Daniel und Garel, zwei Ritter von dem blühenden Tal


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Einleitung

Suchen wir in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in der deutschen Literatur nach Artusromanen, so lassen sich relativ wenige Texte finden. Zwei davon sind Daniel von dem Blühenden Tal von dem Stricker und Garel von dem Blühenden Tal von dem Pleier. Mit diesen beiden Werken befasst sich folgende Arbeit.

Für beide Schriften lässt sich kein genauer Entstehungszeitpunkt bestimmen. Der Entstehungszeitraum des Daniels liegt zwischen 1215 und 1230, der Garel ist zwischen 1260 und 1280 entstanden. Während vom Daniel fünf Handschriften bekannt sind, die aus dem 15. Jahrhundert stammen und den Text vollständig überliefern[1], ist der Text des Garel nur spärlich überliefert. Die Überlieferung besteht aus einer fast vollständigen Papier-handschrift (Linzer Handschrift) des 14. Jahrhunderts, bei der nur das erste Blatt fehlt, und kleineren Fragmenten, die einer Pergamenthandschrift entstammen, aber nicht mit der Linzer Handschrift zusammenhängen.[2]

Sowohl der Daniel als auch der Garel werden als nachklassische Artusromane bezeichnet, da sie sich von den klassischen Artusromanen in verschiedener Hinsicht unterscheiden. Dies wird im Verlauf der Arbeit deutlich.

In den letzten Jahren ist das Interesse an Strickers Roman hauptsächlich aufgrund von den Arbeiten von Wolfgang W. Moelleken und Ingeborg Henderson neu erwacht. Sie befassen sich mit dem Phänomen list im Daniel. Helmut Brall interpretiert die Konflikt-konstellationen im Daniel und versteht die Wiederherstellung von Recht als das alles ausschlaggebende Problem der im Daniel dargestellten Welt. Peter Kern untersucht die Bedeutung des Iwein für den Daniel.[3] Hedda Ragotzky schreibt der list das Funktionieren der wichtigsten Sozialbindungen zu.

Auch Pleiers Garel ist mit der Zeit in der Forschung in ein anderes Licht gerückt. Während man den Pleier zuvor als Plagiator bezeichnet hat, da der Garel viele Gemeinsamkeiten mit Strickers Daniel aufweist, kam von De Boor in den 80ern des 20. Jahrhunderts die These auf, dass der Garel der Versuch einer Korrektur des Daniel sei.[4] Frank Roßnagel sieht in Garel den korrigierten Artusritter und weist Gemeinsamkeiten zwischen Garel und anderen Artusromanen wie dem Iwein nach.[5] Er versteht das gesamte Epos als literarische Anspielung. Peter Kern vertritt dieselbe Meinung. Er deutet den Daniel als Anregung für Pleiers Romanstoff und sieht die klassische Artusdichtung als Vorlage, nach dem die Stoffbasis umgestaltet wurde.[6] Dorothea Müller leitet in ihrem Vergleich zwischen Daniel und Garel aus dem Motiv der Vermählung der Untergebenen, das Garel als Herrschaftsrecht ausübt, ein ernsthafteres Ansehen, welches besser mit den traditionellen Aufgaben eines Souveräns übereinstimmt, ab.[7] Alfred Karnein sieht den Zweck der Übernahme des Strickerschen Grundbauplans im Garel nicht darin, ihn zu korrigieren, sondern der Pleier hat ihn benutzt, weil er dort ein Modell für die dynastische Kriegsführung gefunden hat.[8]

Mit Hilfe von diesen und weiteren Forschungsergebnissen soll in der Arbeit untersucht werden, ob der Garel tatsächlich als ein Epos der Anspielung zu verstehen ist. Dazu werden einige Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Romanen durchleuchtet sowie Handlungen, die in beiden Werken parallel zu finden sind. Überdies wird der Protagonist jeweils genauer analysiert und auf sein Verhalten in dem Romangeschehen eingegangen.

Ein weiterer Schwerpunkt wird sein, die Rückbindung des Pleiers an den klassischen Artusroman nachzuvollziehen. Es wird erforscht, mit welchen Mitteln der Pleier versucht, seinen Roman wieder dem klassischen Vorbild anzunähern und sich so gegen Strickers Daniel wendet, der einige nicht gattungskonforme Elemente aufweist.

Da die minne ein wesentliches Thema des klassischen Artusromans ist[9], soll sie in beiden Werken genauer untersucht werden und es gilt zu prüfen, ob sie im Daniel vollständig eliminiert ist oder nicht. Des Weiteren soll näher darauf eingegangen werden, ob der Pleier die minne wieder in seinen nachklassischen Artusroman integriert und ob sie einen bestimmten Zweck erfüllt. Daran schließt sich eine Betrachtung der Heiratspolitik, bevor ein abschließendes Fazit gezogen werden kann.

