Der provokative Ansatz in der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit


Diplomarbeit, 2005

109 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

1. DER PROVOKATIVE ANSATZ
1.1 Frank Farrelly
1.2 Provokative Therapie
1.2.1 Gegenstandsbeschreibung und Definition
1.2.2 Zentrale Annahmen und Hypothesen
1.3 Differenzierung des provokativen Ansatzes
1.3.1 Der Provokative Stil
1.3.2 Einsatz des Provokativen Stils
1.3.3 Kennzeichen, Abgrenzung und Grundhaltung des Provokativen Stils
1.3.3.1 Der Gute Draht
1.3.3.2 Die Führung und der Längere Hebel
1.3.3.3 Direktiv versus nondirektiv
1.3.3.4 Therapeutische Grundhaltung und Gesetze des zwischenmenschlichen Umgangs
1.3.4 Elemente und Techniken des provokativen Ansatzes
1.3.5 Zusammenfassendes Schaubild des Provokativen Stils:
1.4 Kritische Betrachtung

2. SOZIALPÄDAGOGIK
2.1 Gegenstandsbeschreibung und Definition
2.1.1 Soziale Arbeit: Sozialarbeit - Sozialpädagogik Begrifflichkeiten und Abgrenzung
2.1.2 Arbeitsbereiche und Aufgaben der Sozialen Arbeit
2.1.3 Merkmale und Spannungsfelder der Sozialen Arbeit
2.1.3.1 Das doppelte Mandat
2.2 Methoden der Sozialen Arbeit
2.2.1 Gegenstandsbeschreibung und Definition von Methoden
2.2.1.1 Differenzierung der Begrifflichkeiten
2.2.1.2 Definition sozialpädagogischer Methoden
2.2.2 Grenzen, Probleme und Besonderheiten sozialpädagogischer Methoden
2.3 Sozialpädagogische Beratung
2.3.1 Gegenstandsbeschreibung und Abgrenzung
2.3.1.1 Funktionale Beratung
2.3.1.2 Institutionale Beratung
2.3.2 Konsequenzen sozialpädagogischer Beratung
2.3.2.1 Methoden und Verfahren sozialpädagogischer Beratung
2.4 Abgrenzung: Sozialpädagogik - Psychotherapie
2.4.1 Institutionale sozialpädagogische Beratung - Psychotherapie

3. BEZIEHUNGSTHEMATIK
3.1 Gegenstandsbeschreibung und Definition
3.1.1 Definition von Beziehung
3.2 Zwischenmenschliche Beziehungen
3.2.1 Lebensnotwendige soziale Verbindungen
3.3 Beziehungsformen - Beziehungen in Rollen
3.3.1 Grundannahmen der interaktionistischen Rollentheorie
3.3.2 Formelle und informelle Beziehungen
3.3.3 Das Aushandeln der Rollen von Sozialpädagoge und Klient
3.3.3.1 Drei Grundarten von Beziehungen
3.3.4 Die Strukturierung der Beziehung zwischen Sozialpädagoge und Klient
3.3.4.1 Berufsethische Grundsätze
3.4 Beziehungsarbeit
3.4.1 Kompetenzen in der Beziehungsarbeit
3.4.1.1 Instrumentelle Kompetenz
3.4.1.2 Reflexive Kompetenz und Verfügung über sich selber
3.4.1.3 Soziale Kompetenz

4. ADAPTION DES PROVOKATIVEN ANSATZES FÜR DIE SOZIALE ARBEIT
4.1 Psychologische Methoden und Konzepte in der Sozialen Arbeit
4.1.1 Attraktivität und Umsetzung von psychotherapeutischen Methoden in der Sozialen Arbeit
4.1.1.1 Integration
4.1.1.2 Reduktion
4.1.1.3 Import
4.1.2 Bewertung und Risiken der Adaption von psychotherapeutischen Methoden in der Sozialen Arbeit
4.2 Der provokative Ansatz in der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit
4.2.1 Möglichkeiten und Grenzen einer methodisch-strukturierten Beziehungsarbeit
4.2.2 Rechtfertigung und Begründung sozialpädagogischer Interventionen
4.3 Interventionen des provokativen Ansatzes in der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit
4.3.1 Die Handlungsaufträge von Sozialpädagogen und Klienten
4.3.2 Ein Modell der Intervention
4.3.2.1 Die vier Elemente zur Differenzierung der Situation
4.3.3 Provokativ-sozialpädagogische Beziehungsarbeit
4.3.3.1 Der Gute Draht zum Klienten
4.3.3.2 Haltung und Klientenbild des Sozialpädagogen
4.3.3.3 Der Längere Hebel in der Beziehungsarbeit
4.3.4 Provokative Elemente und ihr vorteilhafter Nutzen in der Beziehungsarbeit
4.4 Der provokative Ansatz in der institutionalen Erziehungsberatung..
4.4.1 Praxisfeldbeschreibung und Definition
4.4.2 Der Beratungsansatz in der Erziehungsberatung
4.4.3 Provokative Interventionen in Eltern- und Familiengesprächen

5. RESÜMEE UND AUSBLICK

6. LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

EINLEITUNG

Der Titel der vorliegenden Diplomarbeit „Der provokative Ansatz in der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit“ beinhaltet die zwei wesentlichen Komponenten meiner Auseinandersetzung mit der Thematik. Mich interessieren dabei der Aspekt des provokativen Ansatzes und der Aspekt der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit. Meine Motivation die Arbeit zu schreiben, wird in den folgenden zwei Abschnitten dargelegt.

Als ich zum Ende des Jahres 2001 mein Studium an der Fachhochschule Frankfurt am Main aufnahm, war mein Bild von Sozialer Arbeit noch recht blass. Die Vielzahl der möglichen Arbeitsfelder und des praktischen Tätigwerdens von Sozialpädagogen trugen nicht eben dazu bei, meine Betrachtung zu konkretisieren. Durch weitere Beschäftigung mit der Profession der Sozialpädagogen wurde jedoch für mich sichtbarer, was gemeinsamer Gegenstand in nahezu allen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern ist: die Arbeit in der Beziehung. Sie gestaltet maßgeblich den Charakter der Sozialen Arbeit und bildet das Herzstück und die Grundvoraussetzung für den Einsatz sozialpädagogischer Methoden. Professionelle Beziehungsarbeit ist im Bereich Sozialer Arbeit ein sehr unstrukturiertes Feld. Vielmehr wird die Gestaltung der Beziehung dem Sozialpädagogen selber überlassen, oder aber diese ist an eine Methode gekoppelt und besitzt nur in einem bestimmten Arbeitsfeld Gültigkeit. Ist es überhaupt möglich, eine derart von individuellen Aspekten geprägte Leistung wie Beziehungsarbeit zu strukturieren? Kann eine solche Struktur allgemeingültige Verfahrenswege für die unzähligen Arbeitsbereiche der Sozialpädagogik bereitstellen?

Bei meinem ersten Kontakt mit dem provokativen Ansatz von Frank Farrelly, konnte ich noch nicht ahnen, welche Faszination er später einmal auf mich ausüben sollte. Der Ansatz erschien mir im Vergleich zu anderen Methoden und therapeutischen Konzepten die ich bis dahin in meinem Studium kennengelernt hatte, authentischer und realitätsorientierter zu sein. Offen blieb jedoch für mich die Frage, wie die methodischen Vorgänge beim therapeutischen Gespräch beschaffen sind. Auch die Wirkung der Methode war für mich nicht genau zu erfassen. Ich war der festen Überzeugung, dass die provokative Vorgehensweise, auch wenn bestimmte Techniken erlernbar sind, in ihren wesentlichen Momenten nicht kopiert oder adaptiert werden könnte. Klienten eines Psychotherapeuten hätten eventuell die Voraussetzungen, dessen ironischen, satirischen und verallgemeinernden Aussagen zu folgen. Lässt sich jedoch der provokative Ansatz auch auf weniger gebildete Klienten, wie sie die Soziale Arbeit kennt, übertragen?

Die vorliegende Arbeit versucht nun die beiden eben skizzierten Momente zu verbinden und Struktur in das scheinbar wahllose Durcheinander der Beziehungsgestaltung von Sozialpädagoge und Klient zu bringen. Eine Möglichkeit zur Strukturierung bietet meiner Ansicht nach der provokative Ansatz, wie ihn Frank Farrelly für die „Provokative Therapie“, entwickelt hat. Der Ansatz beschreibt ein innovatives methodisches Vorgehen für die Beziehungsarbeit, das neue Perspektiven eröffnet. Dabei hat dieser noch keinen spürbaren Einfluss in die Soziale Arbeit gefunden. Durch eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem provokativen Ansatz möchte ich versuchen, seine Einflussmöglichkeiten auf die Soziale Arbeit zu verdeutlichen und aufzeigen, dass aus der gemeinsamen Schnittmenge beider Bereiche wertvolle Erträge für die Soziale Arbeit resultieren können. An diesem Punkt drängen sich weitere Fragen auf: In wieweit können diese Erträge die sozialpädagogische Beziehungsarbeit bereichern? Kann bei diesem Transfer von therapeutischen Techniken eine trennscharfe Differenzierung zwischen ihnen und sozialpädagogischen Ansprüchen gelingen? Im Hinblick auf die auf die Aufgaben Sozialer Arbeit ist es daher von Bedeutung, den provokativen Ansatz entsprechend anzupassen.

Ziel der Arbeit soll sein, den provokativen Ansatz entscheidend von seinem psychotherapeutischen Kontext abzugrenzen und loszulösen, um ihn für weitere sozialpädagogische Felder anwendbar zu machen. Weiterhin ergibt sich dadurch die Möglichkeit eine Methode zu erhalten die psychosoziale Beziehungen in der Sozialen Arbeit neu zu strukturieren vermag. Aus der dargestellten Überlegung ergibt sich folgende inhaltliche Gliederung:

Zunächst sollen in den Kapiteln 1 - 3 die zentralen Begrifflichkeiten betrachtet werden: Im ersten Kapitel wird die Theorie des provokativen Ansatzes mit seinen Kennzeichen und Elementen erläutert. Da dieser Ansatz aus dem Kontext der Psychotherapie, in den der Sozialen Arbeit transferiert werden soll, schließt sich daran im zweiten Kapitel die Darstellung der Profession der Sozialpädagogik an. Innerhalb der Beschreibung dieses Berufsfeldes wird im Hinblick auf die spätere Methodenentwicklung im vierten Kapitel, besonders auf die Methoden der Sozialpädagogen und Sozialarbeiter eingegangen.

Das dritte Kapitel dieser Arbeit setzt sich explizit mit dem Begriff Beziehung auseinander. Hierbei sollen die Rolle des Sozialpädagogen und seine Beziehung zum Klienten*, sowie die notwendigen Voraussetzungen für Beziehungsarbeit genannt werden. Dies ist im Hinblick auf die nächsten Schritte bedeutsam, die für die Adaption provokativer Einstellungen und Interventionen eine Definition von sozialpädagogischen Beziehungen verlangen.

Im vierten Kapitel werden die zwei zentralen Begriffe „provokativer Ansatz“ und „Sozialpädagogik“ zusammengeführt und in das in Kapitel 3 herausgearbeitete Verständnis von Beziehungsarbeit eingefügt. Es soll eine Möglichkeit aufgezeigt werden, wie methodisch-strukturierte Beziehungsarbeit unter Verwendung des provokativen Ansatzes praktikabel wird und wo ihre Grenze bemessen ist.

An dieser Stelle möchte ich bei den Menschen bedanken, die mich im Entstehungsprozess meiner Diplomarbeit unterstützt, und mir Kritik und Anregungen gegeben haben. Unter diesen möchte ich besonders hervorheben:

- Holger und Sandra Kubas für Korrekturen und Rückmeldungen bezüglich meiner Arbeit,

- Janine Braun für die lebendigen Diskussionen und die wertvollen Ideen, die daraus einstanden sind, sowie für ein stets offenes Ohr und nicht zuletzt,

- Evdokimos Moisidis für seine Zeit, seinen Rat und die Reflexion meiner Gedanken in Momenten, die von Unklarheit gekennzeichnet waren.

1. DER PROVOKATIVE ANSATZ

1.1 Frank Farrelly

Frank Farrelly wurde 1931 in Missouri, USA, geboren und ist Begründer der „Provokativen Therapie“. Er studierte Soziale Arbeit und Psychologie und war viele Jahre Professor an der Universität Wisconsin.1 Warm, sarkastisch, humorvoll, unterstützend und kraftvoll effektiv sind Eigenschaften, die eng an die Provokative Therapie gekoppelt sind.

Noch während seines Studiums Ende der 50er Jahre arbeitete Frank Farrelly im „St. Elisabeth Hospital“ in Washington D.C., in dem er zum ersten Mal mit den Werken der Methode von Carl Rogers in Berührung kam.

Fortan behandelte Farrelly seine Patienten mit dessen Klientenzentrierten Ansatz. Dieser zeigte bald phänomenale Erfolge und beeinflusste seine professionelle Arbeit maßgeblich. Farrelly nahm hierauf eine Anstellung im „Mendota Landeskrankenhaus“ in Madison, Wisconsin, an. Er arbeitete dort als Therapeut mit den „Kränksten der Kranken“ wie er es selbst beschreibt.2 Darunter waren Patienten, bei denen schwerste Psychosen, chronische Schizophrenie, Depressionen oder verschiedenste Suchtmittelabhängigkeiten diagnostiziert wurden. Ein weiterer wichtiger Grund für seinen Arbeitsplatzwechsel war, dass er in Madison in der klientenzentrierten Gruppe Rogers und dessen Forschungsprojekt arbeiten konnte (1961 - 1963).

Die Arbeit mit Carl Rogers in Madison wirkte sich sehr konstruktiv auf ihn aus. In vielen Therapiesitzungen, Supervisionen, aufgenommenen Tonbändern von seinen Sitzungen und Therapienachbesprechungen machte Farrelly grundlegende Feststellungen darüber, wie Klienten sich verhalten, und worauf sie reagieren. So z.B., dass „psychisch Kranke“ überhaupt nicht den Kontakt zur Realität verloren hätten, und dass es diesen Klienten sehr gut tue, auf bestimmte Art und Weise in die Verantwortung für ihr Denken, Tun und Handeln genommen zu werden.

Vieles stimmte nicht mehr überein mit dem klientenzentrierten Vorgehen, dass er seit Jahren verwendete. Die passive, traditionelle Rolle des Therapeuten wurde immer weniger stimmig für Farrelly und sein Vorgehen wurde aktiver und provokativer.

Die Erfolge, Feedbacks und positiven Entwicklungen seiner Patienten gaben ihm Recht. Mit beeindruckender Wirkung verhalf die „Provokative Therapie“ vielen seiner Klienten in kürzester Zeit zur „Gesundung“ und Farrelly erlangte weltweite Beachtung. Seine These: „Patienten können sich verändern, wenn sie sich dazu entschließen - und wie!“3 stellt noch einmal die von ihm gemachte Erfahrung heraus, dass jeder Mensch selbst über genügend Ressourcen verfügt, um sich aus jeder Problemlage zu manövrieren.

Frank Farrelly veröffentlichte 1974 zusammen mit seinem Kollegen Jeffrey M. Brandsma das Buch „Provokative Therapie“. Er bildet seit über 25 Jahren Therapeuten aus und leitete viele Jahre ein Institut in Madison. Die Provokative Methode hat heute in vielen psychologischen und therapeutischen Ansätzen, wie z.B. Systemische Therapie, Gestalttherapie oder Neurolinguistisches Programmieren (NLP), Einfluss gefunden. Besondere Beachtung aber findet in den letzten Jahren der Aspekt des Humors.

1.2 Provokative Therapie

Provokative Therapie ist phasenweise skandalös und unkonventionell und drückt das volle Spektrum menschlicher Gefühle und menschlichen Verhaltens aus. Sie bringt Menschen dazu, zu lachen: Über sich selbst, über die Welt und jene in ihrer Umgebung, selbst über den Therapeuten. Sie führt den Klienten eher in eine Haltung, sich aktiv selbst zu verteidigen, anstatt angestrengt und depressiv zu versuchen, sich selbst, den Therapeuten und auch die Welt um sie herum zu überzeugen, dass das Leben hoffnungslos ist.

Im Folgenden soll erläutert werden, was Provokative Therapie ist, auf welchen Annahmen sie aufbaut und wie sich der Provokative Stil in Haltungen und Interventionen ausdrückt. Die Gewichtung liegt dabei besonders auf letzterem, den Haltungen und Interventionen. Bei der späteren Integration des provokativen Ansatzes in die sozialpädagogische Beziehungsarbeit werden jene eine gewichtige Rolle spielen.

1.2.1 Gegenstandsbeschreibung und Definition

Es wurde schon häufig versucht, die Provokative Therapie Farrellys in das Schema psychotherapeutischer Schulen und Systeme einzuordnen. Heute wird sie allgemein zur kognitiven Verhaltenstherapie oder zu den psychotherapeutischen Kurzzeitverfahren gerechnet. Der von Farrelly Anfang der 60er Jahre entwickelte Ansatz ist in seiner Vorgehensweise und Haltung in der Psychotherapie einzigartig.

„Er beschreibt eine Beeinflussungsmethode, die mit Humor und Herausforderung arbeitet. Es kommt vor allem darauf an, Gelächter und Widerstand - und zwar in die gewünschte Richtung - zu provozieren.“4

„Provokativ“ ist im Kontext der Psychotherapie im ursprünglichen Sinne von „pro“ und von „vocare“, was aus dem lateinischen übersetzt hervorrufen oder herausfordern bedeutet, zu verstehen. Der Klient wird in der Provokativen Therapie nicht als Opfer (weder seiner Selbst, noch äußerer Begebenheiten) gesehen, sondern als gleichwertiger, für sich selbst verantwortlicher Mensch. „Die Therapie ist kein Ort der intellektuellen Diskussion, sondern ein Ort der Veränderung.“5

Das provokative Vorgehen dockt direkt an den tiefsten, inneren Überzeugungen des Klienten an. Der Therapeut begleitet den Klienten in seine „konstruierte“ Welt und bestätigt ihn in seinem Denken und Handeln. Er begibt sich auf die Seite des Ratsuchenden und übertreibt, überbetont oder verzerrt die für den Klienten oft so aussichtslose und problembeladene Wahrnehmung und Ansicht. Es ist Aufgabe des Therapeuten, den Klienten genügend, aber nicht maßlos herauszufordern, um ihn zu provozieren, neue Verhaltensmuster zu benutzen. Mit dem Ziel: wo Erstarrung herrscht, soll Lebendigkeit zurückkehren.

Im diesem Kapitel sind die Begriffe „Provokative Therapie“, „Provokativer Stil“ sowie „provokativer Ansatz“ mit unterschiedlichen Bedeutungen versehen. Während Provokative Therapie die psychologische Therapiemethode als Ganzes begreift, also als Einheit von Methode und Techniken im therapeutischem Kontext, stellt der Provokative Stil, von diesem Bezugsrahmen losgelöst, jenes typisierte Vorgehen mit Menschenbild, Haltungen und Interventionstechniken als stilistische Elemente dar. Die Bezeichnung Provokativer Ansatz charakterisiert dagegen den psychologischen Ansatz in seiner Grundüberlegung, Menschen auf provokative, herausfordernde Art zu begegnen. Dies schließt die Provokative Therapie und den Provokativen Stil als spezielle Handlungsform bzw. Gestaltungsmaximen dieser notwendigerweise mit ein.

1.2.2 Zentrale Annahmen und Hypothesen

Um den Provokativen Ansatz in seiner ganzen Bandbreite zu verstehen, ist es zunächst notwendig, auf neun zentrale Annahmen, die in zwei zentrale Hypothesen münden, einzugehen, welche sich während Farrellys Arbeit nach und nach herauskristallisierten.

Die Provokative Therapie geht davon aus, dass jeder Mensch, der mit einem anderen Menschen in Beziehung steht, (wohl oder übel) stillschweigend Vorstellungen darüber hat, wie mit diesem umzugehen ist, um Änderungen in Einstellungen, Affekten und Verhalten zu bewirken. Annahmen dieser Art können nicht ausgeschaltet oder übergangen werden. Sie sind eine „Conditio sine qua non“* jeder zwischenmenschlichen Beziehung.

Die neun Annahmen der Provokativen Therapie verdeutlichen die Erfahrungen Farrellys und bilden gleichzeitig die Basis, auf der das theoretische Gerüst provokativen Arbeitens aufbaut.

Die zentralen Annahmen der Provokativen Therapie heißen:6

1. „Menschen verändern sich - Sie wachsen innerlich, wenn sie auf eine Herausforderung reagieren“
2. „Patienten können sich ändern, wenn sie wollen“
3. „Patienten haben weit mehr Möglichkeiten, eine schöpferische und angepasste Art des Lebens zu entwickeln, als sie oder die meisten Kliniker es annehmen“
4. „Die psychische Zerbrechlichkeit der Patienten wird in hohem Maße überschätzt - von ihnen selbst und von anderen“
5. „Die schlecht angepassten, unproduktiven, antisozialen Haltungen und Verhaltensweisen eines Patienten können drastisch verändert werden, auch bei ernsten Störungen und chronischem Verlauf“
6. „Der Umgang des Patienten mit dem Therapeuten spiegelt relativ genau sein normales Verhalten in sozialen und zwischenmenschlichen Beziehungen wider“
7. „Menschen machen Sinn. Das menschliche Wesen ist besonders logisch und verstehbar“
8. „Der Ausdruck des therapeutischen Hasses und des fröhlichen Sadismus gegen den Patienten kann für ihn sehr wohltuend sein“
9. „Die bedeutensten Botschaften zwischen Menschen sind nicht sprachlicher Natur“

Diese Annahmen werden durch zwei zentrale Hypothesen ergänzt:7

1. Zur Einstellung des Patienten sich selbst gegenüber:

Wird der Patient vom Therapeuten humorvoll, wahrnehmend und in des Patienten eigenem inneren Bezugsrahmen provoziert, „... tendiert der Patient dazu, sich in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen und zwar genau entgegengesetzt der Definition, die der Therapeut von dem Patienten als Person gegeben hat.“8

2. Zum offenen Verhalten des Patienten:

Wird der Patient provokativ von dem Therapeuten dazu gedrängt (humorvoll und tiefblickend), „... seine Selbstverteidigung und sein eingeschränktes Verhalten fortzusetzen, dann wird der Patient dazu neigen, sich auf sein eigenes sichselbsterweiterndes und den anderen förderndes Verhalten einzulassen. Das führt sehr viel direkter an die gesellschaftliche Norm heran.“9

1.3 Differenzierung des provokativen Ansatzes

1.3.1 Der Provokative Stil

„Provokative Therapie ist eine fundierte Methode, in der viele Techniken angewandt werden.“10 Diese Tatsache gibt dem Therapeuten bzw. Berater einen großen Spielraum in den therapeutischen Gesprächen, was Vor- und Nachteile mit sich bringt, auf die später eingegangen werden soll.

Zielsetzung des „Provokativen Stils“ ist es, den Widerstand der provoziert wird, in die „richtige Richtung“ zu lenken, nämlich gegen das eigene, selbstschädigende Verhalten und nicht gegen den unterstützenden Gesprächspartner. Die Reaktionen des Klienten auf das provokative Vorgehen des Therapeuten sind unmittelbar und äußerst förderlich. Auf spezielle Art und Weise werden dem Ratsuchenden dabei Gefühle, Denkmuster und Verhaltensweisen unterstellt, sodass dieser affektive Reaktionen nicht beeinflussen kann und hinsichtlich dieser Stellung beziehen muss. Die Unterstellungen werden durch den Therapeuten hemmungslos verzerrt, bis die Absurdität auch für den Betroffenen deutlich wird. Dies bringt unter Umständen beide zum Lachen. Dieses Lachen über sich selbst gibt dem Klienten ein Stück Freiheit zurück, denn nur der, der sich selber relativieren kann, kann über sich lachen.

Der Provokative Stil wird darüber hinaus niemals als eine Art Waffe verwandt und dem Klienten auch nicht derart begegnen. Die besten Einfälle und satirischen Übertreibungen sind wertlos, wird die Würde des Anderen missachtet.

Drei Punke lassen sich zusammenfassen:11

- Das Gelächter macht frei, und der Widerstand sorgt für Bewegung.
- Die Provokation zum Gelächter richtet sich nur gegen das Schädliche und das Absurde im Verhalten des Klienten, nie gegen seinen verletzlichen Wesenskern.
- Provokation und Lachen sind frei von zynischer Überheblichkeit.

1.3.2 Einsatz des Provokativen Stils

Der provokative Ansatz wurde im klinischen Bereich vor allem für die psychotherapeutische Praxis entwickelt. Er findet bei nahezu allen psychischen Störungen und Problemlagen erfolgreich Anwendung. Frank Farrelly hat dies in seinem Buch12 eindrucksvoll dokumentiert. Seit einigen Jahren übt die Methode zunehmenden Einfluss auf verschiedenste Arbeitsfelder und Formen der Beratung aus. In deren Settings stellt die Methode ein, in vielerlei Hinsicht bereicherndes Element dar.

Hilfsmittel kann der Provokative Stil vor allem dann sein, wenn einengende Kommunikation betrieben wird. Diese Einengung kann durch andere Menschen unbeabsichtigt und unbewusst aber auch ganz bewusst, z.B. durch nicht gerechtfertigte Anschuldigungen geschehen.

Darüber hinaus ist Kommunikation auch in Situationen eingeengt, in denen die Stimmung durch eine Person definiert wird (z.B. durch eine pessimistische, depressive Weltsicht), oder in klassischen „double-bind“13 Situationen. Gerade diese Doppelbotschaften sind leicht mit dem Provokativen Stil aufzulösen. Bei einer Kommunikationssituation die durch ein double-bind strukturiert ist, werden stets zwei widersprüchliche Botschaften gleichzeitig gesendet. Der Empfänger kann jedoch nur auf eine reagieren und wird der anderen Botschaft damit zwangsläufig zuwiderhandeln. An einem Beispiel soll dies deutlich gemacht werden:

Eine Mutter schenkt ihrem Sohn zwei Hemden zum Geburtstag, ein rotes und ein blaues. Am nächsten Morgen erscheint der Sohn und hat das rote Hemd übergestreift. Die Mutter sagt vorwurfsvoll: „Aha, du magst das blaue Hemd nicht!“, was implizit transportiert: „Ich habe mir solche Mühe gegeben, du missachtest meine Gefühle, du magst mich nicht!“ Eine Möglichkeit diese Zwickmühle aufzulösen bietet eine provokative Intervention, bei der der Sohn fröhlich antworten könnte: „Um ehrlich zu sein, ich finde beide Hemden abscheulich, aber weil ich dich gern habe, habe ich heute eines angezogen.“

Damit geht er auf den eigentlichen Vorwurf ein, lässt sich von der double-bind Situation jedoch nicht gefangen nehmen.14

Keinesfalls ist es sinnvoll, den Provokativen Stil immer und überall, in besonderer Weise nicht vorsätzlich zu verwenden (Es werden ebenso viele andere Techniken angewandt, wie z.B. Konfrontation, offene Fragen, Informationen geben etc.). Dies schließt ein, dass der Therapeut seine provokative Rolle situationsbedingt verlassen kann. Unter bestimmten Umständen jedoch, ist der Provokative Stil oft die einzige Rettung und beste Möglichkeit, die Ketten der Absurdität einer völlig verfahrenen Lage zu sprengen.

1.3.3 Kennzeichen, Abgrenzung und Grundhaltung des Provokativen Stils

„Hinsichtlich des Verhaltens des Therapeuten unterscheidet sich die Provokative Therapie von anderen therapeutischen Richtungen durch den Grad an Direktheit und den Gebrauch von Konfrontation, den widersprechenden und bestätigenden Gesprächsstil, den systematischen Gebrauch von sprachlichen und nichtsprachlichen Reizen und das Vermeiden professioneller Würde in Verbindung mit einem freien Gebrauch von Humor und Spaßmacherei.“15

Zunächst einmal wird in der Provokativen Therapie von der Tatsache ausgegangen, dass psychologische Beratung und speziell auch Psychotherapie eine Begegnung zwischen Menschen ist.

