Notker der Deutsche und seine Aufzeichnung des Althochdeutschen


Hausarbeit, 2005

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Notker der Deutsche und seine Heimat
2.1. Das Kloster St. Gallen und seine sprachgeschichtliche Rolle
2.2. Herkunft und Leben Notkers III., sein Schaffen und Wirken

3. Die Umsetzung der alemannischen Mundart in der Graphemik Notkers
3.1. Sein Akzentsystem
3.2. Das Notkersche Anlautgesetz
3.3. Weitere lautliche Merkmale in seinen Texten

4. Schlussbetrachtung

5. Literaturnachweis

1. Einleitung

Der Mönch im Mittelalter ist ein gottesfürchtiger, arbeitsamer und leider auch anonymer Mensch, der weniger durch das Hervortreten seiner Persönlichkeit, als durch sein Schaffen in der Gemeinschaft seiner Brüder zu uns spricht. So ist es schwer, etwas über den einzelnen Gelehrten und magister zu erfahren, wenn er nie bis zum Abt aufgestiegen ist. So wird deutlich, wie erstaunlich das Wirken eines Mönchs aus dem Kloster St. Gallen, südlich des Bodensees, gewesen sein muss, dessen Leben und Werk mehr als 730 Aufsätze, Monographien, Artikel und Editionen zum Thema haben.[1] Das Interesse für seine Leistung ist berechtigt, denn dieser Notker Teutonicus betrieb intensive Übersetzertätigkeit, die dank der Verbindung mit einer ungewöhnlich breiten Überlieferungslage seines Klosters bis heute zu großen Teilen erhalten ist. In einer vom Schrifttum in lateinischer Sprache geprägten Zeit, gehört er zu denjenigen literati, die bereits die Volkssprache mitbeachteten. Der Umfang seiner Übersetzungsleistung wird in seinem Beinamen Teutonicus ersichtlich. Doch betrieb er sie nicht als Selbstzweck, sondern stets, um das Verständnis der antiken und christlich Schriften zu erleichtern, die in lateinischer Sprache verfasst waren. Wie groß sein Bemühen um eine angemessene Wiedergabe der Volkssprache war, soll sich in der zweiten Hälfte der Arbeit zeigen. Dabei soll es nicht um seine Semantik gehen, die er in Anbetracht der vielfachen Übertragungsmöglichkeiten lateinischer Begriffe ins Althochdeutsche sehr vorsichtig betrieb, sondern um seine Versuche die Mundart seiner Umwelt in das Schriftsystem möglichst genau zu übertragen.

Mitunter taucht hinter Notkers Namen noch der Beiname Labeo[2], oder einfach die Ziffer drei auf, um ihn von seinen ebenfalls relativ berühmten Verwandten abzugrenzen, die ebenfalls in St. Gallen tätig waren (Notker I., balbulus oder poeta, Notker II., medicus oder piperisgranum, und dem Abt Notker). Von den Informationen aus erster Hand, existiert nur ein einziges persönliches Schriftstück von Notker III. selbst, in dem er über seine Tätigkeit als Leiter und Lehrer an der Klosterschule und seine Übersetzungstätigkeit schreibt, der Brief an den Bischof Hugo von Sitten. Es existieren keine Quellen über seine Herkunft, sein genaues

Geburtsdatum oder den Zeitpunkt seines Eintritts in das Kloster St. Gallen.[3] Neben dem Brief

gibt es erst nach Notkers Tod weitere Zeugnisse über ihn, einmal aus dem Totenregister des Klosters und zum anderen von seinem Schüler Ekkehart IV., der ihn offenbar sehr verehrte. Gerade auch für die Frage welche Sprache Notker aufzeichnete und mit welcher Motivation er es in seiner möglichst exakten Art und Weise tat, ist eine Behandlung seines Lebens von großem Interesse. Dieses Thema soll neben der Entwicklung St. Gallens zu einem Hort für „Musterfälle volkssprachlicher Buchkultur“[4] im ersten Teil der Arbeit beleuchtet werden. Der Verdienst Notkers für die heutige Sprachwissenschaft bleibt, dass er eine sichere Insel für die Untersuchung der althochdeutschen Sprache und teilweise sogar der Aussprache seines alemannischen Heimatdialektes ist.

