In dieser Hausarbeit soll eines der wichtigsten Konzepte des Ethnologen und Soziologen Pierre Bordieu dargestellt werden, das des Habitus. Dabei soll fokussiert werden, was der Habitus ist und wie er funktioniert. Im weiteren Verlauf soll dann Bourdieus Feld-Konzept vorgestellt werden, welches unweigerlich mit dem der Habitustheorie verknüpft ist. Diese „Komplizenschaft“ soll dann im Folgenden thematisiert werden.
„Die Aufgabe, die Bourdieu sich stellte, war, zwei einander unversöhnliche gegenüberstehende Positionen zu versöhnen: einmal die Position dass kulturelle Objekte eine eigene innere Logik und Dynamik entfalten, und zum anderen die Position, dass sie gleichwohl angebunden sind an die soziale Welt und daher auch mit den Mitteln der Soziologie begreifbar sein müssen.“
Ein ausschlaggebender Punkt zur Entwicklung des Habituskonzepts waren seine Feldforschungen in Algerien. Augrund dieser Tatsache kann erkannt werden, dass Bourdieus Konzept „aus empirischen Forschungsfragen heraus entwickelt“ wurde und nicht nur theoretisch von ihm gedacht wurde.
Noch zwischen 1962 und 1965 verwendete Bourdieu in seinen Ausführungen den Begriff des „Ethos“ um eine feststehende Haltung auszudrücken. Erst 1967 führte er dann den Begriff des „Habitus“ ein, der den Kern in seiner Soziologie der sozialen Praxis ausmachen soll.
Im Folgenden wird nun ein kurzer Ausschnitt darüber gegeben, von welchen Wissenschaftlern und inwiefern Bourdieu besonders beeinflusst oder angeregt wurde.
Pierre Bourdieu wurde schon sehr früh mit verschiedenen Weltvorstellungen konfrontiert, was nicht zuletzt an seinem Studium der Philosophie bei Gueroult lag. Dessen Überlegungen und Ansichten vor allem zu Leibniz’ Philosophie prägten Bourdieu stark. Er beschäftigte sich aufgrund dessen sehr mit Gottfried Wilhelm Leibniz, dessen Monadenlehre und dem Harmoniegedanken. Bourdieu spricht oft von dem Leibnizschen Begriff der „prästabilierten Harmonie“ , „um die Wirkungsweise des Habitus zu charakterisieren“ . Weiterhin übernimmt Bourdieu auch Leibniz’ „Idee der wechselseitigen Abstimmung“ . Allerdings verwendet er Leibniz’ Theorien der prästabilierten Harmonie und einer lex insita nicht in dessen Sinne, sondern nutzt diese nur, um seine Gedanken besser zu veranschaulichen.
Der wohl ausschlaggebendste Teil aber kommt hier dem Kunsthistoriker Erwin Panowsky zu, der sich auf Arbeiten des Thomas von Aquin stützt, welcher wiederum auf Aristoles aufbaut. Er verwendete erstmals den Begriff des Habitus im Zusammenhang mit der Kunst. Die Vorstellung einer einheitlichen „grundlegenden Haltung“ von Künstlern in bestimmten Epochen bildete den Grundstock seiner Theorie. Er verwendet damit im Zusammenhang den Begriff der „Homologien“ , die er allerdings, anders als Bourdieu, nur als „Strukturähnlichkeiten“ identifiziert. Pierre Bourdieu betrachtet daraufhin den „Habitus als ‚vereinheitlichtes Prinzip’“ .
Des Weiteren können vor allem bei der Betrachtung von Chomskys generativen Grammatik Parallelen zur Soziologie Bordieus gezogen werden. Beide gehen von einem „System generativer Strukturen“ aus, „das unbegrenzt viele Handlungen hervorbringen kann.“ Im Gegensatz zu Chomsky geht Bourdieu allerdings davon aus, dass der Habitus erworben ist und wir noch nicht damit auf die Welt kommen.
