Standortwahl Auschwitz

Die Rolle des KL Auschwitz im Entscheidungsfindungsprozess der IG-Farben für die Standortfrage des Buna-Werks IV


Magisterarbeit, 2002

129 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Der Planungs- und Entscheidungsprozess in der Standortfrage für das Werk „Buna IV“ in Auschwitz O.S., November 1940- Januar 1941
2.1 Die Standortsuche für das Werk „Buna IV“
2.2 Die Standortwahl der Gemarkung Dwory-Monowitz bei Auschwitz O.S.
2.3 Die maßgeblichen Entscheidungsgründe für den Standort Auschwitz O.S.

3. Die Arbeitskräftefrage in der Entscheidungsphase und zu Beginn der Bauplanung des Buna-Werks IV, Auschwitz O.S., Januar/ Februar 1941
3.1 Nationalsozialistische Bevölkerungspolitik in Auschwitz O.S.
3.2 Lagererweiterungspläne und Häftlingsbestand des KL Auschwitz
3.3 Die Funktion des Arbeitsamtes in der Arbeiterbeschaffung
3.4 Das KL Auschwitz und die Häftlingsarbeitseinsatzfrage zu Beginn der Bauplanung bis zur Göring-Weisung vom 18. Februar 1941

4. Schlussbetrachtung und Zusammenfassung

Abkürzungsverzeichnis

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Vorgeschichte des IV. Buna-Werks der IG-Farbenindustrie AG (IG), das in den Jahren 1941 bis 1945 am Rande der oberschlesischen Kleinstadt Auschwitz (Oswiecim), zwischen Monowitz (Monowice) und Dwory erbaut wurde und noch im Jahre 1945 in Betrieb genommen werden sollte1. Es wurde recht früh in der Projektierungsphase als ein integriertes Chemiegroßwerk, als so genanntes Zwei-Sparten-Werk, das die Produktion von Hochdruck- und Acetylenchemie sowie von Synthesebenzin und Kunstkautschuk (Buna)2 miteinander kombinierte, geplant und zum teuersten Werksprojekt der IG-Farben. Als langfristig gesehen viel versprechendes privat- und nachkriegswirtschaftliches Vorhaben wurde es zu einem der wichtigsten Zukunftsprojekte der IG-Farben.

Die Existenz des im Mai 1940 errichteten Konzentrationslager-Hauptlagers (KL) Auschwitz, welches sich in etwa 8 km Entfernung zu dem nur einige Monate später ausgewählten Standort des Werks befand, wurde bereits frühzeitig als Indiz für einen maßgeblichen Standortfaktor angenommen3 und in der Urteilsbegründung des Nürnberger IG-Farben-Prozesses, der vom 14. August 1947 bis zum 30. Juli 19484 stattfand, „als ein wichtiger, wenn auch vielleicht nicht der entscheidende Faktor bei der Auswahl der Baustelle“5 festgestellt.

Da der IG-Farben-Konzern tatsächlich das erste Privatunternehmen war, das KL- Häftlinge als Zwangsarbeiter herangezogen hatte, lag der Verdacht nahe, dass dieses potentielle Arbeitskräftekontingent Bestandteil betriebswirtschaftlicher Kalkulationen und ein Entscheidungsgrund für die Standortwahl gewesen war. Der Nachweis darüber konnte indes bisher nicht geführt werden.

Die Standortwahl Auschwitz der IG-Farben war ferner Thema grundlegender Gesamtdarstellungen, Studien und Lexika zur Geschichte der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik.6 Dies verdeutlicht, dass das gegenständliche Thema auch in größere Zusammenhänge eingeordnet und mit der Frage konfrontiert werden muss, welchen Einfluss die betriebswirtschaftliche Planung des Konzerns in Bezug auf die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft für die Standortwahl Auschwitz gehabt hat.

Bereits kurze Zeit nach dem Nürnberger IG-Farben-Prozess war die Geschichte der IG-Farben einschließlich ihrer Tätigkeit in Auschwitz/Oberschlesien (O.S.) Gegenstand zahlreicher Darstellungen und Forschungsarbeiten7. Diese Veröffentlichungen konnten oftmals nur ein völlig undifferenziertes und recht vereinfachtes Bild der ganzen Problematik abgeben, was an der kurzen zeitlichen Distanz zum gegenständlichen Geschehen liegen mag8. Bezeichnenderweise hat sich die Quellenlage, die diesen Darstellungen wie auch allen nachfolgenden Arbeiten zugrunde lag, im Wesentlichen nicht geändert: Es handelt sich um die so genannten Beutedokumente aus dem Nürnberger Nachfolgeprozess. Es ist hierbei jedoch auffällig, dass noch bis vor 20 Jahren eine insgesamt betrachtet unkritische Quellenanalyse und tendenziöse Quelleninterpretation vorherrschte.9 Offensichtlich lag dies an der in der Öffentlichkeit, aber auch unter Wissenschaftlern verbreiteten Meinung, dass die Schuld und Verantwortlichkeit der IG-Farben-Manager mit der Urteilsbegründung des Nürnberger Folgeprozesses zweifelsfrei nachgewiesen wurde und sich demnach neue Deutungsweisen erübrigen würden. Eine eigenständige Erforschung der Ereignisse fand daher nicht wirklich statt. Die gerichtliche Feststellung und die „Offenkundigkeit“ der Verbrechen verhinderten eine tiefgründige und kritische Auseinandersetzung mit der Thematik und insbesondere mit der Gründungsgeschichte der IG Auschwitz und der damit verbundenen Untersuchung der Entscheidungsfindungsphase für die Standortwahl des Buna-Werks IV an der Gemarkung Dwory-Monowitz. Dies begünstigte folglich die einseitige Übernahme und Wiederholung der Urteilsbegründung im IG-Farben-Prozess. Nach mehreren

„Veröffentlichungswellen“ zum Gesamtkomplex IG-Farben seit 195210 erschienen erst seit Anfang der 80er Jahre seriöse und detaillierte Gesamtdarstellungen, die sich auch mit der ausführlichen und quellenkritischen Erforschung der Standortwahl in Auschwitz befassten und in der Lage waren, vorherrschende Ansichten fundiert zu revidieren.11

Die Interpretation der vorhandenen Quellen ist in der historischen Forschung unterschiedlich ausgefallen, da die Frage, weshalb die IG- Farbenindustrie Auschwitz als Standort wählte, sehr kontrovers bewertet wird. Besonders umstritten ist hierbei die Rolle des KL Auschwitz für die der schlussendlichen Standortwahl Auschwitz zugrunde liegenden Entscheidungsgründe. In der historischen Forschung stehen sich in dieser Frage verschiedene Positionen gegenüber, die Anfang der 90er Jahre eine noch anhaltende kontroverse Diskussion ausgelöst haben.12 Diese wurde von zwei Haltungen bestimmt: Die eine betont die technischen und topographischen Standortfaktoren, während die andere die Arbeitskräftefrage als Faktor für die Standortwahl hervorhebt oder zumindest miteinbezieht. Ein zentrales Argument der Beweisführung in der verbreiteten Forschungsliteratur war die bloße Existenz des seit Mai 1940 bestehenden Stammlagers des KL Auschwitz. Das Vorhandensein des Konzentrationslagers soll demzufolge ein maßgeblicher Standortfaktor und Entscheidungsgrund für die verantwortlichen IG-Farben-Funktionäre in der Entscheidungsfindungsphase gewesen sein. Diese Behauptung hält sich bis in die Gegenwart, obwohl seit Anfang der 80er Jahre sowohl von Peter HAYES und Peter MORRIS als auch von Gottfried PLUMPE zahlreiche plausible Gegenargumente hervorgebracht wurden13, die einerseits zeigten, dass sie nicht länger aufrecht zu erhalten ist und andererseits deutlich machten, dass der unternehmerische Entscheidungsfindungsprozess offensichtlich bisher kaum erfasst wurde und zudem vielschichtiger war, als dies oftmals dargestellt wurde.

Die Kernfrage der vorliegenden Arbeit besteht folglich darin, ob die Existenz des KL Auschwitz maßgeblicher Entscheidungsgrund für die Standortwahl war, oder anders formuliert, ob das KL Auschwitz eine maßgebliche Rolle im Entscheidungsfindungsprozess der IG-Farben für die Standortfrage des Buna- Werks IV gespielt hat. Die Bearbeitung vorliegender Fragestellung vor dem Hintergrund einer kritischen Betrachtung der einschlägigen Literatur zum Thema einerseits und der Quellenanalyse andererseits erfordert allerdings die Beschränkung auf maßgebliche Beispiele.

