Das Hochmittelalter war in Fragen der vita religiosa, eines von Gott bestimmten und ihm dienenden Lebens, geprägt von aus damaliger Sicht erschütternden Umwälzungen. Dies gilt sondermaßen für das 12. Jahrhundert. [...] Noch nie vorher gab es so viele unter und teilweise auch aus dem Mantel der weströmischen Kirche ausbrechende Glaubensgemeinschaften. Ihrer alle jedoch [...] standen unter gewaltigem Legitimationszwang. Bernhard von Clairvaux, selbst Mitglied der noch jungen Bruderschaft der Zisterzienser, zitierte zur Veranschaulichung und Legitimation der neu aufkommenden monastischen Gemeinschaften das Bild der Tunika Christi, „quia polymita, id est pulcherrima varietate distincta“ (welche „vielfädig gewirkt ist, das heißt bunt in der wunderschönen Vielfalt ihrer Farben“ ). […]
Bernhard argumentiert, dass die Tunika Christi zwar aus vielen Fäden gewoben, nichtsdestotrotz nur eine einzelne Tunika ist. Sie steht im Zitat stellvertretend für die eine Kirche, unter deren Obhut sich alle Orden in ihrer Vielzahl befanden. [...]
So einträchtig dieses Bild auch scheinen mag [...] die Wirklichkeit sah verständlicherweise anders aus. [...] Im monastischen Bereich setzten die neu etablierten und reformierten Orden für ihre eigene Observanz neue, gewöhnlich strengere Bestimmungen des Klosterlebens fest. [...]
Nicht zuletzt solche Unterschiede führten zu Spannungen unter den verschiedenen Orden. Sie lassen sich exemplarisch auf einen Sonderfall im Ordensleben projizieren, auf den Begriff Transitus, dem Wechsel von einem Orden zu einem anderen. Mit ihm ist eine schwierige Rechtsfrage verbunden, die immer wieder neu aufgeworfen wurde. Einer derjenigen, die sich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, ist der bereits zitierte Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux. [...].
Die Arbeit untersucht nun zunächst den Begriff [...]. In diesem Zusammenhang werden die Festlegungen der Kirche insbesondere bis ins 12. Jahrhundert beleuchtet. Im zweiten Teil der Arbeit wird dann die Person Bernhards im Mittelpunkt stehen und der Themenbereich des Ordenswechsel detaillierter anhand von drei Texten Bernhards untersucht, insbesondere auch seine Rechtfertigungen für die Zisterzienser und seine Kritik gegenüber anderen Orden. Da hierbei die Rivalität der verschiedenen monastischen Gemeinschaften eine entscheidende Rolle spielt, wird zum besseren Verständnis der Texthintergründe eingangs auf sie eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Grundlegendes zum Transitus
- Das Begriffsfeld Transitus, traditio, stabilitas loci und Apostasie
- Konkrete Bestimmungen bis ins Hochmittelalter
- Transitus unter der Konkurrenz der Orden - Cluniazenser und Zisterzienser
- Ein Überblick zur frühen Ordensgeschichte von Cluniazensern und Zisterziensern
- Das Leben Bernhards von Clairvaux
- Bernhards Haltung zu Transitus und Ordenskritik anhand dreier Schriften
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Begriff des Transitus im Hochmittelalter, insbesondere im Kontext des 12. Jahrhunderts und der Rivalität zwischen verschiedenen Orden, wie den Zisterziensern und Cluniazensern. Sie beleuchtet die kirchenrechtlichen Bestimmungen zum Ordenswechsel und analysiert die Haltung Bernhard von Clairvaux zu diesem Thema anhand seiner Schriften.
- Der Begriff des Transitus und seine Bedeutung im Kontext des hochmittelalterlichen Mönchtums
- Die kirchenrechtlichen Bestimmungen zur Stabilitas loci und die Problematik des Ordenswechsels
- Die Rivalität zwischen den Cluniazensern und Zisterziensern im 12. Jahrhundert
- Bernhard von Clairvaux's Rolle und seine Positionierung zum Transitus
- Analyse von Bernhards Schriften zur Legitimation des Zisterzienserordens und Kritik an anderen Orden
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt den historischen Kontext des Hochmittelalters und die bedeutenden Veränderungen in der vita religiosa vor. Sie führt den Begriff des Transitus ein und hebt die Bedeutung Bernhard von Clairvaux's als zentralen Akteur und Analysten dieses Phänomens hervor. Bernhards Bild der Tunika Christi wird als Metapher für die Einheit der Kirche trotz der Vielfalt der Orden interpretiert, wobei die scheinbare Harmonie der Realität gegenübersteht. Die Arbeit wird in ihren Zielen und ihrer Methode umrissen, mit einem Fokus auf die kirchenrechtlichen und persönlichen Aspekte des Transitus.
Grundlegendes zum Transitus: Dieses Kapitel analysiert den Begriff „Transitus“ semantisch und kontextuell. Es beleuchtet die Bedeutung der Begriffe „traditio“, „stabilitas loci“ und „Apostasie“ in Verbindung mit dem Ordenswechsel. Die historischen Bestimmungen der Kirche zum Transitus bis ins 12. Jahrhundert werden untersucht und zeigen eine Wandelbarkeit im kirchlichen Recht auf, die im Widerspruch zu früheren Annahmen stand. Die Regel des Hl. Benedikt und ihre Interpretationen bezüglich der Erlaubnis des Aufenthalts in anderen Klöstern unter strenger Einhaltung der Regel werden hervorgehoben. Das Kapitel legt die Grundlage für das Verständnis der komplexen rechtlichen und theologischen Dimensionen des Transitus.