Bei seiner Theorie der sozialen Felder stützt sich Bourdieu nach eigenen Aussagen nun wiederum auf die Aufsätze zur Religionssoziologie von Max Weber, aus denen er heraus seinen Feldbegriff entwickelt hat,
Inhalt:
1. Einleitung
2. Der Habitusbegriff
2.1. Der Habitus als „Hilfskonstruktion“
2.2. Die strukturierte Seite des Habitus
2.3. Klassifizierungs- und Systematisierungsarbeit des Habitus – Das schöpferische „Erzeugungsprinzip“ als strukturierende Struktur
3. Das Feld-Konzept
4. „Komplizenschaft“ zwischen Habitus und Feld
5. Schlussbetrachtungen
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dieser Hausarbeit soll eines der wichtigsten Konzepte des Ethnologen und Soziologen Pierre Bordieu dargestellt werden, das des Habitus. Dabei soll fokussiert werden, was der Habitus ist und wie er funktioniert. Im weiteren Verlauf soll dann[1] Bourdieus Feld-Konzept vorgestellt werden, welches unweigerlich mit dem der Habitustheorie verknüpft ist. Diese „Komplizenschaft“ soll dann im Folgenden thematisiert werden.
„Die Aufgabe, die Bourdieu[2] sich stellte, war, zwei einander unversöhnliche gegenüberstehende Positionen zu versöhnen: einmal die Position dass[3] kulturelle Objekte eine eigene innere Logik und Dynamik entfalten, und zum anderen die Position, dass sie gleichwohl angebunden sind an die soziale Welt[4] und daher auch mit den Mitteln der Soziologie begreifbar sein müssen.“[5]
Ein ausschlaggebender Punkt zur Entwicklung des Habituskonzepts waren seine Feldforschungen in Algerien. Augrund dieser Tatsache kann erkannt werden, dass Bourdieus Konzept „aus empirischen Forschungsfragen heraus entwickelt“[6] wurde und nicht nur theoretisch von ihm gedacht wurde.[7]
Noch zwischen 1962 und 1965 verwendete Bourdieu in seinen Ausführungen den Begriff des „Ethos“ um eine feststehende Haltung auszudrücken. Erst 1967 führte er dann den Begriff des „Habitus“ ein, der den Kern in seiner Soziologie der sozialen Praxis ausmachen soll.[8]
Im Folgenden wird nun ein kurzer Ausschnitt darüber gegeben, von welchen Wissenschaftlern und inwiefern Bourdieu besonders beeinflusst oder angeregt wurde.
Pierre Bourdieu wurde schon sehr früh mit verschiedenen Weltvorstellungen konfrontiert, was nicht zuletzt an seinem Studium der Philosophie bei Gueroult lag. Dessen Überlegungen und Ansichten vor allem zu Leibniz’ Philosophie prägten Bourdieu stark. Er beschäftigte sich aufgrund dessen sehr mit Gottfried Wilhelm Leibniz, dessen Monadenlehre[9] und dem Harmoniegedanken. Bourdieu spricht oft von dem Leibnizschen Begriff der „prästabilierten Harmonie“[10], „um die Wirkungsweise des Habitus zu charakterisieren“[11]. Weiterhin übernimmt Bourdieu auch Leibniz’ „Idee der wechselseitigen Abstimmung“[12]. Allerdings verwendet er Leibniz’ Theorien der prästabilierten Harmonie und einer lex insita nicht in dessen Sinne, sondern nutzt diese nur, um seine Gedanken besser zu veranschaulichen.
Der wohl ausschlaggebendste Teil aber kommt hier dem Kunsthistoriker Erwin Panowsky zu, der sich auf Arbeiten des Thomas von Aquin stützt, welcher wiederum auf Aristoles aufbaut. Er verwendete erstmals den Begriff des Habitus im Zusammenhang mit der Kunst. Die Vorstellung einer einheitlichen „grundlegenden Haltung“[13] von Künstlern in bestimmten Epochen bildete den Grundstock seiner Theorie. Er verwendet damit im Zusammenhang den Begriff der „Homologien“[14], die er allerdings, anders als Bourdieu, nur als „Strukturähnlichkeiten“[15] identifiziert. Pierre Bourdieu betrachtet daraufhin den „Habitus als ‚vereinheitlichtes Prinzip’“[16].
Des Weiteren können vor allem bei der Betrachtung von Chomskys generativen Grammatik Parallelen zur Soziologie Bordieus gezogen werden. Beide gehen von einem „System generativer Strukturen“[17] aus, „das unbegrenzt viele Handlungen hervorbringen kann.“[18] Im Gegensatz zu Chomsky geht Bourdieu allerdings davon aus, dass der Habitus erworben ist und wir noch nicht damit auf die Welt kommen.[19]
Bei seiner Theorie der sozialen Felder stützt sich Bourdieu nach eigenen Aussagen nun wiederum auf die Aufsätze zur Religionssoziologie von Max Weber, aus denen er heraus seinen Feldbegriff entwickelt hat.[20].
