Die vorliegende Arbeit sucht bewusst den Anschluss an den von Thomas Kron und Uwe Schimank im Anschluss an eine Autorentagung in Hagen herausgegebenen Sammelband „Die Gesellschaft der Literatur“ (Kron; Schimank 2004). Hierbei geht es zuerst einmal ganz allgemein darum, nach 1945 erschienene „literarische Werke bzw. Autoren soziologisch bezüglich ihrer gegenwartsdiagnostischen Leistungen zu untersuchen“ (ebd.:11). Dieser Ansatz beruht auf der Prämisse, dass sowohl Literatur wie auch Soziologie auf ihre spezifische Art und Weise Gesellschaft beobachten und somit in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zueinander stehen (ebd.:10). Hieraus ergibt sich die Frage, ob und in wie weit eine kommunikative Anschlussfähigkeit zwischen den beiden Disziplinen im Hinblick auf die Analyse von sozialen Strukturen und Prozessen innerhalb der Gegenwartsgesellschaft gegeben ist.
Mein persönliches Forschungsinteresse an diesem Thema ergab sich daraus, dass es sich an einer Schnittstelle zwischen den Untersuchungsgegenständen der von mir bevorzugten wissenschaftlichen Disziplinen Soziologie und Literaturwissenschaft bewegt. So lief ich im Forschungsverlauf auch weniger Gefahr als „Soziologe literaturwissenschaftlich zu dilettieren“ (ebd.:11), sondern es ging vielmehr darum, mein literaturwissenschaftliches Wissen bewusst zu Gunsten einer explizit soziologischen Perspektive im Sinne von Husserl einzuklammern. Dennoch sei an dieser Stelle erwähnt, dass es durchaus Anknüpfungspunkte zwischen soziologischen und literaturwissenschaftlichen Literaturbetrachtungen gibt, allerdings hätte eine genauere Analyse dieser Zusammenhänge den Rahmen der vorliegenden Arbeit bei weitem überschritten. Aus originär soziologischer Perspektive weckte der von Kron und Schimank vorgeschlagene Ansatz vor allem auch auf Grund des vorgegebenen Leitthemas meine wissenschaftliche Neugier: So ist die Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft auch immer wieder ein Thema welches unter verschiedenen Gesichtspunkten mein soziologisches Interesse bestimmt. Aus den bisher genannten Gründen lag es für mich nahe, meine zum Zeitpunkt der Planung dieser Arbeit aktuelle literarische Lektüre, den Kriminalroman „Vor dem Frost“ von Henning Mankell (Mankell 2002) , einer genaueren soziologischen Analyse unter gegenwartsdiagnostischen Gesichtspunkten zu unterziehen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 EINLEITUNG
- 2 SOZIOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN
- 3 THEORETISCHE UND METHODISCHE GRUNDLAGEN
- 3.1 POETISCHE TEXTE ALS GRUNDLAGE SOZIOLOGISCHER ANALYSEN
- 3.2 METHODISCHE GRUNDLAGEN
- 4 EINFÜHRUNG IN DEN ROMAN „VOR DEM FROST“ VON HENNING MANKELL
- 4.1 DER AUTOR
- 4.2 DER ROMAN
- 5 SOZIOLOGISCHE ANALYSE DES ROMANS „VOR DEM FROST“ UNTER GEGENWARTSDIAGNOSTISCHEN GESICHTSPUNKTEN
- 5.1 DIE GESELLSCHAFT DES ROMANS
- 5.2 „VOR DEM FROST“: EIN ROMAN ÜBER DIE EUROPÄISCHE UNRUHE
- 5.2.1 Die Europäische Unruhe: Auf ein Wort mit dem Autor Henning Mankell
- 5.2.2 Rechtstaatlichkeit, Religion und Familie: Drei zentrale Dimensionen der europäischen Unruhe
- 5.3 FOLGEN FÜR DAS INDIVIDUUM: EINE FRAGE DER IDENTITÄT
- 5.3.1 Begriffsbestimmung und Problemlage
- 5.3.2 Erik Westin: Die große Suche nach dem Sinn des Lebens
- 5.3.3 Linda Wallander: Suche nach den Leitlinien des Lebens
- 6 SCHLUSSWORT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Henning Mankells Roman „Vor dem Frost“ unter soziologischen Gesichtspunkten und im Hinblick auf seine gegenwartsdiagnostische Relevanz. Sie knüpft an die Diskussion um die soziologische Analyse literarischer Texte an und fragt nach der Anschlussfähigkeit zwischen Soziologie und Literaturwissenschaft bei der Analyse gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse.
- Soziologische Gegenwartsdiagnostik und ihre Anwendung auf Literatur
- Methodische Grundlagen der soziologischen Textanalyse
- Die Darstellung der Gesellschaft in Mankells Roman „Vor dem Frost“
- Die europäische Unruhe als zentrales Thema des Romans
- Die Auswirkungen gesellschaftlicher Entwicklungen auf das Individuum
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beschreibt die Forschungsfrage und den methodischen Ansatz der Arbeit. Kapitel 2 definiert den Begriff der soziologischen Gegenwartsdiagnostik. Kapitel 3 erörtert die methodischen Herausforderungen bei der soziologischen Analyse poetischer Texte, unter Einbezug von Aristoteles und Wolfgang Iser. Kapitel 4 führt in den Roman „Vor dem Frost“ und dessen Autor ein. Kapitel 5 beginnt mit der Analyse der im Roman dargestellten Gesellschaft und beleuchtet die europäische Unruhe als zentrales Thema, wobei verschiedene Aspekte wie Rechtstaatlichkeit, Religion und Familie betrachtet werden. Dieser Abschnitt untersucht auch die Auswirkungen der gesellschaftlichen Unruhe auf die individuellen Identitätsfindungsprozesse der Hauptfiguren Erik Westin und Linda Wallander.
Schlüsselwörter
Soziologische Gegenwartsdiagnostik, Literatursoziologie, Henning Mankell, „Vor dem Frost“, Europäische Unruhe, Rechtstaatlichkeit, Religion, Familie, Identität, Individuum, Gesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Bachelor of Arts Thomas Mechler (Autor:in), 2008, Ein Roman über die europäische Unruhe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120488