Transitus unter der Konkurrenz der Orden - Cluniazenser und Zisterzienser: Dieses Kapitel untersucht die Rivalität zwischen den Cluniazensern und Zisterziensern als Hintergrund für die Problematik des Transitus. Es gibt einen Überblick über die frühe Ordensgeschichte beider Gemeinschaften, beleuchtet das Leben und Wirken Bernhard von Clairvaux und analysiert seine Haltung zum Transitus anhand dreier seiner Schriften. Hierbei wird die Perspektive Bernhards als Abt eines begehrten Ordens, aber auch als persönlich Betroffener durch den Ordenswechsel seines Neffen, Robert von Châtillon, herausgestellt. Das Kapitel verdeutlicht, wie Bernhards persönliche Erfahrungen seine theologischen und rechtlichen Argumente prägten und wie er die Vielfalt der Orden innerhalb der Einheit der Kirche zu rechtfertigen suchte.
Schlüsselwörter
Transitus, Stabilitas loci, Traditio, Apostasie, Zisterzienser, Cluniazenser, Bernhard von Clairvaux, Hochmittelalter, Ordenswechsel, Kirchenrecht, Monastizismus, Reformbewegungen, vita religiosa, Caritas.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Hochmittelalterlicher Ordenswechsel und die Rolle Bernhards von Clairvaux
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den Begriff des „Transitus“ (Ordenswechsel) im Hochmittelalter, insbesondere im 12. Jahrhundert, im Kontext der Rivalität zwischen den Zisterziensern und Cluniazensern. Der Fokus liegt auf den kirchenrechtlichen Bestimmungen zum Ordenswechsel und der Analyse der Haltung Bernhard von Clairvaux zu diesem Thema anhand seiner Schriften.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: den Begriff des Transitus und seine Bedeutung im Kontext des hochmittelalterlichen Mönchtums; die kirchenrechtlichen Bestimmungen zur Stabilitas loci und die Problematik des Ordenswechsels; die Rivalität zwischen Cluniazensern und Zisterziensern im 12. Jahrhundert; Bernhard von Clairvaux's Rolle und seine Positionierung zum Transitus; und die Analyse von Bernhards Schriften zur Legitimation des Zisterzienserordens und Kritik an anderen Orden.
Welche Begriffe werden im Detail untersucht?
Die Arbeit analysiert die semantische und kontextuelle Bedeutung von „Transitus“, „traditio“, „stabilitas loci“ und „Apostasie“ im Zusammenhang mit dem Ordenswechsel.
Wie wird der Begriff "Transitus" definiert?
Der Begriff "Transitus" wird im Kontext des Hochmittelalters als Ordenswechsel verstanden und semantisch und kontextuell eingeordnet. Seine Beziehung zu Begriffen wie "traditio", "stabilitas loci" und "Apostasie" wird untersucht.
Welche Rolle spielt Bernhard von Clairvaux in dieser Arbeit?
Bernhard von Clairvaux ist ein zentraler Akteur. Seine Haltung zum Transitus wird anhand dreier seiner Schriften analysiert. Seine persönliche Erfahrung mit dem Ordenswechsel seines Neffen, Robert von Châtillon, wird ebenfalls berücksichtigt.
Welche Ordensgemeinschaften werden verglichen?
Die Arbeit vergleicht die Zisterzienser und die Cluniazenser und beleuchtet ihre Rivalität als Hintergrund für die Problematik des Transitus.
Wie wird die Rivalität zwischen den Cluniazensern und Zisterziensern dargestellt?
Die Rivalität wird als Kontext für die Problematik des Transitus dargestellt. Die frühe Ordensgeschichte beider Gemeinschaften wird skizziert, um das Spannungsfeld zu verstehen.
Welche Quellen werden verwendet?
Die Arbeit basiert auf der Analyse von Schriften Bernhard von Clairvaux und der Untersuchung kirchenrechtlicher Bestimmungen zum Ordenswechsel im Hochmittelalter.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, Kapitel zu den Grundlagen des Transitus, dem Transitus im Kontext der Konkurrenz zwischen Cluniazensern und Zisterziensern und einer Schlussbetrachtung. Sie enthält ein Inhaltsverzeichnis, eine Zusammenfassung der Kapitel und Schlüsselwörter.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Schlussfolgerungen zeigen, wie Bernhards persönliche Erfahrungen seine theologischen und rechtlichen Argumente prägten und wie er die Vielfalt der Orden innerhalb der Einheit der Kirche zu rechtfertigen suchte. Die Arbeit verdeutlicht die komplexen rechtlichen und theologischen Dimensionen des Transitus im Hochmittelalter.
- Arbeit zitieren
- Toralf Schrader (Autor:in), 2007, Das Problem des Transitus bis ins 12. Jahrhundert und bei Bernhard von Clairvaux , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119807