2. Der Garel als ein Epos der Anspielung

Da der Garel viele Gemeinsamkeiten mit dem Daniel aufweist, müssen zunächst die wesentlichen Berührungspunkte herausgearbeitet werden, um anschließend zu klären, warum der Pleier gewisse Aspekte vom Stricker übernommen hat und wie er sie in seinen Roman eingebaut hat. Außerdem bedarf es noch die Frage zu beantworten, warum der Pleier mit seinem Garel auf den Daniel anspielt. Doch vorab wird ein Blick auf die Gemeinsamkeiten, Parallelhandlungen und die Protagonisten geworfen.

2.1 Allgemeine Gemeinsamkeiten zwischen Daniel und Garel

Daniel und Garel haben gemein, dass die eigentliche Handlung durch das Erscheinen eines Botenriesen in Gang gebracht wird, der eine Kriegserklärung überbringt. Danach machen sich in beiden Werken die Protagonisten allein auf den Weg, um das Land auszu-kundschaften, aus dem die Kriegserklärung kommt. Auf ihrem Weg meistern sie verschiedene aventiuren und erkämpfen sich den Zugang zum Feindesland. In beiden Romanen wird das gegnerische Heer am Grenzfluss überwunden und am Ende erfolgt die Versöhnung der verfeindeten Parteien durch ein Fest. Schließlich trennen sich sowohl Daniel als auch Garel am Ende von Artus, um in ihrem Reich die Herrschaft anzutreten.

Analysiert man die Makrostruktur und betrachtet den Handlungsabschnitt des Daniel und Garel, so lässt sich sagen, dass sich die formale Zweiteilung in beiden Romanen als bloßes Schema erweist. Im Daniel schildert der erste Teil die Kriegserklärung von König Matûr, Artus Heereszug nach Clûse bis zum Sieg über das feindliche Heer. Der zweite Teil beginnt mit der Entführung von Artus durch den Riesenvater und endet mit dessen Rettung.

Im Garel besteht der erste Handlungsabschnitt aus Garels Aufbruch zu Ekunaver und seinem auf dem Weg durch erfolgreich bestandene aventiuren aufgestellten Heer. Der zweite Teil beginnt mit dem Zug von Garel und seinem Heer nach Chanadich und endet mit dem Sieg über Ekunavers Heer. Im klassischen Artusroman erfolgt zwischen den zwei Handlungs-teilen ein Entwicklungsprozess des Helden, der zunächst in eine Krise fällt und sich schließlich wieder rehabilitiert. Da sowohl bei Daniel als auch bei Garel die Krise fehlt und in keinem Handlungsteil eine Entwicklung des Helden vonstatten geht, erweist sich diese Zweiteilung als leere Hülle.[10] Unter diesem Gesichtspunkt scheint es nur so, als hätte der Pleier an den klassischen Artusroman angeknüpft.

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den beiden Werken ergibt sich bei König Artus. Beide Male ist er nicht mehr der ruhende Pol, er wird aus seiner topischen Statik heraus-genommen und ihm wird mehr Handlungsspielraum eingeräumt. Während Artus im Daniel an den Schlachten teilnimmt, Matûr tötet und somit aktiv mitwirkt, macht sich Artus im Garel, wenngleich er an der Schlacht unbeteiligt bleibt, immerhin auf den Weg nach Chanadich.

Es ließen sich noch weitere Gemeinsamkeiten aufzählen, doch kann aus den genannten bereits geschlossen werden, dass der Garel von dem früher entstandenen Daniel angesichts des ähnlichen Handlungsablaufs, vergleichbarer aventiuren und übereinstimmenden Details angeregt worden ist.[11]

Diese vergleichbaren aventiuren und Parallelhandlungen sollen nun näher betrachtet werden.

2.2 Parallelhandlungen

Die aventiuren mit Juran und Gerhart von Riviers lassen sich bei genauem Blick aufeinander beziehen. In beiden Fällen greift der Protagonist zur Hilfe einer Frau in ein bestehendes Kampfverhältnis ein, denn beide Male hat eine verweigerte Brautwerbung zum Streit geführt, sodass sich der Werber mit Kampf und Belagerung widersetzt. In beiden Romanen besiegt der Protagonist den Werber in einem Kampf.[12] Die Ähnlichkeit wird besonders durch Hinzuziehen der Texte deutlich. Über den Zwerg Juran lesen wir im Daniel: des ist daz twerc vil stolz/ daz ez giht, helfe im sîn lîp,/ ich müeze werden sîn wîp.[13] Im Garel heißt es über Gerhart: Nu ist er coemen aber her/ Und hat dez ser vermezzen sich,/ Daz er wil hie besiczen mich/ Und nimmer chomen hinne,/ Er meiner tochter minne/ Mit gewalt erringe.[14]