Diese Einstellung bedingt aber auch ein Abrücken von der (selbstauferlegten) auferlegten Rolle des Therapeuten als Funktionär des Seelenheilers. Andererseits wird der Klient ebenso dazu bewegt, seine Rolle als Funktionär für sein seelisches Leiden aufzugeben. Dies ist insofern von Bedeutung, da der Therapeut leicht der Gefahr ausgesetzt ist, sich gegenüber dem Ratsuchenden überlegen zu fühlen, in dem Glauben er hätte „das Wissen zur Bekämpfung des Leidens“ und der Klient nicht. Der provokative Ansatz propagiert eine Philosophie des gleichwertigen Klienten. Der Therapeut kann dessen Problem zwar mit unverstellterem Blick betrachten und ihn dabei unterstützen, Lösungsstrategien zu verfolgen, daraus leitet sich jedoch keine Wertigkeit der Gesprächspartner ab.

Auf Grund dessen entfallen beim Provokativen Stil aufmunternde Gesten wie der „Klaps auf die Schulter“, die indirekt ein Gefälle von oben (Therapeut) nach unten (Klient) anzeigen.

Der unterlegene Klient wird in der Provokativen Therapie zum mündigen Klienten, dem gegenüber keine Schonhaltung einzunehmen ist. Bei dieser Vorgehensweise wird eine Abhängigkeit vermieden. Die Problemlage die der Klient selbst nicht zu beheben bzw. zu entschlüsseln vermag, übergibt er dem Therapeuten, der den Defekt in gebotener Eile „reparieren“ soll. Der provokative Therapeut reagiert auf diese Verlagerung, indem er das Problem zurück zum Ratsuchenden verfrachtet und damit dessen Eigenverantwortung wieder herstellt.

Nach diesen eher allgemeinen Kennzeichen ist es weiteres Anliegen der Arbeit, die Grundhaltung des Anwenders des Provokativen Stils näher zu erläutern. Diese kann zusammengefasst auf zwei Begrifflichkeiten reduziert werden: „der Gute Draht“ und „der Längere Hebel“.16

1.3.3.1 Der Gute Draht

Der erste Schritt im Provokativen Stil ist die Herstellung des „Guten Drahtes“ zum Klienten. Diese gute Verbindung wird vom ersten Moment der Begegnung aufgebaut und beibehalten. Es ist äußerst wichtig für den provokativ arbeitenden Therapeuten, sein „Sensorium“* diesbezüglich darauf ausgerichtet zu lassen. Der Gute Draht sollte ein Leitmotiv für jeden Therapeuten und auch nichttherapeutischen Berater und Gesprächsführer sein, welches er ständig im Auge, im Herzen und im Bauch hat.17 Jede Störung dieses Guten Drahtes hat absoluten Vorrang und der Therapeut wird sofort seine Aufmerksamkeit darauf richten, diese zu beseitigen.

Es gibt einige Vorgehensweisen, die helfen, die gute Beziehung zum Klienten zu etablieren und zu festigen. Doch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise Blickkontakt halten oder Körperkontakt herstellen, nützlich sein können, doch die eigentliche Grundhaltung, wie zuvor deutlich gemacht wurde, aus der inneren Einstellung zum Klienten resultiert.

- Demonstrieren statt beteuern

Beim provokativen Umgang mit Menschen ist ein Satz wie: „Ich verstehe Sie vollkommen“ nicht erforderlich. Es wird selten von Verständnis gesprochen werden, aber stets gezeigt werden, dass das Ausgedrückte verstanden wurde. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass der Therapeut sich ganz auf die Seite des Klienten stellt und weitere Beispiele für ähnliche Situationen findet. Er zeigt jederzeit in der Therapie, dass er den Klienten versteht. Dabei lassen treffende Bemerkungen zur Situation ein vielfaches mehr an Nähe zu, als Sätze im Sinne des obigen Beispiels. Das Demonstrieren des gedanklichen Begleitens wird zu einer vertrauensbildenden Maßnahme.

- Dialog statt Monolog

Bei der aktiven Herstellung des Guten Drahtes herrscht gleiches Recht für alle. Monologisieren ist sowohl für den Therapeuten als auch für den Klienten ausgeschlossen. Sollte dem Therapeuten die Sachlage bereits klar erscheinen, wird der Klient im Gegensatz zur herkömmlichen Therapie, notfalls sogar unterbrochen. Dies demonstriert der Therapeut, indem er in den Erzählfluss des Patienten einsteigt und ihm mit der Unterbrechung klar macht, dass er die Leitgedanken des anderen erfasst hat. Dies wirkt keineswegs unhöflich und unterbindet die vom Patienten aller Wahrscheinlichkeit nach schon „mehrfach abgespielte Kassette“. Es begründet sich dadurch, dass die Therapeuten oder professionellen Berater oft die letzte Instanz sind, die „zu Rate“ gezogen wird. Solche schon für sich selbst mehrfach erörterten Problembeschreibungen enthalten häufig kaum noch eine emotionale Beteiligung des Klienten, welche in der Therapie jedoch dringend erforderlich ist.

- Die hohe Bedeutung der nonverbalen Botschaften

Ausschlaggebend ist, mit welcher inneren Haltung man provokativ vorgeht. Das „Wie“ ist für die Kommunikation und die Beziehung wichtiger als das „Was“. Nach dem von Watzlawick formulierten Axiom gibt es eine digitale und eine analoge Kommunikationsebene.18 Die digitale Kommunikation sind vereinfacht ausgedrückt die Worte, die wir sprechen, und deren Bedeutung wir festgelegt haben. Sie wird im Provokativen Stil mit dem Ziel verwendet, den Klienten durch unkonventionelle Äußerungen zu überraschen und zu provozieren. Ohne die Ergänzung durch die analoge Ebene würde diese Kommunikation jedoch falsch gedeutet. Analog werden die nonverbalen, also nichtsprachlichen Botschaften, z.B. ein Lächeln oder eine Betonung, versendet. Auf dieser Ebene vermittelt der provokative Therapeut gleichzeitig zu den eventuell bösartig erscheinenden Worten das Gegenteil, nämlich, dass der Klient wertvoll und gleichwertig ist. (Bildlich gesprochen steckt er eben nur in seinem häufig hausgemachten, zähflüssigen „Problemkleister“ fest.) Dieser Unterschied zwischen hilfreicher Verhaltenskritik und destruktiver Charakterkritik ist nicht nur für die Herstellung des Guten Drahtes wichtig: es ist ein zentraler Aspekt der Provokativen Therapie.

Da wissenschaftlich belegt ist, dass menschliche Kommunikation zu ca. 90% nonverbal (Körperhaltung und Ausdruck) abläuft,19 wird die Botschaft des Angenommenseins den Guten Draht zum Klienten aufbauen und provokative Seitenhiebe erst möglich machen.

1.3.3.2 Die Führung und der Längere Hebel

Beim provokativen Ansatz ist der Therapeut ein aktives Gegenüber. Im Gegensatz zu nondirektiven Therapieformen, bei denen der Therapeut dem Klienten unauffällig folgt, hakt sich er sich beim Provokativen Stil bei ihm unter, begleitet ihn eine Weile und ändert dann gemeinsam mit ihm die Richtung, um ihn anschließend zu überholen und vor ihm herzugehen, so dass der Klient Mühe hat, seinem Therapeuten zu folgen.20

Vergleichsweise tendiert die Initiative, die Führung im Gespräch zu übernehmen zum Therapeuten hin. Dies ist äußerst wichtig, um absolutes Gehör zu erlangen. Entsteht beim Klienten das Gefühl, eines unzulässig kompetenten Therapeuten, wird er dessen Worten weniger Bedeutung beimessen. In diesem Fall hätte der Klient die Führung.

Grundlage für dieses „in Führung gehen“ ist das ungebrochene Verständnis des Anderen und damit die Herstellung des Guten Drahtes. Er allein macht Veränderung jedoch nicht aus. „Nur die Kombination aus Gutem Draht und Führung macht Beeinflussung möglich.“... „Führung ohne Guten Draht ist autoritäres Anordnen, das auf Angst und Unterwerfung aufbaut“21 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Therapeut (metaphorisch) am „Längeren Hebel“ sitzt! Das bedeutet eine geführte Beeinflussung ohne übermäßige Kraftanstrengung.

1.3.3.3 Direktiv versus nondirektiv

Obwohl der Provokative Stil auf den ersten Blick sehr direktiv erscheint, trifft dies nur zur Hälfte zu. Er ist formal direktiv, aber inhaltlich nondirektiv. Das heißt formal führt der Therapeut, weil Tempo und Stimmung von ihm bestimmt werden, indem er spontan und humorvoll, überraschend und vielseitig reagiert. Der thematische Inhalt und damit auch der Handlungsspielraum werden auf diese Weise für den Therapeuten aber vor allem für den Klienten erweitert. Inhaltlich lässt sich der Anwender des Provokativen Stils vom Klienten führen. Hier agiert er weitgehend nondirektiv und steuert auf kein festgelegtes Ziel zu. Man kann also von einer Art gegenseitiger Führung sprechen, welche sehr komplex ist und vom Therapeuten wache Aufmerksamkeit und flexible und schnelle Reaktionen erfordert.

1.3.3.4 Therapeutische Grundhaltung und Gesetze des zwischenmenschlichen Umgangs

Grundlegend für diese Art der Akzeptanz und des Umgangs mit Anderen ist die Einhaltung einiger weniger Gesetze, die befriedigendes menschliches Miteinander überhaupt erst ermöglichen. Wichtig ist dabei vor allem die Unterscheidung zwischen den eigenen fixen Ideen und den „Leuchtturmprinzipien“22, den ehernen Gesetzen zwischenmenschlichen Umgangs. „Fixe Ideen sind Werte und

Einstellungen, die wir für gottgegeben und unumstößlich halten. Sie sind wie heilige Kühe, die man unter gar keinen Umständen schlachten darf. Mindestens neun Zehntel aller Werte und Einstellungen sind aber vom Menschen und nicht von Gott gemacht und daher veränderbar.“23 Bei genauerer Betrachtung handelt es sich hier um Vorurteile und Verallgemeinerungen, die von vielen Menschen geteilt werden; was der Sachlage aber keine Richtigkeit attestiert.

Die eigenen fixen Ideen sind zu entlarven, da sie beim Provokativen Arbeiten nur hinderlich wären. Hohe Beachtung schenkt der Therapeut im Gegensatz dazu jedoch den Leuchtturmprinzipen des befriedigenden Umgangs miteinander:24

1. Die Anerkennung der menschlichen Würde
2. Fairness und Aufrichtigkeit im Umgang mit anderen Menschen
3. Die Pflicht zur eigenen Weiterentwicklung und zum (geistigen) Wachstum.

Diese Gesetze finden nicht nur in der Provokativen Therapie Beachtung, sondern sind auf lange Sicht Grundlage sämtlicher menschlicher Kulturen. Ein jeder trägt einen Sinn für die drei Prinzipien in sich, sonst hätte sich menschliches Zusammenleben nicht bis zum heutigen Zeitpunkt fortgesetzt.

1.3.4 Elemente und Techniken des provokativen Ansatzes

Die hier aufgeführten Elemente sind nicht getrennt voneinander zu betrachten. Sie sind der Übersichtlichkeit halber in einer Reihenfolge von eins bis 10 aufgelistet. Die 10 Elemente der Provokativen Therapie heißen:25

1. „Herstellung des Guten Drahtes[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Orientiert am „Hier und Jetzt“
2. Einstieg in das Weltbild des anderen
3. Aussprechen des Weltbildes (innere Wahrheit)
4. Persiflieren des Weltbildes[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Zerrspiegel
5. Globalisieren des Weltbildes[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Stereotype
6. Den Advocatus Diaboli spielen ausgesprochen[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Die negativsten Gedanken werden
7. Begeisterung für das Symptom
8. Verwendung und Ausmalen von Bildern
9. Keine Ratschläge, höchstens idiotische
10. Hypnotische Kommunikation.“

Die Besonderheit des Provokativen Stils zeigt sich im zeitlichen Zusammenfall von Diagnose und Therapie. Die oben aufgeführten Bausteine werden in der Regel gleichzeitig eingesetzt, und ihr Stellenwert lässt sich nicht aus ihrer Reihenfolge ablesen. Die Wichtigkeit des Guten Drahts kann dennoch nicht genug hervorgehoben werden, denn ohne ihn erzielen die Elemente nicht ihre Wirkung.

Höfner und Schachtner nennen das Vorgehen im Provokativen Stil „Aktivdiagnose“26. Im Unterschied zum traditionellen Vorgehen in einer Psychotherapie, das erst die ausführliche Diagnose und dann die Therapie vorsieht, wird im Provokativen weniger linear vorgegangen.

Als Ausgangspunkt zur Diagnostik eignet sich zunächst einmal alles, was der Klient „mitbringt“. Darunter fallen nicht ausschließlich seine vorgetragenen Themen oder Probleme sondern seine Person als Ganzes mit Ausdruck, Körperhaltung, Gebärden, Verhaltensweisen etc. rückt in den Mittelpunkt. Je unverfälschter und affektiver sein verbales und nonverbales Verhalten ist, umso förderlicher ist dies für die Therapie. Dieses „Hier-und-Jetzt Prinzip“, lässt Rückschlüsse darauf zu, wie sich der Klient außerhalb der Therapie im „normalen“ Leben verhält.

Einstieg in das Weltbild des anderen

Damit beginnt der Einstieg in Weltsicht des Klienten. „Bei der Aktivdiagnose schießen wir in den Busch und schauen mal nach, ob ein Hase herausspringt“27 Das will heißen: Der Therapeut leitet aus dem bisher Wahrgenommen des Klienten Unterstellungen ab und achtet dabei genauestens auf dessen folgende Reaktionen.

Dieses Verfahren ist durchaus riskant, und in manchen Fällen auch nicht erfolgreich (es springt kein Hase aus dem Busch), doch bedeutet dies keinen Misserfolg. Besteht ein Guter Draht zum Klienten, kann dieser die Vermutungen des Therapeuten zurückweisen und gibt ihm somit die Möglichkeit, eventuell an einem anderen Punkt neu anzusetzen.

Aussprechen des Weltbildes

Dieses Einsteigen in das Weltbild des Klienten durch treffende Unterstellungen geschieht äußerst zeitnah mit dem Aussprechen seiner inneren Überzeugung. Es ist der Weg, den der Therapeut wählt, um sich dem Klienten emotional und gedanklich anzunähern, sich mit ihm in Situationen hineinzuversetzen und das entstehende Szenario dann über verbal wie nonverbal auszudrücken. Er bleibt in jeder Sekunde kongruent mit sich selbst und vermeidet es, eine Distanz zum Klienten aufzubauen. Der Therapeut erkennt die inneren Glaubenssätze (fixe Ideen) des Klienten, bestätigt diese und führt sie weiter aus.. Der Gute Draht wird damit gestärkt, da sich der Klient (vielleicht wie noch nie zuvor) verstanden fühlt. Die weiteren Elemente werden synchron mit dem Einstieg und dem Aussprechen des Weltbildes verwandt.

Persiflieren des Weltbildes

Bei dieser Technik wird dem Klienten bildlich gesprochen ein „Zerrspiegel“ vorgehalten, in dem sich er zu Beginn noch relativ realistisch abbildet, jedoch mit zunehmender Verzerrung seine Verhaltensweisen ad absurdum führt. Der Therapeut führt dem Klienten direkt oder indirekt, z.B. durch Rückkopplung seines verbalen oder nonverbalen Verhaltens oder durch Imitation vor, wie sein Bild nach außen erscheint. Unter Verwendung von Humor strapaziert er die problembeladenen Glaubenssätze und Wahrheiten des Ratsuchenden bis dieser (unter Umständen lachend) widerspricht.

Globalisieren des Weltbildes

Der provokative Therapeut verwendet bei diesem Verfahren immer wieder Verallgemeinerungen und Stereotype, um dem Klienten dessen Selbst- und Weltkonzept vor Augen zu führen. Da viele seiner eigenen fixen Ideen Pauschalisierungen sind, die für ihn schädlich sind oder ihn behindern, werden sie vom Therapeuten aufgegriffen und hemmungslos übertrieben.

Advocatus Diaboli spielen

In der Rolle des „Teufels Advokaten“ verhält der Therapeut sich unterstützend zu den selbstschädigenden Verhaltensweisen des Klienten. Er steigt mit ihm in die „tiefsten Abgründe“ jenseits seiner Moral- und Wertvorstellungen hinab und ergreift für diese Partei. Der Therapeut überreizt dabei vom Klienten angesprochene Verhaltensmuster und deutet ihre schädliche oder problematische Wirkung für ihn in Vorteile um. Dies erzeugt Widerstand zunächst gegen die Deutung des Therapeuten, schließlich gegen das eigene Leiden erzeugende Verhalten.

Begeisterung für das Symptom

Weiteres zentrales Element ist die unablässige Begeisterung des professionellen Beraters für das Symptom des Anderen. Dabei greift er fortwährend auf des Klienten Einzigartigkeit im Umgang mit seiner Problematik zurück. Er lobt dessen Verdrängungs- bzw. Vermeidungsstrategien und empfiehlt paradoxerweise „mehr desselben.“* Weiterer Aspekt des echten Interesses des Therapeuten ist die Förderung des „sich-angenommen-fühlens“ des Klienten

Verwendung und Ausmalen von Bildern

Eine verbreitete Technik in psychotherapeutischen Methoden ist die Verwendung von bildlichen Darstellungen. Das Denken in Bildern und Szenen ist nicht ausschließlich Hilfsmittel für den Therapeuten. Ausgesprochen und assoziativ weiter vervollständigt (ausgemalt, eventuell bis zur absurden Karikatur) werden sie besonders wirkungsvoll. Bilder, die intuitiv beim Therapeuten entstehen, wenn der Klient auftritt, von sich berichtet oder sich affektiv verhält, wird besondere Beachtung geschenkt. Reflektiert er sie zum Klienten zurück und schmückt sie dabei künstlerisch so lange aus, bis sie in befreiendem Lachen münden, kann der Gesprächspartner eine innere Distanz zu ihnen herstellen. Bilder, wie z.B. „ein menschlicher Fußabstreifer“ oder „die heilige Jungfrau Maria“ haben zudem den Vorteil, dass das Gedächtnis sie besser speichern kann als Worte. Die Reaktion des Klienten auf die dargestellten Bilder und Spiegelbilder des Therapeuten wird in Erregung (und damit positivem Widerstand) oder in Lachen münden.

Keine Ratschläge, höchstens idiotische

Dem Bestreben des Klienten gerecht zu werden, einen Ratschlag oder eine Lösung für seine verfahrene Lage bereit zu haben, entgegnet der provokative Therapeut mit nicht ernstzunehmenden Ratschlägen. So könnte er z.B. einen männlichen Klienten, dessen Angst es ist, Frauen anzusprechen, darauf verweisen, dass er ab jetzt nur noch Männer ansprechen könnte und ihm zur Homosexualität raten. Ratschläge dieser Art werden in der Provokativen Therapie mit vielerlei Geschichten und erfundenen „wissenschaftlichen Fakten“ aufgefüllt. Z.B. könnten neuste wissenschaftliche Studien belegen, dass Männer in homosexuellen Beziehungen bedeutend glücklicher sind als in heterosexuellen etc..

Durch das unmittelbare, gleichgewichtige Teilhaben am Kommunikationsprozess beider Gesprächspartner entsteht neben dem Guten Draht noch eine weitere Verbindung, die Therapeut und Klient zusammenhält.

Hypnotische Kommunikation

Jene Verbindung drückt sich im hypnotischen Kommunikationsstil Frank Farrellys aus. Der Klient ist dabei vom Therapeuten oft so gefordert und konzentriert, dass er ganz „bei sich“ ist. Während er und der Therapeut sich auf der gleichen Ebene befinden, und dieser ihn durch überraschende Antworten ständig neu fordert, geht er in eine Art Trancezustand.

1.3.5 Zusammenfassendes Schaubild des Provokativen Stils:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Der Provokative Stil28

1.4 Kritische Betrachtung

Zum Abschluss dieses Kapitels sollen einige Merkmale des provokativen Ansatzes genauer betrachtet werden, die sich sowohl für die therapeutische Praxis als auch für die spätere Adaption für die Sozialpädagogik als problematisch herausstellen können.

- Das Vorgehen im provokativen Ansatz birgt die Gefahr, den persönliche

Ärger oder Frust des Therapeuten am Klienten zu entladen. Die Übergange bei denen der provokative Stil zu einer Waffe werden kann, und der Klient feindselig attackiert wird, sind fließend. Der Einsatz von provokativen Interventionen erfordert deshalb eine hoch ausgebildete Selbstreflexion des Anwenders.

- Der Anwender des Provokativen Stils sollte ein großes Potential an flexiblen

Reaktionen und Improvisationen aufweisen können. Ohne diese Fähigkeiten, die nur bedingt trainierbar sind (da sie Spontanität erfordern), verlieren die provokativen Interventionen ihre Wirkungskraft und Lebendigkeit.

- Es besteht zudem die Gefahr, das der Therapeut den Klienten überfordert.

Zwischen Irritierung (die sich in Erkenntnis auflösen soll) und Überforderung liegt bei einigen Interventionen des provokativen Ansatzes nur ein schmaler Grad. Dies mag im therapeutischen Konzept noch verhältnismäßig unproblematisch sein, kann aber in einem anderen Rahmen zur vollkommen Zielverfehlung führen. Aus diesem Grunde muss beim Anwender von provokativen Interventionen ein ausgebildetes Gespür und eine sensible Wahrnehmung bestehen, wieweit der Klient fähig ist ihm zu folgen. Dazu bedarf es einer genauen Einschätzung der Reaktionen, die die Klienten auf das Verhalten des Therapeuten zeigen.

- Letzteres weißt darauf hin, das der Anwender des Provokativen Stils sich relativ genau bewusst sein sollte, welche Tragweite die von ihm eingesetzte Provokation hat. Gerade bei einer Anwendung des provokativen Ansatzes außerhalb des therapeutischen Rahmens ist dies von Bedeutung, da Interventionen im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel planbar sein müssen und unerwünschte, eventuell dem Ziel abträgliche Begleiteffekte vermieden werden sollten.

Das folgende Kapitel knüpft an jenem Punkt an und verlässt den therapeutischen Bereich. Unter Rückbezug auf die Thematik der Arbeit wird im nächsten Schritt die Profession der Sozialpädagogen und Sozialarbeiter näher dargestellt. Dies soll Aufschluss darüber geben, was Sozialpädagogik ist, und wo Übereinstimmungen bzw. Abgrenzungen zur Therapie entstehen.

2. SOZIALPÄDAGOGIK

2.1 Gegenstandsbeschreibung und Definition

Versucht man sich dem Begriff „Soziale Arbeit“ systematisch zu nähern, stellt sich zunächst die Frage, was damit überhaupt ins Blickfeld zu nehmen ist. Kaum jemand vermag spontan das Spektrum von Aufgaben und Arbeitsfeldern sozialer Arbeit wiederzugeben. Vor allem im 20. Jahrhundert ist der Fokus auf die sich ausdifferenzierenden Praxisfelder und Institutionen der Kinder und Jugendfürsorge, Wohnungs-, Familien-, Gesundheitsfürsorge, Gefährdetenhilfe und Jugendpflege zu richten, die als Antwort auf soziale Not im Zusammenhang mit der Industrialisierung insbesondere in Großstädten und Ballungsgebieten entstanden.

Bevor Alice Salomon 1908 mit der Gründung der „Sozialen Frauenschule“ in Berlin die Strukturen des „Elberfelder Systems“ mit denen der bürgerlichen Kleinkindpädagogik im Rahmen der bürgerlichen Frauenbewegung zu einem Konzept von Sozialer Arbeit verband, war das Berufsfeld (der Sozialen Arbeit) uneinheitlich. Sie leitete damit die Wende von der ehrenamtlichen Hilfstätigkeit zu einer zunächst spezifisch weiblichen Fachlichkeit ein. Diese Fachlichkeit und Ausbildung in Schulen hat sich bis zu den jetzigen akademischen Berufsständen Sozialarbeiter und Sozialpädagoge weiterentwickelt.

2.1.1 Soziale Arbeit: Sozialarbeit - Sozialpädagogik

Begrifflichkeiten und Abgrenzung

Das Bild von Sozialer Arbeit ist zunächst diffus. Dieser Signifikant beinhaltet jegliche Art von Arbeit, welche gesellschaftlich als sozial erachtet wird. Darunter kann die Arbeit der Erzieherin im Kindergarten fallen, die des Pflegers im Altenheim oder die Lehrtätigkeit eines Sonderschulpädagogen, der körperbehinderte Kinder unterrichtet.

In der folgenden Abhandlung herrscht ein spezifischeres Bild von Sozialer Arbeit. Es wird von Sozialer Arbeit, Sozialpädagogik als auch von Sozialarbeit gesprochen, wenn jenes Praxisfeld der Professionen Diplom-Sozialarbeiter und Diplom-Sozialpädagoge gemeint ist.

Ursächlich ist eine Unterscheidung der drei Begrifflichkeiten sowie der beiden akademischen Abschlüsse eher historisch und heute keineswegs mehr angebracht. „Es gibt heute weder im Berufsalltag allgemein akzeptierte noch eine theoretisch begründete begriffliche Abgrenzung zwischen Sozialarbeit und Sozialpädagogik Sozialarbeit und Sozialpädagogik werden mittlerweile als Synonyme (bedeutungsgleich) benutzt.“29 In der hier vorliegenden Arbeit werden in diesem Sinne, die drei übergeordneten Bezeichnungen Soziale Arbeit, Sozialarbeit und Sozialpädagogik für das Arbeitsfeld synonym verwendet.

2.1.2 Arbeitsbereiche und Aufgaben der Sozialen Arbeit

Sortiert man in Anbetracht der Vielfalt der Aufgaben und Tätigkeitsbereiche Sozialer Arbeit, so lässt sich die breite Variation nach Erler grob in drei Bereiche trennen.

Drei zentrale Bereiche der Sozialen Arbeit sind:30

1. der Bereich der Sozialhilfe (finanzielle Unterstützung, Beratung, Rehabilitation),
2. der Bereich der Gesundheitshilfe (soziale Dienste, Arbeit mit Drogenabhängigen, Alten, Behinderten, Kranken etc.) und
3. der Bereich der Familien-, Kinder- und Jugendhilfe (Beratung, Erziehung, Hilfe und Fürsorge).

Zu den wesentlichen Aufgaben der Sozialen Arbeit gehört es31:

- Menschen anzuregen/zu befähigen, Eigenkräfte zu entwickeln und konstruktiv einzusetzen (Hilfe zur Selbsthilfe);
- Menschen dazu zu befähigen, selbstverantwortlich zu handeln und zu helfen, die ihnen gebotenen Möglichkeiten zu nutzen;
- Menschen während bestimmter Lebensphasen zu begleiten und zu betreuen; ihnen unmittelbare persönliche Zuwendung und Hilfe zu geben;
- das Angebot von und die Nachfrage nach Hilfe aufeinander abzustimmen und die Verbindung zwischen beidem herzustellen;
- im Kontext von staatlicher Sozialpolitik, Interessen der Institutionen, Wünschen/Bedürfnissen des Klienten und eigenem Selbstverständnis sowie eigener Fachlichkeit professionell zu agieren und die Ansprüche aufeinander abzustimmen;

Eine „zeitgemäßere“ Auflistung zu den Aufgaben des Sozialarbeiters bietet das Fachlexikons der Sozialen Arbeit von 2002, in dem es heißt:

„Soziale Arbeit reagiert ... im Wesentlichen auf drei soziale Tatbestände:

1. auf die „Entwicklungstatsache“ (Bernfeld), also auf die vielschichtiger werdenden Herausforderungen des Aufwachsens jenseits von Familie und Schule,
2. auf soziale Probleme, alte und neue soziale Ungleichheiten und die damit zusammenhängenden Fragen der sozialen Integration sowie
3. auf die sozialen Risiken der individuellen Lebensführung und der alltäglichen Lebensbewältigung.“32

2.1.3 Merkmale und Spannungsfelder der Sozialen Arbeit

Aus den eben beschriebenen Aufgaben und Tätigkeitsfeldern der Sozialpädagogik ergibt sich ein sowohl wohlfahrtsstaatlicher als auch ein eigener professioneller Anspruch.