2. Der Habitusbegriff
Mit dem Begriff des Habitus[21] will Pierre Bourdieu hintergründig zuallererst auf die Frage antworten, wie „man den Menschen als vergesellschaftetes Subjekt“[22] sehen kann, das heißt, dass geklärt werden soll, wie Verhaltensmuster ohne direkte Richtlinien organisiert werden können. Dafür entwirft er für seine Theorie der sozialen Praxis ein „vereinheitlichendes Prinzip“[23] – den Habitus.
Der Begriff des Habitus stammt aus dem Lateinischen und stimmt mit dem griechischen Wort der „hexis“ überein. Übersetzt kann er mit „(erworbener) Haltung, Habe, Gehabe“[24] werden.
In der Soziologie Bourdieus spielt der Habitus die Rolle des Vermittlers zwischen Struktur und Handlung, wobei Bourdieu auch ein Augenmerk auf den Unterschied zwischen Akteur[25], also Individuum und Gesellschaft[26] legt. Er definiert ihn unter anderem als ein „Produkt der Einprägungs- und Aneignungsarbeit“[27].
Der Begriff der Habitualisierung, der den Prozess zur Aneignung eines Habitus bedeutet, wird nach dem Langenscheidt Fremdwörterbuch als „zur Gewohnheit machen oder werden“[28] definiert. Nach Gerhard Fröhlich gibt es davon drei Arten: „unmerkliches Vertrautwerden ... ausdrückliche Überlieferung ... strukturale Übungen in Spielform“[29], wobei Bourdieu letzteres zur Erklärung von Gesellschaft bevorzugt.
2.1. Der Habitus als „Hilfskonstruktion“
Die Vermittlerinstanz lässt den Gedanken aufkommen, dass Bourdieu den Habitus nur als eine Art von Behelf entwirft. Er lässt den Begriff des Habitus auch deswegen unter dem Prinzip einer „Hilfskonstruktion“ laufen, da er mehrere neue Entwürfe in seiner Theorie schlicht voraussetzt und nicht weiter darauf eingeht, wie sie entstanden sind bzw. sich entwickelt haben. Zum Beispiel entwirft er das Model, dass der Habitus Formen und Schemata zwar hervorbringt, aber in keiner von Bourdieus Ausführungen ist je zu erkennen, wie die „Transformation von strukturierter in strukturierende Struktur“[30] beim Habitus, der damit Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsformen und -schemata hervorbringt, funktioniert. Während sie Wahrnehmungsschemata „die alltägliche Wahrnehmung der sozialen Welt strukturieren“[31], kann man die Denkschemata zu diesen Klassifikationsmustern rechnen, „mit deren Hilfe die Akteure die soziale Welt interpretieren“[32] können. Handlungsschemata schaffen „(individuelle und kollektive) Praktiken der Akteure“[33].
Der Habitus könnte also so beschrieben werden, dass er aus verschiedenen Handlungsmustern und Bewertungsschemata besteht, die auf gewisse Situationen angepasst sind , die der Akteur schon bewältigt hat und, die sich in der Vergangenheit schon bewährt haben[34]. Er ist also erworben[35], obwohl jeder Akteur die Anlagen dafür schon vorher in sich trägt.[36] Bei ähnlichen Konstellationen kommt dieser schon bestehende Habitus nun zum Einsatz und wird an die bestehende Sachlage nur angepasst. Dieses vorsituative Wissen hilft den Akteuren die soziale Welt zu konstruieren.
[...]
[1] zit. nach Barlösius, Eva: Pierre Bourdieu. Frankfurt/Main u.a.: Campus-Verlag 2006. S. 46.
[2] Bourdieu, Pierre: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1997. S. 278.
[3] Bourdieu, Pierre: Sozialer Raum und „Klassen“. Leçon sur la leçon: 2 Vorlesungen. Frankfurt/Main : Suhrkamp 1985. S. 75.
[4] Bourdieu selbst vermeidet den Begriff der „Gesellschaft“ und verwendet lieber den der „sozialen Welt“. (Vgl. Hillebrandt, Frank: Die Habitus-Feld-Theorie als Beitrag zur Mikro-Makro-Problematik in der Soziologie – aus der Sicht des Feldbegriffs. in: http://www.tu-harburg.de/tbg/Deutsch/Projekte/Sozionik2/WP2.pdf)
[5] Krais, Beate, Gunter Gebauer: Habitus. Bielefeld: Transcript-Verlag 2002. S. 11.
[6] Schwingel Markus: Pierre Bourdieu zur Einführung. Hamburg: Junius 2005. S. 59.
[7] Vgl. ebd.
