Robert Menasses Roman „Selige Zeiten, brüchige Welt“, 1994 auf dem Buchmarkt erschienen, ist der zweite Teil seiner Romantrilogie „Trilogie der Entgeisterung“. Wie auch in den anderen Teilen der Romanabfolge (Erster Teil: „Sinnliche Gewissheit“ (1988); Dritter Teil: „Schubumkehr“ (1995) und als Nach-Schrift die Geschichte des verschwindenden Wissens, die "Phänomenologie der Entgeisterung" (1995)) wird die Philosophie Friedrich Hegels auf den Kopf gestellt. Sie wird am explizitesten von Menasses Hauptfigur Leo Singer umgedreht und weitergedacht. Dessen Lebens-Ziel ist es, die Philosophie ganz zu Ende zu denken. Doch er scheitert menschlich an seinem Vorhaben – denn im Laufe seiner Entwicklung regrediert er bis ins Stadium des Kindseins zurück, anstatt zum Absoluten Wissen zu gelangen. Seiner Lebensmaxime: „Das Leben ist nichts – das Werk ist alles, das Leben ist lauter Zufall und das Werk ist die Notwendigkeit selbst“1, bleibt er jedoch treu, so treu, dass sein Leben erstarrt und unter seinem Anspruch so gut wie begraben wird. Er produziert Gefühle und Zustände, um arbeiten zu können – er konstruiert seine Identität, um überleben zu können. Doch er scheitert – bleibt erfolglos im Sinne geistiger Reife, trotz materiellem Erfolg. Im Verlauf der folgenden Kapitel wird dieses, wie hier scheinbar auch paradox anmutende Phänomen des Scheiterns untersucht. Vorweg jedoch liegt der Fokus auf dem Schriftsteller Robert Menasse. Die für diese Arbeit wichtigsten Stationen seines Lebens werden kurz aufgezeigt und mit Hilfe von ausgewählten Interviews belegt. Im Anschluss daran wird seine Trilogie näher betrachtet, um den zu untersuchenden Roman einordnen zu können. In Folge dieser Einordnung geht es um die Gattungsmerkmale des „Rückentwicklungsroman“, der dem Entwicklungsroman beziehungsweise dem Bildungsroman angelehnt ist. Mit Hilfe von Definitionsansätzen soll der Gattungs-Begriff verständlich gemacht werden und das Scheitern des Romanhelden am Beispiel von Robert Menasses Buch nachvollziehbar machen. Die Gründe des Autors für die Umkehrung einer Romangattung werden als Abschluss der Erläuterungen geliefert. Aufgrund der vielen Hegel-Bezüge im Verlauf der Geschichte folgt ein Exkurs über seine Philosophie. Dabei wird aufgezeigt, wie der Romancier Worte des Philosophen montiert und ironisiert. Der Hauptteil der Arbeit befasst sich mit den verschiedenen Etappen des Scheiterns der Figur Leo Singer.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Quellen des schriftstellerischen Motivs
- Vom Sohn eines Fußballprofis zum Schriftsteller
- Trilogie der Entgeisterung
- Kurzer Überblick & Einordnung
- „Selige Zeiten, brüchige Welt“ – Ein umgekehrter Entwicklungsroman
- Zum Begriff „Rückentwicklungsroman“
- Menasses Intention einen umgekehrten Entwicklungsroman zu schreiben
- Exkurs
- Das Gestaltungsprinzip „Hegel“
- Hegelianische Einflüsse und der Bezug zum Roman
- Leo Singers Leben – Ein Rückschritt in Etappen
- Einführung mit kurzer Begriffserläuterung des Verbs „Scheitern“
- Leos Verlorenes Paradies
- Exkurs: Quellen von Leos Identität: Vater, Mutter und Onkel Zé
- Leos Bekanntschaft mit Judith
- Exkurs: Leo Singers Essays und ihre Verbindung zu Georg Lukács
- Ein Umschwung setzt ein - Die Italienreise
- Die Rückkehr nach Brasilien
- Leos zündende Idee
- Die Beziehung zu Judith scheitert
- Leo erhält eine Bar-Professur
- Visualisierte Rückentwicklung
- Einführung und Erläuterungen zum Diagramm
- Das Diagramm: Etappen des Scheiterns
- Legende
- Die Bilanz
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Robert Menasses Roman „Selige Zeiten, brüchige Welt“ im Kontext seiner Trilogie „Trilogie der Entgeisterung“. Der Fokus liegt auf dem Konzept des „Rückentwicklungsromans“ und der Darstellung des Scheiterns der Hauptfigur Leo Singer. Analysiert werden die literarischen Mittel, die Menasse einsetzt, um diese Thematik darzustellen, sowie der Einfluss von Hegels Philosophie auf den Roman.
- Das Konzept des „Rückentwicklungsromans“ als Umkehrung des Bildungsromans
- Die Darstellung des Scheiterns der Hauptfigur Leo Singer
- Der Einfluss von Hegels Philosophie auf den Roman
- Die biographischen Einflüsse auf Menasses Werk
- Literarische Analyse der verwendeten Stilmittel
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt den Roman in den Kontext von Menasses Trilogie. Kapitel 2 beleuchtet Menasses Biografie und ihre Relevanz für sein Werk. Kapitel 3 bietet einen Überblick über die Trilogie. Kapitel 4 definiert den Begriff „Rückentwicklungsroman“ und erklärt Menasses Intention, diese Form zu verwenden. Ein Exkurs über Hegel und dessen Einfluss folgt in Kapitel 5. Kapitel 6 analysiert die einzelnen Etappen des Scheiterns von Leo Singer, der Hauptfigur. Kapitel 7 visualisiert die Ergebnisse der Analyse in einem Diagramm.
Schlüsselwörter
Robert Menasse, Selige Zeiten, brüchige Welt, Trilogie der Entgeisterung, Rückentwicklungsroman, Bildungsroman, Scheitern, Hegel, Leo Singer, Biografie, literarische Analyse.
- Arbeit zitieren
- Linda Werner (Autor:in), 2008, Zu Robert Menasse: "Selige Zeiten, brüchige Welt", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119925