Soziale Arbeit steckt dabei in mehreren Paradoxien fest. Zum einen reagiert sie, wie im Fachlexikon beschrieben, auf soziale Probleme, Risiken und Herausforderungen. Damit wird angezeigt, dass Soziale Arbeit in ihrer Funktion immer nachfolgend passiert; das heißt es müssen zuerst die obengenannten Mangel- und Problemlagen auftreten, damit Soziale Arbeit aktiv wird. Zum anderen intendiert ihr der Gesetzgeber einen präventiven Auftrag.33 Dieser kann lauten, daraufhin zu arbeiten, dass soziale Brennpunkte erst gar nicht entstehen, oder eine Familie in die Abhängigkeit von sozialstaatlichen Mitteln gerät. Diese Möglichkeit des vorzeitigen Eingriffs ergibt sich für die soziale Arbeit jedoch nur in äußerst wenigen Fällen (z.B. präventive soziale Statteilplanung). Sozialpädagogische Tätigkeiten sind daher im weitesten Sinne von „präventivem Reagieren“ gekennzeichnet. Damit ist die Funktion Sozialer Arbeit gemeint, durch fachliche Interventionen evtl. auftretende Folgeprobleme eines bereits bestehenden Missstands zu unterbinden oder zu minimieren.

2.1.3.1 Das doppelte Mandat

Es gibt zudem noch weitere Bedingungen, welche die Sozialpädagogik begleiten. Soziale Arbeit ist immer auch eine administrativ geregelte Hilfeleistung. Der Inhalt und die Form der Leistung wird von ihr selbst definiert und festgelegt. Daraus ergeben sich einige Widersprüchlichkeiten: Z.B. werden in Zeiten wirtschaftlicher Rezession, in denen soziale Leistungen mehr denn je von Nöten sind, eben solche zurückgeschraubt, und im Fall von boomender Wirtschaft die Ausgaben und damit die Leistungen für den Sozialhaushalt aufgestockt. Soziale Arbeit versucht auf diese Art, mit Ersatzleistungen für Menschen in Mangel- und Problemsituationen, die sie nicht selbst bewältigen können, diese zu kompensieren. Dabei wird davon ausgegangen, dass alle Mitglieder unserer Gesellschaft grundsätzlich in die Lage versetzt werden können und willens sind, wieder am gemeinschaftsdienlichen Teil des Staates teilzuhaben und so privat für ihre Reproduktion sorgen. Gleichzeitig wird ihnen aber von selbiger Position aus soziale Sicherung garantiert. Anders ausgedrückt: „Soziale Arbeit ist in das Paradoxon eingebettet, soziale Sicherheit gewähren zu sollen und gleichzeitig auf die private Lösung der Probleme drängen zu müssen.“34

Hinsichtlich ihrer Gegenstandsbeschreibung lässt sich Soziale Arbeit heute als ein Instrument moderner Gesellschaften identifizieren. Sie verfolgt das Ziel, soziale Benachteiligungen und spezifische Problem- und Mangellagen von Personen zu bekämpfen oder wenn möglich, aufzuheben. Soziale Arbeit ist dabei immer Teil eines politisch-administrativen Handlungsapparats. Sie soll Menschen dazu befähigen, Eigenkräfte zu entwickeln und konstruktiv einzusetzen. Sie zielt auf Personen ab, deren Probleme weder von familiären oder ähnlichen privaten Formen, noch durch den vorhandenen Güter-, Arbeits- und Dienstleistungsmarkt ausgeglichen werden.35

2.2 Methoden der Sozialen Arbeit

Methoden sind in jeder wissenschaftlich fundierten Disziplin unerlässlich. Sie stellen das Instrumentarium dar, mit dem verschiedenste Arbeiten auf erprobtem Wege bewältigt werden können. Für diese Arbeit ist der Methodenbegriff besonders wichtig, da der provokative Ansatz sich im sozialpädagogischen Kontext an ihn anknüpft.

Die Methode ist in den meisten Fällen das einzige Hilfsmittel, welches den Professionellen der Sozialen Arbeit zur Verfügung steht, um eine Situation zu strukturieren, so dass ein bestimmtes Ziel erreicht werden kann. Zwischen ihnen und den Klienten gibt es kein zusätzliches manuelles Instrument. Dies unterscheidet sozialpädagogische Methoden von Methoden anderer Disziplinen, beispielsweise denen der Medizin. Der Arzt benutzt nicht nur seine Hände um einen operativen Eingriff vorzunehmen, sondern verschiedene andere Instrumente wie Skalpell oder Schere, die er entsprechend der Diagnose nach einem vorausgedachten Verfahren anwendet. Dieses „Werkzeug“ fehlt Sozialpädagogen im Umgang mit Klienten häufig.

Die Methoden der Sozialen Arbeit spiegeln deren Charakter wieder und sind ebenso unterschiedlich wie vielfältig. Den Begriff der Methode gilt es jedoch zu klären, bevor über diesen im Einzelnen und im Speziellen gesprochen werden kann.

Im Folgenden geht es im ersten Schritt darum, Methode als Begriff allgemein zu definieren, im zweiten Schritt soll eine Abgrenzung zu ähnlichen und verwandten Begriffen erfolgen, sowie eine Definition für sozialpädagogische Methoden vorgestellt werden, um anschließend im letzten Schritt, auf die Besonderheiten sozialpädagogischer Methoden einzugehen.

2.2.1 Gegenstandsbeschreibung und Definition von Methoden

Unter der Bezeichnung Methode finden sich viele Beschreibungen und Definitionen. Versucht man diese grob zu ordnen, erhält man ein engeres und ein weiter gefasstes Methodenverständnis.36

Engeres Methodenverständnis

Beim engeren Methodenverständnis steht die Frage des „Wie erreiche ich ein Ziel“ im Vordergrund. Die Definition von Schilling verdeutlicht dies: „Methode ist das planmäßige Vorgehen zur Erreichung eines Ziels; der erfolgreiche Weg zum Ziel; eine spezifische Art und Weise zu handeln.“37 Ein ähnlich enges Methodenverständnis ist in der schulpädagogischen Diskussion zu finden, wo zwischen Methodik und Didaktik unterschieden wird. Inhaltsfragen sind ein Problemkreis der Didaktik, während pädagogische Verfahrensweisen, die das Lernen von Menschen bewusst und planmäßig zu beeinflussen versuchen, als Methoden bezeichnet werden.

Galuske plädiert dafür, die Fragen des Inhalts wie in der vorhergehenden Definition nicht von denen der Zielbeschreibung und der Umsetzung zu trennen. Methoden in dieser Beschränktheit setzen sich dem Sozialtechnologievorwurf aus; d.h. eine Methodendiskussion, die jenseits der Zielfrage geführt wird, birgt die Gefahr, beliebige Technologien der Veränderung für beliebige Zielsetzungen zu entwickeln.38 Sie wären dann nämlich nicht mehr als Instrumente der Modifikation von Verhaltensweisen bzw. Situationen, die nicht nach dem „Warum“, also der Zielsetzung mit der sie Anwendung finden fragen würden. Erprobt würden vielmehr ihre Potentiale zur Umstrukturierung von Personen und sozialen Konstellationen im Hinblick auf ihre verändernde Kraft.

Weiteres Methodenverständnis

Das weitere Methodenverständnis setzt den Methodenbegriff in Bezug zu seinem inhaltlichen Ziel („Warum will ich etwas erreichen?“). Die Methode ist hierbei in ein Konzept eingefasst und befindet sich immer in Abhängigkeit von Problemlagen, Zielsetzungen und Rahmenbedingungen. Man spricht dabei auch von einem integrierten Methodenbegriff.39

2.2.1.1 Differenzierung der Begrifflichkeiten

Konzept

Das Konzept ist als ein Handlungsmodell zu verstehen, in welchem die Ziele, die Inhalte, die Methoden und die Verfahren in einen sinnhaften Zusammenhang gebracht sind. Aufgrund dieser Bestandteile gibt es Auskunft über Interventionsziele, Gegenstände und auch über Wege, wie das Ziel zu erreichen ist.

Methode

Die Methode als einer dieser Bestandteile ist ein vorausgedachter Plan dieser Vorgehensweise. Methoden sind immer zielgerichtet, institutions-, personen- und zeitabhängig. Die Planung und Strukturierung des Vorgehens modifiziert sozialpädagogisches Handeln von einem primär intuitiven Handeln hin zu einem kalkulierbaren Prozess der Hilfeleistung.

Techniken

Verfahren oder Techniken sind wiederum untergeordnete Teilaspekte einer Methode und somit drittes Element eines Konzeptes. Methoden umfassen im Regelfall ein ganzes Set an unterschiedlichen Techniken, welche nicht beliebig innerhalb der Methode angesammelt sind, sondern in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden und so etwa Detailprobleme auf dem komplexen Weg zum Ziel klären.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 : Konzept - Methode - Technik40

Dieses erweiterte Methodenkonzept versucht der zuvor geäußerten Kritik Rechnung zu tragen. Unter der Voraussetzung, dass Methoden sinnvoll sind, können diese nicht von den umfassenden konzeptionellen Überlegungen abgelöst werden. Durch das Herauslösen der Methode aus dem Konzept kann die Methodenentscheidung nicht mehr überzeugend mit dem subjektiven und gesellschaftlichen Einssatzfeld in Verbindung gebracht werden. Der Methodeneinsatz ohne konzeptionellen Rahmen könnte dann am verkehrten Problemfeld oder am falschen Subjekt ansetzen, aber auch mit unbeabsichtigter Wirkung gebraucht werden.

„Insbesondere besteht mithin Gefahr, dass in der routiniertesten und auf ,Technikbeherrschung’ verkürzte Methodenverwendung der ,sozialpädagogische Blick’ abhanden kommt, die auf die Bedingungen des Einzelfalls ausgerichteten, fachlich fundierte, gleichwohl offene Suchhaltung gegenüber dem biographischen Eigensinn, den ,Besonderheiten’ der Klienten ebenso wie gegenüber den Eigenheiten der Lebenswelten und sozialen Netzwerken der Subjekte.“41

2.2.1.2 Definition sozialpädagogischer Methoden

Dieses erweiterte Methodenverständnis, dem der Begriff von Methode in dieser Arbeit zu Grunde liegt, hat Galuske wie folgt definiert:

„Methoden der Sozialen Arbeit thematisieren jene Aspekte im Rahmen sozialpädagogischer/sozialarbeiterischer Konzepte, die auf planvolle, nachvollziehbare und damit kontrollierbare Gestaltung von Hilfeprozessen abzielen und dahingehend zu reflektieren und zu überprüfen sind, inwieweit sie dem Gegenstand, den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, den Interventionszielen, den Erfordernissen des Arbeitsfeldes, der Institutionen sowie den beteiligten Personen gerecht werden.“42

2.2.2 Grenzen, Probleme und Besonderheiten sozialpädagogischer Methoden

Wie bereits beschrieben, befindet sich Soziale Arbeit in einem Spannungsfeld von Allzuständigkeit, sozialstaatlichen Rahmenbedingungen und der Unauflösbarkeit des Miteinanders von Hilfe und Kontrolle in der Interventionspraxis. An Methoden in der Sozialen Arbeit knüpft sich nun die Hoffnung, den Einsatz der sozialpädagogischen Interventionen planbarer, kontrollierbarer, übersichtlicher und nicht zuletzt machbarer zu gestalten.

Nicht nur deshalb sind die Methoden der Sozialen Arbeit schon seit längerem Streitthema unter Experten. Was für den Einen eine gutgemeinte Absicht, ist für den Anderen die Gefahr einer inhumanen Interventionspraxis Sozialer Arbeit. Schließlich habe es die Sozialpädagogik nicht mit der technischen Beherrschung von Unbelebtem zu tun, sondern ziele auf die Beeinflussung der Menschen im Medium ihrer sozialen Beziehungen ab.

Der Eingriff in die Lebenspraxis der Klienten einerseits und die Wahrnehmung ihrer Autonomie andererseits ist in der Tat höchst komplex. Dabei ist es notwendig, die Selbstbestimmung des Klienten nicht nur auf der Ebene ethischer Postulate abzusichern. Sonst besteht in der Praxis allzu leicht die Gefahr, dass die Autonomie des Klienten nur solange gewahrt ist, solange er bei den Interventionszielen und Methoden des Sozialarbeiters kooperiert. Widerspricht und widersetzt er sich allerdings der in „guter Absicht“ und mit Hilfe „fundierter Methoden“ ausgeklügelten Hilfeintervention, liegen Bezeichnungen wie „mangelnde Einsichtfähigkeit“ oder „fehlender Wille“ nicht fern, und die gemeinsame Problemlösung gerät zur Farce.

Die Vorstellung, dass Klienten nun einmal Klienten sind und ihre Probleme genau aus diesem Grunde nicht allein bewältigen können, gibt dem Sozialpädagogen Anlass, kompetent stellvertretend für ihn Entscheidungen zu treffen. Um dieser Reduktion vorzubeugen, bedarf es einer Besonderheit im Vorgehen der Sozialarbeiter, einer methodischen Sicherung der Klientenrechte und damit der Autonomie der Lebenspraxis.

In der heutigen Methodendiskussion, in der die Adressaten der Sozialen Arbeit einen höheren Stellenwert bekommen, ergibt sich daraus folgende Formulierung: „Der biographische und situative Eigensinn der Subjekte ist eine nicht hintergehbare Vorraussetzung eines gelingenden Unterstützungsprozesses.“43 „Methodisches Arbeiten heute hat ... von der Notwendigkeit auszugehen, dass der Klient selber den ihm gemäßen Weg finden muss“44

Wie eingangs erwähnt, hat dies erhebliche Konsequenzen für die Methoden der Sozialpädagogik. So ist es unmöglich, sich den Prozess der Hilfeleistung als eine Art festgelegten Weg, vom Zustand A (hilfsbedürftig, defekt) zum Zustand B (selbstständig, funktionierend) vorzustellen, der mittels Zwischenschalten einer sozialpädagogischen Methode dorthin gelangt. Der Sozialpädagoge ist weder autonom in der Zielsetzung noch in der Festlegung des Weges. Beide Aspekte sind letztendlich Aushandlungsprodukte zwischen den Beteiligten. Der Klient ist in diesem Sinne nicht einfach passiver Abnehmer eines Produkts, sondern vielmehr Koproduzent, welcher aktiv am Prozess der Dienstleistungsproduktion beteiligt ist; d.h., die Qualität der sozialpädagogischen Interventionen hängt entscheidend davon ab, wie gut beide Parteien „miteinander umgehen können“. Dies schließt sowohl die Kooperationswilligkeit, als auch die Kooperationsfähigkeit von Sozialpädagogen und Klient ein. Will man die Qualität von sozialen Dienstleistungen verbessern, bedeutet dies also, zunächst einen Blick auf die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten zu werfen.

2.3 Sozialpädagogische Beratung

In erster Linie stellt Beratung eine Methode Sozialer Arbeit dar, die vergleichsweise eng mit ihrem jeweiligen Konzept verknüpft ist. Da es für den weiteren Aufbau der Arbeit dienlich ist, wird die sozialpädagogische Methode Beratung hier exemplarisch dargestellt. Beratung ist zum einen zentrale Tätigkeit Sozialer Arbeit die sich in vielen Kontexten und Konzepten wiederfindet, zum anderen lässt sich am Beratungssetting besonders deutlich die Methodisierung aus der Sphäre der Psychotherapie ausmachen.

Beratungsangebote und -arten haben sich bis zum Ende der 90er Jahre immer weiter vergrößert und verbreitet. Im Zusammenhang mit Beratung sind zahlreiche Elemente wie lebensweltorientierter Ansatz oder psychologische Gesprächstechniken zu nennen. Zuerst bedarf es jedoch der begrifflichen Klärung.

2.3.1 Gegenstandsbeschreibung und Abgrenzung

Beratung ist integraler Bestandteil jeder Kommunikation. Sie findet im Alltag von Individuen wie im spezifischen, konstruierten bzw. arrangierten Beratungssettings statt.

Unspezifisch kann Beratung als Interaktion zwischen mindestens zwei Beteiligten, einem Ratsuchenden und einer beratenden Person verstanden werden. Dies geschieht unter Verwendung von kommunikativen Mitteln mit dem Ziel, Orientierung und Lösungskompetenz zu gewinnen. „Die Interaktion richtet sich auf kognitive, emotionale und praktische Problemlösung und -bewältigung von KlientInnen oder Klientensystemen (Einzelpersonen, Familien, Gruppen, Organisationen) sowohl in lebenspraktischen Fragen wie auch in psychosozialen Konflikten und Krisen“45

Es gilt zwischen Alltagsberatung und professioneller Beratung zu unterscheiden. Den weitaus größeren Anteil der Beratungsarbeit fällt auf die Alltagsberatung, die zwischen Partnern, Freunden, Bekannten und innerhalb der Familie stattfindet.

Im Gegensatz dazu stellt die professionelle Beratung eine personenbezogene Dienstleistung dar.

Drei allgemeine Merkmale von professioneller Beratung sind festzuhalten:46

1. In der Beratungsinteraktion herrscht eine spezifische Form von Rollenbeziehung. Geht man von einer Situation mit zwei Individuen aus, so soll ein Teilnehmer aus dem Beratungsgeschehen Nutzen ziehen, während der andere als „Mittel der Veränderung“ akzeptiert wird. In der Alltagsberatung ist diese Rollenbeschreibung nicht so scharf getrennt und wird nicht selten verwechselt.

2. Das Medium der Beratung ist die Sprache. Probleme und Problemlagen werden als verbale Botschaften in den Interaktionsprozess eingebracht, die Rückkopplung ebenfalls verbal im Interaktionsprozess repräsentiert. Beratung vollzieht sich damit im Kommunikationsprozess des wechselseitigen Sprechens, Hörens und Verstehens.

3. Beratung bezieht sich nur auf Probleme die derart gelagert sind, dass sie ein „mittleres Maß“ nicht überschreiten. Damit ist gemeint, dass das zu beratende Individuum noch ausreichend „funktionsfähig“ ist, um die aus der Beratung resultierenden Ergebnisse oder Lösungsansätze in Handlungsschritte umzusetzen.

Sozialpädagogische Beratung ist durch weitere Merkmale zu spezifizieren:

- Sie ist hinsichtlich ihres Kompetenzbereichs ungenau festgelegt. Im Gegensatz zur psychologischen Beratung beispielsweise beruft sich sozialpädagogische

Beratung nicht ausschließlich auf eine theoretische Schule (humanistische Psychologie, Lerntheorie), sondern ist in ihrem Feldbezug unklar.

- Daran schließt sich die Allzuständigkeit des sozialpädagogischen Berufs an.

Im Bezug eines Feldes ist das Themen- und Aufgabenspektrum sozialpädagogischer Beratung prinzipiell nicht begrenzt. Oder anders ausgedrückt: Alles, was im Alltag zum Problem werden kann, kann auch zum

Gegenstand sozialpädagogischer Beratung werden. Den typischen Klienten Sozialer Arbeit gibt es zwar nicht, jedoch kann man festhalten, dass viele Ratsuchenden „mehrfachbelastete Klienten“ sind. Hierbei reicht die Palette von Beziehungsproblemen über Erziehungsfragen und rechtliche Angelegenheiten bis hin zu Fragen der Sinnsuche. „Die formale Zuständigkeit für alle im jeweiligen Feld manifest werdenden Krisen und Konflikte zwingt den Sozialpädagogen, sich in seinem Beratungshandeln notfalls äußerst pragmatisch zu orientieren. Eine wissenschaftlich honorige ,Reduktion von Komplexität’, die reale Fakten zugunsten ,sauberen, methodischen Arbeitens’ ausklammert, ist für den Sozialpädagogen kaum möglich.“47

- Aus diesem Umstand ergibt sich wiederum, dass sich die Beratung in der Sozialen Arbeit nicht ausschließlich in einem bestimmten Setting realisieren lässt. Sie ist demnach offen für unterschiedliche Angebotsformen und vielfältige Adressatengruppen.

- Mehr als jeder andere Beratungsansatz ist sozialpädagogische Beratung eine Intervention, die darauf abzielt, Alltagstechniken der Konflikt- und Krisenbewältigung zu beleben. Sie klammert dabei den gesellschaftlichen Kontext notwendigerweise nicht aus.

Wie zu sehen ist, bezieht sich der Begriff der sozialpädagogischen Beratung auf ein breites Spektrum von Beratungstätigkeit. Es reicht demnach nicht, diese als institutionale Aufgabe zu betrachten, da Beratung im Alltagsgeschäft des „Miteinander-in-Beziehung-tretens“ der Sozialen Arbeit in unterschiedlichen Handlungssituationen immer wieder anfällt. Das kann beim Thekendienst im Jugendheim, beim gemeinsamen Frühstück oder dem Ausflug mit der Jugendgruppe sein.

Um dies präziser und anschaulicher zu machen, ist es notwendig, die Beratungstätigkeit von Sozialpädagogen grob in zwei Formen zu unterteilen. Soziale Beratung kann nach Belardi unterschieden werden in:48

2.3.1.1 Funktionale Beratung

Funktionale Beratung ist Teil der üblichen Arbeit von Sozialpädagogen. Sie findet häufig, jedoch nicht notwendigerweise, in sozialen Einrichtungen statt. Die Beratung steht selten für sich alleine und ist mit anderen Tätigkeiten verknüpft.

Mit anderen Worten „... ist funktionale Beratung eine typische Querschnittfunktion der Sozialarbeit. Man tut es, aber selten ausschließlich.“49

2.3.1.2 Institutionale Beratung

Institutionale Beratung findet in spezialisierten Beratungsstellen (mit den Schwerpunkten Erziehung, Familie, Sucht etc.) statt und stellt dort den Hauptteil der Tätigkeit von Sozialarbeitern dar. In der Regel kommen die Ratsuchenden in diese Beratungsstellen, jedoch gibt es auch Versuche, institutionale Beratung zu integrieren (betriebliche Sozialberatung).

2.3.2 Konsequenzen sozialpädagogischer Beratung

Aus dem bis hierher entwickelten Verständnis von sozialpädagogischer Beratung ist zu erkennen, dass diese im Wesentlichen durch ihren Bezug auf den Alltag der Klienten gekennzeichnet ist. Der Alltagsbegriff lässt sich nach Thiersch als Schnittpunkt gesellschaftlicher Strukturen und individueller Biographie definieren. Gewissermaßen als konkrete Verdichtung gesellschaftlich fundierter Erfahrungen im Fokus des vorfindbaren Lebensarrangements.50 Somit ist Alltag als Bezugspunkt für die sozialpädagogische Beratung durch komplexe, widersprüchliche Selbstverständlichkeiten, Regeln der Problemselektion, charakteristische Problemlösungsstrategien und bewährte Routinen des Klienten gekennzeichnet. Die Herausforderung für die Sozialpädagogik liegt daher in der Balance zwischen Akzeptanz von Alltagsroutinen und Offenlegung, Kritik sowie Veränderung von borniertem Alltag zu agieren.

2.3.2.1 Methoden und Verfahren sozialpädagogischer Beratung

Dem breiten Verständnis sozialpädagogischer Beratung Rechnung tragend, lässt sich die Benennung der Methoden von Beratung selbst nicht auf einige wenige reduzieren. Jenes erscheint auch nicht sinnvoll, denn will die Soziale Arbeit dem Spektrum des Alltags ihrer Klienten gerecht werden, bieten sich viele Verfahren an. Die meisten von ihnen stammen aus der Psychotherapie (Aktives Zuhören, Zirkuläre Fragen, Modelllernen) und sind sowohl für den Berater als auch für den Klienten wichtig, um das Beratungsgeschehen zu strukturieren. Dieser Eklektizismus ist typisch für die Soziale Arbeit und bietet Gefahren aber auch Chancen. Ohne das Korsett einer formalistischen Beratungstechnik besteht die Gefahr des wahllosen Pragmatismus und der planlosen Auswahl von Ansätzen. Auf der anderen Seite eröffnet sich jedoch die Möglichkeit einer relativ wenig reduzierten und auf Einzelaspekte zugeschnittenen Vorgehensweise der Beratung. Man kann also formulieren: „Nicht die Methode bestimmt den Verlauf der Beratung, sondern das Problem, der Gegenstand, die Lebensumstände bestimmen die Vorgehensweise.“51

Daraus leitet Thiersch fünf Konsequenzen für die Gestaltung sozialpädagogischer Beratung ab:52

1. Diagnose in der sozialpädagogischen Beratung ist immer „teilnehmende Diagnose“, verstanden als gemeinsames Handeln, da sich die Einschätzung von Person, Problem und Bearbeitungsressourcen nur in konkreten Situationen gemeinsamen Handelns angemessen eruieren lassen.
2. Hilfe konkretisiert sich durch „Umstrukturierung der Situation“, also durch Erschließung materieller Ressourcen, Neudefinition sozialer Beziehungen, Schaffen neuer sozialer Räumlichkeiten (Freundschaften, Schulwechsel, Arbeitsplatzwechsel etc.).
3. Wenn Alltag auch durch Selbsttäuschung, Borniertheit usw. gekennzeichnet ist, so muss es die Aufgabe sozialpädagogischer Beratung sein, durch Konfrontation etc. hinter die Fassade „öffentlicher“ Problemartikulation zu schauen.
4. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass allein sprachlich vermittelte Erkenntnis zur (gewünschten) Veränderung führt, gehört auch Training zum Handlungsspektrum sozialpädagogischer Beratung.
5. Wenn Beratung sich auf Alltag bezieht, so muss sie auch alltägliche Kontexte (Gruppen, Gemeinschaften etc.) berücksichtigen und sich in ihnen realisieren.

2.4 Abgrenzung: Sozialpädagogik - Psychotherapie

Wichtig für die Entwicklung der Sozialen Arbeit war somit maßgeblich die Psychotherapie mit ihren zahlreichen Schulen und Modellen. Bei einem ersten Blick lassen sich dann auch einige Gemeinsamkeiten der beiden Professionen beschreiben. So haben beide zum Ziel, dass durch ihre Intervention Menschen mit sich, gesellschaftlichen Anforderungen, ihren Problemen, demnach mit ihrem Leben und ihrem Alltag besser zurecht kommen. Über diese Hilfe zur Lebensbewältigung hinaus arbeiten Therapeuten und Psychologen in vielen Handlungskontexten zusammen mit Sozialpädagogen gemeinsam an einem Problem und übernehmen in der Praxis ähnliche Aufgaben.

Zwischen Therapie und Sozialer Arbeit lassen sich bei weiterem Forschen, eindeutige Unterschiede belegen, die beides in differenzierte Handlungsformen trennen.53

Problemfokus

Eine wesentliche Unterscheidung lässt sich im Verhältnis der Intervention zum Alltag der Klienten treffen. „Während sich Sozialpädagogik auf die Komplexität des Alltags, seine Brüche, Widersprüche, Probleme und Krisen einlässt, versuchen therapeutische Ansätze Hilfe zu leisten, indem sie sich auf - je nach therapeutischem Konzept unterschiedliche - Schlüsselprobleme konzentrieren. Während für die Sozialpädagogik eine ganze Palette an Themen, Krisen und Problemlagen zum Gegenstand werden kann, ist Therapie auf Reduktion von Komplexität angelegt.“54

Situativer Kontext

Einher damit geht der unterschiedliche situative Kontext der Intervention. Das heißt, Sozialpädagogen sind nicht auf ein spezifisches Setting angewiesen. Ihre Hilfeleistung kann in stadtteilnahen sozialpädagogischen Räumen (Beratungsstelle) ebenso wie in der Wohnung des Klienten (Sozialpädagogische Familienhilfe) oder auf der Straße (Streetwork) realisiert werden. Therapeutische Hilfe zieht sich im Gegensatz dazu in einem Rahmen, der sich bewusst von den Alltagsstrukturen der Klienten abhebt, zurück. Ob nun wie in der Psychoanalyse die Couch oder im Psychodrama die Bühne zum Setting gehören, entscheidet die jeweilige therapeutische Schule.