Die ausführliche Zitierung der entscheidenden Primärquellen dient dabei dem Verständnis der Argumentationsführung. Hierbei wurde vor allem auf die Quellen- und Dokumentenbände zurückgegriffen, auf die sich entweder die Anklagebehörden oder die Verteidiger der Angeklagten in den Gerichtsprozessen stützten, die in Ermittlungsverfahren und Historikerdebatten zum Gegenstand der Beweisführung wurden14, sowie bereits vollständig oder auszugsweise veröffentlicht wurden - zum größten Teil in der Dokumentation der „Trials of War Criminals before the Nuernberg Military Tribunals under Control Council Law No. 10“ (NMT)15. Die wenigen nicht im NMT zitierten Primärquellen wurden nach dem Archivbestand R 8128 des Bundesarchivs Berlin (BAB), Zweigstelle Potsdam, oder nach dem vom Staatsarchiv Nürnberg in das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) eingegliederten Archivbestand Nürnberger Dokumente (Nürnbg. Dok.; in deutscher Übersetzung) zitiert.16

Im Folgenden sollen auf der Grundlage der überlieferten Dokumente die Werksvorgeschichte und der Entscheidungsfindungsprozess in der Standortfrage systematisch rekonstruiert werden. Da sich der immanente Zeitraum der Untersuchung in Bezug auf den Entscheidungsfindungsprozess auf nur etwa einen Monat beschränkt, ermöglicht die verhältnismäßig gute Quellenlage, die sich primär auf zeitgenössische Aktennotizen, Protokolle der Besprechungen und Konferenzen und Schriftverkehr beschränkt, aussagekräftige Befunde. Weiteren Einblick in den Untersuchungsgegenstand bieten die Baubesprechungen der IG Auschwitz sowie die Vernehmungsprotokolle und eidesstattlichen Erklärungen der Angeklagten des IG-Farben-Prozesses sowie deren Aussagen in den nachfolgenden Verfahren, in denen sie zum Teil als Zeugen auftraten.17

Unter anderem wird die bereits erwähnte kontroverse Diskussion von der Frage bestimmt, zu welchem Zeitpunkt die Entscheidung in der Standortwahl fiel. Diese Frage scheint dem Verfasser vorliegender Arbeit im Vordergrund stehen zu müssen, da die Beweisführungen in der gesamten Diskussion letztlich primär von Daten gestützt werden, auf denen die gegenständlichen Rekonstruktionen basieren. Die anhaltende Kontroverse, deren bisher letzten Beiträge 1998 erschienen18, scheint allerdings auch durch eine Diskrepanz in den Definitionen des Terminus „Standortwahl“ und der Formulierungen „maßgebliche“ und

„endgültige Entscheidungsgründe“ zu keiner Verständigung und keinem abschließenden Ergebnis führen zu können.

Daher ist die kritische Untersuchung der Entscheidungsfindungsproblematik in Auseinandersetzung mit der spezifischen Forschungsliteratur und die Rekonstruktion des Ablaufs der Ereignisse im Entscheidungsfindungsprozess Gegenstand vorliegender Arbeit, die zudem einen Beitrag zur Erforschung unternehmerischen Handelns im Rahmen staatlicher Wirtschaftspolitik darstellt. Die akribische Darstellung der zeitlichen Abfolge der Standortdiskussion, also die Entwicklung von der Aufwerfung der Standortfrage über das Einsetzen der Standortsuche bis zur Entscheidung in der Standortwahl und anschließend in Angriff genommenen Standortbauplanung mit einhergehender weit reichender Standortprüfungen soll zu einer historischen Einordnung und vor allem zur Differenzierung der Vorgänge beitragen. Nur auf diese Weise wird eine befriedigende Antwort auf die Frage nach den Gründen für die Wahl von Auschwitz als Standort des Buna-Werks zu finden sein und ein möglichst vollständiges Bild des Entscheidungsfindungsprozesses in der Standortfrage des IV. Buna-Werks dargestellt werden.

Der Untersuchung der Frage nach der Rolle des KL Auschwitz in der Standortwahl für Buna IV liegen daher zwei Zugangsmöglicheiten zugrunde: Erstens die Untersuchung technischer und ökonomischer Aspekte der Standortwahl eines Werks dieser Größenordnung und zweitens die Untersuchung bevölkerungs- und konzentrationslagerpolitischer Aspekte im entscheidenden Zeitraum. Die Untersuchung des Planungs- und Entscheidungsprozesses in der Standortfrage in Kapitel 2 führt daher in Kapitel 3 zwingend zu der Betrachtung der Arbeitskräftefrage in der Entscheidungsphase und zu Beginn der Bauplanung des Buna-Werks IV. Beide Schwerpunkte werden im Folgenden gleichberechtigt behandelt.

Während die einzelnen Abschnitte in Kapitel 2 die technischen und ökonomischen Aspekte 1.) der Standortsuche, 2.) der Standortwahl und 3.) der wesentlichen Entscheidungsgründe betrachten, werden in den vier Abschnitten von Kapitel 3 folgende Aspekte untersucht: 1.) die lokale bevölkerungspolitische Situation, 2.) die Entwicklung des KL Auschwitz, 3.) die Rolle des Arbeitsamtes in der lokalen Arbeiterbeschaffung und 4.) der Arbeitseinsatz des KL Auschwitz. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich daher im wesentlichen auf den Zeitraum von Dezember 1940 bis Februar 1941 , der gemeinhin als Entscheidungsfindungsprozess bezeichnet wird19 und endet mit der Göring- Weisung vom 18. Februar 1941 , die den Häftlingseinsatz des KL Auschwitz für die IG- Farben erst möglich machte .

2. Der Planungs- und Entscheidungsprozess in der Standortfrage für das Werk „Buna IV“ in Auschwitz O.S.,November 1940 – Januar 1941

2.1 Die Standortsuche für das Werk „Buna IV“

Die Geschichte der Standortsuche für das Buna-Werk IV ist vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Buna-Werke I-III für das Verständnis des folgenden Kapitels, welches sich mit der Standortwahl auseinandersetzt, von entscheidender Bedeutung. Ohne ihre Kenntnis könnten einerseits die Auswahlkriterien eines potentiellen Standorts für eine Buna-Fabrik nicht hinreichend untersucht werden, während andererseits die Differenzen zwischen den privatwirtschaftlichen Interessen der IG und den militärpolizeilichen Interessen des Deutschen Reichs und die sich daraus ergebenden Handlungszwänge im dunkeln blieben. Die technische und wirtschaftliche Entwicklung des Buna-Programms sowie die militärpolitische Entwicklung und die damit zusammenhängenden Produktionsanforderungen im

„Dritten Reich“ machten ein viertes Werk im Rahmen der staatlichen Industriepolitik überhaupt erst erforderlich und die Errichtung eines groß angelegten Chemie- und Zwei-Sparten-Werks in Ostoberschlesien lohnenswert.

Im Herbst 1935 bestanden erstmals die Voraussetzungen für den Bau einer Großversuchsanlage zur Erzeugung von Buna nach verschiedenen technischen Verfahren. Im September 1937 unterzeichneten Vertreter der IG-Farben- Industrie AG (IG) und Vertreter des Deutschen Reichs (DR) den ersten Buna- Vertrag20. Unter anderem wurde darin der Ausbau der Versuchsanlage Schkopau bei Halle/Saale, die seit März 1937 nach einer fast einjährigen Bauzeit in Betrieb war, zum Buna-Werk I beschlossen21. In den Jahren 1937 bis 1940 flossen insgesamt 15,5% der IG-Investitionen auf alte und neue Großwerke in das neue

Großwerk Schkopau, das insgesamt 425,4 Mio. Reichsmark (RM)22 kostete und Anfang 1945 noch einen Anlagewert von 401 Mio. RM23 hatte. Bereits 1938 lief das Bunageschäft in Schkopau so zufrieden stellend, dass im Frühjahr desselben

Jahres die Bauarbeiten an einem zweiten Werk in Hüls bei Recklinghausen aufgenommen wurden und im März 1939 der zweite Buna-Vertrag für das Buna- Werk II in Hüls unterzeichnet werden konnte24. Der Anteil der IG-Investitionen auf alte und neue Großwerke in Bezug auf Hüls belief sich im Zeitabschnitt 1937 bis 1940 auf insgesamt 9,2%. Buna II kostete insgesamt 287 Mio. RM25 und hatte Anfang 1945 einen Anlagewert von 260 Mio. RM.26 Das Dilemma des Buna-Programms der IG Farben in den dreißiger Jahren beschreibt Peter HAYES zusammenfassend wie folgt:

„Der Drang des Regimes, die einheimische Gummiproduktion zu vergrößern, sicherte dem Konzern allerlei staatliche Unterstützung, setzte ihn aber einem unaufhörlichen Druck aus, groß angelegte Produktionsstätten auf- bzw. auszubauen, ehe das Herstellungsverfahren reif war. In den Vorkriegsjahren ist es der IG mühselig gelungen, ihr eigenes Entwicklungstempo zu verfolgen, ohne die übliche Form offizieller Ungeduld, d.h. ohne die Gründung eines Staatsbetriebs oder den Aufbau eines Kontrahenten zu provozieren und das Monopol auf Buna zu gefährden. Aber in den Kriegsjahren spitzte sich die Situation gerade im Zusammenhang mit IG Auschwitz zu.“27