Eine weitere Parallele ist zwischen den Ungeheuern mit Gorgonenhaupt zu ziehen. In beiden aventiuren muss der Protagonist gegen ein Ungeheuer kämpfen, das ein ganzes Land in seine Gewalt gebracht hat und ein Medusenhaupt besitzt, dessen Anblick tötet. Daniel besiegt den bûchlôsen und versenkt das Haupt im See, Garel besiegt das merwunder Wlganus und versenkt dessen Haupt im Meer. Auch hier ist die Ähnlichkeit am Text abzulesen: Das Ungeheuer wird im Daniel folgendermaßen beschrieben: die ez under den ougen sehent an,/ der komt niemer deheiner dan;/ sie ligent dâ zehant tôt (V. 1905-1907), und im Garel: daz getorst nieman gesehen an/ weder wîp noch man/ under sîniu ougen/ offenlich noch tougen,/ er waere dâ ze stete tôt (V. 8770-8774). Swer ez einen blic an/ sach, der was zehant tôt (V. 7250 f.).

[...]


[1] Vgl.: Wennerhold, Markus: Späte mittelhochdeutsche Artusromane. ‚Lanzelet’ ‚Wigalois’ ‚Daniel von dem Blühenden Tal’, ‚Diu Crône’. Bilanz der Forschung 1960-2000 (Würzburger Beiträge zur deutschen Philologie, Bd. 27), zugl. Diss., Würzburg 2002, S. 131 und 134.

[2] Vgl.: Müller, Dorothea: ‛Daniel vom Blühenden Tal’ und ‛Garel vom Blühenden Tal’. Die Artusromane des Strickers und des Pleier unter gattungsgeschichtlichen Aspekten (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 334), zugl. Diss., Göppingen 1981, S. 9.

[3] Vgl.: Ragotzky, Hedda: Gattungserneuerung und Laienunterweisung in Texten des Strickers, Tübingen 1981, S. 54-46.

[4] Siehe: Wennerhold, Markus: Späte mittelhochdeutsche Artusromane, S. 176.

[5] Vgl.: Roßnagel, Frank: Die deutsche Artusepik im Wandel. Die Entwicklung von Aue bis zum Pleier (Helfant Studien 11), Stuttgart 1996, S. 83-89 und S. 177.

[6] Kern, Peter: Die Artusromane des Pleier. Untersuchungen über den Zusammenhang von Dichtung und literarischer Situation (Philologische Studien und Quellen 100), Berlin 1981.

[7] Müller, Dorothea: ‛Daniel vom Blühenden Tal’ und ‛Garel vom Blühenden Tal’, S. 82.

[8] Vgl.: Karnein, Alfred: Minne, Aventiure und Artus-Idealität in den Romanen des späten 13. Jahrhunderts, in Wolfzettel, Friedrich (Hrsg.): Artusrittertum im späten Mittelalter. Ethos und Ideologie, Gießen 1984, S. 114-125, hier S. 119.

[9] Nach: Brunner, Horst: Die Rolle der Frau des Helden in einigen nachklassischen Artusromanen, in: Meyer, Matthias und Schiewer, Hans-Jochen (Hrsg.): Literarische Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters, Tübingen 2002, S. 55.65, hier S. 55.

[10] Vgl.: Roßnagel, Frank: Die deutsche Artusepik im Wandel, S. 114-115.

[11] Siehe: Kern, Peter: Die Artusromane des Pleier, S. 152.

[12] Vgl.: Roßnagel, Frank: Die deutsche Artusepik im Wandel, S. 179.

[13] Zitiert nach: Resler, Michael: Der Stricker. Daniel von dem Blühenden Tal, Tübingen 1983, S. 62 V. 1310-1312.

[14] Zitiert nach: Herles, Wolfgang: Garel von dem blühenden Tal von dem Pleier, Wien 1981, S. 31 V. 1067-1072.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Daniel und Garel, zwei Ritter von dem blühenden Tal
Hochschule
Universität Stuttgart  (Germanistische Mediävistik)
Veranstaltung
Hauptseminar: Strickers Daniel von dem blühenden Tal
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V120388
ISBN (eBook)
9783640241774
ISBN (Buch)
9783640248865
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kein Literaturverzeichnis. Die verwendete Literatur wird komplett über Fußnoten zitiert.
Schlagworte
Daniel, Garel, Ritter, Hauptseminar, Strickers, Daniel
Arbeit zitieren
Marion Stephan (Autor:in), 2007, Daniel und Garel, zwei Ritter von dem blühenden Tal, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120388

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