Flexibilität

Wenn Sozialpädagogik alltagsnah agiert und auf eine erhebliche Bandbreite von Alltagsproblemen ausgerichtet ist, bedeutet das, dass ihre Interventionen charakteristisch flexibel sein müssen. Sie müssen sich auf die Problemlage und den Alltag mit all seinen sozialen Netzwerken und Hilfsressourcen einstellen können. Um dies zu bewältigen, muss der Sozialpädagoge sein Repertoire an Methoden zu nutzen wissen und „passende“ Verfahren verstehen anzuwenden. Die Psychotherapie hingegen arbeitet in der Regel unter Berufung auf ein Therapie-Modell (Psychoanalyse, Verhaltenstherapie etc.) und hält sich strikt an dessen Vorgaben. Problemlagen und Defizite, „... die der therapeutischen Indikation nicht entsprechen werden ‚übersehen’, ,weiterverwiesen’ (Allokation) oder aber: passend gemacht.“55

Klientel

Aus den drei Unterscheidungen, die zuvor festgemacht wurden, resultiert ein vierter Unterschied zwischen Sozialpädagogik und Therapie: Sozialpädagogische Unterstützung wendet sich potentiell an jeden Menschen mit bestimmten Versorgungsinteressen und/oder Problemen sachlicher oder personeller Art, mit denen er selbst bzw. unter Rückgriff auf gewachsene Unterstützungsnetzwerke nicht mehr zurechtkommt. Für therapeutische Angebote ergibt sich eine Selektivität, die einmal Klienten mit diversen Problemlagen (z.B. sachlicher Natur) komplett ausklammert, sowie weiterhin durch ihre Zugangsschwellen im wesentlichen nur einer bestimmten Schicht von Klienten (Mittelschichtsorientierung) ihre Hilfen ermöglicht.56

2.4.1 Institutionale sozialpädagogische Beratung - Psychotherapie

Bei der Abgrenzung von institutionaler sozialpädagogischer Beratung und Psychotherapie sind die Unterschiedlichkeiten ähnlich gelagert. Jedoch nähert sich Soziale Arbeit hier sowohl im situativen Kontext, als auch in der (Un)Flexibilität ihrer Interventionen der Therapie an. Der Sozialarbeiter wird dabei ähnlich wie der Therapeut in einem vorher festgelegten Setting tätig. In speziellen Räumlichkeiten einer Einrichtung fungiert er dann als Berater. Sozialpädagogische Beratung kann in dieser Form relativ breitflächig (Allgemeine Sozialberatung) oder auch spezialisierter (Erziehungs- oder Schuldnerberatung), in jedem Fall jedoch niederschwellig, angeboten werden. Soziale Beratung richtet ihren Fokus dabei immer auf den Lebensalltag der Klienten und beginnt, in ihm wirksam zu werden. Die Abgrenzung zur Psychotherapie ist in diesem Punkt noch einmal deutlich: „Psychotherapie konzentriert ihre Veränderungsimpulse auf die Innenwelt des Klienten. Es geht ihm nicht um Modifikation von Situationen, sondern um die Veränderung der Wahrnehmung von Situationen durch das (leidende) Individuum.“57 Die Umwelt bleibt auch bei institutionalisierter sozialer Beratung nicht außen vor, sondern stellt eventuell eine problembeladene veränderbare Größe dar. In methodischer Hinsicht bedient sich Beratung in der Praxis häufig bei psychotherapeutischen Methoden und übernimmt diese in einen neuen konzeptionellen Zusammenhang. Berater gehen eklektisch vor und integrieren dabei Verfahren in ihr Beratungshandeln oder aber verwenden ausschließlich einen methodischen Ansatz, der in angepasster Form zur Anwendung kommt. Dabei darf Beratung nie zu einer Art „kleinen Therapie“ für minderschwere Fälle verkommen, sondern muss in Abgrenzung zur Psychotherapie im Aufgabenfeld der Sozialen Arbeit beratungsrelevante Probleme ansteuern.58

Sozialpädagogik und Therapie grenzen sich, so lässt sich abschließend formulieren, in vielfältiger Weise voneinander ab. Dieses differenzierte Verständnis sowohl von Beratung und Psychotherapie, als auch von sozialpädagogischen Methoden und der therapeutischen Methode des provokativen Ansatzes, sind Voraussetzung, um im vierten Kapitel eine Adaption des zuletzt genannten Ansatzes in die Beziehungsarbeit zu leisten. Zuvor gilt es jedoch, eben dieses Begriff in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken. Beziehungsarbeit wurde in den beiden vorherigen Kapiteln bereits gestreift oder implizit zum Gegenstand gemacht. Sowohl bei sozialpädagogischen Methoden, als auch in der Provokative Therapie arbeiten die Professionellen mit ihren Klienten unter besonderer Beachtung, was sich „zwischen ihnen“ abspielt. Das nächste Kapitel behandelt den Begriff Beziehung in der gebotenen Ausführlichkeit und macht auf diese Art deutlich, wie zentral dieser für die Soziale Arbeit ist.

3. BEZIEHUNGSTHEMATIK

3.1 Gegenstandsbeschreibung und Definition

Der Begriff der Beziehung ist sehr weitreichend. Für den hier anstehenden Diskurs ist er Dreh- und Angelpunkt. Das Problem der Definition eines universalistischen Begriffs wie Beziehung liegt auf der Hand, denn jeder bringt ihn mit irgendetwas in irgendeiner Form in Verbindung. Bei einer ersten Überlegung offenbart sich scheinbar was Beziehung beinhaltet, was Beziehung ist. Diese Deutlichkeit erfährt allerdings bei detaillierter Betrachtung eine Verzerrung. Beziehung entfaltet viele Bedeutungen: Abhängig von dem Kontext in dem der Begriff gebraucht wird, abhängig von den gesellschaftlichen Gegebenheiten und damit auch abhängig von dem persönlichen Horizont des Individuums. Was Beziehung ist, wird ständig neu in den Köpfen der Menschen ausgestaltet.

Beziehung ist damit als „leerer Signifikant“ zu beschreiben. „Der leere Signifikant erfüllt die Aufgabe, mittels einer Partikularität die Universalität des Diskurses zu repräsentieren.“59 Die Bedeutung des Signifikanten „Beziehung“ muss entleert und universalisiert werden, wenn damit die Allgemeinheit des Diskurses ausgedrückt werden soll. Je stärker der Signifikant von seiner Bedeutung entleert werden kann, umso besser eignet er sich dafür, die Äquivalenz der unterschiedlichen methodisch abgehandelten Momente zu symbolisieren. In diesem Sinne ist Beziehung, in der Funktion eines leeren Signifikanten, für die weitere Entwicklung des Textes von immenser Bedeutung. Ohne dieses allgemeingültige Verständnis würde eine weitere Abhandlung beinahe unmöglich.

Im Nachfolgenden soll zunächst die Nichtvorstellbarkeit der Abstinenz von Beziehungen und Notwendigkeit dieser in unserem Leben nachgewiesen werden. Der Schwerpunkt wird hierbei auf zwischenmenschlichen Beziehungen gelegt, die sich anschließend grob in formelle und informelle Beziehungen unterscheiden lassen. Daraufhin wird anhand der Rollentheorie die Rolle des Sozialpädagogen und ihr Entstehungsprozess, sowie die Beziehung zwischen Sozialpädagogen und Klienten thematisch erarbeitet werden. Die Darstellung mündet in einer Gegenstandsbestimmung von sozialpädagogischer Beziehungsarbeit, deren Rahmen und Voraussetzungen notwendigerweise für den Aufbau des folgenden Kapitels, die Adaption des provokativen Ansatzes für die Soziale Arbeit, diskutiert werden müssen.

3.1.1 Definition von Beziehung

Allgemein: „Eine Beziehung verknüpft zwei oder mehrere abstrakte oder konkrete Dinge oder Personen miteinander.“60

Dies bedeutet zunächst einmal nur, dass bei einer Beziehung mindestens zwei Objekte oder Subjekte miteinander in Verbindung stehen. Bei detaillierterem Hinsehen wird allerdings deutlich, dass dies bei der menschlichen Wahrnehmung ständig der Fall ist. Beziehung wird zu einem elementaren Baustein des Lebens selbst, denn alles findet sich in Bezügen wieder.

Da die Wahrnehmung und das Denken des Menschen in Bezügen stattfindet, besteht für ihn eine Unmöglichkeit, sich selbst und andere/anderes nicht in Beziehung zu betrachten. Dabei sind die Möglichkeiten des Bezugnehmens schier grenzenlos: Zu Materiellem (z.B. Auto), zu Immateriellem (z.B. Arbeitsplatz), zu Fauna und Flora (z.B. Haustier, Pflanze) und nicht zuletzt zu anderen Menschen (z.B. Freunden). Diese Liste ließe sich ohne Mühe fortsetzen. Im Besonderen wird letzterer Punkt nun zum Gegenstand: Zwischenmenschliche Beziehungen.

3.2 Zwischenmenschliche Beziehungen

In der Kommunikationstheorie findet sich das Axiom: „Man kann nicht nicht kommunizieren“61 Damit ist die Unmöglichkeit des Menschen beschrieben, nicht zu kommunizieren, weil alles Verhalten seinerseits Kommunikation bedeutet. Da für ihn ebenso nicht die Möglichkeit des „Nichtverhaltens“ besteht, wird er ständig kommunizieren, ob er will oder nicht. Dies legt theoretisch Kommunikation als Grundbaustein menschlichen Seins dar.

Davon ausgehend, das alles menschliche Verhalten Kommunikation bedeutet, ergibt sie sich als Grundvoraussetzung für zwischenmenschliche Beziehungen. Ohne Beziehung bestünde nicht die Möglichkeit zur Kommunikation und ohne Kommunikation gäbe es keine Beziehung. Oder anders ausgedrückt: Watzlawick u.a. postulierten 1969: „Wir finden ... in jeder Kommunikation einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.“62 D.h., in jeder Kommunikation sagt der Mensch auch etwas darüber aus, in welcher Beziehung er zum anderen steht. Axiomatisch formuliert: Man kann sich nicht nicht beziehen.

Nach diesem Verständnis, beinhaltet jeder Kontakt eine Beziehung, da selbst dann eine Beziehung zu einer anderen Person besteht, wenn dieser Beziehung keine Beachtung geschenkt wird. Somit muss alles zwischenmenschliche unter dem Aspekt der Beziehung betrachtet werden.

Menschen sind in vielfältige soziale Bezüge eingebettet. Dabei ist ihr Alltag bestimmt von Beziehungen. Im Laufe seines Lebens knüpft der Mensch immer wieder neue Beziehungen und andere geraten nahezu zur Bedeutungslosigkeit. Bezüge sind dabei nie wahllos. Alle Beziehungen, die Menschen miteinander eingehen sind durch Regeln determiniert. Diese sind, auch wenn sie nicht jederzeit bekannt oder bewusst sind, immer vorhanden. Beziehungsregeln beinhalten Verhaltensanweisungen die wiederum in Rollen festgeschrieben sind. Auf den Rollenbegriff und der Aushandlung dieser zwischen Menschen wird später zurückzukommen sein

3.2.1 Lebensnotwendige soziale Verbindungen

Die Existenz des Menschen baut auf sozialen Verbindungen auf. Von Lebensbeginn an, hat er Kontakt zu anderen Menschen und kann ohne diesen, wenn überhaupt, nur unzureichend überleben.* Er ist dabei als Säugling nicht nur abhängig von der Ernährerfunktion seiner Mitmenschen, sondern er benötigt auch physischen Kontakt um nicht zu verkümmern. Säuglinge die sozialer und emotioneller Deprivation ausgesetzt waren, so belegen Untersuchungen, können an den Folgen dieser sterben.63

Ein verwandtes Phänomen lässt sich bei erwachsenen Menschen beobachten, die von einer sensorischen Deprivation betroffen sind. Erfahrungsgemäß, kann schon eine Entbehrung optischer und akustischer Reize auf Dauer, eine vorübergehende Psychose hervorrufen bzw. zu geistigen Störungen führen.

Erwachsene die sozialer Deprivation ausgesetzt waren, z.B. Menschen die Jahre in Einzelhaft verbrachten, leiden unter ähnlichen Symptomen.64

3.3 Beziehungsformen - Beziehungen in Rollen

Die Möglichkeiten wie Menschen zueinander in Beziehung stehen können, erscheint bei detaillierter Betrachtung grenzenlos. Eine Person wird mal als Freund oder Partner, als Kind oder Elternteil, als Nachbar oder Fremder, als Kollege oder in seiner beruflichen Rolle wahrgenommen. Und dies stellt nur ein geringes Spektrum dar. Menschen finden sich somit gegenüber ihrer Umwelt jederzeit in bestimmten Rollen wieder.

Der Rollenbegriff in seiner sozialwissenschaftlichen Definition „...betont den Aspekt der Erwartungen, die mit einer sozialen Position verbunden sind; Der Positionsträger übt eine Rolle aus. Rolle wird dabei als Summe normativer Erwartungen definiert, die andere Personen an den Inhaber einer Position stellen.“65

3.3.1 Grundannahmen der interaktionistischen Rollentheorie

Ausgangspunkt der Überlegung des Handelns in Rollen ist die Theorie des „Symbolischen Interaktionismus“ von George H. Mead.66 Der Kern seiner Theorie beschreibt den Kommunikationsprozess zwischen Subjekten als einen gesellschaftlichen Prozess, aus dem heraus sich die Identität entwickelt. Damit werden Beziehungen zu einer Grundlage für die Entwicklung des Selbst (Identität). Mead stellt allerdings heraus, das bei der Kommunikation zwischen Menschen zwei Aspekte als konstitutiv angesehen werden müssen: der Einzelne teilt ein gemeinsames Symbolsystem (Sprache) mit dem Anderen, sodass Verständigung möglich wird; und der Einzelne wird mit stabilisierten Verhaltenserwartungen konfrontiert, die andere an ihn richten. Zwischen verschiedenen Verhaltenserwartungen bestehen dabei systematische Differenzen, die eine Interpretation von Normen, Erwartungen und Bedürfnissen erforderlich machen.67 Situationen müssen demnach stets vom (kommunizierenden) Menschen interpretiert werden und mit individuellem Handeln beantwortet werden. Ein selbst entworfenes Handeln des Menschen dieser Art beinhaltet immer eine Darstellung seiner eigenen Identität.

Die Basis der Theorie Meads stellt die Interaktion dar, deren Signifikanz synonym zu Kommunikation ist. Der Begriff der Rolle ergibt sich dabei durch die Fokussierung des wechselseitigen Aufeinander-Bezugnehmens der Menschen, das durch die Erwartungen an das Verhalten anderer und das gedanklich vorwegnehmende Erwarten von den Erwartungen an das eigene Verhalten gekennzeichnet ist. Das bedeutet, Rollen sind nicht extern festgelegte Verhaltensanforderungen, sondern werden vielmehr in der Kommunikation zwischen Menschen ausgehandelt und dabei individuell gestaltet. Das wechselseitige Einbringen von Identitätsmerkmalen der Beteiligten wird dabei mit den Begriffen „role-making“ und „role-taking“ beschrieben.68

Der Symbolische Interaktionismus macht dies anschaulich indem er annimmt, dass eine Person zwei „Ich-Identitäten“ in sich trägt, die innerhalb dieser miteinander in Verhandlung treten: das persönliche „Ich“ (Ego) nimmt dabei die Funktion des Individuums ein wobei das gesellschaftliche „ICH“ (Alter) die augenblickliche Rolle dessen symbolisiert.69

- Role-taking bezeichnet nun die Fähigkeit von Ego sich in die Lage von Alter zu versetzen und somit die Kommunikation mit dessen Augen zu wahrzunehmen. Durch diese Perspektivübernahme ist es Ego möglich, die Erwartungen die Alter an ihn richtet zu erkennen und die vorgeschlagene Rolle zu spielen oder diese zu verweigern.

- Role-making meint das nun erfolgende Abgleichen, bei dem Ego durch sein Verhalten seinen eigenen Identitätsentwurf einbringt, „... der nicht völlig deckungsgleich mit der von Alter angesonnenen Rolle sein wird.“70 Ego reagiert im Normalfall also mit einem Kompromiss aus Akzeptanz und eigener Ausgestaltung der angedachten Rolle auf den Alter wiederum reagieren wird.

Bei diesem Modell, bei dem eine Gleichberechtigung und Gleichgewichtigkeit zwischen Ego und Alter, role-making und role-taking besteht, wird eine vorgeschriebene Rolle demnach nicht einfach ausgeführt, sondern auf der Basis einer vom anderen unterstellten Rolle im eigenen Handeln geplant und entworfen.

Je nachdem welcher persönlichen und gesellschaftlichen Art die Beziehung zwischen Menschen ist, bzw. welcher soziale Kontext sie gestaltet, insoweit ist auch das Interpretationsfeld der Rollen begrenzt. Haben Menschen, die sich außerhalb ihres beruflichen Rahmens (privat) auf einer Party kennen lernen die Möglichkeit, ihre Rollen vielseitig untereinander auszuhandeln oder vorzeitig die Kommunikation abzubrechen, so sind die Erwartungen an eine Rolle in Institutionen im beruflichen Kontext vorab festgelegt. Der Prozess des Aushandelns wird dadurch, dass die Erwartungen einer Institution auf Dauer angelegt sind, erheblich eingeschränkt. Im Folgenden wird die Differenzierung zwischen diesen zwei grundsächlichen Beziehungsformen herausgearbeitet, um sie für die berufliche Rolle des Sozialpädagogen zu verdeutlichen.

3.3.2 Formelle und informelle Beziehungen

Menschen begegnen sich in formellen (z.B. berufsbedingte Beziehungen) wie auch in informellen Beziehungen (z.B. Familienbeziehungen). Als Träger von Rollen zeigen sie damit letztendlich nur einen ganz bestimmten Ausschnitt ihres Menschseins. Rollenbeziehungen lassen sich also anhand von Formalität bzw. Informalität unterscheiden. Das bedeutet aber nicht, dass eine Beziehung in ihrer Gesamtheit formell sein muss, oder dass Familienbeziehungen automatisch informell sein müssten. Zwischenmenschliche Beziehungen tendieren eher dazu, sich auf die eine oder die andere Seite zu bewegen, ohne dass die Beziehungsmodalität festgelegt wäre. Aus diesem Verständnis heraus lassen sich die folgenden Beziehungsmuster, in denen Max Weber formell und informell gegenüberstellt, eher als idealtypisch charakterisieren:71

1. Partikularistische versus holistische Sichtweise: In formellen Beziehungen wird der Mensch eher partikularistisch, in informellen eher holistisch wahrgenommen. Partikularistisch meint hier, dass man von dem anderen nur einen bestimmten Teil kennen lernt, ihn nur in einer Rolle agieren sieht (z.B. als Arzt). Lebt man jedoch in einer engen Partnerschaft mit einem anderen Menschen, kennt man mit großer Wahrscheinlichkeit sehr viele Seiten und somit auch mehrere Rollen (z.B. Partnerrolle und Vaterrolle), die sich zu einem ganzheitlichen Bild zusammenfügen.

2. Strukturiertheit und Rationalität versus Unstrukturiertheit und Emotionalität: Formelle Beziehungen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie strukturiert sind. Das heißt, dass sowohl Ziele und Zwecke klar vorgegeben sind, als auch die Mittel und Normen, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Dagegen sind informelle Beziehungen eher unstrukturiert, weniger ziel- und zweckorientiert und haben eine größere sozial-emotionale sowie affektive Komponente. Entscheidend bei ihnen ist häufiger die Sympathie zwischen den Interaktionspartnern.

3. Verhaltensvorgabe versus Verhaltensfreiheit: Die Inhalte werden in formellen Beziehungen von einer äußeren Instanz bzw. durch spezifische Zielsetzung vorgegeben. Die einzelnen Beteiligten müssen sich innerhalb der Beziehung danach richten. Damit werden sie häufig gezwungen, einen Teil ihrer Individualität auszuschalten und können die Beziehung nur schwerlich nach Belieben beenden. In informellen Beziehungen können die Interaktionspartner den Inhalt ihrer Kommunikation selbst bestimmen. Es steht ihnen eine sehr viel größere Bandbreite von Verhaltensweisen zur Verfügung.

4. Entpersonifizierung versus Individualität: Aus dem bisher dargelegten lässt sich erschließen, dass die formelle Beziehung sehr viel unabhängiger von spezifischen Personen ist, als die informelle Beziehung. Während in einer Freundschaft gerade die Individualitäten der Partner wichtig sind, sind die Beziehungspartner in einer formellen Beziehung relativ leicht austauschbar: Eine geschäftliche Unterredung kann stellvertretend auch von einem anderen Mitarbeiter durchgeführt werden.

3.3.3 Das Aushandeln der Rollen von Sozialpädagoge und Klient

Durch vorangegangene Differenzierung wird deutlich, dass berufsbedingte Beziehungen in der Regel formellen Charakter besitzen. Es ist aber ebenso erkenntlich geworden, dass Rollen ein Aushandlungsprodukt im Subjekt selbst und zwischen Subjekten sind. Wenn der Sozialpädagoge und der Klient das erste Mal aufeinandertreffen müssen sie sich demnach darüber einigen, welche Verhaltensweisen aus dem breiten Angebot des Miteinanderumgehens für die Beziehung als stimmig empfunden werden. „Jedes Verhalten dem anderen gegenüber enthält auch den Versuch einer Beziehungsdefinition - die ist für den Sender ebenso unvermeidbar, wie es für den Empfänger unvermeidbar ist, darauf zustimmend oder ablehnend zu reagieren.“72

Wenn Sozialpädagoge und Klient ihre Beziehung aushandeln hat der Empfänger des Beziehungsvorschlags stets vier charakteristische Möglichkeiten zu reagieren:73

- Akzeptieren. Erlebt der Empfänger die Verhaltensweisen des Senders als stimmig, wird er sich zustimmend verhalten. Das kann auch bedeuten, dass der Sozialpädagoge der Forderung des Klienten nicht nachkommen wird, er es aber berechtigt und stimmig empfindet, dass der Klient diese an ihn stellt.
- „Durchgehen lassen“. Der Empfänger stimmt der Beziehungsdefinition zwar nicht zu, wendet sich aber nicht sichtbar oder nur indirekt gegen sie. Der Sozialpädagoge könnte demnach sachlich auf eine herausfordernde, aufreizende Frage eines Klienten reagieren.
- Zurückweisen. Dabei gibt der Empfänger klar zu erkennen, das er dem implizierten Vorschlag der Rollenausgestaltung des Senders nicht folgt. Die Reaktion des Sozialpädagogen auf ein vom Klienten geäußertes Verhalten könnte z.B. die deutliche Botschaft enthalten: „Nein, in diesem Rahmen ist unsere Beziehung nicht mehr angesiedelt.“
- Ignorieren. Der Empfänger verweigert dabei jede erkennbare Reaktion und entwertet dabei gleichsam die Beziehungsdefinition des Senders. So könnte der Klient einen freundlichen Gruß des Sozialpädagogen nicht erwidern und keine Reaktion zeigen.

3.3.3.1 Drei Grundarten von Beziehungen

Die Verantwortung für die Klarstellung, für die Definition der Beziehung, liegt beim Sozialpädagogen. Es ist seine Aufgabe diese in eine Form zu lenken, in der der institutionell vorgegebene Unterstützungsprozess produktiv stattfinden kann. Die Vielfalt der möglichen Beziehungen welche die Beteiligten miteinander eingehen können, hat Schulz von Thun nach einem Modell von Jay Haley in drei Grundarten von Beziehungen eingeteilt:74

Symmetrische Beziehungen

Symmetrisch ist eine Beziehung dann, wenn ihre Akteure gleichberechtigt, partnerschaftlich und paritätisch zueinander stehen. Sie befinden sich damit auf der gleichen Ebene und können gleiches Verhalten zeigen.

Komplementäre Beziehungen

Unter komplementären Beziehungen sind solche zu verstehen die durch eine Asymmetrie bestimmt sind. Der Hauptaspekt dieser Beziehungen ist in irgendeiner Form von einem Gefälle bestimmt: Lehrer - Schüler, Eltern - Kind etc.. Die Verhaltensweisen der Personen ergänzen sich und sind gleichsam aufeinander zugeschnitten. Meist impliziert der Unterschied zwischen beiden eine Über- und eine Unterlegenheit.

Metakomplementäre Beziehungen

Metakomplementäre Beziehungen sind grundsätzlich asymmetrische Beziehungen. Bei dieser Art von Beziehung erlaubt ein Akteur seinem Beziehungsgegenüber über ihn zu verfügen oder ihm zu helfen oder zu lenken etc.. Das bedeutet, dass einer der Beziehungspartner scheinbar die Oberhand hat (im asymmetrischen Gefälle überlegen ist), da jenes aber von seinem Gegenüber initiiert wurde, steht dieser objektiv betrachtet auf einer höheren Stufe. Ebenso ist es denkbar, dass ein Akteur eine gleichrangige Beziehung herbeiführt in der die Beteiligten symmetrisch zueinander stehen. Dadurch das einer der beiden die Beziehung jedoch bewusst erlaubt, wird sie asymmetrisch und damit metakomplementär.

Die Beziehung zwischen Sozialpädagoge und Klient ist dann für den Unterstützungsprozess dienlich strukturiert, wenn die Rollenverteilung im Sinne der Asymmetrie eindeutig festgelegt ist.

3.3.4 Die Strukturierung der Beziehung zwischen Sozialpädagoge und

Klient

Aus dem eben gesagten wird deutlich, das die Beziehung von Sozialpädagoge und Klient formellen Charakter hat und in einem Aushandlungsprozess eine entsprechende Klarstellung der Beziehungsdefinition von Seiten des Professionellen verlangt, nach der sich der Klient richten kann. Da zwischen Beiden ein Macht-, Wissens- und aller Regel nach Problembedürftigkeitsgefälle herrscht, ist die Beziehung als komplementär zu definieren. Wie im Weiteren aufgezeigt wird, ist es Teil der Professionalität des Sozialpädagogen diese Asymmetrie weder zu verletzen (Solidarisierung, Rollentausch etc.) noch durch unangemessenes Vergrößern (Expertenrolle, Autoritätsanspruch etc.) zu deformieren.

Die Arbeitsbereiche in denen Soziale Arbeit geleistet wird, sind wie im vorherigen Kapitel beschrieben sehr vielfältig. Die Beziehung, die Sozialarbeiter zu ihren Klienten haben, kann demnach in ihren Details nur schwerlich generalisiert werden. Ein Sozialarbeiter der in einer Erziehungsberatungsstelle tätig ist, wird eine andere Beziehung zu seinen Klienten aufbauen, als der Sozialpädagoge, der in der Frühförderstelle oder der psychiatrischen Station eines Krankenhauses arbeitet. Einen einheitlichen Beziehungskanon wird es also in dieser Form nicht geben. Zudem hängt die Beziehungsgestaltung auch in gewissem Maße mit der Methodenfrage zusammen, der sich ebenfalls das letzte Kapitel widmete. Verfolgt ein Sozialarbeiter einen erlebnispädagogischen Ansatz, wird sich seine Beziehung zum Klienten anders darstellen, als unter Verwendung der klientenzentrierten Methode nach Rogers.

3.3.4.1 Berufsethische Grundsätze

Abseits dieser spezifischen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Beziehung, bietet sie doch in jeden Fall für den Klienten eine Chance, einen neuen, unbelasteten Kontakt einzugehen. Hierfür hat der Sozialpädagoge alle Voraussetzungen zu schaffen, damit dies in angemessenem Rahmen geschehen kann. Zur Identität des Berufsbilds der Sozialen Arbeit gehört es auch, Kompetenzen zu erwerben, die für das Ermöglichen solcher Beziehungsvoraussetzungen förderlich sind. Auf diese Kompetenzen soll anschließend eingegangen werden. Zunächst ist es jedoch nötig, einige Standards der Sozialen Arbeit zu benennen, aus denen sich gehaltvolles für die Beziehungsgestaltung in der sozialpädagogischen Arbeit erschließen lässt. Wichtige Prinzipen und Standards wurden diesbezüglich 1994 von der International Federation of Social Workers (IFSW) in einer internationalen Erklärung der ethischen Grundlagen der Sozialen Arbeit proklamiert. Dort heißt es unter anderem:75

- „SozialarbeiterInnen wahren das Recht des/der Klienten/in auf gegenseitiges Vertrauen und auf sein Privatleben, sowie auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Informationen.
- SozialarbeiterInnen erkennen und respektieren die individuellen Ziele, die Verantwortung und Verschiedenheit von Klienten. Im Rahmen der Möglichkeiten der Dienststellen und des sozialen Umfeldes des/der Klienten/in soll dieser/diese unterstützt werden, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen; allen Klienten soll die gleiche Unterstützung gewährt werden.
- SozialarbeiterInnen sollen KlientInnen zur Selbstverwirklichung und zur bestmöglichen Entwicklung eigener Fähigkeiten verhelfen, innerhalb der Grenzen, die durch Beachtung gleicher Rechte der anderen gesetzt sind.
- Von SozialarbeiterInnen wird erwartet, daß sie allen Rat- und Hilfesuchenden die bestmögliche Unterstützung bieten ohne Diskriminierung in Bezug auf Geschlecht, Alter, Behinderung, Hautfarbe, soziale Schicht, Rasse, Religion, Sprache, politische Ansichten oder sexuelle Haltungen.
- SozialarbeiterInnen respektieren die grundlegenden Menschenrechte von Einzelnen und Gruppen, wie sie in der universellen Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen und in den davon abgeleiteten internationalen Vereinbarungen ausgedrückt sind.“
In den berufsethischen Prinzipen des Deutschen Berufsverbands für Soziale Arbeit e.V. (DBSH), die im wesentlichen eine Adaption der von der IFSW verabschiedeten Standards und Prinzipen sind, ist des Weiteren zu lesen:76
- „Die Mitglieder des DBSH wahren in ihren beruflichen Beziehungen oder Verpflichtungen Rechte, Güter und Werte der Klientel.
- Die Mitglieder des DBSH nutzen ihre Beziehungen zur Klientel nicht zum ungerechtfertigten Vorteil. Sie gestalten ihre Beziehungen zur Klientel ausschließlich berufsbezogen.“

3.4 Beziehungsarbeit

Über den Methodendiskurs lässt sich die Bedeutung, die der Beziehung Sozialpädagoge - Klient innewohnt herausstellen. Wie zuvor erläutert, sind Sozialpädagogen nicht im Besitz eines speziellen Werkzeuges um eine Problemlage zu beheben, noch werden Problem und Ziel sofort im gesamten Umfang deutlich. Dies soll hier in der gebotenen Kürze an einem Beispiel noch einmal klarer herausgestellt werden.

