Privatisierung - Warum führen einige Länder Privatisierungen durch und andere Länder nicht?

Eine vergleichende Analyse am Beispiel der Privatisierung des Wassersektors in Bolivien und in Uruguay


Seminararbeit, 2008

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition: Privatisierung

3. Erklärungsmodelle
3.1. Verlangsamtes Wachstum und Finanzkrise
3.2. Parteien-Differenz Hypothese

4. Fallbeispiele
4.1. Bolivien
4.1.1. Die Wasserversorgung in Bolivien
4.1.2. Theoretische Überprüfung
4.2. Uruguay
4.2.1. Die Wasserversorgung in Uruguay
4.2.2 Theoretische Überprüfung
4.3.Kritische Diskussion der Ergebnisse

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Privatisierung ist eine der umstrittensten Wirtschaftsmaßnahmen der heutigen Zeit.

Die mit ihr verbundenen Chancen, aber auch Risiken wurden und werden stets kontrovers diskutiert. Befürworter von Privatisierungen betonen stets die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme, um die Qualität der Dienstleistungen zu verbessern, ein größeres Angebot zu schaffen und um einen freien Markt zu etablieren. Privatisierungskritiker wiederum argumentieren, dass Privatisierungen keineswegs Verbesserungen, sondern Preissteigerungen, steigende Arbeitslosenzahlen und Qualitätsverluste nach sich ziehen (vgl. Tittor 2005: 40). Beide Positionen haben ihre Berechtigung, da Privatisierungen ein zweischneidiges Vorhaben sind, welches positive aber auch negative Ergebnisse erzeugen kann. Dieser Ambivalenz entspringt auch das Forschungsinteresse dieser Analyse, welche nach den Gründen für oder gegen eine Privatisierung fragt. Warum werden in manchen Ländern Privatisierungen durchgeführt und in anderen keine? Welche politischen, wirtschaftlichen und institutionellen Faktoren spielen bei der Entscheidung für oder gegen eine Privatisierung eine Rolle?

Es gibt eine Reihe von Erklärungsmodellen in der Politikwissenschaft und in der Wirtschaftswissenschaft, die versuchen diese Fragen zu beantworten.

In dieser Arbeit werden einige der bekanntesten Erklärungsansätze zur Analyse herangezogen, zum Beispiel der ökonomische Ansatz, der Privatisierungen auf finanzielle Abwägungen zurückführt.

Da aber nicht nur wachsende wirtschaftliche Schwierigkeiten zur Privatisierung staatlichen Eigentums führen, sondern auch parteipolitische Präferenzen und Strategien (vgl. Boix 1997: 476), wird auch ein ´politischer´ Erklärungsansatz Anwendung finden.

Nachdem wichtige Begriffe definiert wurden und der theoretische Bezugsrahmen geschlossen wurde, wird dann die Erklärungskraft der vorgestellten Ansätze anhand zweier Fallbeispiele vergleichend analysiert. Zum einen wird die Privatisierung der Wasserversorgung in Bolivien und zum anderen die Beibehaltung der öffentlichen Wasserversorgung in Uruguay untersucht. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse diskutiert und in Form eines Fazits zusammengefasst. Anzumerken ist noch, dass die Privatisierung der Wasserversorgung von besonderer Brisanz ist, da Wasser eine natürliche Ressource ist, die für das Leben der Menschen eine wesentliche Rolle spielt und oft als „good of commons“ angesehen wird (vgl. Spronk/Weber 2007 : 43). Zusätzlich zu der allgemeinen Privatisierungsdebatte, treten daher auch normative Bedenken auf, Wasser wie eine Ware zu behandeln und die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser den Kräften von Angebot und Nachfrage zu überlassen (vgl. Barlow/Clarke 2003: 110f.). Im Rahmen dieser Arbeit soll die moralische Instanz der Privatisierung von Wasser aber nicht thematisiert werden. Allerdings ist es dienlich sich ihrer bewusst zu sein, um die Geschehnisse in Bolivien und Uruguay verstehen und deuten zu können.

2. Definition: Privatisierung

Der Begriff der Privatisierung wird in vielen verschiedenen Variationen gebraucht, weshalb eine Definition des Begriffes unabdingbar ist.

Im allgemeinen Sinne wird Privatisierung definiert als „die Umwandlung öffentlichen Vermögens in privates Eigentum zum Beispiel durch Überführung eines staatlichen oder kommunalen Betriebes in ein privates Unternehmen“ ( Schmidt 1995: 776).

Dieser lediglich am Eigentum orientierte Begriff bedarf einer Erweiterung, da in der neueren Privatisierungsdiskussion auch eine formale Umwandlung eines Betriebes als Privatisierung bezeichnet wird.