Die Verhandlungen über den Bau eines dritten Werks begannen 1938 und zogen vier verschiedene Standorte, darunter Fürstenberg/Oder, Brüx im Sudetenland und Oderthal in Schlesien in Erwägung, da bereits in den verschiedenen Fassungen des Vierjahresplans seit 1937 , in dem das Buna-Programm festgelegt war, die Gründung eines neuen Werks im Osten von der Reichsregierung gefordert worden war28. Alle vier Baugelände wurden besichtigt und die Pläne wieder verworfen. Der Kriegsbeginn am 1. September 1939 drängte die IG jedoch zu einer weiteren Standort-Entscheidung, denn statt der geplanten drei Buna-Werke war erst eine Großanlage in Betrieb und diese konnte die deutsche Rüstungsindustrie nicht hinreichend versorgen29. Daher sah sich die deutsche Kriegswirtschaft in den Jahren 1939/1940 gezwungen, sowjetischen Naturkautschuk zu importieren. Offensichtlich lag der Produktionsstrategie der

IG eine langsame Ausweitung ihres Buna-Programms in den bereits bestehenden beiden Werksanlagen Schkopau und Hüls zugrunde, so dass sie bereits mehrmals eine Gründung des im Vierjahresplan von 1937 geforderten dritten Buna-Werks im reichsdeutschen Osten erfolgreich aufzuschieben wusste. Die zurückhaltende Politik der IG war für die nationalsozialistischen Wirtschaftsplaner jedoch nicht länger hinnehmbar. Die Militarisierung des IG- Farben-Konzerns sollte weiter vorangetrieben werden. Während die Verteilung der Anlageninvestitionen auf einzelne Arbeitsgebiete und Sparten in Bezug auf den Sektor Kautschuk im Zeitraum 1933 bis 1936 lediglich 1,9% ausmachte, stieg der Anteil im Zeitabschnitt 1937 bis 1940 explosionsartig auf 20,8% und in den darauf folgenden Jahren 1941 bis 1944 noch leicht auf 21,4% an.30 Gottfried PLUMPE zufolge stellte bereits im Jahre 1940 das Büro des Technischen Ausschusses der IG-Farben (TEA) fest, dass seit dem Einsetzen des Vierjahresplans von 1936 insgesamt etwa 80% aller Investitionen der IG mit diesem zusammenhingen.31

Peter Hayes spricht diesbezüglich in seinem zusammenfassenden Aufsatz „Die IG Farben im Nationalsozialismus“ aus dem Jahre 1998 von einer kommerziellen „Umkehrung“ nach 1936 :

„Bilanzmäßig und kurzfristig gesehen, ist diese kommerzielle Umwandlung enorm profitabel gewesen, in der Tat gewinnträchtiger als die Bilanzen aufwiesen. Wissenschaftlich oder vom langfristigen Standpunkt der internationalen Konkurrenzfähigkeit dagegen war die Tendenz mit dem Raubbau der Wirtschaft vergleichbar, und sie führte zur Verzögerung und Verzerrung der weiteren Entwicklung. Statt sich ständig auf Produkte oder Verfahren mit den besten kommerziellen bzw. technischen Aussichten zu konzentrieren, führte IG Farben zunehmend nur die dringenden Bestellungen des Regimes aus.“32

Schon nach dem Krieg gegen Polen, als die deutschen Ostgebiete nicht mehr als gefährdet betrachtet wurden, gab die IG den Reichsforderungen schließlich nach und entschied sich im Oktober 1939 für einen Standort in Schlesien33. Am 12. Oktober 1939 wurde die erste Besichtigungsreise für den Standort Buna III in Schlesien unternommen und nur einen Monat später, am 10. November 1939 ,fand die Gründungssitzung für das am östlichen Oderufer gelegene Buna-Werk III in Rattwitz ( seit 1945 : Roscislawice ), etwa 30 km nordwestlich von Breslau ( seit 1945 : Wroclaw ), statt.34 Die Entscheidung fiel auf Schlesien, obwohl die IG es eigentlich vorzog, das Buna-Werk III im Rahmen ihres Werkskomplexes Ludwigshafen zu bauen, wo man das gerade produktionsreif gewordene Reppe- Verfahren einsetzen wollte35. Anfang 1940 wurde mit den Bauarbeiten in Rattwitz begonnen36.

Im Kriegsjahr 1940 reichte die Menge von 115.000 Jahrestonnen Buna in den Fabriken Schkopau und Hüls dazu aus, die deutsche Nachfrage zu erfüllen37. Da aber die Kosten noch etwa doppelt so hoch waren wie der internationale Marktpreis für natürlichen Kautschuk, war das Produkt auf dem Weltmarkt keinesfalls konkurrenzfähig. Die Investitionen für die Herstellung von Synthesekautschuk betrugen im Zeitraum 1937 bis 1940 195,48 RM bei einem Umsatz von 100 RM und sanken im Zeitabschnitt 1940 bis 1944 auf 51,42 Reichsmark. bei 100 RM Umsatz. Während der kurzen Investitionslaufzeit der vier Buna-Anlagen in den Jahren 1938 bis 1944 ergibt sich daraus der höchste Anlagenaufwand unter den so genannten Autarkie- und Normalanlagen der IG, ein Aufwand von insgesamt 76,30 RM bei einem Umsatz von 100 RM.38

Die ökonomische Situation sowie der positive Kriegsverlauf veränderten vorläufig die Zukunftspläne der IG. Schon Anfang Juli 1940 , nur wenige Monate nach Baubeginn, zog es der Konzern in Betracht, den Bau des Buna-Werks in Rattwitz abzubrechen, da nach Meinung der IG aufgrund der politischen Lage und aufgrund der militärischen Erfolge im Krieg gegen Frankreich vom 10. Mai bis 24. Juni 1940 „eine Verlagerung der gesamten Wirtschaft nach Westen erfolgen würde und auch der baldige Besitz eines Kolonialreiches die Erstellung weiterer Bunafabriken als unzweckmäßig erscheinen ließe“39. Unter diesen Umständen, wie auch im Hinblick auf die Herstellungskosten, erschien dem Konzern der ursprünglich für Rattwitz vorgesehene Ausbau der Jahreskapazität um 60.000 Tonnen zu riskant und nicht lohnenswert40. Die Kapitulation Frankreichs am 22. Juni 1940 lieferte der IG einen überzeugenden Grund, um die Einstellung des Bauvorhabens zu ersuchen und ihre wirtschaftlichen Grundsätze zu verteidigen. Wohl kaum aus Zufall ergab im gleichen Zeitraum eine erneute Standortprüfung, dass die erforderliche Kohlebasis in Rattwitz nicht vorhanden war. Die Reichsstellen hatten ihr Interesse an einer Ausweitung der Buna-Produktion scheinbar verloren, denn die Einstellung der Bauarbeiten in Rattwitz wurde am 8. Juli 1940 genehmigt. Es wäre aber auch denkbar, dass die IG ihre offizielle Erklärung nur als Vorwand benutzte, um den ungünstigen und ungewollten Standort Rattwitz aufgeben und im Gegenzug ihre viel versprechenden Pläne für Ludwigshafen weiter verfolgen und in naher Zukunft realisieren zu können. Die IG schien offenkundig von dem Standort Rattwitz, abgesehen von ihren generellen strategischen und den von den Reichsbehörden beeinflussten Überlegungen, nicht sonderlich überzeugt gewesen zu sein, andernfalls hätte sie nicht erst nur zögerlich mit den Bauarbeiten begonnen und sich dann mit Nachdruck darum bemüht, den Standort aufzugeben um sich auf den Ausbau von Ludwigshafen zu konzentrieren.

Die Investitionen für Ludwigshafen schienen lohnenswerter, da die Lage der bereits vor Ort vorhandenen Anlagen der IG sowie die vorzügliche Infrastruktur den Aufbau eines weiteren Werks begünstigten und zweckdienlicher erscheinen ließen sowie die langfristige Profitabilität des Komplexes steigerten. Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt die Formulierung „eine Verlagerung der gesamten Wirtschaft nach Westen“ eine völlig andere Bedeutung. Durch die Tatsache, dass nach dem Sieg über Frankreich auch für Ludwigshafen alle militärischen Sicherheitsbedenken entfielen41, vergrößerten sich die Chancen der IG auf die Realisierung ihrer Pläne und auf deren zukünftige Zustimmung durch die Reichsbehörden. Neben der Existenz von Rattwitz wäre der Aufbau eines weiteren Werks in Ludwigshafen im Hinblick auf die politische Lage im Juli 1940 jedenfalls aus Gründen der Herstellungskosten und Buna-Nachfrage indiskutabel gewesen.