Im Rahmen des Arbeitsprozesses und der Arbeitsbeziehung eines Arztes und seines Patienten, gibt es in der Regel immer eine Diagnose und falls nötig anschließend auch noch einen medizinischen Eingriff. Dies alles steht gewissermaßen als „Drittes“ zwischen Behandler und zu Behandelndem, das beide voneinander trennt und in gewisser Weise auch persönlich voreinander schützen kann.

Genau dieses Dritte entfällt bei der Beziehungsarbeit zwischen Sozialpädagoge und Klient sehr häufig: ersterer muss gleichzeitig Handelnder und Werkzeug sein.77 Da Soziale Arbeit an den lebensweltlichen Bezügen von Klienten ansetzt, kann sie demnach nicht wie der Arzt fungieren, in dessen Fall die Ziel-Mittel- Relation auf einen isolierten Heilungsprozess ausgerichtet ist.

Das was bleibt, woran und womit der Sozialpädagoge arbeiten und operieren muss, ist die Beziehung. So ist eine „gut funktionierende“ Beziehung die Grundlage jeder sozialpädagogischen Arbeit, sei es nun bei einer eher administrativen Tätigkeit im Jugendamt oder einer therapeutisch-beraterischen Tätigkeit in der Drogenhilfe. Je nachdem welche Problemlage des Klienten zum Arbeitsgegenstand der Sozialen Arbeit wird, passiert es mal stärker mal weniger stark, dass der professionelle Helfer auf seine eigene Person „zurückgeworfen“ wird und seine eigenen Persönlichkeitsanteile angesprochen werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist Beziehungsarbeit häufig psychosoziale Arbeit. Das heißt, der professionelle Helfer beschränkt sich bei ihr nicht auf die Bearbeitung eines ganz bestimmten Aspektes, sondern versucht, den Gesamtzusammenhang der Problembezüge von sozialer Realität und Individuum zu erfassen und die nötige Hilfe an den Stellen zu geben, an denen Probleme vorbereitet werden, entstehen oder bereits manifest sind. Kompetenz in der psychosozialen Arbeit bedeutet damit auch Kompetenz in der Beziehungsarbeit.78

Über intensive Beziehungsarbeit, die nur in Kooperation mit dem Klienten vollzogen werden kann, ist es erst möglich einen Arbeitsprozess in Gang zu bringen, wohin auch immer dieser steuern mag.

Im Rahmen des gegenseitigen Vertrauens in die Beziehung wird dann ein Hilfeprozess möglich, indem der Sozialpädagoge mit den zuvor angesprochenen Methoden operieren kann. Wie am Prozess des Aushandelns der Rollen erkenntlich gemacht wurde, liegt die Beziehungsgestaltung dabei zum Großteil, aber nicht ausschließlich, in seiner Hand.

Der Abstand in der Beziehung zwischen Sozialpädagoge und Klient bestimmt sich in der Sozialpädagogik, nicht durch die strukturellen Momente des Berufs, sondern muss als Teil der Arbeitsleistung ständig hergestellt und gewahrt werden. Auch dies ist elementare Aufgabe des professionellen Helfers in der Beziehungarbreit.

3.4.1 Kompetenzen in der Beziehungsarbeit

Um eine tragfähige Beziehung zu etablieren, den Hilfeprozess zu ermöglichen und erfolgreich, im Sinne einer positiven Veränderung für den Klienten, abzuschließen, erwirbt der Sozialarbeiter Kompetenzen die er integrativ verknüpfen muss.

In Anlehnung an Geißler und Hege heißen diese Kompetenzen um professionelle Beziehungsarbeit zu leisten im Einzelnen:79

3.4.1.1 Instrumentelle Kompetenz

Die instrumentelle Kompetenz stellt die Beherrschung von Fähigkeiten und Fertigkeiten bis hin zu Verhaltensroutinen und die Verfügbarkeit von Fachwissen dar.

Instrumentelle Kompetenz hat ein Sozialpädagoge also dann, wenn er in optimaler Weise vorgegebene Ziele unter gegebenen Bedingungen mit Hilfe technischer Strategien zu erreichen vermag. Dabei bedarf es jedoch, nach dem Verständnis des zweiten Kapitels, mehr als der bloßen Kenntnis von Methoden oder Techniken. Fähigkeiten und Fertigkeiten können nur im praktischem Erproben und kontrolliertem Trainieren ausgebildet werden. Durch solch eine hoch entwickelte methodische und praktische Kompetenz kann der Sozialpädagoge möglichst effektiv wirksam werden.

3.4.1.2 Reflexive Kompetenz und Verfügung über sich selber

Reflexive Kompetenz und die Verfügung über sich selber meint die Fähigkeit des Sozialpädagogen, die eigene Entwicklung in ihren prägenden Spuren nicht zu verlieren oder zu verleugnen, sondern sie in das berufliche Handeln zu integrieren und letztendlich über sich selber verfügen zu können.

Die bereits erwähnte besondere berufliche Situation des Sozialpädagogen tritt hierbei in den Vordergrund. Sozialpädagogisches Handeln ist immer intersubjektives Handeln, da eigene Persönlichkeitsanteile innerhalb der beruflichen Tätigkeit zum Ausdruck kommen und wirksam werden. Die konkrete Interaktion und damit die Beziehung von Sozialpädagoge und Klient ist dabei unter anderem auch durch die Art der vorgängigen Erfahrungen bestimmt, die im Kontext zurückliegender sozialer Interaktionen gemacht wurden. „Die Erlebnisse aus früheren Phasen subjektiver Lebensgeschichte beeinflussen das professionelle Handeln des Sozialpädagogen, so daß dessen berufliche Identität immer nur auf der Basis vorausgegangener Erfahrungen, deren Reflexion und kritischer Aufarbeitung als gelingend erfahrbar werden kann.“80 Daraus ergibt sich letztendlich auch die Einmaligkeit der Person sowie die Subjektivität im professionellen Handeln die Soziale Arbeit kennzeichnet.

Für die konkrete Beziehungsarbeit bedeutet dies, dass in ihrer Ausgestaltung immer ein Rückgriff auf vorangegangene Lebenserfahrung stattfindet, sowohl vom Hilfesuchenden als auch vom Helfer. Unter dem Fokus der Ethik professionellen Handelns folgt daraus, dass das Bedürftigkeitsgefälle ausschließlich dem Klient das Recht gibt, seine Person und Situation zum Gegenstand der Beziehung und der Beziehungsarbeit zu machen.81 Dies birgt die Gefahr, dass eben jenes nicht gelingt, und sich die Rollen von Helfer und Hilfesuchendem verkehren. Weiterhin kann es zu einer persönlichen Verstrickung in die Problematik des Klienten und einer „Verwischung“ von Beziehungsgrenzen kommen. Als Konsequenz bildet die reflexive Kompetenz das „Selbst-bewußt- sein“82 des Sozialpädagogen ab. Damit ist gemeint, dass er sich als Gewordener seiner eigenen Entwicklung bewusst ist und seine individuelle Lebensgeschichte nicht untergehen lässt. Über die gezielte und bearbeitete Reflexion dieser führt dies zu einer ausgeprägten Form des „über-sich-selber-verfügen-können“83, das dem Sozialpädagogen erlaubt, seine Person flexibel und sinnvoll in der Beziehungsarbeit einzusetzen oder notwendigerweise herauszuhalten.

So betonen Geißler und Hege, dass zwei Fragestellungen für den Sozialpädagogen immer aktuell sind:84

a. „Inwieweit ist die aktuelle Beratungssituation stärker durch die subjektiven Bedürfnisse das Sozialpädagogen geprägt als durch die der Klienten. (Braucht der Sozialpädagoge die Klienten evtl. notwendiger für sich als diese ihn?)

b. Wieweit sollen die einerseits von der Institution, für die der Sozialpädagoge tätig ist, andererseits von den Klienten an den Berater herangetragenen unterschiedlichen Erwartungen und Rollenzuweisungen von diesem akzeptiert bzw. abgelehnt werden? (Dies mit der Möglichkeit von Identitätskonflikten, Beziehungsproblemen und Konflikten mit der Institution.)“

3.4.1.3 Soziale Kompetenz

Soziale Kompetenz meint die Fähigkeit, sich auf die Klienten mit ihren Bedürfnissen und Anforderungen einzustellen bzw. einzulassen, über die Situation und deren Bedingungen selbst nachdenken zu können und sich nicht in ihr zu verfangen.

Ersteres heißt für den Sozialpädagogen, dass er ohne Selbstaufgabe, aber auch ohne extremes Beharren auf der Durchsetzung seiner eigenen Bedürfnisse in Beziehung mit dem Klienten tritt. Durch den breiten Rollenspielraum, der in den Arbeitsbereichen der Sozialen Arbeit herrscht, scheint solches schwierig. Im Hinblick auf die Selbstdefinition des Sozialpädagogen sind dazu vor allem zweierlei notwendig: Erstens Empathie, die Fähigkeit sich in neue Beziehungen einfühlen zu können; und gleichzeitig zweitens: Rollendistanz, das heißt die Fähigkeit, sich nicht völlig von einer Rollenzuschreibung festlegen zu lassen. Die Empathie, das Erspüren, das Kennen und die präzise Wahrnehmung der Rollenerwartung ermöglichen erst Selbstinterpretation und soziale Identität.

„Während persönliche Identität so etwas wie die Kontinuität des Ich in der Folge wechselnder Zustände der Lebensgeschichte garantiert, wahrt soziale Identität die Einheit in der Mannigfaltigkeit verschiedener Rollensysteme, die zu gleicher Zeit gekonnt sein müssen.“85

In zweiter Dimension bedeutet soziale Kompetenz für den professionell Handelnden, dass er über die Grenzen seiner situativen Arbeit hinweg, diese in einem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang beleuchten kann. Unter diesem Gesichtspunkt ist es für den Sozialpädagogen wichtig, nach dem Sinn und den Zielen seiner beruflichen Tätigkeit zu fragen. Hierbei ist vor allen Dingen die Kompetenz zur Reflexion des fachlichen Handelns im Hinblick auf die gesellschaftspolitische Funktion Sozialer Arbeit im jeweils spezifischen Bereich gemeint.

Es soll somit vermieden werden, dass die Professionellen der Sozialen Arbeit sich in einem blinden Idealismus des „Helfens“ verlieren. Vielmehr sollen sie sich über ihre Funktion (im Bezug auf gesellschaftliche Effekte) und die Tragweite ihrer Arbeit bewusst werden. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Rezession (aber nicht nur dann), in der soziale Leistungen gekürzt und umgewandelt werden, ist dies von besonderer Bedeutung. Soziale Kompetenz ist in diesem Sinne auch die Fähigkeit des Sozialpädagogen, sich nicht instrumentalisieren und zur sozialstaatlichen Marionette verformen zu lassen. Will Soziale Arbeit als Profession ihre eigene Sinnhaftigkeit und ihre Qualitätsstandards nicht selbst in Frage stellen, bedarf dies einer kritischen Reflexion ihrer Angehörigen. Einher gehen damit das Eintreten dieser für die Sicherung sozialer Leistungen sowie das Entwickeln eines subjektiven und objektiven Selbstverständnisses von Sozialer Arbeit.

Mit der Komplettierung der drei Kompetenzen zur professionellen sozialpädagogischen Beziehungsarbeit schließt das dritte Kapitel ab. Inhaltlich machte es vor allem deutlich, das Beziehung eine komplex verzweigte Thematik ist, die über Rollenaushandeln, ethischen Beziehungsstandards und psychosoziale Kompetenz in der Beziehungsarbeit viele Facetten umfasst. Die genannten Aspekte sind von tragender Bedeutung für die im nächsten Kapitel anstehende Fusion von Sozialer Arbeit und provokativem Ansatz. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf die Anwendbarkeit der provokativen Methode in der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit ausgerichtet werden. Zunächst werden Charakteristika dafür genannt, wie der provokative Ansatz in die Soziale Arbeit einfließen könnte. Anschließend wird über die diffizile Situation, in der sich sozialpädagogisches Handeln in Beziehungen etablieren muss, ein Verständnis von provokativ-strukturierter Beziehungsarbeit entwickelt.

4. ADAPTION DES PROVOKATIVEN ANSATZES FÜR DIE SOZIALE ARBEIT

Anliegen dieses Kapitels ist es nun, die zuvor erläuterten Methoden der Provokativen Therapie auf die Soziale Arbeit zu übertragen. Dies setzt ein Verständnis von Sozialer Arbeit als Beziehungsarbeit voraus.

Es ist deutlich geworden, dass Soziale Arbeit ausschließlich in Beziehungen stattfindet. Um diese Arbeit vor allen Dingen im psychosozialen Bereich erfolgreich bewältigen zu können, bedarf es, wie im letzten Kapitel dargestellt, einiger Kompetenzen. Professionelle, kompetente Sozialpädagogen zeichnen sich demnach dadurch aus, dass sie die drei Kompetenzen, nämlich instrumentelle, reflexive und soziale, miteinander in Einklang zu bringen vermögen. Um situativ adäquat zu intervenieren, muss dabei der Handlungsspielraum des Sozialpädagogen von ihm immer wieder analysiert und definiert werden. Ziel ist es, vorgeprägte Stereotypisierungen und Etikettierungen zu verflüssigen, damit sich der Handlungsspielraum für die Beteiligten erweitert. „Situationsdefinition und Intervention werden dann nicht beliebig. Sie sind abhängig vom Entwicklungsstand der beteiligten Subjekte und von den gesellschaftlich- historischen Bedingungen der Interaktion.“86 So leiten sich aus den noch sehr allgemeinen Kompetenzen des Sozialpädagogen nach und nach Handlungskompetenzen ab.

Professionelles situatives Handeln verlangt vom Sozialpädagogen also die Fähigkeit, funktionale Beziehungsarbeit zu leisten. Um diese so effektiv und effizient wie möglich zu gestalten, bedient er sich verschiedener methodischer Ansätze. Diese Fähigkeiten und Methoden bilden seine Instrumentelle Kompetenz. Jene „Werkzeugseite“ seiner beruflichen Identität ist mit allerlei Ansätzen und Verfahren ausgestattet. Die Methodenvielfalt in der Sozialen Arbeit ist darüber hinaus riesig. Sie reicht von Klientenzentrierter Gesprächsführung, Case-Management und Erlebnispädagogik über familientherapeutische Methoden bis hin zur Themenzentrierter Interaktion (TZI), um nur einige wenige zu nennen.

Je nachdem welche Methode der Sozialarbeiter anwendet, und in welchem institutionellen Rahmen er arbeitet, verändert sich sein Umgang mit dem/den Klienten und damit notwendigerweise auch die Beziehungsarbeit. Auf diese Einflussfaktoren der sozialpädagogischen Handlungssituation wird später noch genauer eingegangen.

Beziehungsarbeit = Psychosoziale Arbeit

Mit Beziehungsarbeit ist im Folgenden generell psychosoziale Arbeit gemeint.* Beziehungsarbeit findet zwar mehr oder weniger in jeder Beziehung statt, aber in einigen wenigen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern trägt diese eher rudimentäre Züge. So werden Sozialpädagogen, die in Jugend- oder Sozialämtern mit der Verwaltung von Fällen beschäftigt sind und mit wenigen Ausnahmen nur telefonischen Kontakt zu diesen „Fällen“ haben, zwar auch in Beziehung treten und „in dieser“ arbeiten, jedoch in erheblich geringerem Maße als der Pädagoge, der im Bereich der Rehabilitation von straffälligen Jugendlichen tätig ist. Beziehungsarbeit wird umso komplexer, je mehr Probleme und problematische Persönlichkeitsaspekte in die Beziehung einfließen. Der provokative Ansatz in der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit, wie er hier erläutert wird, meint vor allem, aber nicht ausschließlich, den Umfang der psychosozialen Beziehungsarbeit.

4.1 Psychologische Methoden und Konzepte in der Sozialen Arbeit

Die Liste der psychologischen bzw. psychotherapeutischen Methoden, die den Weg in die Soziale Arbeit gefunden, haben ist lang. Sie dominieren mittlerweile die Landschaft der Fort-, Weiter- und Zusatzbildungen für Sozialpädagogen und sind auch aus ihren alltäglichen methodischen Vorgehensweisen nicht mehr wegzudenken.87

4.1.1 Attraktivität und Umsetzung von psychotherapeutischen Methoden in der Sozialen Arbeit

Führt man sich noch einmal die im zweiten Kapitel bereits angesprochenen Gemeinsamkeiten von Therapie und Sozialer Arbeit vor Augen, so ist es nicht verwunderlich, dass psychotherapeutische Methoden eine gewisse Attraktivität auf die Sozialpädagogik ausüben. Bei einer ersten Betrachtung scheint eine Übernahme von Konzepten und Verfahren der Psychotherapie auch durchaus sinnvoll zu sein. Gerade in institutionalisierten Beratungssettings (z.B. Erziehungsberatungsstellen), bei denen Psychologen und Sozialpädagogen häufig „Hand in Hand“ arbeiten, liegt eine Herangehensweise mit Hilfe therapeutischer Methoden nahe.

Im Gegensatz zu sozialpädagogischen Methodenansätzen bieten psychotherapeutische Konzepte zumeist ein vergleichsweise „geschlossenes Weltbild“: Vom Menschenbild über abgeleitete Wertsetzungen, Persönlichkeitsprofile der Helfer, Phasierung des Hilfeprozesses, vergleichsweise konkrete Verhaltensregeln in einzelnen Phasen und Abschnitten des Hilfeprozesses usw. Alles, „was nötig ist“, kommt aus einer Hand.88 Das verstärkt den Eindruck, dass die bis in konkrete Handlungsanweisungen präzisierten therapeutischen Konzepte praktikabler sind, weil sie dem Helfer mehr praktisches Rüstzeug liefern. Originäre sozialpädagogische Methoden bleiben dem gegenüber (notwendigerweise) oft vage. Einen weiteren Aspekt, der die Adaption von psychotherapeutischen Konzepten mit sich bringt, ist die durch die konkreten Handlungsanweisungen gegebene präzisere Überprüfbarkeit und Kontrolle der Handlungsschritte und vor allem der Interventionserfolge. Letzteres rückt vor allem bei der Debatte über Qualitätsstandards und Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit in den Mittelpunkt der Betrachtung.

Nach Thiersch ist es nicht zuletzt der Statusunterschied zwischen therapeutisch dominierten und sozialpädagogisch akzentuierten Arbeitsfeldern, der diese Konzepte für den Sozialpädagogen so attraktiv werden lässt. „Therapeutischen Ansätzen gegenüber sieht Sozialarbeit sich zugleich als zurückgeblieben, unterprivilegiert und herausgefordert.“89 Mit der Therapeutisierung der Methoden der Sozialen Arbeit verband sich seit jeher auch die Hoffnung auf einen höheren Status als Profession und steigendes Ansehen in der Öffentlichkeit.

Bei der Umsetzung von Methoden, die dem Wesen nach psychotherapeutisch waren, zeichnen sich verschiedene Maßnahmen zu deren Verwendung in der Sozialen Arbeit ab. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit lassen sich drei Adaptionsmodelle für therapeutische Methoden anführen:

4.1.1.1 Integration

Die häufigste Form, mit der Methoden aus dem Kosmos der Psychologie in die Sozialpädagogik Einfluss finden, heißt Integration. Hierbei werden aus einem therapeutischen Ansatz Techniken, Haltungen, Arbeits- sowie Vorgehensweisen herausgelöst und in die sozialpädagogische Arbeit integrierend eingefügt. Der Begriff „integrativ“ verdeutlicht dabei, dass es nicht um ein wahlloses Zusammenstellen und Zusammenwürfeln einzelner methodischer Elemente in einem sozialpädagogischen Konzept geht, „...sondern um den Versuch einer geplanten und kontrollierten Kombination und Integration verschiedener Verfahren.“90 Methoden in diesem Verständnis sind eklektisch. Aus unterschiedlichen Quellen, Schulen, Systemen und Stilen werden so Teile ausgewählt, die sich am besten eignen. Um es an einem Beispiel festzumachen: Die sozialpädagogische Beratung kann aus der Klientenzentrierten Methode das „Aktive Zuhören“ in sich integrieren oder sich bei der Psychoanalyse bei dem Konstrukt der „Übertragung - Gegenübertragung“ bedienen, um die Effektivität sozialpädagogischer Methoden zu gewährleisten. In der Sozialen Gruppenarbeit trifft man des Weiteren häufig auf das aus der TZI abgeleitete Postulat, dass alle Störungen und Seitengespräche Vorrang haben, weil sie meist von Bedeutung sind.91

4.1.1.2 Reduktion

Eine weitere vielverwendete Option für die Adaption ist die Reduktion einer therapeutischen Methode. Dabei wird das Konzept einer therapeutischen Vorgehensweise in seinen Grundzügen auf die Soziale Arbeit übertragen und an geeigneten Stellen angepasst. Die inhaltliche Kohärenz des Ansatzes bleibt annähernd in ihrem gesamten Spektrum erhalten. Ebenso wird mit den im Ansatz gebundenen, Techniken verfahren. Darüber hinaus macht sich der Sozialarbeiter die Haltung und Beziehungsgestaltung der Methode zu eigen. Dies alles wird dann anschließend mit einer sozialpädagogischen Perspektive verknüpft und in den entsprechenden Rahmen gebracht. So werden zwangsläufig die Gegenstände der Bearbeitung und die Ziele, die der Therapeut fokussiert, durch die des sozialpädagogischen Konzeptes ersetzt. So wird bei einigen Methoden eine spezifisch „abgespeckte“ Form des Therapiekonzepts praktiziert, das sich von seinem „Mutter“-Konzept durch eine weitere theoretische und praktische Versimplifizierung und Reduktion auf pragmatisches Handwerk auszeichnet.92

Beispiele für diese Art der Adaption bieten die Klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie, die TZI oder die systemische Familientherapie.

4.1.1.3 Import

Weiterhin ist festzustellen, dass die Soziale Arbeit Methoden der psychotherapeutischen Verfahren als Ganzes importiert. Dies findet sich vor allem in Beratungs- und Therapieeinrichtungen, in denen Sozialpädagogen dann gewissermaßen „zweigleisig“ tätig werden: Sie arbeiten einerseits als Sozialpädagogen mit entsprechenden Konzepten alltagsnah mit den Klienten zusammen, haben aber auf der anderen Seite die Möglichkeit, in einem bestimmten Setting die Klienten therapeutisch zu behandeln. Das Importieren einer therapeutischen Methode geschieht im Gegensatz zur Reduktion, ohne Abstriche bei ihr vornehmen zu müssen. In mehrjährigen Weiterbildungen werden die Professionellen der Sozialen Arbeit in einer bestimmten Therapiemethode geschult. Die über diesen Weg erlangte therapeutische Zusatzqualifikation wird dann entsprechend dem Arbeitsfeld, in dem der Sozialpädagoge tätig ist, zum Einsatz kommen. Seine zuvor erworbene professionelle Ausbildung bleibt dabei ohne Zweifel bestehen, was bedeutet, dass der Sozialpädagoge zusätzlich auch noch Therapeut ist und evtl. zwischen beiden Rollen vermitteln muss. In einer sozialpädagogisch-therapeutischen Einrichtung, wie der stationären Rehabilitation von Suchtmittelabhängigen, können Sozialpädagogen innerhalb einer Einrichtungskonzeption als Bezugsbetreuer von abhängigen Klienten und als „systemische Familientherapeuten“ mit der Familie des Klienten im Wechsel arbeiten. Andere therapeutische Weiterbildungen können z.B. der Sozialpädagoge als Gestalttherapeut oder Psychodramatherapeut sein.

4.1.2 Bewertung und Risiken der Adaption von psychotherapeutischen Methoden in der Sozialen Arbeit

Die aufgeführten Möglichkeiten des Methodentransfers lassen den Rückschluss zu, dass keine der drei ein optimales Verfahren repräsentiert, welches die uneingeschränkte Funktionalität der Methode im Hinblick auf die Aufgaben Sozialer Arbeit garantiert. Jede der Adaptionsmöglichkeiten birgt Gefahren, die bei Nichtbeachtung eine Methode für den sozialpädagogischen Alltag unbrauchbar machen. Zwei wesentliche Risiken bei der Übernahme von Methoden aus dem therapeutischen Kontext sind:

- einen unzureichenden Bezug zum Charakter der Probleme Sozialer Arbeit herzustellen.

Damit ist die Problematik angesprochen, den spezifisch eingegrenzten Fokus der therapeutischen Methode bei der Adaption nicht genügend anzupassen. Mithin besteht dann die Gefahr, dass der Ansatz zur Dysfunktionalität tendiert bzw. zu unerwünschten Zielen führt, weil die für therapeutische Methoden sinnvolle Konzentration auf bestimmte innerpsychische Probleme und strukturelle Alltagsferne des Konzepts nicht veränderbar sind oder ausreichend verändert wurden. Es ist daher bedenklich, wenn eine Methode aus der Sphäre der Psychotherapie als eine Art reduzierte Therapie von den Professionellen der Sozialen Arbeit gehandhabt wird.

- wichtige Grundhaltungen und Prämissen nicht mit einzubeziehen und Techniken damit im Hinblick auf ihre sinnvolle Zielerreichung zu entleeren.

Dies bedeutet vor allem für integrierende Adaptionsverfahren, dass ihre Techniken und Haltungen nicht beliebig in einen neuen Zusammenhang gebracht werden können. Vorgehen und Verfahren sind in vielfacher Hinsicht an das methodische und konzeptionelle Gerüst eines Ansatzes gekoppelt. Eklektische Vorgehensweisen in der Sozialen Arbeit können nur dann funktionieren, wenn die verschiedenen Elemente zu einem sinnvollen Ganzen fusionieren. Transferierte Methoden werden für den Sozialpädagogen unbrauchbar, wenn bei ihrer Anpassung unabdingbare, sinngebende Aspekte außen vor bleiben um beispielsweise eine Praktikabilität zu gewährleisten.

4.2 Der provokative Ansatz in der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit

4.2.1 Möglichkeiten und Grenzen einer methodisch-strukturierten Beziehungsarbeit

Wie zu sehen ist, grenzen sich die Transfermöglichkeiten von psychologischen Methoden hinsichtlich ihrer elementaren und konzeptionellen Vollständigkeit voneinander ab. In der sozialpädagogischen Praxis existieren daneben vielerlei Mischformen der unterschiedlichen Adaptionen. Die Adaption des provokativen Ansatzes in die Beziehungsarbeit wird im Wesentlichen integrativ verlaufen. Dabei wird es jedoch notwendig sein, darauf zu achten, dass essentielle Grundhaltungen und Vorgehensweisen nicht übergangen werden. Gerade diese verleihen den provokativen Interventionen nämlich ihre Wirksamkeit und wären ohne sie „kontraindiziert“.