2. Notker der Deutsche und seine Heimat

2.1. Das Kloster St. Gallen und seine sprachgeschichtliche Rolle

Die Stiftsbibliothek von St. Gallen spielt eine dominierende Rolle als Fundgrube für althochdeutsches Schrifttum. Neben den hier verfassten Werken finden sich auch importierte, in anderen Klöstern geschriebene Texte von hohem Wert, wie bspw. der Abrogans als lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch und bislang ältestes entdecktes Buch in deutscher Sprache überhaupt. Auf den letzten beiden Blättern findet sich des weiteren die älteste deutsche Vaterunser-Übersetzung und auch der einzige, vollständige Tatian ist (wenn auch in Fulda verfasst) hier erhalten geblieben.[5] Sprachgeographisch wird das Kloster ins alemannische Sprachgebiet eingeordnet. Die Alemannen siedelten sich aus dem Maingebiet kommend im 3. Jahrhundert in Südwestdeutschland und im Gebiet der oberen Donau an, im Bodenseegebiet in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts und schließlich ein Jahrhundert später bewegten sie sich weiter nach Südwesten über den Hochrhein.[6]

Seinen Namen erhielt das Kloster in Ehrung des heiligen Gallus, der sich im 8. Jahrhundert als Eremit und späterer geistiger Führer seiner Jünger in die Einöde zurückzog um dort eine Zelle zu gründen.[7] Im Jahre 719 schließlich gründete der Alemanne Otmar das Kloster auf dem Grund der ehemaligen Einsiedelei und noch im 8. Jahrhundert bekam es ein Skriptorium. Bereits in dieser Zeit gehört St. Gallen zu einer wichtigen Schreibwerkstatt von volkssprachlichem Schriften. Sieben von zwölf althochdeutschen Glossenhandschriften, die im Südwesten des deutschen Sprachgebietes entstanden, lassen sich nach Einschätzung Stefan Sondereggers relativ sicher diesem Skriptorium zuordnen.[8] In dieser Frühzeit war das Kloster in seiner kulturellen Entwicklung durch Auseinandersetzungen mit dem Bistum von Konstanz gehemmt. Erst allmählich befreite es sich von der Vorherrschaft Konstanz’ und den Zinsverpflichtungen[9]. Es kam zum sogenannten „Goldenen Zeitalter“ von etwa 816 bis zum Einmarsch der Ungarn im Jahre 926. In dieser Zeit entwickelten Skriptorium und Buchmalerei in St. Gallen eine rege Tätigkeit. Einer der herausragenden Schreiber dieser Zeit war der Vorfahr unseres Notkers III. nämlich Notker (I.) Balbulus (ca. 840 bis 912), welcher für seine liturgische Sequenz bekannt ist. Die Tätigkeit der Schreiber und Kopisten war zwar in dieser Zeit sehr fruchtbar, blieb aber weitestgehend auf Texte in lateinischer Sprache beschränkt, wodurch eine Entwicklung volkssprachlicher Schriftkultur gehemmt war.

Für die Zeit nach den Ungarneinfällen bis in das Jahr 1076 wird vom „Silbernen Zeitalter“ gesprochen (dem sich etwa 20 Jahre später das „Eherne“ anschloss). Nach den militärischen Unruhen und einem verheerenden Klosterbrand 937 kam es „zu einer gewissen Erholung“[10]. Neben einer neuen Blüte der Buchmalerei tat sich in dieser Epoche auf dem Feld der Übersetzung Notker III. hervor, dessen Werke in keiner kontinuierlichen Tradition stehen. Zwar entstanden in St. Gallen bereits vor seiner Zeit volkssprachliche Texte, aber nicht in dieser Dichte und Qualität, wie in seiner Schaffensperiode. Auch sein Schüler Ekkehart IV., obgleich er seinen Meister bewunderte, führte dessen Werk nicht weiter, auch wenn er „die lateinischen Wörter der Psalmenauslegung interlinear verdeutschte“[11]. So verwundert es nicht, dass Notker III. seine Tätigkeit im Brief an Bischof Hugo von Sitten als etwas völlig Neuartiges empfindet.