Der Fehlschlag der deutschen Luftoffensive gegen Großbritannien am 15. September 1940 veränderte die Situation der IG schlagartig, da die Reichsregierung nun ihre Entscheidung zurücknahm und erneut ihre Forderung nach einer weiteren Produktionsstätte geltend machte, vermutlich auch im Hinblick auf den bevorstehenden Krieg gegen die UdSSR. Im Spätsommer 1940 begann das deutsche Oberkommando der Wehrmacht (OKW), den Überfall auf die Sowjetunion vorzubereiten. Am 18. Dezember 1940 sollte die Mobilisierung des deutschen Heeres für die „Operation Barbarossa“ beginnen. Der Bedarf an Buna stieg erheblich. Die Aussicht eines lang andauernden Krieges bestärkte der Argumentation für einen erhöhten Ausstoß an Buna und erneuerte – entgegen den Kalkulationen der IG - die Forderung nach einem Ausbau des Buna- Programms im luftsicheren Osten des Reichs. Wie stark der Anteil der Anlageinvestitionen der IG auf die sieben neuen Großwerke – neben den Buna- Werken I-IV zählten hierzu noch die Photofabrik Landsberg, Moosbierbaum und die Treibstofffabrik Heydebreck – letztlich anwuchs, veranschaulichen folgende Berechnungen: Während in den Jahren 1937 bis 1940 rund 26,6% aller Investitionen für die Großwerke auf die neuen Werke entfielen, waren es in den Jahren 1941 bis 1944 bereits 60%.42 Der Ausbau der kriegswichtigen Kapazitäten wurde im Rahmen der staatlichen Industriepolitik so stark vorangetrieben, dass er sich schließlich im Vergleich zum Vierjahresplanzeitraum von 1936 bis 1940 verdoppelte43.

Am 2. November 1940 hatten sich die IG-Farben-Vorstandsmitglieder Dr. Fritz Ter Meer und Dr. Otto Ambros44 mit dem Reichswirtschaftsministerium (RWM) darauf geeinigt, die Buna-Kapazitäten auf 150.000 Tonnen pro Jahr auszubauen „und zu diesem Zweck zwei neue Buna-Werke mit einer Kapazität von je 25.000 Jato zu errichten“45. Die Standortsuche für das Werk „Buna IV“ lief an, die Neubestimmung für „Buna III“ stand noch aus. Auf mehreren Konferenzen, die schon in den Wochen zuvor einberufen worden waren, hatten sich der IG- Farben-Konzern, das OKW und das RWM auf einen akzeptablen Kompromiss geeinigt. Nur weil sich die IG bereiterklärte, das Buna-Werk IV nach den Wünschen des Reichs im Osten Deutschlands zu bauen, wurde die Baugenehmigung für das Buna-Werk III nach den Wünschen der IG im rheinländischen Ludwigshafen erteilt. Dieser Standort galt wegen der räumlichen Zusammendrängung von Industrie-Werken im Westen für die Reichsstellen erneut als militärstrategisch ungünstig46, doch setzte die IG ihre bevorzugte Standortvorstellung für das Buna-Werk III entgegen den Vorstellungen der Raumplaner des Reichsamtes für Wirtschaftsausbau gegen Rattwitz durch47. Im Rahmen der langfristigen Unternehmensstrategie der IG war der Standort Ludwigshafen für den Konzern im Gegensatz zu den militärischen Bedenken äußerst günstig: Entscheidend für Ludwigshafen waren – wie bereits angedeutet - die ausgezeichnete Infrastruktur, der bereits bestehende Werkskomplex und die für das Dreistufenverfahren benötigten Methanolkapazitäten48. Diese Standortvorteile garantierten ferner eine schnelle Fertigstellung der Anlagen, was wiederum die zügige Inbetriebnahme und gewinnbringende Produktionsaufnahme in Aussicht stellte. Tatsächlich ging die Anlage gegen Kriegsende nur teilweise in Betrieb. Insgesamt wurden von der IG 113,4 Mio. RM in Buna III investiert, was in den Jahren 1941 bis 1944 einen Anteil von 5% der IG-Investitionen auf alte und neue Großwerke ausmachte.49 Die Zusage für die Errichtung einer vierten Buna-Fabrik dagegen war problematisch, denn in Bezug auf die langfristigen Geschäftsinteressen der IG war Buna IV weder lohnenswert noch erwünscht. Die Vereinbarungen über das neue Buna-Werk IV hatten aber auch zur Folge, dass die IG auf eine weitere Expansion in Hüls verzichten musste, die nur ein Drittel von den veranschlagten Kosten für einen Standort in Schlesien gekostet hätte50.

Diese ungünstigen Grundvoraussetzungen führten schließlich dazu, dass bereits kurze Zeit später die Konzeption des Buna-Werks IV den Interessen der IG angepasst wurde: Während ein Vorteil des neuen Werks in Schlesien darin lag, den Produktionsumfang gegenüber dem für Rattwitz vorgesehenen halbieren zu können, ging die IG letztlich daran, das neue Werk als ein riesiges integriertes Chemiewerk zu konzipieren, in dem viele Produkte wegen der flexiblen Nutzung von Zwischen- und Nebenprodukten zu geringeren Kosten hergestellt würden und somit die langfristige Profitabilität des neuen Geländes zu steigern wäre51. Die IG rechtfertigte so die Investition von Mitteln, die der Konzern sonst wohl kaum eingesetzt hätte52. Der vom privatwirtschaftlichen Standpunkt aus gesehenen nunmehr langfristigen Konzeption des Buna-Werks IV kam somit eine völlig neuartige und bedeutende Rolle zu, die sich schließlich auf die Standortwahl und auf den damit verbundenen Entscheidungsprozeß auswirkte. Karl-Heinz ROTH zufolge schien das zusätzlich geforderte Buna-Werk IV für die IG nur dann akzeptabel, wenn es sich von Anfang an als Weiterentwicklung der Acetylen- und Buna-Chemie zur Kunststoffproduktion planen ließe. Seine Behauptung: „Tatsächlich weisen einige Anhaltspunkte darauf hin, dass der Abbruch des Projektes Rattwitz schon im Spätsommer 1940 mit neuen IG- Planungen zum Aufbau eines auf der Acetylen- und Äthylenchemie basierenden Kunststoffkombinats in Ost-Oberschlesien einherging“53, wäre allerdings näher zu untersuchen. Ob zu diesem Zeitpunkt die genannten Pläne mit dem Abbruch in Zusammenhang gebracht werden können, müsste in einer eigenständigen Untersuchung ebenso kritisch geprüft werden, wie die behauptete Standortangabe „Ost-Oberschlesien“. ROTHs Ansicht nach hätte sich die IG in der Standortfrage auch in Bezug auf Oberschlesien (O.S.) durchgesetzt, da sie trotz des Rückzugs aus Rattwitz intensiv daran gearbeitet hätte, im dortigen Steinkohlebergbau, der Energiewirtschaft und der Hochdruckchemie, man denke

an das Hydrierwerk Heydebreck etwa 100 km nordwestlich von Auschwitz, langfristig Fuß zu fassen54. Im Gegensatz zu Schkopau und Ludwigshafen kann jedoch im Fall Oberschlesien von einer „Durchsetzung“ in der Standortfrage keine Rede sein, selbst dann nicht, wenn man die von ROTH angeführten ökonomischen Interessen der IG berücksichtigen würde55. Erstens war der Standort Schlesien bereits vorgegeben, zweitens konnte sich die IG zwischen einer Werksgründung in Ober- und Niederschlesien frei entscheiden, und drittens wurde mit der Wahl von Auschwitz ein Standort in den eingegliederten Gebieten – genau genommen im ehemaligen Galizien – gefunden, nachdem kein günstigerer Standort, weder auf dem alten Reichsgebiet Oberschlesiens, noch in Niederschlesien ermittelt werden konnte. Die IG konnte sich der Unterstützung der Reichsbehörden prinzipiell sicher sein, da erstens deren Auflagen vereinbarungsgemäß erfüllt wurden und da zweitens die Region Oberschlesien – wie im folgenden aufgezeigt werden wird – sogar präferiert wurde.

In einem Brief vom 8. November 1940 gab das Reichswirtschaftsministerium die Instruktion, sich zur Regelung der Finanzierung und zur Auswahl des Standorts für Buna IV mit dem seit 1938 Generalbevollmächtigten für Sonderfragen der

chemischen Erzeugung in Hermann Görings Stab im Amt des Vierjahresplans (Gebechem), Professor Dr. Carl Krauch56, sowie mit dem Reichsamt für den Wirtschaftsausbau in Verbindung zu setzen57. In Übereinstimmung mit dem Vorschlag von Krauch wäre mit den Bauarbeiten bis spätestens Januar des kommenden Jahres zu beginnen58.