Eine umfassendere Definition bietet die ökonomische Theorie der Verfügungsrechte. Verfügungsrechte können demnach sowohl durch Eigentumsübertragungen, als auch durch Umgestaltung der Rahmenvorschriften geändert werden (vgl. Spelthahn 1994: 9). Dementsprechend bezeichnet dann Privatisierung all jene Prozesse, die den Einflussbereich politischer Verfügungsrechte über ökonomische Güter zugunsten des Dispositionsraums privater Verfügungsrechte vermindern (vgl. Windisch 1987: 8). Diese Definition ist für die vorliegende Analyse geeignet, da sie die verschiedene Formen von Privatisierung mit einschließt. Eine dieser Formen ist die formale Privatisierung. Diese bezeichnet die Überführung eines Unternehmens in eine private Rechtsform, bei der „der Staat weiterhin einziger oder wichtigster Gesellschafter bleibt und somit nach wie vor maßgebend Einfluss auf das Unternehmen ausüben kann“ (Schmidt 1995: 776).

Im Gegensatz hierzu handelt es sich bei der materiellen Privatisierung um eine Form der Privatisierung, in „der sich tatsächlich der Staat explizit aus der Wirtschaftstätigkeit zurückzieht“ (Spelthahn 1994: 10). Eine Unterform der materiellen Privatisierung ist das Konzessionsmodell, welche eine vollständige Finanzierung und Leistungserstellung durch private Dritte, vorsieht (vgl. Rehbinder 2005: 5).

3. Erklärungsmodelle

In den Sozialwissenschaften existieren viele verschiedene Modelle, die sich mit den Möglichkeiten eines Staates, auf Prozesse ökonomischer und sozialer Transformationen einzuwirken, befassen.

Um die Privatisierung öffentlicher Aufgaben zu erklären, kann man grob zwischen drei Erklärungsansätzen unterteilen: den Akteurs-zentrierten, dem strukturellem und dem institutionellen Ansatz (vgl. Schneider/Fink/Tenbücken 2005: 713).

Akteurs-zentrierte Ansätze rücken vor allem die Präferenzen und Ressourcen politischer Akteure in den Vordergrund und gehen davon aus, dass Staaten immer noch die Möglichkeiten haben eigene politische und ökonomische Ziele zu verfolgen, auch wenn sie oft äußeren Zwängen (zum Beispiel durch Tendenzen der Globalisierung), ausgesetzt sind (vgl. Schneider/Fink/Tenbücken 2005: 713).

Im Gegensatz dazu gehen strukturelle Ansätze davon aus, dass Staaten agieren müssen, da sie einem unvermeidbaren Druck zur Anpassung ausgesetzt sind. Im Prozess der Globalisierung wird Effizienz verlangt, mobile Produktionsfaktoren (wie Kapital und Wissen) führen zu intensiven Wettbewerben um Investoren anzuziehen (vgl. Schneider/ Fink/Tenbücken 2005: 715). Um bei diesen Wettbewerb mithalten zu können, sollten Privatisierungs- und Liberalisierungsmaßnahmen durchgeführt werden um den eigenen Markt attraktiver zu gestalten und somit Investoren anzuziehen (vgl. Scharpf 1991: 233 f.).

Entsprechend dem institutionellem Ansatz verringern sich die Möglichkeiten eines Staates umfassende Reformen umzusetzen durch institutionelle Beschränkungen politischer Akteure (Regierungen, Parteien und Interessengruppen). Dementsprechend finden Privatisierungen statt, wenn die Regierung ihre Strategien, dank geringer institutioneller Begrenzungen, durchsetzen kann (vgl. Schneider/Fink/Tenbücken 2005: 713f.).

Allerdings handelt es sich bei den vorgestellten Erklärungsmodellen vornehmlich um Ansätze die zur Analyse von Privatisierungsmaßnahmen in Industrieländern angewandt werden. Bei den hier zu untersuchenden Ländern, Bolivien und Uruguay handelt es sich aber nicht um hoch entwickelte Industrieländer, sondern um Entwicklungsländer [1].

Daher soll zur theoretischen Komplettierung die Theorie der Net-Political-Benefits vorgestellt werden, welche sich explizit auf die Erklärung von Privatisierungen in Entwicklungsländern bezieht. Entsprechend dieser Theorie entscheiden sich Regierungen vieler Länder für oder gegen eine Privatisierung aufgrund einer Kosten-

Nutzen-Kalkulation. Dieses Modell entspringt eigentlich dem von Rodrik erstellten ´political cost-benefit ratio´ (PCBR) 2 und wird von Ghosh und Rondinelli nun auf die Entscheidung einer Regierung zu privatisieren übertragen. Dementsprechend ist eine Privatisierung dann umso wahrscheinlicher, wenn die von der Regierung erwarteten Gewinne (zum Beispiel durch Effizienzsteigerung) höher sind als die Kosten der Umverteilung (vgl. Ghosh/Rondinelli 2007: 1531). Diese Kosten-Nutzen-Kalkulation, wird beeinflusst durch verschiedene Faktoren, welche als makroökonomische, politische und institutionelle Variablen kategorisiert werden können (vgl. Ghosh/Rondinelli 2007: 1531).