In der Zeit ab dem 12. Jahrhundert, hatte das Kloster schließlich mit einer Verringerung der Zahl der Mönche und des Besitzes und später auch mit den Unruhen der Reformation zu kämpfen. Es gelang einigen Äbten immer wieder, das Kloster aus seiner schlechten Lage zu befreien. Im Jahre 1805 wurde dann dennoch die Abtei unter dem Einfluss Napoleons geschlossen, der keine kirchliche Macht neben der staatlichen dulden wollte. In der über 1000jährigen Geschichte des Klosters sind unersetzliche Sprachschätze erhalten geblieben, die Aufschluss über die Entwicklung und Vielgestaltigkeit der ältesten deutschen Sprachstufe geben. Deren Höhepunkt und gleichzeitig auch Endpunkt bildet das Werk Notkers des Deutschen.[12]

[...]


[1] Siehe: Evelyn Scherabon-Firchow: Notker der Deutsche von St. Gallen (950-1022). Ausführliche

Bibliographie. (= Studien zum Althochdeutschen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Bd. 38)

Göttingen: 2000.

[2] Statt die Erklärung für diesen Beinamen (der Breitlippige) auf Notkers äußeres zurückzuführen, heißt es im

Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, 2003. S. 1291, 1. über Labeo, dass der Name wohl für Cornelius Labeo (3.

Jahrhundert) steht, dessen Schaffen sich Notker verbunden fühlte.

[3] Johannes Duft: Wesenszüge der Persönlichkeit Notkers des Deutschen. In: Harald Burger, Alois M. Haas, Peter

von Matt: Verborum Amor. Studien zur Geschichte und Kunst der deutschen Sprache. Festschrift für Stefan

Sonderegger zum 65. Geburtstag. Berlin, New York: 1992, S. 186.

[4] Stefan Sonderegger: Althochdeutsche Sprache und Literatur. Eine Einführung in das älteste Deutsch. Berlin:

19872, S. 59.

[5] Peter Ochsenbein: Latein und Deutsch im Kloster St. Gallen. In: Achim Masser, Alois Wolf (Hgg.): Geistes-

leben um den Bodensee im frühen Mittelalter. Vorträge eines Mediävistischen Symposiums vom 30. September

bis zum 3. Oktober 1987 auf Schloß Hofen im Bodensee. In: Dieter Geuenich, Eckart Conrad Lutz, Volker

Schupp (Hgg.): Literatur und Geschichte am Oberrhein. Bd. 2. Freiburg im Breisgau: 1989, S. 108.

[6] Stefan Sonderegger: Deutsche Sprache und Literatur in St. Gallen. In: Werner Vogler (Hg.): Die Kultur der

Abtei St. Gallen. Zürich: 19922, S. 162.

[7] Werner Vogler: Skizze der Sankt Galler Abteigeschichte. In: Werner Vogler (Hg.): Die Kultur der Abtei St.

Gallen. Zürich: 19922, S. 9.

[8] Siehe: Stefan Sonderegger: Althochdeutsch im Galluskloster. In: Werner Wunderlich (Hg.): St. Gallen.

Geschichte einer literarischen Kultur. Kloster – Stadt – Kanton – Region, Bd. 1. St. Gallen: 1999, S. 145.

[9] Im Jahre 854 wurde das Kloster endgültig von den Zinszahlungen an den Bischof befreit, die (wie die übrigen

Abhängigkeiten) auf einem Diplom Karls des Großen beruhten.

[10] Werner Vogler: Skizze der Sankt Galler Abteigeschichte. S. 16.

[11] Helmut de Boor: Die deutsche Literatur von Karl dem Großen bis zum Beginn der höfischen Dichtung (770 –

1170). In: Helmut de Boor, Richard Newald: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur

Gegenwart. Bd. 1. München: 1957, S. 118.

[12] Stefan Sonderegger: Althochdeutsch in St. Gallen. Ergebnisse und Probleme der althochdeutschen

Sprachüberlieferung in St. Gallen vom 8. bis ins 12. Jahrhundert. In: Johannes Duft (Hg.): Bibliotheca

Sangallensis. Bd. 6. St. Gallen: 1970, S. 79.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Notker der Deutsche und seine Aufzeichnung des Althochdeutschen
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften - Lehrstuhl für Germanistische Linguistik und Sprachgeschichte )
Veranstaltung
Seminar III: Althochdeutsch
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
15
Katalognummer
V119802
ISBN (eBook)
9783640232499
ISBN (Buch)
9783640232666
Dateigröße
427 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Notker, Deutsche, Aufzeichnung, Althochdeutschen, Seminar, Althochdeutsch
Arbeit zitieren
Toralf Schrader (Autor:in), 2005, Notker der Deutsche und seine Aufzeichnung des Althochdeutschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119802

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