Fachkräfte Sozialer Arbeit agieren im strukturell verankerten Spannungsverhältnis des "doppelten Mandats“. Dieser zentrale Rollenkonflikt entsteht aus der Übernahme eines auf Adressierte bezogenen, stellvertretenden Mandats einerseits sowie einem öffentlich-rechtlichen Mandat sozialer Kontrolle andererseits. Diese beiden Pole, nämlich Hilfe und Kontrolle, welche die Soziale Arbeit konstituieren, existieren in einer grundlegenden und unaufhebbaren Antinomie. Deshalb muss ortsbezogene und somit auch Aufsuchende Soziale Arbeit sich immer wieder erneut reflektieren und positionieren.
Eine sich seit den 1900er-Jahren neoliberalisierende Stadtentwicklung zieht Konflikte um öffentliche Räume nach sich, weshalb Kontrolle zunehmend als notwendig erachtet wird. Demnach scheint soziale Kontrolle für ein friedliches demokratisches Miteinander, sowie Kriminalitäts-/Gewaltprävention und demzufolge für die Verteidigung einer öffentlichen Ordnung eine zentrale Rolle zu spielen. Jedoch verschiebt sich die "Waage von Hilfe und Kontrolle‘" ebenfalls in der Sozialen Arbeit deutlich zur Seite der Kontrolle, gleichwohl Hilfe als zentrale und grundlegende Handlungskategorie angeführt wird. Somit hat der bewusste, politisch gewünschte und tolerierte Ausschluss problematisierter Personengruppen in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Daraus ergibt sich für Fachkräfte eine schwierige Auseinandersetzung mit den eigenen beruflichen Erwartungshorizonten, was eine beständige innere Reflektion der fachlichen Selbstansprüche sowie der berufsbezogenen Gütekriterien erfordert.
Hieraus kann die Forderung nach einer kritisch-reflexiven Fachlichkeit abgeleitet werden. Diesen Gedanken fortführend ergibt sich folgende Fragestellung: Welche Effekte kann eine kritisch-reflexive Fachlichkeit auf eine Praxis Aufsuchender Sozialer Arbeit haben, die sich in Verdrängungsprozessen von Problematisierten aus öffentlichen Räumen vollzieht?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Rahmenbedingungen
- Neoliberalisierung
- Unternehmerische Stadt
- Ordnungs- und Sicherheitspolitik
- Gesellschaftlicher Diskurs
- Forschungsstand
- Aufsuchende Soziale Arbeit
- Öffentliche Räume
- Problematisierte
- Verdrängung aus öffentlichen Räumen
- Kritisch-reflexive Fachlichkeit
- Rollen-Reflexivität
- Rollen-reflexive Legitimationsarbeit
- Programmbezug
- Subjektorientierung
- Normative Positionierung
- Politik-Reflexivität
- Politische Legitimationsarbeit
- Politische Positionierung
- Macht-Reflexivität
- Systematische Kontextualisierung
- Diskursbezug
- Raum-Reflexivität
- Zweifach analytisch-systematische Differenzierung sozialer Räume
- Regulierungs-/Interventionsbezug
- KlientInnenzentrierte Ortsgestaltung
- Rollen-Reflexivität
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der kritisch-reflexiven Fachlichkeit in der Aufsuchenden Sozialen Arbeit im Kontext der Verdrängung problematisierter Personengruppen aus öffentlichen Räumen. Sie untersucht die Effekte, die eine kritisch-reflexive Fachlichkeit auf die Praxis Aufsuchender Sozialer Arbeit haben kann.
- Neoliberalisierung und ihre Auswirkungen auf die Stadtentwicklung
- Die Rolle der öffentlichen Räume im Kontext von Ordnungs- und Sicherheitspolitik
- Die Herausforderungen der Verdrängung problematisierter Personengruppen aus öffentlichen Räumen
- Die Bedeutung einer kritisch-reflexiven Fachlichkeit für die Soziale Arbeit
- Die Relevanz von Rollen-, Politik-, Macht- und Raumreflexivität in der Praxis Aufsuchender Sozialer Arbeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Aufsuchenden Sozialen Arbeit und ihren zentralen Rollenkonflikt zwischen Hilfe und Kontrolle ein. Sie beleuchtet die neoliberalisierende Stadtentwicklung und die daraus resultierende Notwendigkeit von sozialer Kontrolle. Des Weiteren wird der zunehmende Ausschluss problematisierter Personengruppen aus öffentlichen Räumen und die daraus resultierenden Herausforderungen für Fachkräfte beleuchtet.
Das Kapitel „Rahmenbedingungen“ behandelt die neoliberalisierende Stadtentwicklung, die Entwicklung der unternehmerischen Stadt, die Umsetzung von Ordnungs- und Sicherheitspolitik und den gesellschaftlichen Diskurs, der diese Prozesse legitimiert.
Das Kapitel „Forschungsstand“ definiert zentrale Begriffe wie Aufsuchende Soziale Arbeit, öffentliche Räume, Problematisierte und Verdrängung aus öffentlichen Räumen und beleuchtet den aktuellen Forschungsstand zu diesen Themen.
Das Kapitel „Kritisch-reflexive Fachlichkeit“ untersucht die Möglichkeiten einer kritisch-reflexiven Fachlichkeit in der Praxis Aufsuchender Sozialer Arbeit. Es werden vier Reflexionsfiguren vorgestellt: Rollen-Reflexivität, Politik-Reflexivität, Macht-Reflexivität und Raum-Reflexivität.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter und Themenschwerpunkte dieser Arbeit sind: Aufsuchende Soziale Arbeit, öffentliche Räume, Verdrängung, Problematisierte, kritisch-reflexive Fachlichkeit, Rollen-Reflexivität, Politik-Reflexivität, Macht-Reflexivität, Raum-Reflexivität, Neoliberalisierung, Unternehmerische Stadt, Ordnungspolitik, Sicherheitspolitik, gesellschaftlicher Diskurs.
- Quote paper
- Niklas Pöhnert (Author), 2021, Aufsuchende Soziale Arbeit und die Verdrängung von Problematisierten aus öffentlichen Räumen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1201799