Hartmanns Anliegen im Bereich der Ethik war es vor allem, auf die Herausforderungen des Relativismus zu antworten, der im besonderen durch die Theorien von Charles Darwin, Herbert Spencer und Friedrich Nietzsche und der Erklärung moralischer Haltungen aus natürlichen und sozialen Bedingungen starken Aufwind erhalten hatte. Er begegnet dieser Strömung in Anlehnung an Scheler mit einer materialen Wertethik: gemäß dieser haben auch Werte eine Art Sein, und sie können erschaut oder auch erfühlt werden. „Die Wertschau ist eine besondere Art der Idealerkenntnis (der Wesensschau), im Unterschied zu dieser aber kein rein theoretischer, sondern ein emotionaler Akt, der allerdings auch einen Erkenntnisgehalt hat: um wertend Stellung nehmen zu können, muss man dasjenige kennen, zu dem man Stellung nimmt, und man muss wissen, warum die Stellungnahme erfolgt.“ Dabei wird vor allem die emotionale Komponente betont, weil sie erst die Werte als Forderungen erfahren lässt, während rein theoretische Einblicke niemals einen Gebotscharakter haben.
Eines der zentralen Probleme, welche Hartmann in seiner Ethik behandelt, ist das Freiheitsproblem: wenn die Werte dem Menschen ein absolutes Sollen, gewissermaßen absoluten Gehorsam und Werterfüllung abverlangen, wie kann er da noch weiterhin als frei gelten? Die Frage führt dazu weiter, wie Freiheit denn überhaupt möglich sein kann, „wenn eine durchgängige seins- und sollensgesetzliche Determination besteht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Das „Sollen“ in Sprache, Recht und Philosophie
- II. Das Verhältnis von Wert und Sollen
- 1. Die verschiedenen Arten des Seinsollens
- 2. Die reale Welt im Spannungsverhältnis zwischen Sein und Sollen
- III. Die Rolle des autonomen Subjekts
- 1. Das Subjekt als Angelpunkt des Sollens im realen Sein
- 2. Das Prinzip der Freiheit und die Personwerdung des Subjekts
- IV. Der Finalnexus
- 1. Primäre und sekundäre Determination
- 2. Das Verhältnis von Kausal- und Finalnexus
- 3. „Die Ethik gibt dem Menschen wieder, was er Gott beigelegt hat“
- V. Vom Teleologismus zur sittlichen Vernichtung des Menschen
- 1. Das Elend des Teleologismus
- 2. Die Inversion des kategorialen Grundgesetzes
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Wesen des „Sollens“ in Nicolai Hartmanns Ethik und versucht, dieses Konzept präzise zu definieren. Sie beleuchtet Hartmanns Antwort auf den Relativismus und die damit verbundene materiale Wertethik. Ein zentraler Fokus liegt auf dem Spannungsverhältnis zwischen dem absoluten Sollen der Werte und der menschlichen Freiheit.
- Das „Sollen“ in Sprache, Recht und Philosophie
- Das Verhältnis von Wert und Sollen in Hartmanns Ethik
- Die Rolle des autonomen Subjekts und des Freiheitsproblems
- Der Finalnexus und seine Bedeutung für Hartmanns Ethik
- Die Kritik am Teleologismus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Nicolai Hartmann und seine ethischen Schriften vor, die als Antwort auf den Relativismus verstanden werden können. Kapitel I beleuchtet den Begriff des „Sollen“ in seiner sprachlichen, rechtlichen und philosophischen Dimension, basierend auf Berlets Ausführungen. Kapitel II befasst sich mit dem Verhältnis von Wert und Sollen, verschiedenen Arten des Seinsollens und dem Spannungsverhältnis zwischen Sein und Sollen in der realen Welt. Kapitel III konzentriert sich auf die Rolle des autonomen Subjekts als Angelpunkt des Sollens und das Prinzip der Freiheit. Kapitel IV erörtert den Finalnexus, primäre und sekundäre Determination sowie das Verhältnis von Kausal- und Finalnexus.
Schlüsselwörter
Nicolai Hartmann, materiale Wertethik, Sollen, Sein, Freiheit, Relativismus, Finalnexus, Autonomes Subjekt, Wert, Moralphilosophie, Teleologismus.
- Arbeit zitieren
- Mag.phil. Paul Gragl (Autor:in), 2005, Das Wesen des Sollens in Nicolai Hartmanns "Ethik", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120059