Die Funktion Krauchs als Vorstandsmitglied im IG-Farben-Konzern und Vorsitzenden des Aufsichtsrates der IG-Farben-Werke seit 1940 führte häufig zu der Spekulation, dass Krauch als Gebechem primär den Interessen der IG folgte, was letztlich zu der überspitzten Behauptung führte, dass die IG den Vierjahresplan bestimmt hätte. dass dies nicht der Fall war, wies Peter HAYES zweifelsfrei nach:

„Auf jeden Fall gehören die allgemein verbreiteten Behauptungen, der Vierjahresplan sei ein IG-Farben-Plan geworden oder habe eine neue Vormachtstellung der chemischen Industrie innerhalb der deutschen Wirtschaft begründet, zu den Legenden des Dritten Reichs. Erstens identifizierten sich die Angestellten, die nun für Göring arbeiteten, manchmal sogar Krauch, mehr mit ihren neuen Aufgaben als mit ihrem früheren Arbeitgeber. Zweitens fielen nur 20 bis 25 Prozent der Investitionen des Plans zwischen 1936 und 1942 der IG Farben zu, und das trotz deren zentraler Bedeutung bei der Autarkie-Kampagne. Sogar bei der Zuteilung für die chemische Industrie allein machte der Anteil der IG Farben weniger als ihr Anteil von 46 Prozent am nationalen Verkauf chemischer Produkte aus. Drittens wurde dem Konzern der Widerspruch zwischen den kurzsichtigen Anliegen des Staates und den langfristigen Geschäftsinteressen der Firma immer stärker bewusst.“59

HAYES schließt zwar nicht aus, dass Krauch in einigen Fragen zugunsten der IG intervenierte, doch ob einer Person seines Amtes zugestanden wurde, die IG- Interessen der Regierungspolitik voranzustellen, ist fragwürdig. Auch in IG- Kreisen wurde nie bestritten, dass Krauch seinen Einfluss nach Möglichkeit zugunsten der IG nutzte. Dies überrascht vor allem deshalb nicht, weil Krauch als „erster Mann der IG“ betrachtet wurde. In der Kurzbiographie von Jens Ulrich HEINE jedenfalls wird dessen Rolle wie folgt dargestellt:

„1940 Vorsitzender des Aufsichtsrates der IG Farben als Nachfolger des verstorbenen C. Bosch; H. Schmitz [Vorsitzender des Vorstands in den Jahren 1935-1945; d.Verf.] verband mit dieser Nominierung die Hoffnung, dass der zum ‚Ersten Mann der IG’ Benannte in enger Beziehung zu Göring den immer stärker werdenden Druck der NSDAP mildern könne.“60

Und an anderer Stelle heißt es bei HEINE:

„Freistellung für den Vierjahresplan Görings unter Beibehaltung seiner IG- Position und – Mandate, der Carl Bosch [Vorsitzender des Aufsichtsrates in den Jahren 1935-1940; d.Verf.] schweren Herzens, aber in der Überzeugung zustimmte, dass dieser Mann seines Vertrauens, auf den er sich voll verlassen konnte, der deutschen Chemie und der IG in dieser Funktion unter den herrschenden politischen Verhältnissen am besten dienen könne.“61

Die umstrittene Rolle Krauchs wird bei der Frage nach seiner Initiative im Häftlingsarbeitseinsatz wieder aufgegriffen werden. Für die folgende Darlegung der Ereignisse bis zur Standortwahl gilt es, seine Position im Wirtschaftsapparat des NS-Staats stets mitzubedenken.

Wie bereits erwähnt, wurde Anfang November 1940 die Standortsuche für Buna IV in Angriff genommen. Kalkulationen der Kohlereserven zeigten, dass die auszubeutenden Vorkommen der Region Oberschlesien fast doppelt so groß waren wie vergleichsweise die in der Ruhr, die tatsächliche Produktion betrug dagegen nur die Hälfte. Im Gegensatz zu Niederschlesien war ein hohes wirtschaftliches Entwicklungspotential gegeben62. Schließlich wurde bereits während der TEA-Sitzung am 1. Februar 1940 festgestellt, dass die Steinkohlevorkommen Oberschlesiens im Vergleich zum Ruhrgebiet mit einem Kostenaufwand von nur zwei Dritteln ausgebeutet werden konnten.63 In Kenntnis der Untersuchungsergebnisse konzentrierte sich die Suche der IG naturgemäß auf Oberschlesien, wie die Besichtigungsorte Mitte Dezember belegen. Die Sicherung der eigenen Kohlebasis im oberschlesischen Revier hatte oberste Priorität, denn Steinkohle war der Hauptrohstoff für die Produktionszweige der Buna-, Benzin- und Methanolsynthese. In diesem Zusammenhang beschloss der TEA bereits am 13. Dezember 1939 , also nur zwei Monate nach dem Führer-Erlass vom 8. Oktober 1939 über die Eingliederung Ostoberschlesiens, den Erwerb und Ausbau einer eigenen Steinkohlebasis in Oberschlesien.64 Doch noch ein weiterer Grund könnte für die Lokalisierung ausschlaggebend gewesen sein: HILBERG verweist zu Recht darauf, dass zu diesem Zeitpunkt ein bedeutendes Interesse des Wirtschaftsministeriums vorlag, „die eingegliederten Gebiete nicht nur verwaltungsmäßig, sondern auch wirtschaftlich und demographisch zu einem Teil Deutschlands zu machen“.65 Um diesem Interesse Nachdruck zu verleihen, wurde am 11. Dezember 1940 im Reichsgesetzblatt den Investoren von Werksprojekten in den eingegliederten Gebieten per Gesetzesbeschluss erhebliche Steuerbefreiungen gewährt.66 Dies war ein Anreiz, der den langfristigen Geschäftsinteressen des Konzerns entgegenkommen musste.

Vom 15. bis 18. Dezember 1940 konferierte Ambros mit Industriellen und Wirtschaftsexperten in Oberschlesien und besuchte eine Reihe von möglichen Standorten, darunter auch zum wiederholten Mal Rattwitz in Niederschlesien. Zu den anderen, oberschlesischen Standorten zählten Groschowitz (seit 1945 : Groszowice), südlich von Oppeln (seit 1945 : Opole), Groß-Doebern (seit 1945 : Dobrzen Wielki), nördlich von Oppeln, Emilienhof bei Gogolin, südlich von

Oppeln, und Heydebreck (seit 1945 : Kedzierzyn), südlich von Gogolin. Groschowitz und Groß-Doebern wiesen entscheidende Standortnachteile auf. Lage und Beschaffenheit der Gelände sowie die Wasserversorgung waren unzureichend. Die Eigentumsverhältnisse der Grundstücke waren kompliziert. Die Rohstofflage in Groschowitz und Emilienhof war ungünstig, da die Kohlebasis fehlte67. In die engere Wahl fielen Heydebreck und Emilienhof, das eine weniger günstige Lage vorzuweisen hatte. Das Gelände Emilienhof, welches als Flugplatz verwendet worden war, war abgelegen und machte die Unterbringung der Belegschaft in unmittelbarer Nähe schwierig. Schließlich weigerte sich der Besitzer das Grundstück zu verkaufen68. Auch der Standort Heydebreck wurde verworfen. Dies wurde etwa einen Monat später in dem Bericht vom 18. Januar 1941 über die zwei Tage zuvor stattgefunden habende Konferenz in Ludwigshafen von Ambros mit der lapidaren Begründung: „There are also numerous objections to Heydebreck“ festgehalten69. In Gogolin befand sich seit Anfang 1940 ein Zwangsarbeiterlager (ZAL) für Juden70. Für die Entscheidungsfindung in der Standortwahl in Bezug auf Heydebreck und Emilienhof spielte die Existenz dieses Lagers jedoch keine Rolle. Es wurde in keinem Dokument als Standortfaktor oder Auswahlkriterium benannt, ebensowenig wie die Belegschaft einer lokalen Haftstätte irgendeines anderen Standorts, der in die engere Wahl fiel.

Zumindest in Bezug auf Rattwitz behauptet Bernd C. WAGNER in seiner Monographie, dass die IG bei der Planung der Wiederaufnahme des Bauprojekts Zwangsarbeiter heranzuziehen in Erwägung gezogen hätte. Der Bericht über die Schlesien-Reise vom 15. bis 18. Dezember 1940 , auf den sich WAGNER in seiner Darstellung beruft, geht auf den Einsatz von Zwangsarbeitern jedoch überhaupt nicht ein71. Der entscheidende Satz, „da das im Sommer errichtete Gefangenenlager und das der Organisation Todt noch bereitstehen, könnte unmittelbar nach Eintritt milderer Witterung die Arbeit an der Baustelle aufgenommen werden“, legt ebenso gut die Vermutung nahe, dass die „noch bereitstehenden“ Lager – denn nur um diese Einrichtungen handelt es sich im relevanten Textabschnitt - zur Unterbringung der Arbeiter genutzt werden sollten. Die Unterbringung der Arbeiter vor Ort war ein größeres Problem als die Beschaffung derselben, wie aus dem Reisebericht deutlich hervorgeht. WAGNER vermutet jedenfalls, dass es sich um französische Kriegsgefangene gehandelt haben könnte. Die zeitgenössischen Untersuchungsberichte widersprechen WAGNERs Behauptung vom Mangel an Arbeitskräften bei Breslau zumindest in dem Punkt der Arbeitskräftekapazitäten und -versorgung, da aus ihnen hervorgeht, dass gerade die „Arbeitsbeschaffung“ und „Arbeiterqualität“ des Standorts Rattwitz „am günstigsten sei“.72 Es sei an dieser Stelle nur angemerkt, dass die im Fall Rattwitz angesprochene Arbeitskräftefrage im übrigen nicht als Standortfaktor bezüglich der Standort wahl , sondern - wie aus den Quellen deutlich hervorgeht - ein Standortfaktor in Bezug auf die Durchführung des Bauvorhabens war.