[8] Vgl. Krais, Beate, Gunter Gebauer: Habitus. a.a.O.S. 5 .
[9] Rehbein, Boike: Die Soziologie Pierre Bourdieus. Konstanz: UVK-Verlagsgesellschaft 2006. S. 89.
[10] Bourdieu, Pierre: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Frankfurt: Suhrkamp 1999. S. 259.
[11] Barlösius, Eva: Pierre Bourdieu. a.a.O. S. 55
[12] Barlösius, Eva: Pierre Bourdieu. a.a.O. S. 56.
[13] Krais, Beate, Gunter Gebauer: Habitus. a.a.O.S. 24.
[14] Barlösius, Eva: Pierre Bourdieu. a.a.O. S. 54.
[15] Ebd.
[16] Dies. S. 55.
[17] Vgl. Krais, Beate, Gunter Gebauer: Habitus. a.a.O. S. 32.
[18] Rehbein, Boike: Die Soziologie Pierre Bourdieus. a.a.O. S. 87.
[19] Vgl. ebd.
[20] Ders. S. 105.
[21] In der deutschen Sprache gibt es keinen optischen Unterschied zwischen dem Singular und dem Plural des Wortes ‚Habitus’. Lediglich die Aussprache ändert sich bei zweiterem zu einem langen ‚u’. Im Folgenden soll, um Verwirrungen zu vermeiden, der Begriff ‚Habitusformen’ an die Stelle der Mehrzahl von Habitus treten. Der Begriff entspricht praktisch nicht dem von Bourdieu beabsichtigten, kann aber mittlerweile aus eben genannten Gründen in Bezug auf die Forschungsliteratur als gängig bezeichnet werden.
[22] Krais, Beate, Gunter Gebauer: Habitus. a.a.O.
[23] Barlösius, Eva: Pierre Bourdieu. a.a.O. S. 53.
[24] Das symbolische Kapital der Lebensstile. Zur Kultursoziologie der Moderne nach Pierre Bourdieu. Hg. v. Ingo Mörth, Gerhard Fröhlich. Frankfurt/Main: Campus-Verlag 1994. S. 38.
[25] Wie bei vielen für Bourdieus theoretische Ausführungen wichtige Schlüsselwörtern gibt es auch bei der Übersetzung des Wortes Akteur einige Schwierigkeiten. In Bourdieus Original ist die Rede vom „agent“. Dieser Begriff legt sein Hauptaugenmerk auf ein handelndes Subjekt. Es gab mehrere Diskussionen mit Bourdieu selbst, der sich gegen den Begriff der „Akteure“ ausspricht, weil er seiner Meinung nach zu stark auf das Individuum im sozialen Sinn bezieht. Im Folgenden soll allerdings weiterhin der Begriff des „Akteurs“ verwendet werden, da er mittlerweile auch in jeder deutschen Forschungsliteratur so benutzt wird und es vor allem momentan keine bessere Übersetzung gibt. (Vgl. Krais, Beate, Gunter Gebauer: Habitus. Bielefeld: Transcript-Verlag 2002. S. 84.)
Akteure können nach Bourdieu allerdings auch Gruppen sein. (Vgl. Rehbein, Boike: Die Soziologie Pierre Bourdieus. a.a.O. S. 95)
[26] Barlösius, Eva: Pierre Bourdieu. a.a.O. S. 47.
[27] Bourdieu, Pierre: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1978.
[28] http://www.langenscheidt.de/
[29] Das symbolische Kapital der Lebensstile. Zur Kultursoziologie der Moderne nach Pierre Bourdieu. Hg. v. Ingo Mörth, Gerhard Fröhlich. a.a.O. S. 39.
[30] Barlösius, Eva: Pierre Bourdieu. a.a.O. S. 64.
[31] Schwingel Markus: Pierre Bourdieu zur Einführung. a.a.O. S. 62.
[32] Ebd.
[33] Ebd.
[34] Barlösius, Eva: Pierre Bourdieu. a.a.O. S. 50f.
[35] Vgl. Rehbein, Boike: Die Soziologie Pierre Bourdieus. a.a.O. S. 87.
[36] Vgl. Tieben, Reemda: Habitustheorie und Kapitalbegriff (Pierre Bourdieu). in: http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/theorien/modernisierung/unterpunkte/habtheorie.htm
- Arbeit zitieren
- Josephine Ernst (Autor:in), 2007, Das Habitus-Konzept unter Einbeziehung des Feld-Begriffes in der Soziologie Pierre Bourdieus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120406