Die philosophische Klasse der Berliner Akademie der Wissenschaften schrieb unter dem Vorsitz Johann Georg Sulzers 1773 eine Preisfrage aus, die 1. das Verhältnis von Erkennen und Empfinden als einer "zwiefachen Kraft der Seele" untersucht wissen wollte, und 2. die Frage nach der Wirkung dieser "beyden Seelenkräfte" auf das zu dieser Zeit heftig diskutierte Phänomen "Genie" zur Debatte stellte.
An dem ausgeschriebenen Thema beteiligte sich 1774 auch Johann Gottfried Herder. Sein Beitrag mit dem Titel "Übers Erkennen und Empfinden in der menschlichen Seele" enthüllte jedoch einen gänzlich anders gearteten inhaltlichen Ansatz: Entgegen der akademischen Vorgabe setzte Herder Erkenntnis und Empfinden als "Eine Seelenkraft" und negierte somit die Intention der Akademie.
Herders Thesen verstehen sich weitestgehend als Kritik und auch Korrektiv der in Deutschland noch wirksamen rationalistischen Schulphilosophie Leibniz' und Wolffs. Sie sind ein Beitrag zur Entwicklung einer ganzheitlichen Ästhetik...
Inhaltsverzeichnis
- §1 Vorbemerkung
- §2 Zur Problemstellung: Vermögenspsychologie und Emanzipation der Sinnlichkeit im 18. Jahrhundert
- §3 "Fundus animae": Reiz (dunkle Perzeption) und Affekt
- §4 Die Einheit von sinnlicher Rezeption und physiologischem Medium
- §5 Die Einkraft der Seele
- §6 Einheit von Erkennen und Empfinden: Geniekonzept und Schaffensprozeß
- §7 Nachtrag: Die Einheit von Mensch und Natur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Herders Schrift "Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele" im Kontext der Vermögenspsychologie des 18. Jahrhunderts. Sie analysiert Herders Kritik an der rationalistischen Tradition und seine alternative Konzeption einer ganzheitlichen Ästhetik.
- Herders Kritik an der dualistischen Seelenauffassung der Akademie.
- Die Konzeption von "Einkraft der Seele" als Einheit von Erkennen und Empfinden.
- Der Einfluss von Sinnlichkeit und Affekt auf Erkenntnis.
- Die Rolle des Geniekonzepts in Herders Ästhetik.
- Die Beziehung zwischen Mensch und Natur in Herders Philosophie.
Zusammenfassung der Kapitel
§1 Vorbemerkung: Der einleitende Abschnitt beschreibt den Kontext der Preisfrage der Berliner Akademie und Herders abweichende Herangehensweise an das Thema Erkenntnis und Empfindung.
§2 Zur Problemstellung: Dieses Kapitel beleuchtet die Vermögenspsychologie des 18. Jahrhunderts und den damit verbundenen Diskurs um Sinnlichkeit und Emanzipation.
§3 "Fundus animae": Hier wird Herders Begriff des "Fundus animae" im Hinblick auf Reiz und Affekt erörtert.
§4 Die Einheit von sinnlicher Rezeption: Dieser Abschnitt untersucht die Verbindung zwischen sinnlicher Wahrnehmung und physiologischem Medium in Herders Werk.
§5 Die Einkraft der Seele: Das zentrale Kapitel beschreibt Herders Konzept der "Einkraft der Seele" als Kern seiner Philosophie.
§6 Einheit von Erkennen und Empfinden: Hier wird Herders Geniekonzept und dessen Zusammenhang mit dem Schaffensprozess analysiert.
§7 Nachtrag: Die Einheit von Mensch und Natur: Der Nachtrag erweitert die Betrachtung auf die Beziehung zwischen Mensch und Natur.
Schlüsselwörter
Johann Gottfried Herder, Vermögenspsychologie, Einkraft der Seele, Erkennen und Empfinden, Sinnlichkeit, Affekt, Genie, Rationalismus, Leibniz, Wolff, Ganzheitliche Ästhetik.
- Quote paper
- M.A. Frithjof Böhle-Holzapfel (Author), 1990, "Einkraft der Seele", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120531