Die Autoren Thomas SANDKÜHLER und Hans-Walter SCHMUHL werfen in ihrem Beitrag zur Geschichte der IG Auschwitz die Frage auf, warum die IG nicht auf die Baustelle von Buna III in Rattwitz zurückgegriffen hätte, nachdem Ende November 1940 feststand, dass Buna IV in Schlesien zu errichten sei. Sie schreiben weiter:

„Plumpes nach dem Kommissionsbericht der I.G. Farben zitierte Begründung, in Rattwitz habe die ‚Nähe zur Kohle’ gefehlt, ist nicht stichhaltig, denn dieser Nachteil war der I.G. schon im Frühjahr 1940 bekannt und hat das Unternehmen nicht daran gehindert, mit den dann im Sommer 1940 abgebrochenen Bauarbeiten in Rattwitz zu beginnen.“73

Außerdem hätte, SANDKÜHLER und SCHMUHL zufolge, die IG mit dem Standortvorteil des Kalkvorkommens bei Kressendorf (Krzeszowice), 25 km von Auschwitz entfernt, nur bedingt rechnen können. Davon abgesehen, dass nicht erst Ende November , sondern schon Anfang November 1940 Schlesien als Farbenindustrie, S. 380. PLUMPEs verkürztes Zitat lautet im Original: „Während den Standorten Rattwitz, Groschkowitz bei Oppeln [sic!] und Emilienhof bei Gogolin, die ebenfalls in Erwägung gezogen wurden, ‚die Nähe zur Kohle fehlte’, gab es für den Standort Auschwitz in der etwa 18 km entfernten Fürstengrube (Wesola) ausreichend Kohle.“ PLUMPE bezieht sich wohlgemerkt nicht nur auf Rattwitz. Seine Schlussfolgerung aus dem Bericht der Kommission-K vom 30.01.1941 wird gestützt durch die Quellen NI-11784 in: NMT, Bd. VIII, S. 336 und NI-11785, Ebda, S. 343.

Standort für das Buna-Werk IV durchgesetzt wurde, und dass die von Gottfried PLUMPE zitierte Begründung nicht nur in dem einen von ihm erwähnten Dokument angeführt wird, scheinen die Autoren nicht die bereits weiter oben angeführten Umstände und den Handlungszwang berücksichtigt zu haben, unter denen zufolge der Standort Rattwitz überhaupt gewählt wurde. Ebensowenig wie im späteren Projekt Buna IV hatte die IG ein Interesse daran, ein einfaches Buna-Werk in Schlesien zu errichten. Im Fall von Buna IV änderten sich die Bedingungen erst, als das geplante Buna-Werk im Rahmen eines groß angelegten Chemie- und Zwei-Sparten-Werks errichtet werden sollte. Diese Neubestimmung veränderte die Standortanforderungen, welche im übernächsten Abschnitt angeführt werden, im Vergleich zu der schlesischen Erstkonzeption von Buna III erheblich und erforderte eine Anpassung der Standortfaktoren. Im Hinblick darauf kann es nicht verwundern, dass die IG einen günstigeren Standort zu ermitteln suchte, der ihren neuen Produktions- und Investitionsvorstellungen angemessener erschien. Die Voraussetzungen für das zweite Planungsmodell eines vierten Buna-Werks differierten erheblich zu den Bedingungen, unter denen das erste Planungs-Modell gewählt wurde. Die Wiederaufnahme der Bauarbeiten in Rattwitz ist deshalb nicht so nahe liegend wie die Autoren meinen, sie war vom privatwirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen ganz im Gegenteil dazu sogar auszuschließen. Die IG konnte des weiteren nicht mehr auf die „Baustelle“ von Buna III zurückgreifen, da das Gelände bereits eingeebnet und alle Baumaschinen abgezogen worden waren, da eine aktive Baustelle also nicht mehr vorhanden war74. Die Bauarbeiten in Rattwitz hätten wie bei jeder anderen passiven Baustelle wieder von vorne beginnen müssen. Darüber hinaus hatte sich die Lage vor Ort bis Ende 1940 dahingehend verändert, dass das Gelände nunmehr von industriellen Neugründungen eingekeilt war, die die Kapazitäten der Bauarbeiten stark eingeschränkt hätten.

ROTH zufolge habe Rattwitz in Niederschlesien wegen der hohen Frachtbelastung der von weit her zu holenden Massengüter Kohle und Kalk nicht mehr zur Diskussion gestanden, aber auch, weil der regionale Breslauer Arbeitsmarkt angeblich inzwischen durch industrielle Neugründungen erschöpft gewesen sei.75 Abgesehen von der bereits festgestellten Tatsache, dass die von ROTH behauptete schlechte Arbeitsmarktlage in Breslau gar nicht existierte, scheint es eher unwahrscheinlich, dass die Arbeiterbeschaffung bei der Aufgabe von Rattwitz zugunsten eines anderen Standorts in Schlesien eine Rolle gespielt haben sollte, waren doch in das Rattwitz-Projekt bereits Investitionen für die Bauarbeiten geflossen, welche mit Sicherheit nicht ohne maßgeblichere Gründe als Verlust verbucht wurden. Einen akzeptablen Standort unter anderem aus Gründen der Arbeiterbeschaffung in der Bauphase aufzugeben erscheint aus unternehmerischer Sicht völlig unsinnig.

Die Fehlinvestitionen in Rattwitz sollten rasch wieder gedeckt werden. Eine Standortneuwahl musste demnach in wirtschaftlicher Hinsicht viel versprechender erscheinen. Kalk und Kohle waren die wichtigsten Rohstoffe für die Produktion von Karbid, was wiederum in Buna verarbeitet wurde.76 Ohne die erforderliche Grundversorgung war die Errichtung eines neuen Buna-Werks nicht tragbar. Weniger als einen Monat nach Ambros’ schriftlicher Ausfertigung seines Berichts über die „Schlesien-Reise“ berichtete er auf der Ludwigshafener Konferenz vom 16. Januar 1941 vor Vertretern der IG und der Oberschlesischen Hydrierwerke AG (Schlesien-Benzin) folgendes:

„Breslau, which was earlier discussed as a location for Buna IV, was not taken further into consideration, because the distances from coal are too great.“77

Demnach wurde Rattwitz spätestens im Januar 1941 nicht mehr zu den bevorzugten und in die engere Wahl gezogenen Standorten gerechnet. Dieser Entscheidung widerspricht auch nicht das auf den 10. Februar 1941 datierte Dokument unter der Überschrift „Memorandum for the files concerning investigation trip to the Rattwitz site“, welches die Konferenz in Breslau am 30. Januar 1941 zusammenfasst. Aus diesem Schriftstück geht hervor, dass im Gegensatz zur IG der Regierungspräsident Dr. Kroll weiterhin an einer Entscheidung für Rattwitz interessiert war und alles zu unternehmen versuchte, um die IG von dem Standort in Rattwitz zu überzeugen. Seine Zugeständnisse an die IG konnten die Standortnachteile allerdings nicht ausgleichen. Oberingenieur Camill Santo78 von der IG Ludwigshafen schreibt in dem Protokoll diesbezüglich:

„There would be considerable disadvantages with regard to the supply of raw materials if Rattwitz were chosen as the site in preference to a place like Auschwitz, where coal and lime are much nearer.“79

Mit der Distanzierung und Verabschiedung von dem kurzzeitig wieder als Option in Erwägung gezogenen Standort Rattwitz war die Vorentscheidung für Auschwitz unter topographischen, technischen und ökonomischen Gesichtspunkten auf Seiten der IG bereits gefallen. Dennoch wurde in Breslau noch mit den lokalen Stellen über den Fall Rattwitz diskutiert. Eine Begründung für die anhaltenden Ermittlungsarbeiten und Verhandlungen wird in dem erwähnten Dokument von Santo festgehalten:

„I informed him [den Regierungspräsidenten Dr. Kroll, d. Verf.] that IG was still carrying out investigations in regard to the selection of the site, since the necessity for lowest costs made this essential“.80

Zweifellos war die IG daran interessiert, in ein allen Ansprüchen genügendes und optimales Gelände zu investieren, das alle notwendigen Kosten rechtfertigen und einen Kostenverlust wie im Falle des gescheiterten Projektes in Rattwitz verhindern würde.