Dem zu entnehmen ist, dass auch bei der Privatisierung in Entwicklungsländer ähnlichen Ansätze und Variablen Erklärungskraft zugeschrieben wird, da auch bei dieser Analyse der Fokus auf ökonomisch-strukturelle, politische und institutionelle Faktoren, gelegt wird. Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit können nicht alle vorgestellten Theorien und Modelle überprüft werden, weshalb ich mich auf die Überprüfung zweier Theorien beschränke.

Zunächst werde ich daher das ´Erklärungsmodell des verlangsamten Wachstums und der Fiskalpolitik in der Krise´ (ökonomischer Ansatz) erläutern und dann die ´Parteien-Differenz Hypothese´(Akteurs-zentrierter Ansatz).

3.1. Verlangsamtes Wachstum und Finanzkrise

Entsprechend dieser Theorie, welche ökonomische Faktoren in den Vordergrund rückt, werden Privatisierungen vermehrt als Reaktion auf wirtschaftliche Krisen durchgeführt (vgl. Ghosh 2004: 217). Oft verbinden politische Akteure niedrige Wachstumsraten mit strukturellen Faktoren und einem zu großen öffentlichen Sektor, weshalb sie dann zum Mittel der Privatisierung greifen ( vgl. Boix 1997: 477). Entsprechend dieser Sichtweise, privatisieren Länder vor allem in Zeiten stagnierender Wirtschaft und sinkender Produktionsraten. Außerdem sind die Kosten für eine Beibehaltung der Situation oft höher als die Kosten einer Reform (vgl. Ghosh/Munger 2004: 217), weshalb dann Reformen vorangetrieben werden. Beispiele hierfür sind die Privatisierungen in Lateinamerika in den Achtziger Jahren, wo Defizite des öffentlichen Sektors zu hohen Inflationsraten führten. Die Länder mit hohen Inflationsraten unternahmen Privatisierungsmaßnahmen, wobei die Länder mit geringeren Inflationsraten kaum Deregulierungen durchführten (vgl. Ghosh/Munger 2004: 217).Darüber hinaus trägt auch der zunehmende internationale Wettbewerb dazu bei, dass Staatsinterventionen wieder abnehmen und der private Sektor vergrößert wird, um Investoren anzulocken und die nationale Wirtschaft auf dem Weltmarkt zu etablieren (vgl. Boix 1997: 477). Diese Vorstellung knüpft auch stark an die strukturelle Theorie der Globalisierung an, welche geradezu eine Notwendigkeit zur Anpassung an den internationalen Wettbewerb sieht (vgl. Schneider/Fink/Tenbrücken 2005: 715).

Privatisierungen können auch aus finanziellen Aspekten attraktiv erscheinen. Finanzielle Krisen und niedrige Wachstumsraten belasten viele Haushalte, meist sinkt das Bruttoinlandsprodukt stark ab und damit auch die Staatseinnahmen. Durch den Verkauf öffentlicher Betriebe und Gesellschaften können Regierungen ihre Haushaltsdefizite ausgleichen und Schulden tilgen, ohne zu Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen greifen zu müssen (vgl. Boix 1997: 477). Ein weiterer ökonomischer Grund der viele Länder zu einer Privatisierung öffentlicher Betriebe leiten kann, ist die vermeintliche Ineffizienz vieler öffentlicher Betriebe (vgl. Milman/Lundstedt 1994: 1666). Durch die Privatisierung nicht rentabler Unternehmen, können Regierungen bedeutende Verlustquellen eliminieren und somit ihre Staatsausgaben senken (vgl. Boix 1997: 477).

[...]


[1] Für den Begriff „Entwicklungsland“ gibt es keine einheitliche Definition. Jedoch weisen diese Länder oft gemeinsame Merkmale, wie ein geringes Pro-Kopf-Einkommen, auf. Entsprechend der Liste der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) gehören Bolivien und Uruguay zu den Entwicklungsländern und diese Annahme übernehme ich für meine Analyse. www.oecd.org/dac

2 Eine ausführliche, konzeptuelle Darstellung des PCBR von Rodrik ist in dem folgenden Werk zu finden: Rodrik, D.,1994,´The rush to free trade in the developing world´, Oxford, Oxford University Press.

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Details

Titel
Privatisierung - Warum führen einige Länder Privatisierungen durch und andere Länder nicht?
Untertitel
Eine vergleichende Analyse am Beispiel der Privatisierung des Wassersektors in Bolivien und in Uruguay
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Politische Wissenschaften)
Veranstaltung
Die Politische Ökonomie der Wirtschaftsreform
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
19
Katalognummer
V120337
ISBN (eBook)
9783640241538
ISBN (Buch)
9783640245215
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Privatisierung, Politische, Wirtschaftsreform
Arbeit zitieren
Eva Hein (Autor:in), 2008, Privatisierung - Warum führen einige Länder Privatisierungen durch und andere Länder nicht?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120337

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