Bei einer Integration einer therapeutischen Methode in die Sozialpädagogik muss zunächst einmal festgelegt werden, für welchen Bereich Sozialer Arbeit diese sich eignet. Soll die Methode für die Vorschulerziehung, die aufsuchende Straßensozialarbeit oder für eines der vielen denkbaren Beratungssettings entwickelt werden. Die Arbeitsbereiche Sozialer Arbeit unterscheiden sich in vielfältiger Weise voneinander. Eine Methode, die alle sozialpädagogischen Praxisfelder abdeckt, wird es allein aus diesem Grunde schon nicht geben.

Psychosoziale Beziehungsarbeit findet sich nicht nur in den eben genannten Beispielen wieder, sondern kann, wie bereits erläutert, Teil vieler sozialpädagogischer Tätigkeiten werden. Einen Ansatz zu entwickeln, der die Beziehungsarbeit zwischen Klient/en und Pädagogen in dem Maße gestaltet, dass er universell, situations- und institutionsübergreifend einsetzbar wird, bleibt utopisch. Die sozialpädagogische Handlungssituation muss von ihrem professionellen Helfer von Moment zu Moment neu „ausgelotet“ werden. Nur so kann gewährleistet sein, dass dieser seine Arbeit erfolgreich im Hinblick auf die Rahmenbedingungen erfüllt. Beziehungsarbeit, die durch einen psychologischen Ansatz konturiert wird, kann unmöglich für jeden Praxisfall stereotype Maximen und Interventionen aufweisen, sondern muss jederzeit situativ anpassbar sein.

Sozialpädagogische Arbeit allgemein, und damit auch Beziehungsarbeit im Besonderen, finden sich in einem immerwährenden Spannungsfeld von

- personalen
- situativen
- institutionellen sowie
- gesellschaftlichen Anforderungen

wieder.93 Folgendes Schaubild verdeutlicht die Einflussfaktoren auf die sozialpädagogische Handlungssituation in der Beziehungsarbeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 : Einflussfaktoren auf die Beziehungsarbeit94

Damit ist allerdings keineswegs deutlich, in welcher Art und Weise und in welchem Verhältnis sich die verschiedenen Einflusssphären in einer konkreten Handlungssituation praktisch niederschlagen. Graphisch bleiben daher die Querverbindungen der verschiedenen Sphären untereinander unberücksichtigt.

Überschaubar wird allerdings, in welchem komplexem Arrangement von Aufträgen und Anforderungen sich die Beziehung von Klientel und Sozialarbeiter etablieren muss. Berufliches Handeln in der psychosozialen Arbeit kann daher nie ein vollständiges Abbild jener vorausgedachten (allgemeinen) Situationen sein. Bei aller Handlungsbezogenheit bleiben Konzepte, Methoden und Techniken gedankliche Gebilde.

Eine Intervention ist demnach systematisches Handeln, das auf eine Situation Bezug nimmt. Für die Integration der Interventionsmethodik des provokativen Ansatzes in die sozialpädagogische Beziehungsarbeit lässt sich daher zusammenfassen:

„Interventionen können niemals endgültig sein, niemals erstarrte Normen. Sie müssen verändert werden, da sich die Situationen und die Personen immer auch verändern“95

4.2.2 Rechtfertigung und Begründung sozialpädagogischer

Interventionen

Der „Spielraum“, der sich für den professionellen Helfer in einer konkreten Handlungssituation eröffnet, ist durch das zuvor Dargestellte angerissen worden. Interveniert der Sozialarbeiter nun im Rahmen seines beruflichen Auftrages, so muss deutlich werden, welche rationalen Überlegungen der jeweiligen Entscheidung für seine Aktion zu Grunde liegen.

Das Begriffspaar Rechtfertigung und Begründung, das in diesem Zusammenhang Verwendung findet, stammt von Geißler und Hege.96 Sie beschreiben damit zwei zentrale Fragerichtungen, die voneinander abzugrenzen sind:

1. Die Frage nach dem Sinn der Ziele (Normen) einer Intervention und
2. Die Frage ob eine bestimmte Intervention in der spezifischen Situation für die jeweilige Zielerreichung die zweckmäßigste darstellt.

Die erste Fragestellung zielt auf die Rechtfertigung von Interventionen in der Sozialen Arbeit ab, die zweite verlangt nach der Begründung für das jeweilige professionelle Handeln.

Für den weiteren Diskurs sind diese Fragestellungen insofern von Wichtigkeit, dass jede sozialpädagogische Intervention, die in der Beziehungsarbeit angewendet wird, weder unangemessen noch willkürlich sein darf. Dies gilt es auch beim provokativen Ansatz und den einhergehenden Zielen und Interventionen zu belegen.

Zur Rechtfertigung

Die Frage der Rechtfertigung stellt sich bei differenziertem Hinsehen auf allen Ebenen der Entscheidung. Dies verdeutlicht ein Beispiel: Werden in einer Gesprächssituation die Aussagen eines Klienten verzerrt und umdeutet (Ebene der Technik), wird bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit, unweigerlich auf den provokativen Ansatz (Ebene der Methode) zurückgegriffen und im Weiteren z.B. auf die in der sozialpädagogischen Familienhilfe verankerten Ziele (Ebene des Konzepts) verwiesen werden.

Konzeptionen beziehen ihre Ziele in der Regel aus Normen und übergeordneten Wertvorstellungen. Weil Konzepte wie die Soziale Arbeit selbst immer auch Träger politischer, sozialer und moralischer Wert- sowie Handlungsmaßstäbe ist, sind auch solche Zielbestimmungen nicht unumstritten. Zielformulierungen können vom Träger verabschiedete Richtlinien oder ein universeller Ethikkodex wie er vom DBSH verabschiedet wurde sein.* In der Intervention werden die dem Konzept zugehörigen Ziele dann praktisch und ergreifen in diesem Sinne Partei für die darin enthaltenen Wertvorstellungen.

Eine Intervention zu rechtfertigen bedeutet demnach, dass die Parteinahme nicht der Beliebigkeit unreflektierter Interessen und Ansprüche überlassen bleiben darf.97 Durch den hohen Grad an Abstraktion der einzelnen normativ-moralischen Grundpositionen wie Ethikkodex oder Grundgesetz, bieten diese einen relativ breiten Interpretationsspielraum, der weiter konkretisiert werden muss. Erst auf einer konkreteren Ebene kann der Geltungsbereich eines Konzeptes fassbar werden.

Die Rechtfertigung einer Intervention sichert dabei in keiner Weise ihre faktische Wirkung ab und muss ständig mit den formulierten Ansprüchen abgeglichen werden.

Zur Begründung

Bei der Begründung einer Intervention wird nachgewiesen, dass der Eingriff in die Problemkonstellation für die gerechtfertigten Ziele zweckmäßig ist. Begründungen lassen sich auf Erfahrungsdaten, auf Gesetzmäßigkeiten und auf logische Ableitungszusammenhänge stützen. Sie liefern zureichende Gründe, etwa für den Einsatz von Techniken und Verfahren. Um das eben verwendete Beispiel zu ergänzen:

Der Einsatz des Provokativen Stils in einer Gesprächssituation mit einer Familie kann unter folgenden Aspekten betrachtet werden:

- Inwieweit die Techniken des Provokativen Stils in der augenblicklichen Situation der Klienten angemessen sind,
- Inwiefern die Klienten in ihrer Situation womöglich eine andere Form der Unterstützung benötigen,
- Inwieweit die Methode und das Konzept miteinander in Einklang gebracht werden können,
- Um das im Konzept begründete Ziel zu erreichen, gibt es womöglich effektivere Methoden, etc.

Um den Vorwurf der Willkür zu entkräften, muss nach Gründen für die Intervention gefragt werden. Der Sozialpädagoge ist dazu verpflichtet, diese offen zu legen.

4.3 Interventionen des provokativen Ansatzes in der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit

Nachdem im Vorangegangenen die Interdependenzen der Handlungssituation in der Sozialen Arbeit mit ihren Einflussfaktoren skizziert wurden, geht es im weiteren Vorgehen darum, gerechtfertigte und begründete Interventionen für die Praxis provokativ ausgestalteter Beziehungsarbeit zu entwerfen. Zunächst soll in einer detaillierten Beschreibung die Situation, in der sich Klient und Sozialpädagoge vor ihrem ersten Kontakt befinden, aufgezeigt werden. Daran knüpft sich im zweiten Schritt ein Modell an, das versucht, die Handlungssituation, in der sich der Professionelle befindet, zu strukturieren. Im dritten Schritt wird dieses Interventionsmodell schließlich mit dem provokativen Ansatz verbunden und deutlich gemacht, wie diese die Beziehungsarbeit konturiert.

4.3.1 Die Handlungsaufträge von Sozialpädagogen und Klienten

Aus den bisherigen Erkenntnissen lässt sich schlussfolgern: Professionelle sozialpädagogische Arbeit findet, mit wenigen hier zu vernachlässigenden Ausnahmen, immer im Kontext einer Organisation bzw. eines Trägers statt. Diese/r stellt den groben Rahmen dar, innerhalb dessen Soziale Arbeit tätig wird. Wie bereits beschrieben, beinhaltet dieser Rahmen im Wesentlichen normative Leitideen und Wertorientierungen, die der Sozialpädagoge annimmt.

Die zwei Aufträge des Sozialpädagogen

Der Träger bündelt gemeinhin ein großes Spektrum an Arbeitsbereichen, die er auf verschiedene Institutionen und Einrichtungen aufteilt. Arbeitsgrundlage dieser Institutionen bildet eine eigene Konzeption, in welcher die Aufgaben und die Ziele, die Angebote und die Zielgruppe, das Qualifikationsprofil der Mitarbeiter etc. festgehalten sind. Sozialpädagogen, die für eine Einrichtung tätig werden, erfüllen im Rahmen dieser einen institutionellen Auftrag.*

Dieser Auftrag setzt sich demnach aus den Aufgaben und Zielen, die eine Einrichtung verfolgt, zusammen und wird in bestimmten Angeboten, die der Sozialpädagoge übernimmt, weiter differenziert.

Bei der Ausführung des institutionellen Auftrages in einem spezifischen Angebot verschmelzen die individuellen Eigenheiten und Fähigkeiten des Sozialpädagogen mit seiner professionellen Rolle. Hier ist im Zuge der fachlich sinnvollen Auftragserfüllung eine Separation zwischen institutionellem Auftrag und persönlichem Auftrag notwendig. Diese Grenzziehung ist im besonderen Maße von Wichtigkeit, um die Qualität und die Effektivität der institutionellen Hilfeleistung zu gewährleisten.

Beispiel: Die Konzeption einer Stadtteileinrichtung beinhaltet vielfältige Aufgaben und Angebote. Unter anderem können diese allgemeine soziale Beratung, Alphabetisierungskurse, Hausaufgabenhilfe, Freizeitpädagogische Gruppenangebote und ähnliche sein. Bei der Ausführung dieser Angebote wird der Sozialpädagoge zahlreiche verschiedenartige Aufgaben übernehmen: er wird beraten, informieren, unterrichten, lehren, unterstützen, Ansprechpartner sein, weitervermitteln, begleiten und anderes mehr.

Bei der Arbeit in der Hausaufgabenhilfe dieser Stadtteileinrichtung hat der Sozialpädagoge den Auftrag, die Kinder bei ihren Hausaufgaben zu unterstützen und zu fördern und insoweit individuell auf diese einzugehen, dass die Unterstützungsleistung nicht unverhältnismäßig (im Sinne der gleichgewichtigen Partizipation) ausfällt und ein Klima beibehalten wird, in dem es für alle Kinder möglich ist, Hilfe zu fordern und in benötigtem Maße zu erhalten.

Widmet der Sozialpädagoge jetzt ausschließlich einem Kind mehr als die Hälfte der Zeit der Hausaufgabenhilfe, weil er dieses als besonders förderungsbedürftig beschreibt, handelt er nicht mehr im Rahmen seines institutionellen sondern seines persönlichen Auftrages/Anliegens.

Die zwei Aufträge des Klienten

Die Klienten, an die sich das Leistungsangebot, das der Sozialarbeiter vermittelt richtet, haben ihrerseits ebenso ein eigenes Anliegen. Dieses Anliegen summiert sich zum überwiegenden Teil aus den Erwartungen, den Wünschen, den Hoffnungen, der eigenen Problemdefinition und den daraus resultierenden Zielorientierungen der Klienten.

Jedes Einrichtungskonzept intendiert für den Klienten, willentlich oder unwillentlich, einen zusätzlichen Auftrag. Der Klient erfüllt in jenem eine bestimmte Rolle, eben als Klient, der Abnehmer der Leistungen der Einrichtung ist. Prinzipiell ist es zwar die Aufgabe (und somit Auftrag) des Sozialpädagogen, den Klienten im Rahmen des Hilfeprozesses hinreichend „anzupassen“, damit die Hilfeleistung planbar wird, geht das Konzept dennoch von einem bestimmten normativen Klientenbild aus.

Dieses Szenario weist den Sozialarbeiter einerseits als Handelnden innerhalb seines institutionellen Auftrages aus, andererseits kommt ihm damit aber auch die Funktion eines Vermittlers zwischen Angebot der Einrichtung und Anliegen des Klienten zu.

Beispiel: Im Fall der Hausaufgabenhilfe führt der Sozialpädagoge seinen zuvor angedeuteten (institutionellen) Auftrag aus. Er betreut eine Gruppe von zehn Kindern in einer eigens dafür vorgesehenen Unterrichtsräumlichkeit. Die Kinder haben den Auftrag: Hausaufgaben in einer Art und Weise erledigen, dass es für jedes Kind der Gruppe möglich ist, diese zu machen bzw. Hilfe zu fordern. Im Verlauf der Betreuung ergeben sich unterschiedlichste Handlungssituationen:

Eines der Kinder stellt die Arbeit an den Hausaufgaben ein und beginnt statt dessen, andere Kinder in der Gruppe zu ärgern und durch lautes „Getrommel“ auf dem Tisch die Situation zu stören.

4.3.2 Ein Modell der Intervention

Während der Ausführung seiner Tätigkeit, ergeben sich für den Sozialpädagogen Handlungssituationen, in denen sein fachliches Können gefordert ist. Erfüllt er dabei seinen institutionellen Auftrag, ist er aus mehreren Gründen gefordert, situativ zu intervenieren.

Erste Maßnahme des professionell Handelnden ist es, eine Deutung des aktuellen Geschehens vorzunehmen. Ohne diese würden weitere Interventionen einem Prinzip des Zufalls und der Beliebigkeit ausgesetzt werden. Die folgenden Fragen geben dem Handelnden die Möglichkeit, die Situation zu strukturieren und differenzierter wahrzunehmen:

- Was ist hier los? Was nehme ich wahr?
- Was ist mein Auftrag? Was will ich? Wo soll es hingehen?
- Was kann ich tun? Wie kann ich meinen Auftrag am besten nachkommen?
- Was will der Klient? Was braucht der Klient?
- Wie sinnvoll ist es, meinen Auftrag (weiterhin) zu erfüllen?

4.3.2.1 Die vier Elemente zur Differenzierung der Situation

Situationsdeutung98

Die beiden Fragen im ersten Punkt zielen auf die Diagnose der momentanen Situation ab. Ebenso wie die Fragen des vierten und fünften Punktes hält ihre Beantwortung eine Situationsdeutung bereit. Der Sozialpädagoge führt sich die ihm aus fachlicher Sicht wichtig erscheinenden Aspekte einer Situation vor Augen und gewinnt daraus Anhaltspunkte für eine Intervention. Er bedient sich dabei seiner erlernten Fähigkeiten und seinem Fachwissen, seiner Erfahrung und notwendigerweise seiner Kompetenzen (instrumentelle, reflexive und soziale), um eine möglichst stimmige Interpretation dessen, „was hier gerade los ist“, abzubilden. Die Gesichtspunkte, unter denen der Pädagoge seine professionelle Einschätzung der Situation trifft, ist entsprechend wechselseitig abhängig von seinem Auftrag, dem damit verbundenen Setting, dem übergeordneten Leitbild und der eigenen Haltung, etc..

Vision

Die Fragestellungen im zweiten Punkt beziehen sich auf das Ziel der Intervention. Damit ist die selbstreflexive Verdeutlichung der Situation im Bezug auf den Auftrag zu verstehen. Welche Interventionen sind innerhalb des institutionellen Auftrags begründbar und an welchem Punkt endet dieser. Der Aspekt Vision beinhaltet damit aber ebenso zu einem gewissen Teil die übergeordneten Leitmotive sowie ethische Fragestellungen, die der Arbeit in der spezifischen Einrichtung zu Grunde liegen. Die Frage „Wo soll es hingehen?“ zielt auf die „wünschenswerten Verhältnisse“ einer Gesamtsituation ab.

Das entstehende Spannungsfeld zwischen Situationsdeutung und Vision wird im Handeln von zwei weiteren Elementen ausgeführt:

Methode

An dritter Stelle stehen die Fragen nach dem praktischen Handeln in der spezifischen Situation. Wie ist das Interventionsziel auf planvollem, effektivem Weg mit relativer Sicherheit zu erreichen? Das Element Methode beschreibt die Vorgehensweisen und die Techniken innerhalb der Methode und eines Konzepts, die sinnvoll im Hinblick auf das Erreichen des Ziels angewendet werden können.

Haltung

Der sich daraus ergebende vierte Aspekt der Haltung setzt sich weitestgehend aus den vorherigen zwei Elementen zusammen. Die engste Kopplung besteht zwischen Haltung und Methode. Während Methode den „äußeren“ Weg zur Aufgabenerfüllung und Problemlösung erfasst, fokussiert Haltung die „innere“ Einstellung des Sozialpädagogen. Im planvollen Vorgehen einzelner Methoden ist oftmals eine entsprechende Haltung beschrieben, um methodische Verfahren überhaupt erst wirkungsvoll werden zu lassen. Zudem fließen in die Haltung des professionell Handelnden Wertvorstellungen und Leitmotive wie sie im visionären Aspekt beschrieben sind ein. Ein weiterer Teil der Haltung wird durch das professionelle, reflektierte Selbstverständnis des Sozialpädagogen bestimmt.

Die Sicherstellung, dass eine Intervention für das zu erreichende Ziel sinnvoll ist (gerechtfertigt) und die zweckmäßigste Methode in diesem Hinblick darstellt (begründet), lässt sich mit folgendem Modell belegen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4 : Modell zur Strukturierung der situativen methodischen Intervention99

Die vier Elemente dieses Modells sind als gleichwertig zu betrachten und lassen sich auf Grund ihrer inhaltlichen Konturen gut voneinander unterscheiden. Die Verbindungen zwischen ihnen machen jedoch ihren wechselseitigen Bezug zueinander deutlich und fügen sich entsprechend zu einer handlungsorientierenden Gesamtgestalt zusammen. Im Folgenden wird zunächst aufgezeigt, wie in einer Handlungssituation in der Beziehungsarbeit das methodische Element und damit auch das Element der Haltung von dem provokativen Ansatz gefüllt wird, und wie bei solch einem methodischstrukturierten Handeln vorzugehen ist. Im Anschluss soll anhand der konkreten Situation der Erziehungsberatung verdeutlicht werden, wie sich der Ansatz in ein Praxisfeld der Sozialen Arbeit einfügen könnte.

4.3.3 Provokativ-sozialpädagogische Beziehungsarbeit

Das soeben vorgestellte Modell bewegt sich auf einer konzeptionell-theoretischen Ebene der Intervention. Um es jedoch auf einer alltagspraktischen Ebene anwendbar zu machen, bedarf es einer Ausgestaltung der Elemente. Die konkrete Tätigkeit, die in der sozialpädagogischen Handlungssituation dabei zur Grundlage wird, ist die Beziehungsarbeit. Wie bereits beschrieben findet sie aufgaben- und praxisfeldübergreifend in vielen sozialpädagogischen Situationen statt. Der methodische Ansatz, der dabei Einfluss in die Beziehungsarbeit findet, ist der provokative Ansatz. Mit Hilfe dessen methodischen Konzepts soll es möglich werden, die Beziehungsarbeit des Sozialpädagogen im Hinblick auf die Zielerreichung zu effektivieren und zu erleichtern.

In der Handlungssituation wird es dabei essentiell, eine vertrauensvolle, wertschätzende und tragfähige Beziehung zu etablieren. Oder anders ausgerückt: der Gute Draht muss hergestellt werden. Er „... ist eine unabdingliche Voraussetzung, für jede zwischenmenschliche Einflussnahme.“100 Diese Einflussnahme ist es, die der Sozialarbeiter ausüben möchte, um sowohl mit dem Klienten in dessen Sinne als auch im Sinne der Einrichtung zu arbeiten.

4.3.3.1 Der Gute Draht zum Klienten

Der Gute Draht ist kein Novum in der Beziehungsgestaltung von sozialen Berufen. Nahezu jeder Ansatz in der psychosozialen Arbeit bedingt vom ersten Moment an eine tragfähige Beziehung. Der Gute Draht, wie ihn der provokative Ansatz vertritt, ist insofern besonders, als dass der Sozialpädagoge beim Einstieg in die Beziehungsarbeit sofort mit provokativen Elementen arbeiten kann. Möglichkeiten, um in kürzester Zeit diese Art der Verbindung zum Klienten herzustellen, sind unter anderem: Die Demonstration des uneingeschränkten Verständnisses, die Kommunikation nach einem dialogischen Prinzip zu führen und dabei verstärkt nonverbale Ausdrucksmöglichkeiten einzusetzen und zu beachten.* Es ist dabei der subjektiven Situationsdeutung des Sozialpädagogen überlassen, wie stark er zu Beginn der Intervention provokativ vorgeht.

Beispiel: In der vorherigen Situation der Hausaufgabenhilfe, gibt es für den Sozialpädagogen, der sich des provokativen Ansatzes bedient, mehrere Interventionsmöglichkeiten. So könnte er sich dem Kind nähern und ihm seine erste Vermutung sofort mitteilen. Unterstellt er dem Schüler sodann in liebevollem, herausforderndem und „dezent mitleidigem“ Ton, dass seine Lehrer ihn wahrscheinlich überschätzt hätten und seine Hausaufgaben nun zu schwer für ihn seien, beginnt mit dieser provokativen Intervention die Herstellung des Guten Drahtes. (Einsteigen in das Weltbild).

Der professionelle Helfer steigt sofort in das Weltbild seines Klienten ein und bringt ihn in die Position, Stellung zu beziehen. Dieser hat nun die Möglichkeit, die Vermutung des Pädagogen zu bestätigen, zurückzuweisen oder zu versuchen, sich dieser verbal zu entziehen. Auf der nonverbalen Ebene wird jedoch eine Antwort erfolgen. Tonfall, Stimme, Körperhaltung und Gesichtausdruck des Sozialpädagogen vermitteln dabei seine wertschätzende und wohlwollende

Haltung gegenüber dem Klienten. Je nach Situation ist dabei das physische Annähern an den Klienten sinnvoll. Durch eine Annäherung wird behutsam und der Klientensituation angemessen ein körperlicher Kontakt hergestellt, synonym zu dem Kontakt auf der verbalen und geistigen Ebene.

Die Besonderheit des provokativen Ansatzes zeichnet sich dadurch aus, dass nachdem eine Situation vom Sozialarbeiter wahrgenommen und gedeutet wurde, er sich eine weitere Klärung vorbehält und sofort in die Beziehung einsteigt. Die eigentliche Klärung der Situation erfolgt nach und nach, während des Vorgehens des Professionellen. Diesem darf aber keine Dogmatik zu Grunde liegen. Ob ein Sozialarbeiter sich bei der Situationsklärung gerade am provokativen Ansatz orientiert oder nicht, „... er kann jederzeit und von jeder Aussage aus immer wieder den Einstieg in die Methode finden.“101

4.3.3.2 Haltung und Klientenbild des Sozialpädagogen

Bei der Herstellung des Guten Drahtes zwischen Sozialarbeiter und Klient ist es demnach die Haltung des erstgenannten, die sich förderlich auf die Beziehung auswirkt. Das Bild des mündigen Klienten ist dabei das Leitmotiv jeder provokativen Beziehungsarbeit. Das bedeutet, ihn in seinem Wert als Mensch als ebenbürtig zu betrachten. Als solcher hat er auch die Fähigkeiten und Ressourcen, weitgehend autonom mit seinen Problemen umzugehen. Der Sozialarbeiter wird ihm keine Entscheidung abnehmen, sondern, soweit dies innerhalb des Auftrags der Hilfeleistung möglich ist, immer wieder an seine Eigenverantwortlichkeit appellieren.

In der Praxis sozialer Arbeit kann es dennoch beabsichtigter oder unbeabsichtigter Weise geschehen, dass der Klient ungerechtfertigt entmündigt wird. Durch die asymmetrische Beziehung zwischen Sozialpädagoge und Hilfesuchendem besteht eine Tendenz zur einseitigen Abhängigkeit. Der Hilfeleistende gerät dabei leicht in die Gefahr, sich dem Klienten überlegen zu fühlen und dies nonverbal zu vermitteln. Abhängigkeit bedeutet immer auch eine Entmündigung des Klienten.

Eherne Prinzipien der Sozialen Arbeit setzen dem Gegenüber auf die bereits zur Worthülse verkommene102 Hilfe zur Selbsthilfe und ressourcenorientierte Arbeit.

Sozialpädagogische Arbeitsfelder schließen im Gegensatz zur Psychotherapie aber auch Problemkonstellationen, die sachlicher, finanzieller und rechtlicher Natur sind, nicht aus. Dieser umfassende Problemfokus psychosozialer Arbeit macht es dem professionellen Hilfeleistenden, über die angesprochenen Probleme hinaus, schwierig den Klienten nicht zu entmündigen. Dabei sind Praxisfelder denkbar, in denen der Sozialpädagoge die Kompetenzen des Klienten beschneiden muss, weil dessen Verhalten Gesetze verletzt oder - viel häufiger - dem institutionellen Auftrag des Pädagogen entgegenläuft. Ähnlich verhält sich dies bei Kindern, die aufgrund eingeschränkter Rechte und ihres Entwicklungsstandes in eine nicht zu vermeidende Abhängigkeit mit dem Professionellen geraten können.

Diesen Problemen zum Trotz ist die beschriebene Grundhaltung für die Beziehungsarbeit eine äußerst sinnvolle Ausgestaltungsmöglichkeit des Aspekts der Haltung. Im Rahmen der eben beschrieben Bedingungen gilt es für den Sozialpädagogen, die ohnehin schon verminderten Kompetenzen der Klienten nicht noch weiter zu dezimieren, indem er ihnen Eigenverantwortung abnimmt. „Ermutigung statt Einschüchterung“ und „Selbstverantwortung statt Opfermentalität“103 heißen die hier idealisierten Maximen. Festzuhalten bleibt: Ohne die Voraussetzung, den Klienten als mündig anzuerkennen und ihn gegebenenfalls wieder mündig zu machen, ist provokatives Arbeiten nur sinnentfremdet möglich.

4.3.3.3 Der Längere Hebel in der Beziehungsarbeit

Entscheidend für den provokativen Ansatz in der Beziehungsarbeit ist, dass er nur dann erfolgreich angewendet werden kann, wenn sich der Sozialpädagoge situationsgebunden am Längeren Hebel befindet.* Am Längeren Hebel befindet sich derjenige der Gesprächspartner, der weniger vom anderen erwarten, erhoffen und erwünschen darf. Anfänglich scheint sich die Situation simpel und eindeutig darzustellen. Der Klient benötigt die Hilfe oder Unterstützung des Sozialpädagogen; das Bedürftigkeitsgefälle zeigt an, dass der Hilfesuchende sich zunächst mehr vom Helfer erhofft und erwartet als dieser von ihm. Diese Situation erfährt jedoch allzu leicht eine Umkehrung. So kann es z.B. der eigene Anspruch des Professionellen oder eine Helfersymptomatik sein, dem Klienten so schnell wie möglich zu helfen, die durch extrem hilfsbedürftige und schwache Klienten in ihm ausgelöst wird. Der Klient sitzt dann am Längeren Hebel, weil er beispielsweise in der Rolle des Opfers den Sozialarbeiter veranlasst, etwas zu tun, und dieser dann in der Rolle dessen ist, der mehr vom anderen möchte, in diesem Fall: Veränderung. Der Positionswechsel am Längeren Hebel kann gleichermaßen bewusst oder unbewusst als auch beabsichtigt oder unbeabsichtigt für die Beteiligten ablaufen. Für den Sozialpädagogen ist es daher eine der wichtigsten Maximen, seine volle Aufmerksamkeit auf diesen Aspekt zu richten. In der Beziehungsarbeit bieten ihm dabei seine Kompetenzen die Möglichkeit zu überprüfen:

1. Wer befindet sich am Längeren Hebel? (Reflexive Kompetenz) und falls erforderlich,
2. Wie kann ich wieder an den Längeren Hebel gelangen? (Instrumentelle Kompetenz).

