerstand in Zukunft unmöglich zu machen, wurde planmäßig russische Bevölkerung angesiedelt. Zusammen mit den Verlusten der Letten im Krieg, den Flüchtlingen im Westen, sorgten die Säuberungen und planmäßigen Ansiedlungen von Russen und die im Vergleich niedrige lettische Geburtenrate dafür, daß der Anteil der lettischen Bevölkerung in Lettland bis auf 54,2%18 im Jahr 1994 gefallen ist. Lettland verschwand von der Bühne der internationalen Politik und war nun integraler Bestandteil der Sowjetunion. Das Nationalbewußtsein der Letten war sicher immer vorhanden, dies zeigte sich durch vereinzelte Partisanenaktionen in den frühen 50er Jahren und später durch verschiedene Versuche lettischer Kommunisten, innerhalb der sowjetischen Strukturen zu steuern. Aber diese Versuche wurden von Moskau zumeist mit Verhaftungswellen beantwortet und schnell bereinigt. Erst mit Gorbatschows Politik von Glasnost und Perestroika19, zeigte sich wieder das lettische Nationalbewußtsein der Weltöffentlichkeit, so wurden öffentlich die Deportationen von Letten nach Sibirien und der Hitler - Stalinpakt diskutiert und deren Ergebnisse in Frage gestellt. Aber die lettische Unabhängigkeit ist nur denkbar durch die Krise und das Ende der Sowjetunion. 1988 kam es zur Gründung der lettischen Volkfont für demokratische Reformen. Neuwahlen des obersten lettischen Sowjets am 17.3.1990, folgten die Proklamation der Unabhängigkeit am 4.5.1990 unter Berufung auf die Verfassung von 1922. Die Situation eskalierte, Gorbatschow annulierte die Unabhängigkeitserklärung, es kam zu einer wochenlangen Witschaftsblockade, die Letten demonstrierten und die Situation gipfelte in der Erstürmung des Innenministerium in Riga, durch sowjetische Spezialtruppen im Januar 1991. Am 21. August 1991 setzte das lettische Parlament die Unbhängigkeitserklärung wieder in Kraft und der Zusammenbruch der Sowjetunion führte zur Anerkennung der lettischen Souveränität, durch den neuen Päsidenten der Rußländischen Föderation, Boris Jelzin.

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Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Lettlands strategische Möglichkeiten in Rußlands Nachbarschaft
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Fachbereich Politik)
Veranstaltung
Seminar Fragen zur Außen- und Sicherheitspolitik Rußlands
Note
2
Autor
Jahr
1999
Seiten
33
Katalognummer
V1197
ISBN (eBook)
9783638107518
ISBN (Buch)
9783638678094
Dateigröße
499 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lettlands, Möglichkeiten, Rußlands, Nachbarschaft, Seminar, Fragen, Außen-, Sicherheitspolitik, Rußlands
Arbeit zitieren
Werner Schima (Autor:in), 1999, Lettlands strategische Möglichkeiten in Rußlands Nachbarschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1197

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