Im Hinblick auf die Tatsache, dass selbst die offenkundigen Zugeständnisse des Regierungspräsidenten Dr. Kroll den Konzern nicht beeinflussen konnten und im Gegensatz dazu ausschließlich die Rohstoffbasis als Ablehnungsgrund für Rattwitz in den verfügbaren Quellen eine Rolle spielten, wird deutlich, welche dauerhaften Standortfaktoren in Bezug auf eine langfristige Entscheidung maßgeblich waren und schlussendlich bei der Standortwahl der Gemarkung Dwory-Monowitz bei Auschwitz O.S. zur Geltung kamen.

2.2 Die Standortwahl der Gemarkung Dwory-Monowitz bei Auschwitz O.S.

Im Zusammenhang mit den Verhandlungen um den Erwerb der Steinkohlebasis für das geplante Buna-Werk IV wurde noch im November 1940 eine Gruppe von Industriebauspezialisten von Ludwigshafen aus nach Oberschlesien geschickt81. Dieser Vorgang zeigt, dass die Suche nach einer geeigneten Steinkohlebasis Voraussetzung für die Standortsuche eines Werksgeländes war und zeitlich vor den Standortbesichtigungen und –erwägungen unternommen wurde. Kohleversorgung und Werksgelände waren untrennbar miteinander verknüpft, selbst wenn diese Versorgung bei der Standorterwägung im Fall von Rattwitz ungleich schwieriger war, als an anderen Orten der engeren Wahl. ROTH zufolge kreuzte sich die Gruppe der IG mit einer Expertengruppe der Mineralöl- Baugesellschaft mbH, einer Beteiligungsgesellschaft der IG. Ob ROTH damit einen Informationsaustausch miteinbezieht, geht aus seiner Darstellung jedoch nicht hervor. In seiner Schlussfolgerung gesteht er allerdings ein: „Wie und auf welchen Wegen sich die beiden Expertengruppen vor den Weihnachtstagen abstimmten, ist archivarisch noch nicht rekonstruierbar.“82 Die Annahme, dass eine Abstimmung noch vor den Weihnachtsfeiertagen überhaupt stattfand, ist allerdings strittig. Erstens gibt es weder einen Hinweis darauf, dass beide Gruppen zur gleichen Zeit die Region inspizierten, noch dass sie die gleichen Orte besichtigten. Sollte dem doch so gewesen sein, gibt es zweitens keinen Hinweis darauf, dass ein Meinungsaustausch zwischen beiden Gruppen stattgefunden hat. Daraus lässt sich ferner nicht ableiten, dass eine Abstimmung noch vor den Weihnachtsfeiertagen stattgefunden haben muss.

Am 10. Dezember 1940 konferierten die Vertreter der Mineralölfirma in Kattowitz (1922-1939 und seit 1945 : Katowice), um im Auftrag der Oberschlesische Hydrierwerke AG (Schlesien-Benzin) Bauplätze für zwei neue Hydrierwerke auszuwählen. Auf dieser Arbeitsbesprechung wurde erstmals die Gemarkung Dwory-Monowitz (Monowice) östlich von Auschwitz in Form eines

Inspektionsberichts ausführlich in Erwägung gezogen83. Daraus ist abzuleiten, dass die Inspektion des Standorts bei Monowitz durch die 30-köpfige Expertengruppe der Mineralöl-Baugesellschaft noch vor dem 10. Dezember 1940 stattgefunden haben muss. Über einen Informationsaustausch der beiden Ermittlungsgruppen im Monat November 1940 ist jedoch nichts bekannt.

PLUMPE zufolge sei die IG auf diesen Standort aufgrund einer Empfehlung der Schlesien-Benzin gestoßen84. Wann und in welcher Form diese Empfehlung gegeben worden sein soll, bleibt dagegen offen. Ambros wurde ein Auszug des Besichtigungsberichts der Mineralöl-Firma tatsächlich erst am 11. Januar 1941 zugesandt, das erste Gespräch mit Vertretern der Schlesien-Benzin ergab sich erst einen Tag zuvor, wobei PLUMPE außer Acht lässt, dass Ambros unabhängig von einer „Empfehlung“ der Schlesien-Benzin bereits drei Wochen früher selbst auf den Standort gestoßen war, und zwar im Landesplanungsamt Oberschlesien in Kattowitz.

Wie bereits erläutert, besuchte Ambros gemeinsam mit Industriellen und Wirtschaftsexperten zwischen dem 15 . und 18. Dezember 1940 eine Reihe von möglichen Standorten in Oberschlesien, doch lag darunter kein einziger Ort in Ostoberschlesien. Die Gründe dafür könnten in der Tatsache liegen, dass die Präferenz der IG offensichtlich auf den altreichsdeutschen Teil Oberschlesiens gelegt wurde und die Infrastruktur und bevölkerungspolitische Situation der eingegliederten Gebiete, insbesondere im so genannten Oststreifen, grundsätzlich vor Investitionen in dieser Region abschrecken ließen, obwohl erst eine Woche zuvor die Steuerbefreiungen in den eingegliederten Gebieten beschlossen wurden. Außerdem lag etwa ein Drittel Ostoberschlesiens und die Hälfte des „Oststreifens“ - der ehemals galizische Teil mit seinen Bezirken Saybusch, Biala, Wadowice und Chrzanow - mehr oder weniger im „industriellen Nichts“.85 Die Gegend um Auschwitz im Bezirk Biala befand sich daher nicht unter den besichtigten Orten, was darauf schließen lässt, dass Ambros von diesem Ort noch keine Kenntnis erlangt hatte. Er hat sich wohl ausobenstehenden Gründen für diese Region überhaupt nicht interessiert.86

[...]


1 Bis zur Besetzung Monowices durch die 100. Infanteriedivision des 106. Korps der 60. Armee der I. Ukrainischen Front am Vormittag des 27.01.1945 konnte die Buna-Anlage nicht mehr in Betrieb genommen werden. In Betrieb kamen dagegen auf dem Werksgelände: 1.) die Schwelerei Ende Januar 1944 , 2.) der erste Karbidofen der Buna-Anlage Ende März 1944 , 3.) die Chloranlage der Montananlage, und 4.) die Methanolanlage im Frühjahr 1944 . IfZ, Nürnberger Dokument NI-7241, Affidavit Ernst Struss vom 09.06.1947 , S.24f. [im Folgenden wird der gegenständliche Dokumentenbestand zitiert als: Nürnbg. Dok.]. CZECH, Danuta: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945 , Reinbek bei Hamburg 1989, S. 993. [ Hervorhebungen durch den Verf.: Daten, welche den Zeitraum bis zur Gründung der IG –Farbenindustrie AG in Liquidation vom 30.01.1952 betreffen, werden aus Übersichtsgründen kursiv gesetzt. Die Großschreibung der VERFASSERNAMEN soll im Folgenden das Auffinden der Literaturangaben vereinfachen sowie in der Darstellung selbst aus Übersichtsgründen der literaturkritischen Untersuchung dienen.]

2 „Buna“ ist der Handelsname für Synthesekautschuk, ein Ende der zwanziger Jahre des 20 . Jahrhunderts von Chemikern der IG-Farben aus Butadien mit Natrium als Katalysator hergestelltes Polymerisat.

3 KRAUS, Ota und Erich SCHÖN: Tovarna na smrt. Dokument o Osvetimi [Tschech.: Die Todesfabrik. Ein Auschwitz-Dokument.]. Praha 1946 , str. 23. Die Autoren, welche beide jüdische Häftlingsfunktionäre im Birkenauer Männerlager waren, stellen in ihrem frühen Bericht sogar die Behauptung auf, es sei „von der I.G. Farben zur Bedingung gemacht [worden], dass sowohl beim Bau als auch in der Produktion die Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz als Arbeitskräfte verwendet werden durften.“ KRAUS, Ota und Erich KULKA [alias SCHÖN]: Die Todesfabrik. Berlin (Ost) 1957, S. 26.

4 Siehe u.a. PANKOWICZ, Andrzej: Auschwitz im Prozess Nr. 6 gegen die IG Farben, in: Hefte von Auschwitz, H. 18 (1990), S. 312-345; RADANDT, Hans (Hrsg.): Fall 6. Ausgewählte Dokumente und Urteil des IG-Farben-Prozesses. Berlin 1970; BOWER, Tom: „Alle deutschen Industriellen saßen auf der Anklagebank“. Die Nürnberger Nachfolgeprozesse gegen Krupp, Flick und die IG Farben, in: EISFELD, Rainer und Ingo MÜLLER (Hrsg.): Gegen Barbarei. Essays. Robert M. W. Kempner zu Ehren. Frankfurt am Main 1989, S. 239-256.