Beispiel: Das Kind, das die Situation der Hausaufgabenhilfe durch das Stören der anderen Kinder aus dem Gleichgewicht gebracht hat, könnte auf die provokative Unterstellung des Sozialpädagogen antworten und unmittelbar danach anfangen zu weinen. Unter Schluchzen „verrät“ es dem professionellen Betreuer, dass es seine Hausaufgaben wirklich nicht könne. Unterstützt der Sozialpädagoge das Kind nun unangemessen fürsorglich und hilft ihm durch unterfordernde Hilfestellungen seine Hausaufgaben zu lösen, hat das Kind den Längeren Hebel in der Hand und instrumentalisiert in diesem Fall den Sozialarbeiter für seine Zwecke.

Daneben existieren für die Soziale Arbeit weitere kennzeichnende Handlungssituationen, in denen der Sozialpädagoge scheinbar schon von vornherein nicht am Längeren Hebel sitzt.

Schwierig wird dies unter anderem bei pädagogisch-angebotsorientierten Tätigkeiten und bei „geschickten“104 Klienten, die die Hilfeleistungen der Sozialen Arbeit, beispielsweise unter Auflage oder Zwang, fremdbestimmt wahrnehmen. Situationen wie diese, in denen der Klient geneigt ist, sich jeglicher Verantwortung und Kooperation zu entziehen, verlangen vom Sozialpädagogen besonders ausgeprägte Kompetenzen bei der Beziehungsarbeit ab. Der Klient, der sich in Besitz des Längeren Hebels glaubt, wird vom Pädagogen provokativ überrascht, indem er ihn bestärkt und die Situation derart umdeutet, dass der Professionelle völlig kampflos wieder die Position einnimmt, in der er die Fäden zieht.

Beispiel: Die Klientel der Hausaufgabenhilfe sind in der Mehrzahl Kinder, die, ohne nach ihrem Einverständnis gefragt zu werden, von ihren Eltern angemeldet werden. Antwortet das Kind im vorherigen Beispiel, dass es überhaupt keine Hilfe wolle und seine Eltern es angemeldet hätten zu dieser „unnützen“ Hausaufgabenhilfe, hat der Pädagoge die Möglichkeit, mit provokativen Techniken die Motivation des Kindes herauszufordern. Dies kann er z.B., indem er sich bei dem Kind für die Vermutung entschuldigt und es darin bekräftigt, dass seine Eltern die Schuld für diese unangemessene Situation tragen. Ein Schüler von seiner Intelligenz, der alle Hausaufgaben im Rekordtempo erledigen könnte und mit Sicherheit nur sehr gute schulische Zensuren vorzuweisen hätte, bräuchte natürlich keine Hilfe. (Persiflieren des Weltbildes).

Die Provokation erfolgt hierbei vor allem mit Überdehnungen des normativen Sachverhalts in beide Richtungen. Beim letzten Beispiel fand eine Überspitzung ins Positive statt („für dich stellt nichts ein Problem dar, du kannst alles.“). Ebenso wäre auch eine Übertreibung ins Negative möglich und sinnvoll („das schaffst du nie, deine Fähigkeiten reichen leider nicht aus.“). Auf diese Art und Weise ist es möglich, auch bei geschickten Klienten am Längeren Hebel zu sitzen, da es diesen nahezu unmöglich gemacht wird, nicht Stellung zu den Aussagen zu beziehen.

Praktisch werden Interventionen dieser Art vom Auftrag des Sozialpädagogen begrenzt.

Beispiel: So ist es durchaus möglich, dass das Kind im Beispiel der Hausaufgabenhilfe 30 Minuten der Zeit des Sozialpädagogen beanspruchen würde, um es wieder dazu zu bewegen, eigenständig an seinen Hausaufgaben zu arbeiten. Diese Zeit kann der Professionelle jedoch nicht aufbringen, da sein Auftrag es vorsieht, allen Kindern gleichberechtigt Hilfe zukommen zu lassen.

4.3.4 Provokative Elemente und ihr vorteilhafter Nutzen in der Beziehungsarbeit

Wie dargestellt wurde, legt die Art der Verbindung in der Beziehung zwischen Menschen den entscheidenden Grundstein, für das weitere Vorgehen und die methodische Beeinflussung des Sozialpädagogen. Dieses Spektrum der Möglichkeiten zur zielgerichteten Beeinflussung erweitert sich für den Professionellen enorm. Einher geht damit eine effektivere Beziehungsarbeit, weil der Sozialpädagoge nicht alle Arbeit allein bewältigen muss, sondern in gleichberechtigtem Maße Kooperation zwischen den Beteiligten herrscht. Der Klient ist dabei gefordert, selbstständig zu denken, zu erkennen, zu formulieren und selbständig adäquate Lösungsansätze vorzubringen. Der Sozialarbeiter wird ihn gegebenenfalls im Rahmen seines Auftrags sachlich beraten oder belehren, schützen, sich für ihn einsetzen und vieles weitere mehr das (notwendigerweise) in den Kompetenzbereich des Klienten eingreift, jedoch wird er ihm nie seine Selbstverantwortlichkeit abnehmen. Demnach ist es dem Sozialarbeiter mit provokativen Stilmitteln möglich, dem Klienten genau zu zeigen, wieweit sein Auftrag geht und wo dieser gerade steht.

Beispiel: Wenn der Schüler in der Hausaufgabenhilfe bewusst und hartnäckig gegen den Auftrag des Sozialpädagogen arbeitet und sein Verhalten nur darauf ausgerichtet ist Aufmerksamkeit zu erlangen bzw. andere Kinder zu stören, wird der Sozialpädagoge ihm auf liebevolle und humorvolle Art verdeutlichen, dass es bemerkenswert ist, dass er ausgerechnet dann auf dieses „Nicht-machen-wollen“ seiner Hausaufgaben besteht, wenn er in einem Raum sitzt, indem alle Kinder Hausaufgaben machen und es noch dazu einen Betreuer gibt, der genau aus diesem Grunde präsent ist: um jeden bei seinen Hausaufgaben zu unterstützen. Beim weiterem Ausführen kann er sich, dem Klienten angemessenen Bildern bedienen, und Vergleiche mit einem Kinobesuch ziehen, um dann dort auf keinen Fall einen Film zu sehen. Wenn das Kind nun alle andern Besucher, die den Film sehen möchten davon abhält, ist es nur eine Frage der Zeit bis es gezwungen wird den Kinosaal zu verlassen. (Verwenden und Ausmalen von Bildern).

Höfner und Schachtner umschreiben die Interventionen des provokativen Ansatzes metaphorisch mit: „Den Esel am Schwanz und nicht am Halfter ziehen“.105 Dies bedeutet für die Beziehungsarbeit, dass eine oftmals mühsame „Überzeugungsarbeit“ seitens des Sozialpädagogen, die darauf abzielt, dass der Klient „das möglichst Beste in seinem eigenen Interesse tun möge“, nicht stattfindet. Der Problemlage wird demgegenüber von der „anderen Seite“ angepackt, indem der Sozialpädagoge „Überzeugungsarbeit“ für das ungewünschte Verhalten leistet. Dabei verzerrt und übertont er dies in solchem Maße, dass der Klient zu widersprechen beginnt und eine Widerstandshaltung zu seinem (schädlichen) Verhalten einnimmt. Es lassen sich vielfältige Beispiele im Bereich der Beziehungsarbeit in der Sozialpädagogik finden, in denen die Elemente des provokativen Ansatzes sowohl für den Pädagogen als auch für den Klienten gleichermaßen hilfreich sind. In den vorherigen Beispielen sind bei der sozialpädagogischen Intervention die provokativen Elemente: Einsteigen in das Weltbild des Klienten und das Aussprechen dessen, das Persiflieren und das Verzerren des Weltbildes sowie die Verwendung und das Ausmalen von Bildern, unter den Grundvoraussetzungen der Stärkung des Guten Drahtes und der Verwendung von Humor zum Tragen gekommen. Damit soll auch belegt sein, dass eine statische Trennung der Elemente im alltagspraktischen Handeln nahezu unmöglich und nicht wünschenswert ist, da sich diese interdependent zueinander verhalten.

Damit entsteht bei der Integration des provokativen Ansatzes in die Soziale Arbeit eine entscheidende Abgrenzung zur Psychotherapie. Diese zeigt sich explizit im Auftrag des Sozialpädagogen und der daraus angemessenen Verwendung der provokativen Verfahren und Elemente. Die Methode wird in der psychosozialen Beziehungsarbeit nicht ausschließlich auf die Veränderung innerpsychischer Konflikte und Probleme beschränkt, sondern vielmehr auf das alltagsumfassende Tätigwerden Sozialer Arbeit erweitert. Die intrapsychische Dimension wird hingegen je nach Arbeitsfeld und Auftrag des Sozialpädagogen relativ eingegrenzt, und überschreitet unter Anbetracht dessen erworbener Kompetenzen nie ein bestimmtes Niveau. (Im Folgenden wird dieser strittige Punkt ausführlicher behandelt werden.) Beziehungsarbeit die sich des provokativen Ansatzes bedient ist, wie im Beispiel der Hausaufgabenhilfe, auf situative Veränderungsprozesse des Verhaltens angelegt. Damit können für den Klienten eine Bewusstmachung seiner Situation und seiner eigenen Möglichkeiten oder das Auslösen einer Einstellungsveränderung und somit längerfristigen positiven Auswirkungen, sowie weitere vorteilhafte Effekte einhergehen. Gemessen an der erfolgreichen Bewältigung seines institutionellen Auftrages bedeutet dies ein positives Rückwirken auf die Arbeit des Sozialpädagogen. Um es anders auszudrücken: Trennt man Kommunikation in eine Inhalts- und eine Beziehungsebene wird deutlich, das der Provokative Stil vorrangig auf der Beziehungsebene stattfindet. Die Inhaltsebene bleibt davon zwar nicht unberührt, jedoch können auf ihr unabhängig davon andere Themen, wie Arbeitsplatzsuche, Erziehungsfragen oder Bewältigung der Schulaufgaben, behandelt werden. So kann der provokative Ansatz in der Beziehungsarbeit bei vielerlei Anlässen und sozialpädagogischen Aufgaben zum Kommunikationsmittel der Wahl werden.

In diesem Zusammenhang wird der provokative Ansatz in einem von Klientel hochfrequentierten sozialpädagogischen Arbeitsfeld dargestellt.106 Die Tätigkeit in der Erziehungsberatungsstelle ist dabei mitunter aus zweierlei Gründen zum Gegenstand des nachfolgenden Praxisfeldbezugs geworden:

- Zum Ersten weist der Bereich der Erziehungs- und Familienberatung zahlreiche Parallelen zum Wesen der Psychotherapie auf. Dies begünstigt die Arbeit mit dem provokativen Ansatz in der Weise, dass der Sozialarbeiter hier sehr vielfältige und praktikable Anwendungsmöglichkeiten findet.
- Zum Zweiten besteht genau in diesem Punkt die Gefahr, dass Sozialarbeiter die als Erziehungsberater tätig sind, ein Form von Psychotherapie praktizieren, die im Rahmen der Konzeption dieser sozialstaatlichen Einrichtung nicht vorgesehen ist.

4.4 Der provokative Ansatz in der institutionalen Erziehungsberatung

4.4.1 Praxisfeldbeschreibung und Definition

Erziehungsberatung ist eine Leistung der Jugendhilfe bzw. eine Hilfe zur Erziehung, die darauf abzielt, die Personensorgeberechtigten in ihrer Erziehung zu unterstützen, um eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung sicherzustellen.107 Die Erziehungsberatung wird dabei von der Praxis der institutionalisierten Erziehungs- und Familienberatungsstellen definiert.

Nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) sollen

Erziehungsberatungsstellen und andere Beratungsdienste Kinder, Jugendliche und andere Erziehungsberechtigte

- bei der Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme und der zugrundeliegenden Faktoren,
- bei der Lösung von Erziehungsfragen
- sowie bei Trennung und Scheidung unterstützen.108

Präzisiert wird diese gesetzliche Definition in der Praxis von den vielfältigen Anlässen zu denen Ratsuchende die Beratungsstellen in Anspruch nehmen. Die häufigsten sind:109

- emotionale Probleme des Kindes oder Jugendlichen (z.B. Ängste)
- körperliche Auffälligkeiten (z.B. Einnässen, Schlaf- oder Essstörungen)
- Entwicklungsverzögerungen (z.B. motorische Entwicklung)
- Auffälligkeiten im Sozialverhalten (z.B. Aggressivität, Stehlen)
- Sprachschwierigkeiten (z.B. Stottern, Sprachverweigerung)
- Probleme mit Leistungsanforderungen (z.B. Konzentrationsstörungen)
- Trennung/Scheidung und Verlust (z.B. Trennung der Eltern)
- Schwierige Familiensituation (z.B. Konflikte zwischen den Eltern)

Um mit diesen zahlreichen unterschiedlichen Krisen und Problemlagen adäquat umgehen zu können ist für die Erziehungsberatung gesetzlich ein multiprofessionelles Fachteam vorgeschrieben, indem Fachkräfte verschiedener Fachrichtungen zusammenwirken sollen, die mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen vertraut sind.110 In der Praxis sind von ihrer Zahl die bedeutensten Berufsgruppen: Diplom-Psychologen, Diplom-Sozialpädagogen/Sozialarbeiter, Diplom-Pädagogen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und mit Abstrichen auch Ärzte. Wichtiges Kriterium der Beratungsstellen ist die Voraussetzung das ihre Mitarbeiter zusätzlich zu ihrer Basisprofession eine therapeutischen Zusatzqualifikation nachweisen können.111 „Die möglichen Interventionen in der Erziehungsberatung reichen von informatorischer Beratung über das intensive Beratungsgespräch, diagnostische Klärung und Psychotherapie bis hin zur Arbeit im sozialen Umfeld.“112

Bevor nun im Weiteren Beispiele für Interventionen mit dem provokativen Ansatz in der Erziehungsberatung dargestellt werden, ist es zunächst von Bedeutung die Unterschiedlichkeiten von Beratung und Therapie in Erziehungsberatungsstellen und Psychotherapien die zur Leistung der gesetzlichen Krankenkassen gehören oder auf dem freien Markt angeboten werden zu benennen. Dies ist nicht ganz einfach da Sozialpädagogen die in Erziehungsberatungsstellen tätig werden, wie eben belegt wurde, therapeutisch ausgebildet sind und damit auch in gewissem Maße therapieren dürfen. Demnach ist „Therapie in der Erziehungsberatung ... in Beratung eingebettet und schwer von ihr zu trennen.“113

4.4.2 Der Beratungsansatz in der Erziehungsberatung

Erziehungsberatung beruht auf Niederschwelligkeit, Freiwilligkeit*, Gebührenfreiheit, Vertrauensschutz und fachlicher Unabhängigkeit.114

Charakteristisch für die Erziehungsberatung ist, dass ihre Beratungs- und Therapieleistungen das Wohl von Kindern und Jugendlichen zum Ausgangspunkt nehmen. Damit entstehen erste Abgrenzungspunkte zur Psychotherapie im Sinne des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG).

Es ist aber noch eine andere Qualität, die Beratung in der Erziehungsberatung kennzeichnet und von anderen Beratungs- und Therapieformen unterscheidet. Im KJHG wird von „Klärung und Bewältigung von individuellen und familienbezogenen Problemen“ sowie von „Lösung von Erziehungsfragen“ gesprochen.115 Im Zentrum dieser Prozesse steht die Persönlichkeit der Menschen, die die Erziehungsberatungsstelle aufsuchen, ihre innere Welt, ihre Empfindungen Phantasien und Bewertungen. Die Ratsuchenden selbst werden damit zum Gegenstand der Beratung. Unter anderem aus diesem Grunde charakterisiert die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung die Erziehungsberatung daher treffend als personenbezogene Beratung: Das Medium dieser Beratung ist die persönliche Beziehung zwischen Ratsuchendem und Berater.116 „Beratung soll hier also heißen ein Prozeß, indem die Beziehung zwischen Klient und Berater durch methodisch geleitete Interventionen strukturiert wird und dadurch Änderungen ermöglicht.“117

Der Sozialpädagoge klärt gemeinsam mit dem Ratsuchenden die problembelastende Lebenssituation mit ihren inneren und äußeren Bedingungen und gibt ihm die Möglichkeit, die eigenen Gefühls- und Reaktionsweisen zu verstehen und sie in einen Zusammenhang ihrer familiären und sozialen Bedingungen zu sehen.

Damit ist gleichwohl die Gefahr angesprochen, angesichts des „therapeutischen“ Charakters der Beratung in der Erziehungsberatung zu sehr die innere Welt des Ratsuchenden zu fokussieren und die konkrete Lebenswelt in gleichem Maße zu vernachlässigen.

Weiteres deutliches Abgrenzungsmerkmal der Hilfeleistung der Erziehungs- und Familienberatung ist daher die Anforderung an diese, die Lebenswelt und den Alltag ihrer Klienten mit einzubeziehen. So ist es möglicherweise in einzelnen Fällen überhaupt nicht notwendig die Persönlichkeit des Ratsuchenden zur Diskussion zu stellen oder seine Beziehungen zu thematisieren, sondern vielmehr lebenspraktische Fragen zu erörtern, materielle Dinge zu besprechen oder Absprachen über Alltägliches zu treffen. Neben therapeutischer ist auch pädagogische und sozialpädagogische Kompetenz in das Beratungshandeln zu integrieren, ebenso wie sich Beratungsstellen zu der Notwendigkeit bekennen müssen pädagogisch zu intervenieren und das Umfeld der Ratsuchenden mit einzubeziehen.118

Die Schwierigkeit der Balance zwischen lebenswelt-orientierter Beratung und dem „therapeutischen“ Akzent der Beratung findet sich auch im folgenden Beispiel zu provokativen Interventionen in der Erziehungsberatung. Wie stark diese den psychosozialen Aspekt anspricht und welche bedeutungsvolle Rolle die Beziehungsarbeit einnimmt hat der eben skizzierte Beratungsansatz anschaulich gemacht. Das Beispiel hat die Aufgabe das Vorgehen eines Beraters (Sozialpädagogen) der sich der Methode des provokativen Ansatzes bedient in Ansätzen und wesentlichen Merkmalen darzustellen. Es soll kein Bild einer rein provokativen Interventionsweise dogmatisiert werden, noch soll eine Aussage darüber getroffen werden ob damit zwangläufig eine therapeutische Zusatzqualifikation „Provokative Therapie“ oder ähnliches für Sozialpädagogen einhergeht.

4.4.3 Provokative Interventionen in Eltern- und Familiengesprächen

Die Beratung in einer Erziehungsberatungsstelle kann in mehreren sozialen Konstellationen stattfinden. Mal kommen Eltern zusammen mit ihrem Kind oder ihren Kindern in die Beratung, mal ist es nur ein Elternteil mit oder ohne Kind und mal kommen sowohl Elternpaare als auch Kinder alleine um Rat zu suchen. Eine Besonderheit der Erziehungsberatung ist dabei, dass Eltern ihr Kind gewissermaßen zur Behandlung anbieten können, als wäre das Kind oder der Jugendliche ein Objekt, mit dem sie nichts zu tun haben. Der Berater soll sich dann um dessen Problem kümmern und es wieder in Ordnung bringen. Aus diesem Grunde erzählen sie ausgiebig über das Kind und seine Verhaltensweisen, in der Regel ohne Worte über sich selbst zu verlieren, weil sie sich ihres Anteils an der Problemlage nicht bewusst sind.

Der Gute Draht

In diesem Setting, in dem die Eltern ohne die Anwesenheit des Kindes die Beratung in Anspruch nehmen, kann der Berater „...seine Aufmerksamkeit von Anfang an auf jeden Ausdruck von Gefühlen gegenüber dem Kind und sein Verhalten, auf jede präsentierte Überzeugung und jeden inneren Wert richten, an denen Eltern ihre erzieherische Arbeit orientieren.“119 Wenn er diese Aspekte konsequent verfolgt, betont und verstärkt, schafft er einen Guten Draht zu den Eltern und die Basis für Provokative Interventionen. Er nimmt zwar alle Informationen über das Kind auf, geht aber nur bedingt auf dessen Probleme ein. Seine Interventionen zielen systematisch auf den Aspekt der elterlichen Haltung bei der Erziehung ab. Da er die Eltern in ihrer Weltanschauung bekräftigt und beginnt schädliche Haltungen zu verzerren ins positive umzudeuten, fühlen sich diese verstanden. Das weckt ihre Kooperationsbereitschaft. Sinnvoll kann es für den Berater sein, sich in der Elternberatung zunächst mit folgenden Fragestellungen zu befassen:120

1. „Wer hat welches Problem?
2. Wer sollte sich nach Meinung der Eltern verändern?
3. Wer soll diese Veränderung bewirken?“

Wartenweiler beschreibt daneben drei grundsätzliche Weltanschauungen der Eltern:121

- Das Kind hat ein Problem, ist gestört, hat Schuld etc. Abseits davon ist alles in Ordnung.
- Wir geben unser bestes, aber können machen was wir wollen, es ändert sich nichts.
- Wir können nichts mehr tun, haben aufgegeben. Jemand muss etwas unternehmen.

Aussprechen der Weltanschauung

Diese Überzeugungen treten häufig in Kombination miteinander auf und bieten die „Spielwiese“ für provokative Interventionen. Im Hinblick darauf wird sich der Sozialpädagoge zunächst für folgende Aspekte interessieren:

Überzeugungen, die negatives Verhalten der Eltern unterstützen und die Gewinne, die für alle Beteiligten aus dieser Situation resultieren.

Aspekte dieser Art können im Gespräch bedenkenlos thematisiert werden, weil zwar über das problematische Verhalten der Eltern gesprochen wird, diese aber niemals angeklagt werden. Frank Farrelly fragt beispielsweise immer wieder wenn eine problematische Verhaltensweise in den Mittelpunkt der Beratungsinteraktion rückt: „Was ist denn falsch daran, dass ...?“122 In der Erziehungsberatung könnte der Satz weitergehen mit „... sie ihrem Kind erlauben bis spät nachts aufzubleiben?“ oder: „... sie ihr Kind schlagen?“ oder: „... sie morgens schon eine Flasche Bier beim gemeinsamen Frühstück trinken?“ etc. Die Art wie eine solche Frage gestellt wird, der Klang der Stimme, die Mimik und Körperhaltung sind besonders wichtig. Durch sie drückt der Berater Akzeptanz aus. Inhaltlich ist sie gleichzeitig herausfordernd, da die Eltern mit ihrem schädlichen Verhalten konfrontiert werden und angeregt werden darüber nachzudenken.

Stereotype und Pauschalurteile

Pauschale und globale Urteile werden einerseits von den Klienten in der Erziehungsberatung als Tatsachen in den Beratungsprozess eingebracht, andererseits können sie vom Berater genutzt werden um Situationen und Szenen derart darzustellen, dass die Ratsuchenden ihren Nutzen daraus ziehen können. In Situationen in denen Eltern dann im Bezug auf das eben genannte Beispiel in die umgekehrte Richtung tendieren und sich selbst für alle Schwierigkeiten die das Kind hat verantwortlich machen, könnte eine provokative Intervention von folgendem Charakter sein: „Sie haben alles falsch gemacht. Gut. Zählen Sie bitte einmal auf, was Sie alles falsch gemacht haben.“ Typischerweise sind die Selbstvorwürfe von Eltern unspezifisch, so dass der Berater und diese nicht wissen, worin der Fehler überhaupt bestehen soll.123 Die Aufforderung des Auflistens überrascht häufig und bleibt innerhalb des Bezugssystems der Eltern, so dass die den angefangenen Gedankengang präzisieren müssen.

Ebenso kann der Berater Pauschalisierungen verwenden, um beispielsweise eine passive Erwartungshaltung der Eltern, die den Pädagogen als alleinigen Leistungserbringer sieht, zu sprengen. Dabei kann er den Eltern deutlich machen, dass er es für unwahrscheinlich hält, dass ihr Kind sich ändern kann (nachdem er es z.B. in einer Sitzung erlebt hat). Es gäbe zwar generell die Chance, dass ein Kind wie dieses, sein selbst- und fremdschädigendes Verhalten einstellt, aber dazu brauche es auch eine entsprechende Eingrenzung seitens der Eltern. Manche Eltern würden das auch schaffen, aber andere könnten es immer und immer wieder versuchen, aber brächten es nicht übers Herz ihr Kind derart zu reglementieren. Daraufhin stellt der Berater mit Bedauern fest, dass das Elternpaar, das vor ihm sitzt, eher zur letzteren zu zählen ist, fügt aber freudig hinzu, dass das auch gut so wäre. Es gäbe schon genug unbarmherzige und gnadenlose Eltern auf der Welt. Er stellt weiterhin heraus, dass manchmal nur eines übrig bleibe: Die Dinge akzeptieren wie sie sind. Je nachdem wie der Berater die Eltern die ihn konsultieren einschätzt, kann er Übertreibungen und Pauschalisierungen dieser Art langsam angehen lassen oder schon nach kurzer Zeit auf die Spitze treiben. Entscheidend ist, ihnen bewusst zu machen, dass ihr Verhalten oder ihre Einstellung sich auf das ungeliebte Verhalten des Kindes in erheblichem Maße auswirkt.

Inadäquate Lösungen und Ratschläge

Eltern die in Situationen verstrickt sind, die sie dazu veranlasst eine Erziehungsberatungsstelle aufzusuchen, wissen häufig keinen Rat mehr, wie sie mit ihren Kindern umgehen sollen, um deren Verhalten wieder in „geordnete Bahnen“ lenken können. Sie fragen den Berater dann „... zu einem Zeitpunkt nach besseren Lösungen, an dem sie noch nicht fähig sind, solche auch zu übernehmen. Sie wollen andere Lösungen, sind aber in einem Gefüge von Überzeugungen gefangen, welches ihnen nur gerade diese Möglichkeiten erlaubt, die sie tatsächlich benutzen.“124 Der Berater kann an dieser Stelle mit inadäquaten Ratschlägen reagieren, die die Eltern herausfordern und dazu provozieren, selbst passendere und ihrer eigenen Überzeugung entsprechende Lösungen zu entwickeln. Damit sabotiert er gleichzeitig das Spiel des wissenden, großen Helfers und des unmündigen, kleinen Klienten.

Eine Satz der von Eltern immer wieder in der Erziehungsberatung fällt ist: „Ich erkläre es ihm immer wieder, aber es nützt nichts.“125 Wenn Eltern nun über ein bestimmtes Verhalten ihres Kindes klagen, kann der Berater weiter zur erfolglosen Strategie des „Erklärens“ raten. Der Vorschlag dieser nutzlosen Lösung kann sich in mehreren Punkten positiv auf das Beratungsgespräch auswirken:126

- Da fast alle Eltern sagen müssen, dass sie dies bereits tun, bekommen sie durch den Rat des Beraters eine implizite Betätigung, etwas zu tun, was zumindest verständlich, wenn nicht sogar das Richtige ist. Das stärkt die Beziehung von Sozialpädagoge und Klient.

- Wenn die Eltern den fehlenden Nutzen dieses Vorgehens erwähnen, kann der Berater anfangen alle Argumente auszuführen, welche Eltern normalerweise gebrauchen, um das Erklären zu begründen.
- Damit werden Eltern in die Lage manövriert, mehr und mehr den fehlenden Nutzen zu betonen. Das bewegt sie weit mehr zu einer Verhaltensänderung, als ein ständiges „Darauf-hinweisen“ durch den Berater.

Weitere inadäquate und „verrückte“ Lösungen in der Erziehungsberatung können neben nutzlosem Erklären und Reden sein:

- Nichts tun und auf bessere Zeiten warten, welche sich durch natürliches Wachstum und Reifung hoffentlich irgendwann einstellen werden.
- Die erzieherische Arbeit einfach anderen überlassen, denn die können ja auch einmal etwas tun.
- Belohnungen, viele Belohnungen, plan- und maßlos, womöglich im Voraus. Etc pp.

