Zu Beginn der 1990er Jahre benannte sich die Leipziger Juso-Gruppe unter ihrem
Vorsitzenden Sascha Jung in „Hofgeismarer Kreis“ um. Die Leipziger Jusos der 90er Jahre
stellten sich damit in die Tradition eines Diskussionskreises innerhalb der frühen
jungsozialistischen Bewegung, der dem Namen nach nur drei Jahre lang - zwischen 1923 und
1926 - bestanden hatte. Die Neugründung des Kreises in den 1990er Jahren sorgte nicht nur in
der SPD sondern auch in zahlreichen regionalen und überregionalen Zeitungen für
Aufregung. Richtig aufmerksam wurde die Öffentlichkeit auf die Gruppierung im Jahr 1993,
aus Anlass eines Seminars, das die Friedrich-Ebert-Stiftung gemeinsam mit den Leipziger
Jusos am in Rochlitz veranstaltet hatte. Im Anschluss an dieses Seminar wurde der Friedrich-
Ebert-Stiftung vorgeworfen, ein Rechtsradikalentreffen finanziert zu haben1.
Der historische Hofgeismarkreis war 1923 im Anschluss an eine Konferenz in Hofgeismar
und mit dem Ziel gegründet worden, Sozialismus und deutschen Nationalstaat zu versöhnen.
Theorie und Praxis befanden sich hier nämlich seit der Zustimmung der SPD zum ersten
Weltkrieg und seit dem Aufstieg der Sozialdemokraten zur Regierungspartei in einem
offensichtlichen Widerspruch. Während in der marxistischen Theorie der Staat als Instrument
der ausbeutenden Klasse galt und die Arbeiterschaft grundsätzlich internationalistisch dachte,
waren im August 1914 auch die Arbeiter europaweit in einen nationalen Taumel gefallen2,
und die SPD war in der Weimarer Koalition zu einer staatstragenden Partei geworden.
Schließlich wurde im Verlauf der 20er Jahre vielen klar, dass die lange herbeigeredete
natürliche Krise des Kapitalismus ausblieb.
Die Antworten, die einzelne Mitglieder des Hofgeismarkreises auf diese Frage fanden,
fielen sehr unterschiedlich aus und änderten sich zudem im Laufe der Zeit. So verteidigten
Mitglieder des Kreises im Reichsbanner die Weimarer Republik und nahmen nach dem Krieg
Einfluss auf die Gestaltung des Godesberger Programms. [...]
1 Zentrale Beiträge zu der Kontroverse sind nachzulesen in: M. Rudloff (hg.), Sozialdemokratie und Nation. Der
Hofgeismarkreis in der Weimarer Republik und seine Nachwirkungen, Leipzig 1994, S. 201-210, 313-334.
2 Vgl. F. Ising, Nation und Klasse, in: Jungsozialistische Blätter 7 (1924), S. 147.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- DIE ARBEITERJUGENDBEWEGUNG ZU BEGINN DER WEIMARER REPUBLIK
- DIE JUNGSOZIALISTEN INNERHALB DER ARBEITERJUGENDBEWEGUNG
- Der Streit um die Autonomie
- DER HOFGEISMARKREIS DER JUNGSOZIALISTEN
- Die Konferenz von Hofgeismar
- Die außenpolitische Konferenz auf dem Gudensberg
- Die Konferenz von Jena
- ZUSAMMENFASSUNG
- LITERATUR UND QUELLEN
- Quellen
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit widmet sich der Erforschung des Hofgeismarkreises, einer einflussreichen Gruppe innerhalb der jungen sozialistischen Bewegung in der Weimarer Republik. Die Arbeit analysiert die politische und soziale Haltung des Kreises, ihre Diskussionskultur und den Einfluss ihrer Ideen auf die Gesamtentwicklung der Jungsozialisten.
- Die Auseinandersetzung mit dem Wandel der Rolle der SPD vom oppositionellen zum staatstragenden Faktor
- Die Suche nach einem neuen Verständnis von Sozialismus im Kontext der Weimarer Republik
- Die Kritik an der traditionellen marxistischen Theorie und die Suche nach neuen Denkmodellen
- Die Rezeption nationalistischer Ideen innerhalb der jungen sozialistischen Bewegung
- Der Einfluss des Hofgeismarkreises auf die Entwicklung der Sozialdemokratie in der Weimarer Republik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Hausarbeit ein und beleuchtet die Entstehung des Hofgeismarkreises im Kontext der frühen Weimarer Republik. Sie stellt die Forschungsfrage und die methodischen Herangehensweisen der Arbeit vor.
Das zweite Kapitel betrachtet die Arbeiterjugendbewegung zu Beginn der Weimarer Republik und analysiert die Auswirkungen des politischen Wandels auf die Lebenssituation und die Ausdrucksmöglichkeiten von Jugendlichen innerhalb der Arbeiterbewegung.
Kapitel 3 befasst sich mit den Jungsozialisten innerhalb der Arbeiterjugendbewegung. Es beleuchtet den Streit um die Autonomie innerhalb der Bewegung und die Herausforderungen, denen sich die Jungsozialisten in der Weimarer Republik gegenüber sahen.
Kapitel 4 widmet sich dem Hofgeismarkreis der Jungsozialisten und beleuchtet die Entstehung und Entwicklung der Gruppe durch die Analyse von Konferenzen und Diskussionsrunden.
Schlüsselwörter
Hofgeismarkreis, Jungsozialisten, Weimarer Republik, Arbeiterbewegung, Sozialismus, Nationalismus, Staatsverständnis, politische Kultur, Jugendbewegung, Ideengeschichte, Quellenkritik
- Quote paper
- Kristin Klank (Author), 2003, Der Hofgeismarkreis der Jungsozialisten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12046