Nachfolgend soll zur Verdeutlichung des Beratungsprozesses ein Auszug aus einem Gespräch mit einer Mutter und ihrem Sohn in einer Erziehungsberatungsstelle angeführt werden. In dem Beispiel schlägt der Berater der Mutter eine Reihe absurder Lösungen vor, die sich bei ihm über die Unordnung im Zimmer ihres Kindes und den daraus folgenden Streitigkeiten beschwert. Im Verlauf des Gesprächs weist sie schließlich selbstständig auf eine adäquatere Lösung hin, aber auch darauf, dass sie diese nicht anwenden möchte.*

„Therapeut: Wenn du nach Hause kommst, sagt deine Mami, lässt du deine Schuhe irgendwo liegen ... Was? Nein. Du kannst einen unter den Backofen schieben und den anderen neben deine Zahnbürste deponieren. Toni: Nein. Ich habe beide irgendwo in mein Zimmer getan. Therapeut: Potz, das ist ja schon mächtig viel Ordnung.

Mutter: Ja. Und wer hat sie dann gefunden? Du hast ja nicht mehr gewusst wo sie sind.

Therapeut: Gute Idee. Du versteckst sie in deinem Zimmer wie Ostereier. Und Mami kann sie suchen gehen. Das macht ihr bestimmt Spass.

Mutter: Das ist mühsam. Wenn ich dir einen Gutnachtkuss geben will, muss ich immer überall das Zeug steigen.

Therapeut: Sie könnten zum Fernkuss übergehen. Unter der Tür können Sie ... (Therapeut spielt vor, wie die Mutter Toni ihren Kuss durch die Luft zuhauchen kann).

Toni: Ich könnte dir einen Pfad machen, dass du besser zu meinem Bett kommst. Therapeut: Hast du schon daran gedacht, wie du deinen Schlampenladen noch vergrössern könntest? Und dann schaufelst du ihn zu einem Berg und legst eine Leiter darüber ... (Mit einem Blick zur Mutter, die nicht gerade als dünn bezeichnet werden kann) ... das verschafft deiner Mami etwas Bewegung. Das ist gesund und tut ihr bestimmt gut. Was meinst du?

Mutter: Er kann schon Ordnung machen. Einmal hat sein Onkel ihn eingeladen, unter der Bedingung, dass Toni zuvor sein Zimmer aufräumt. Da war sofort aufgeräumt.

Therapeut: Aua. Hoffentlich merkt deine Mami den Trick nicht, den dein Onkel kennt. Uuh. Das ist gar nicht lustig. Ich kenne da Mamis, die machen das die ganze Zeit so.

Mutter: Nein. Ich will das nicht so machen. Ich möchte nicht immer sagen: ,Also, wenn du das nicht endlich machst, dann werde ich ...’“127

5. RESÜMEE UND AUSBLICK

Nachdem die vier Kapitel, die sich inhaltlich mit dem provokativen Ansatz, der Sozialen Arbeit, der Beziehungsthematik Sozialer Arbeit und der Adaption des provokativen Ansatzes für die Letztgenannte befassen abgeschlossen sind, bleibt zu überprüfen zu welchem Ergebnis die Arbeit gekommen ist. Ist das zuvor formulierte Ziel, eine innovative Möglichkeit der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit zu entwickeln erreicht worden? Ist die Adaption des provokativen Ansatzes geglückt, oder liegt hier eine Therapeutisierung Sozialer Arbeit vor?

Zu Beginn der Arbeit, berichte ich von dem relativ unstrukturierten Feld der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit. Bei der Beschäftigung mit dem Gegenstand „Beziehung“, ist dessen Differenziertheit für mich sichtbar geworden. Trotz seines breiten Interpretationsspielraumes habe ich versucht mich von einer sehr theoretischen Weise dem Begriff anzunähern. Mein Anliegen war es, ihn schließlich für die Sozialpädagogik in einer Form zu definieren, dass weitere Untersuchungen zu den Voraussetzungen gelingender Beziehungsarbeit angestellt werden können. Dies war auch gefordert, um den Weg für eine provokativsozialpädagogische Beziehungsarbeit zu ebnen.

Die Theorie einer provokativen, sozialpädagogischen Vorgehensweise in der Beziehung zwischen Klient und Sozialpädagogen war dabei Schwerpunkt meiner Arbeit. Im ersten Kapitel habe mit der ausführlichen Darstellung des provokativen Ansatzes den Grundstein zur Entwicklung einer solchen Vorgehensweise gelegt. War ich zu Beginn meiner Arbeit noch von dem Gedanken beseelt, sehr reduziert mit der Methode umzugehen und vor allem die Vorgänge der Beziehungsgestaltung in den Fokus zu rücken, bildet sich jetzt im vierten Kapitel eine Vielfalt methodischer Interventionen ab. Dies belegt, dass die Beziehungsgestaltung des provokativen Ansatzes nahezu untrennbar mit seinen Interventionen verbunden ist. Das diese nicht rein therapeutisch sein müssen, sondern auch (entsprechend angepasst) in Kontext Sozialer Arbeit sinnvoll sein können, beweißt der Punkt 4.3.3 und seine Unterpunkte in aller Ausführlichkeit.

Das vierte Kapitel zeigt, dass es nicht nur machbar ist sozialpädagogische Beziehungsarbeit mit provokativen Interventionen und Wesenszügen zu strukturieren, sondern dies auch eine enorme Bereicherung für die Soziale Arbeit darstellt. Keinesfalls wird damit jede Situation Sozialer Arbeit lösbar, noch kann der Sozialpädagoge sich der Aufgabe entziehen, jeden situative Begebenheit neu zu deuten. Dem alltäglichen Handeln des Sozialpädagogen ist damit allerdings ein Gesicht gegeben. Die schillernden Möglichkeiten provokativ-sozialpädagogischer Beziehungsarbeit zeigen auch, dass es häufig der „indirekte“ Weg ist der den Klienten veranlasst mit dem Pädagogen zu kooperieren.

Ohne den Anspruch erheben zu wollen, eine allumfassende, für jeden sozialpädagogischen Auftrag gültige Herangehensweise vorzustellen, zeigt das Ergebnis meiner Arbeit, dass es möglich ist, sozialpädagogische Beziehungsarbeit effektiver (im Hinblick auf das Ergebnis) und effizienter (im Hinblick auf die sozialpädagogische Leistung) zu gestalten. Viel wichtiger ist jedoch der Aspekt, das dem Professionellen ein methodisch-strukturierter Ansatz offeriert wird, der ihn in den nicht planbaren Beziehungssituationen handlungsfähig macht. Die methodische Strukturierung der Handlungssituation wirkt sich auf beide, Klient und Sozialpädagogen, positiv aus und bringt Bewegung in von Stagnation gekennzeichnete Momente.

Dabei ist deutlich geworden, dass der provokative Ansatz in der Sozialen Arbeit keine therapeutische Methode darstellt. Mit ihr werden gezielte Interventionen, die auf den Auftrag des Sozialarbeiters bezogen, begründet und gerechtfertigt sind, möglich. Ich möchte hierbei besonders darauf hinweisen, dass selbst im Beispiel der Erziehungsberatung, bei der eine Abgrenzung zwischen Beratung und Therapie nur unzureichend möglich ist, die „provokative Beziehung“ im Vordergrund steht. Interventionen können, je nach Anliegen oder Problemlage des Klienten, angepasst werden.

Die Adaption des provokativen Ansatzes für die Soziale Arbeit ist damit insoweit gelungen, dass im Feld der Beziehungsarbeit eine praktikable Methode entstanden ist, die sich an sozialpädagogischen Themen, Zielen und Inhalten orientiert. Ob der Klient nun provoziert wird, seine Hausaufgaben gewissenhaft zu bearbeiten oder sein Erziehungsverhalten zu reflektieren, ist dabei von sekundärer Bedeutung.

Will der provokative Ansatz in der Praxis sozialpädagogischer Beziehungsarbeit Fuß fassen, ist eine entsprechende Qualifikation ihrer professionellen Fachkräfte erforderlich. Dabei denke ich nur in zweiter Linie an ein Zusatzqualifikation, wie sie beispielsweise für die Arbeit in einer Erziehungsberatungsstelle notwendig ist. In erster Linie sind andere Kompetenzen zu nennen, die sich angehende Sozialpädagogen schon während ihres Studiums aneignen können:

Hinsichtlich der instrumentellen Kompetenz wären dies vor allem:

- Theoretische Grundlagen des provokativen Ansatzes,
- Anwenden von provokativen Interventionen in der Praxis, bei Klienten zu denen bereits eine sehr gute, vertrauensvolle Beziehung besteht,
- Spezielle Techniken (z.B. nonverbale Gesprächstechniken, szenisches Spiegeln, Improvisationen, Paradoxe Interventionen etc.).

Hinsichtlich der reflexiven Kompetenz wären vor allem zu nennen:

- Hoch ausgebildete Verfügbarkeit über sich selber (Verbunden mit Selbsterfahrung, Rollenverständnis, eigene Fixe Ideen identifizieren etc.),
- Abgleichen der eigenen Haltung mit der provokativen Haltung,
- Auf die Reaktionen des Klienten achten und selbstreflexiv interpretieren (Übertragung - Gegenübertragung).

Hinsichtlich der Sozialen Kompetenz wären dies:

- Akzeptanz, Empathie, emotionale Wärme und Hingabe,
- Kongruenz und Ehrlichkeit,
- Humor.

Der provokative Ansatz, so denke ich, wird sich in den nächsten Jahren mehr und mehr in der Sozialen Arbeit durchsetzen; und das zu Recht. Wie ich mit meiner Arbeit aufgezeigt habe, sind seine Verfahren, Techniken und Elemente zunächst noch fremdartig und ungewohnt, können aber bei sinnvollem Einsatz äußerst wirkungsvoll sein. Gerade in der Beziehungsarbeit bedarf außer des Gebots des methodischen Eklektizismus neuer Strategien. Der provokative Ansatz in der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit gibt ein Antwort auf die offene Frage nach einer methodischer Beziehungsarbeit. Damit soll kein Allheilmittel für die schwierige Situation der Beziehungsgestaltung in der Sozialen Arbeit „erfunden“ worden sein, sondern ein Ansatz vorgestellt werden, der Perspektiven und Möglichkeiten öffnet. Bestehende Tabuisierungen und dogmatische Leitlinien der „helfenden Profession“ können auf diesem Wege abgebaut werden und die Sozialpädagogik sich vom provokativen Ansatz bereichern lassen.

6. LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

FACHBÜCHER:

- AUHAGEN, Ann Elisabeth / SALISCH, Maria von (Hrsg.).: Zwischenmenschliche Beziehungen. Göttingen et al. 1993.
- BERNE, Eric.: Spiele der Erwachsenen: Psychologie der menschlichen Beziehungen. Reinbek bei Hamburg 2002. (Erstveröffentl. 1964).
- CHASSÉ, Karl August / WENSIERSKI, Hans-Jürgen von (Hrsg.).: Praxisfelder der Sozialen Arbeit: Eine Einführung. Weinheim, München 1999.
- DEUTSCHER VEREIN FÜR ÖFFENTLICHE UND PRIVATE FÜRSORGE (Hrsg.).: Fachlexikon der sozialen Arbeit. Frankfurt am Main 2002. (Erstveröffentl. 1980).
- ERIKSON, Eric H..: Identität und Lebenszyklus: drei Aufsätze. Frankfurt am Main 1997. (Erstveröffentl. 1959).
- ERLER, Michael.: Soziale Arbeit: Ein Lehr- und Arbeitsbuch zu Geschichte, Aufgaben und Theorie. Weinheim, München 2004.
- FARRELLY, Frank / BRANDSMA, Jeffrey M.: Provokative Therapie. Berlin, Heidelberg, New York 1986. (Erstveröffentl. 1974).
- GALUSKE, Michael.: Methoden der Sozialen Arbeit: Eine Einführung. Weinheim, München 2005.
- GEISSLER, Karlheinz A. / HEGE, Marianne.: Konzepte sozialpädagogischen Handelns: Ein Leitfaden für soziale Berufe. Weinheim, Basel 1992.
- GIESECKE, Hermann.: Die pädagogische Beziehung: Pädagogische Professionalität und die Emanzipation des Kindes. Weinheim, München 1999.
- HAIN, Peter.: Das Geheimnis therapeutischer Wirkung. Heidelberg 2001.
- HÖFNER, Eleonore / SCHACHTNER, Hans-Ulrich.: Das wäre doch gelacht!: Humor und Provokation in der Therapie. Reinbek bei Hamburg 2004.
- HOMPESCH-CORNETZ, Ingeborg / HOMPESCH, Raimund.: Sozialpädagogik und Therapie. In: Eyferth, H. / Otto, H.-U. / Thiersch, H. (Hrsg.).: Handbuch zur Sozialarbeit/Sozialpädagogik. Neuwied, Darmstadt 1984.
- HUNDSALZ, Andreas.: Die Erziehungsberatung: Grundlagen, Organisation, Konzepte und Methoden. Weinheim, München 1995.
- KEGAN, Robert.: Die Entwicklungsstufen des Selbst: Fortschritte und Krisen im menschlichen Leben. München 1994.
- LOTZ, Walter.: Sozialpädagogisches Hndeln: Eine Grundlegung sozialer Beziehungsarbeit mit Themenzentrierter Interaktion. Mainz 2003.
- MATZDORF, Paul / COHN, Ruth C.: Das Konzept der Themenzentrierten Interaktion. In: Löhmer, Cornelia / Standhardt, Rüdiger (Hrsg.).: TZI: Pädagogisch-therapeutische Gruppenarbeit nach Ruth C. Cohn. Stuttgart 1992.
- MEAD, George H.: Geist, Identität und Gesellschaft aus der Sicht des Sozialbehaviorismus. Frankfurt am Main 1973. (Erstveröffentl. 1934).
- NESTMANN, Frank / ENGEL, Frank / SICKENDIEK, Ursel (Hrsg.).: Das Handbuch der Beratung Bd. 1: Disziplinen und Zugänge. Tübingen 2004.
- NESTMANN, Frank.: Beratung und Beraterqualifikation. In: Müller, Siegfried et al. (Hrsg.).: Handlungskompetenz in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik 1: Interventionsmuster und Praxisanalysen. Bielefeld 1982.
- PANTUCEK, Peter.: Lebensweltorientierte Individualhilfe: Eine Einführung für soziale Berufe. Freiburg im Breisgau 1998.
- PARSONS, Talcott.: Sozialstruktur und Persönlichkeit. Frankfurt am Main 1968.
- SCHULZ VON THUN, Friedemann.: Miteinander Reden 1: Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek bei Hamburg 2002.
- SICKENDIEK, Ursel / ENGEL, Frank / NESTMANN, Frank.: Beratung: Eine Einführung in sozialpädagogische und psychosoziale Beratungsansätze. Weinheim, München 2002.
- ST. THERESIENHAUS (Hrsg.).: Beziehungsarbeit in der Jugendhilfe: Gestaltungsformen und Rahmenbedingungen. Worpswede 2001.
- STÄHLI, Urs.: Politische Theorie der Hegemonie. In: Brodocz, André, / Schaal, Gary S. (Hrsg.).: Politische Theorien der Gegenwart Teil 2. Opladen 2001.
- THIERSCH, Hans.: Kritik und Handeln: Interaktionistische Aspekte der Sozialpädagogik. Neuwied, Darmstadt 1977.
- TILLMANN, Klaus-Jürgen.: Sozialisationstheorien: Eine Einführung in den Zusammenhang von Gesellschaft, Institution und Subjektwerdung. Reinbek bei Hamburg 2001.
- WARTENWEILER, Frank.: Provozieren erwünscht ... aber bitte mit Feingefühl: Instrumente der „Provocative Therapy“ in der Arbeit mit Eltern und Kindern. Paderborn 2003.
- WATZLAWICK, Paul.: Anleitung zum Unglücklichsein. München, Zürich 2003.
- WATZLAWICK, Paul / BEAVIN, Janet H. / JACKSON, Don D..: Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. Bern, Stuttgart, Wien 1972. (Dt. Erstveröffentl. 1969).
- WIPPICH, Jürgen / DERRA-WIPPICH, Ingrid.: Lachen Lernen: Einführung in die Provokative Therapie Frank Farrellys. Paderborn 1996.

SEMINARUNTERLAGEN:

- DEUTSCHES INSTITUT FÜR PROVOKATIVE THERAPIE (D.I.P.).: 10 Elemente der Provokativen Therapie. Unterlagen zum „Basisworkshop in PT mit Frank Farrelly“ des D.I.P. München vom 05.11.2004.
- DEUTSCHES INSTITUT FÜR PROVOKATIVE THERAPIE (D.I.P.).: Der Provokative Stil. Unterlagen zum „Basisworkshop in PT mit Frank Farrelly“ des D.I.P. München vom 05.11.2004.
- HESS, Rainer.: Kompetenz in der Psychosozialen Arbeit. Seminarunterlagen zur Veranstaltung: Psychosoziale Arbeit der FH Frankfurt am Main vom SS 2003.
- HESS, Rainer.: Zum Sinn des Lasterkataloges. Seminarunterlagen zur Veranstaltung: Theorie der Kommunikation und Beratung der FH Frankfurt am Main vom WS 2001.
ZEITSCHRIFTEN UND ARTIKEL:
- LUDWIG, Arnold M. / FARRELLY, Frank.: Der Kodex der Chronizität. In: Gestaltkritik. Zeitschrift für Gestalttherapie. Köln 1995, H. 2. (Erstveröffentl. 1966).
- LUDWIG, Arnold M. / FARRELLY, Frank.: Die Waffen des Wahnsinns. In: Gestaltkritik. Zeitschrift für Gestalttherapie. Köln 1994, H. 1. (Erstveröffentl. 1967).
- THIERSCH, Hans.: Zum Verhältnis von Sozialarbeit und Therapie. In: Neue Praxis. Zeitschrift für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sozialpolitik. Neuwied 1978, S. 6-24.

VIDEO:

- Aufzeichnung des Internationalen Symposiums „Systemisch- lösungsorientierte Kurztherapie bei Abhängigkeitserkrankung, Psychosomatik und Doppeldiagnose“ vom 23.10. - 25.10.1997.: Einführung in die Provokative Therapie (PT): Bd. 1 und 2. Vortrag und Module: mit Eleonore Höfner und Frank Farrelly. Video- und Audio- Seminarprogramm von Heribert Döring-Meijer, Karlsruhe 1997.

INTERNET:

- http://de.wikipedia.org : Die freie online Enzyklopädie.

- http://www.dbsh.de : Website des Deutschen Berufsverbands für Soziale Arbeit e.V. (DBSH).

- http://www.provokativ.com : Website des Deutschen Instituts für Provokative Therapie (D.I.P.).

- http://www.provocativetherapy.com : Offizielle internationale Website zur Provokative Therapy.

[...]


* Aus Gründen der Leserlichkeit werde ich stets nur eine Geschlechtsform gebrauchen. Eine Wertung ist damit nicht verbunden.

1 Vgl. Hain 2001, S.61

2 Vgl. Farrelly/Brandsma 1986, S.12

3 Farrelly/Brandsma 1986, S.27

4 Höfner/Schachtner 2004, S.27

5 Wartenweiler 2003, S. 13

* lat.: nicht zu ersetzende Vorraussetzung

6 Farrelly/Brandsma 1986, S.46ff.

7 Vgl. Farrelly/Brandsma 1986, S.68

8 Ebd., S.68

9 Ebd., S.69

10 Farrelly/Brandsma 1986, S.73

11 Vgl. Höfner/Schachtner, S.27,28

12 Vgl. Farrelly/Brandsma 1986

13 Vgl. Watzlawick et al. 1972, S.194

14 Vgl. Höfner/Schachtner 2004, S.30

15 Farrelly/Brandsma 1986, S.74

16 Vgl. Höfner/Schachtner 2004, S.61

* Gesamtheit der Sinnesorgane, Bewusstsein

17 Vgl. ebd., S.64

18 Vgl. Watzlawick et al. 1972, S.61

19 Vgl. Höfner/Schachtner 2004, S.71

20 Bildliche Darstellung stammt von Höfner/Schachtner 2004, S.93

21 Höfner/Schachtner 2004, S.80

22 Begriff stammt von Höfner/Schachtner 2004, S.76

23 Ebd., S.74

24 Höfner/Schachtner 2004, S.77

25 D.I.P. Seminarunterlagen vom 05.11.2004

26 Vgl. Höfner/Schachtner 2004, S.93

27 Ebd., S.96

* Ähnliches beschreibt auch Paul Watzlawick (Watzlawick 2003, S.27), der im anschaulichen Beispiel des „Verlorenen Schlüssels“ darstellt, wie Menschen erfolglos die selben Lösungsstrategien wieder und wieder anwenden und damit ihr Leiden vergrößern.

28 D.I.P. Seminarunterlagen vom 05.11.2004

29 Erler 2004, S.12

30 Vgl. ebd., S.13

31 Vgl. ebd., S.15

32 Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2002, S.844

33 Vgl. SGB VIII (KJHG)

34 Erler 2004, S.17

35 Vgl. Erler 2004, S.16

36 Vgl. Galuske 2005, S.24

37 Schilling, 1993 zit. in Galuske 2005, S.24

38 Vgl. Galuske 2005, S.25

39 Vgl. Geißler/Hege 1992, S.22

40 Galuske 2005, S.27

41 Ebd., S.29

42 Vgl. Galuske 2005, S.30

43 Galuske 2005, S.55

44 Greese 1992, zit. in Galuske 2005, S.55

45 Sickendiek/Engel/Nestmann 2002, S.13

46 Vgl. Thiersch 1977, S.101ff

47 Thiersch 1977, S.104

48 Vgl. Belardi, Nando in Chassé/Wensierski 1999, S.321

49 Belardi, Nando in Chassé/Wensierski 1999, S.321

50 Vgl. Galuske 2005, S.173,174

51 Galuske 2005, S.177

52 Vgl. Thiersch 1977, S.124ff

53 Vgl. Hompesch-Cornetz/Hompesch 1984, S.1033

54 Galuske 2005, S.137

55 Ebd., S.142

56 Vgl. Galuske 2005, S.142

57 Ebd., S.187

58 Vgl. Nestmann 1982, S.41

59 Stähli 2001, S.201

60 Beziehung - Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Beziehung, 06.05.2005, 16:33

61 Watzlawick et al. 1972, S.53

62 Watzlawick et al. 1972, S.53

* Vgl. Untersuchungen zu „Wolfskindern“ und den Fall des Victor von Aveyron

63 Spitz 1945, zit. in Berne 2002, S.15

64 Vgl. Berne 2002, S.15

65 Gaska/Frey in Auhagen/Salisch 1993, S.279

66 Vgl. Mead 1973, S.177ff

67 Vgl. Tillmann 2001, S.137

68 Vgl. Tillmann 2001, S.139; Mead 1973, S.205ff

69 Vgl. Mead 1973, S.216ff

70 Tillmann 2001, S.139

71 Vgl. Weber 1922, zit. in Auhagen/Salisch 1993, S.281

72 Schulz von Thun 2002, S.179

73 Vgl. ebd., S. 179,180

74 Vgl. Schulz von Thun 2002, S.181

75 Ethische Grundlagen der Sozialen Arbeit - Prinzipien und Standards vom 08.07.1994, http://www.dbsh.de/BerufsethischePrinzipeien.pdf, 17.05.2005, 18:10

76 Berufsethische Prinzipien des DBSH vom 23.11.1997, http://www.dbsh.de/BerufsethischePrinzipien.pdf, 17.05.2005, 18:13

77 Vgl. Hess, Seminarunterlagen vom SS 2003

78 Vgl. ebd.

79 Vgl. Geißler/Hege 1992, S.227ff

80 Geißler/Hege 1992, S.229

81 Vgl. Hess, Seminarunterlagen vom WS 2001

82 Begriff stammt von Geißler/Hege 1992, S.229

83 Begriff stammt von Hess, Seminarunterlagen vom SS 2003

84 Geißler/Hege 1992, S.230

85 Habermas 1968, zit. in Geißler/Hege 1992, S.232

86 Geißler/Hege 1992, S.235

* Vgl. Kapitel 3, Beziehungsarbeit

87 Vgl. Galuske 2005, S.133

88 Vgl. Galuske 2005, S.134

89 Thiersch 1978, S.8

90 Sieckendiek/Engel/Nestmann 2002, S.119

91 Vgl. Matzdorf/Cohn 1992, S.69

92 Vgl. Nestmann in Müller et al 1982, S.41

93 Vgl. Galuske 2005, S.47

94 Vgl. Galuske 2005, S.48

95 Geißler/Hege 1992, S.33

96 Vgl. ebd., S.37

* Vgl. Kapitel 3, Die Strukturierung der Beziehung zwischen Sozialpädagoge und Klient

97 Vgl. Geißler/Hege 1992, S.38

* Auf den gesamtgesellschaftlichen bzw. wohlfahrtstaatlichen Auftrag, der dem institutionellen Auftrag den Rahmen verleiht, wird hier aus Gründen der Relevanz für die Entwicklung eines methodischen Ansatzes in der Beziehungsarbeit nicht eingegangen.

98 Vgl. Lotz 2003, S.30

99 Vgl. Lotz 2003, S.45

100 Höfner/Schachtner 2004, S.62

* Vgl. Kapitel 1, Der Gute Draht

101 Vgl. Wartenweiler 2003, S.125

102 Vgl. Galuske 2005, S.83

103 Vgl. Höfner/Schachtner 2004, S.42ff

* Vgl. Kapitel 1, Die Führung und der Längere Hebel

104 Begriff stammt von Menne in Chassé/von Wensierski 1999, S.131

105 Höfner/Schachtner 2004, S.113

106 Vgl. Hundsalz 1995, S.229

107 Vgl. Hundsalz 1995, S. 15

108 Vgl. § 28 Satz 1 SGB VIII (KJHG)

109 Vgl. Menne in Chassé/von Wensierski 1999, S.133

110 Vgl. § 28 Satz 2 SGB VIII (KJHG)

111 Vgl. Hundsalz 1995, S.16ff

112 Menne 1994, zit. in Hundsalz 1995, S.16

113 Vgl. Hundsalz 1995, S.163

* In dem Maße, in dem sich die Erziehungsberatung im Kontext anderer erzieherischer Hilfen verortet, besteht teilweise keine Freiwilligkeit (vgl. § 52 Abs. 1 FGG, § 613 Abs. 1 ZPO).

114 Vgl. Menne in Chassé/von Wensierski 1999, S.131

115 Vgl. § 28 Satz 1 SGB VIII (KJHG)

116 Vgl. Hundsalz 1995, S.165

117 Bundeskonferenz für Erziehungsberatung 1994, zit. in Hundsalz 1995, S.165

118 Vgl. Hundsalz 1995, S.168

119 Wartenweiler 2003, S.126

120 Ebd., S.59

121 Vgl. Wartenweiler 2003, S.51ff

122 Vgl. ebd., S.127

123 Vgl. Wartenweiler 2003, S.127

124 Wartenweiler 2003, S.135

125 Vgl. ebd., S.136

126 Vgl. ebd., S.136,137

* Der Berater wird in diesem Beispiel als Therapeut bezeichnet weil der hier beratende Frank Wartenweiler eine psychotherapeutische Ausbildung besitzt.

127 Wartenweiler 2003, S.139,140

Ende der Leseprobe aus 109 Seiten

Details

Titel
Der provokative Ansatz in der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit
Hochschule
Frankfurt University of Applied Sciences, ehem. Fachhochschule Frankfurt am Main  (Fachbereich 4 : Soziale Arbeit und Gesundheit)
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
109
Katalognummer
V119808
ISBN (eBook)
9783640233069
ISBN (Buch)
9783640800582
Dateigröße
859 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ansatz, provokativ, Farrelly, Therapie, provokative Therapie, Beziehungsarbeit, sozialpädagogisch, Soziale Arbeit, Humor, Erziehungsberatung, Sozialpädagogik, psychosoziale Arbeit, aktivierender Ansatz
Arbeit zitieren
Dipl.-Soz.Päd. Mathias Berg (Autor:in), 2005, Der provokative Ansatz in der sozialpädagogischen Beziehungsarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119808

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