5 Das Urteil im I.G. Farben-Prozess. Der vollständige Wortlaut mit Dokumentenanhang. Offenbach am Main 1948, S. 122.

6 Aufgrund der Fülle der veröffentlichten Literatur sei an dieser Stelle nur auf drei ausgewählte Beispiele hingewiesen: Vgl. das 1961 erstmals in englischer Sprache erschienene Standardwerk von Raul HILBERG: Die Vernichtung der europäischen Juden, Frankfurt am Main 1990, S. 991f. sowie Gerald REITLINGERS erstmals 1953 erschienene Studie: Die Endlösung. Hitlers Versuch der Ausrottung der Juden Europas 1939-1945 . Berlin 1956. REITLINGER vereinfacht in seiner Arbeit die Causa zu der Aussage, „dass die I.G.-Farbenindustrie in Frankfurt soeben die Bewilligung zur Errichtung einer Fabrik für synthetisches Benzin und Gummi in Oberschlesien für eine Gegend erhalten hatte, in der Arbeitskräfte aus Konzentrationslagern verfügbar waren.“ REITLINGER, Endlösung, S. 120. Vgl. u.a. auch Falk PINGELs unaktuellen Beitrag: I.G. Farben, in: Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, hrsg. von Israel GUTMAN, Bd. II, Berlin 1993, S. 633f.

7 Vgl. RENZ, Werner: IG Farben und Auschwitz. Auswahl-Bibliographie. Unveröffentlichtes Manuskript, Frankfurt am Main, o. J. [1994, laufende Aktualisierung], Sammlung Fritz-Bauer- Institut, Abteilung Dokumentation, Frankfurt am Main.

8 Vgl. vor allem die wenig stichhaltigen und tendenziösen aber weit verbreiteten und bekannten Darstellungen und Polemiken von [in chronologischer Reihenfolge]: Josiah DUBOIS: The Devil’s Chemists. 24 Conspirators of the International Farben Cartel Who Manufacture Wars. Boston 1952, Richard SASULY: IG Farben. Berlin 1952, Reimund SCHNABEL (Hrsg.): Macht ohne Moral. Eine Dokumentation über die SS. Frankfurt am Main 1957, Willi KLING: Kleine Geschichte der IG Farben – Der Großfabrikanten des Todes. Berlin 1957, KRAUS, Ota und Erich KULKA: Massenmord und Profit. Die faschistische Ausrottungspolitik und ihre ökonomischen Hintergründe. Berlin (Ost) 1963, I.G.Farben – Auschwitz – Massenmord: Über die Blutschuld der I.G.Farben. Dokumentation zum Auschwitz-Prozess. Hrsg. v. d. Arbeitsgruppe der ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz beim Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer in der Deutschen Demokratischen Republik und dem Nationalrat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland. o.O. u.J. [1965],

9 Neben den bereits erwähnten Autoren vgl. u.a. Klaus SATOR: Großkapital im Faschismus. Dargestellt am Beispiel I.G.Farben. Frankfurt am Main 1978, Peter W. SCHREIBER: IG Farben. Die unschuldigen Kriegsplaner. Profit aus Krisen, Kriegen und KZs. Geschichte eines deutschen Monopols. Stuttgart 1978, Joseph BORKIN: Die unheilige Allianz der I.G.Farben. Eine Interessengemeinschaft im Dritten Reich. Frankfurt am Main 1979. Diese Tradition wurde schließlich auch noch in den folgenden Jahren fortgesetzt, u.a. von: Otto KÖHLER: ...und heute die ganze Welt. Die Geschichte der IG Farben und ihrer Väter. Hamburg, Zürich 1986, Bernd KLEWITZ: Die Arbeitssklaven der Dynamit Nobel. Ausgebeutet und vergessen. Sklavenarbeiter und KZ-Häftlinge in Europas größten Rüstungswerken im 2. Weltkrieg, Schalksmühle 1986, Jutta DITFURTH und Manfred ZIERAN: Vergiftungen pflastern ihren Weg. Hoechst, Bayer, BASF – die IG Farben und ihre Nachfolger, in: Jutta DITFURTH und Reinhard GLASER (Hrsg.): Die tägliche legale Verseuchung unserer Flüsse, Hamburg 1987 (s. hierzu auch Werner RENZ’ Stellungnahme: Über die linke Funktionalisierung von Auschwitz, in: PflasterStrand, Nr. 300, 27.10.-09.11.1988, S.38f.), Arthur SCHNECKENBURGER: Die Geschichte des IG Farben- Konzerns. Bedeutung und Rolle eines Großunternehmens. Köln 1988, Coordination gegen Bayer-Gefahren e.V./ CGB (Hrsg.): IG Farben. Von Anilin bis Zwangsarbeit. Zur Geschichte von BASF, Bayer, Hoechst und anderen deutschen Chemie-Konzernen. Stuttgart 1995.

10 Vgl. RENZ, Auswahl-Bibliographie, S. 1-6. Eine verhältnismäßig hohe Veröffentlichungsquote ist in den Jahren 1952-53, 1956-58, 1963-65, 1968, 1977-1979 sowie 1986-89 festzustellen.

11 Dies änderte sich mit den unabhängig voneinander und zeitgleich erschienenen Forschungsergebnissen von Peter MORRIS und Peter HAYES, die im Wesentlichen zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangten: MORRIS, Peter J.T.: The Development of Acetylene Chemistry and Synthetic Rubber by I.G.Farbenindustrie Aktiengesellschaft: 1926-1945 , unveröff. Diss. Oxford 1982 und HAYES, Peter: The Gleichschaltung of IG Farben, Diss. Yale 1982. Vgl. auch PLUMPE, Gottfried: Industrie, technischer Fortschritt und Staat. Die Kautschuksynthese in Deutschland 1906-1944/45 , in: GuG, Jg. 9 (1983), H. 4, S. 564-597, und HAYES, Peter: Industry and Ideology. IG Farben in the Nazi Era. Cambridge 1987; sowie ders.: Industrie und Ideologie. Die IG Farben in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Jg. 32 (1987), H. 2, S. 124-136. In Bezug auf die Entstehungsgeschichte des IV. Buna-Werks in Auschwitz verhielt sich PLUMPE 1983 jedoch noch konform zu der „öffentlichen Meinung“ und revidierte seinen Standpunkt erst nach dem Erscheinen von HAYES’ überarbeiteten Studien aus dem Jahre 1987 mit der Veröffentlichung seiner im Jahre 1988 eingereichten Habilitationsschrift: Die I.G. Farbenindustrie AG. Wirtschaft, Technik und Politik 1904-1945 , Berlin 1990.

12 Die Kontroverse wurde durch eine Rezension von Otto KÖHLERs Buch durch Peter HAYES 1990 ausgelöst, durch eine Attacke KÖHLERs gegen Gottfried PLUMPE 1991 weitergeleitet, von dem Schlagabtausch zwischen HAYES und PLUMPE 1992 begleitet, durch Thomas SANDKÜHLERs und Walter SCHMUHLs Beitrag gegen PLUMPE 1993 weiter angeheizt, sowie durch DEICHMANNs Kritik an PLUMPE 1993 und HAYES Reaktion auf DEICHMANN 1996 ausgeweitet. S. Peter HAYES Rezension, in: ZfU, Jg. 35 (1990), H. 2, S. 130-131; Otto Köhlers Rezension: „Fälschung und Betrug“, in: Konkret, H. 6 (1991), S. 22- 25; HAYES, Peter: „Zur umstrittenen Geschichte der I.G. Farbenindustrie AG“, in: GuG, Jg. 18 (1992), H. 3, S. 405- 417; PLUMPE, Gottfried: „Antwort auf Peter Hayes“, in: GuG, Jg. 18 (1992), H. 4, S. 526-532; DEICHMANN, Hans: „Offener Brief von Hans Deichmann an Gottfried Plumpe“, in: 1999, Jg. 8 (1993), H. 4, S. 158-161; SANDKÜHLER, Thomas und Hans-Walter SCHMUHL: „Noch einmal: Die I.G. Farben und Auschwitz“, in: GuG, Jg. 19 (1993), H. 2, S. 259-267; DEICHMANN, Hans ./. Peter HAYES: „Standort Auschwitz: Eine Kontroverse über die Entscheidungsgründe für den Bau des I.G. Farben-Werks in Auschwitz“, in: 1999, Jg. 11 (1996), H. 1, S. 79-101. Die vorläufig letzten Beiträge in der Kontroverse, deren maßgeblichen Beiträge in den beiden Zeitschriften GuG und „1999“ veröffentlicht wurden, leisteten Florian SCHMALTZ und Karl Heinz ROTH: Neue Dokumente zur Vorgeschichte des I.G. Farben- Werks Auschwitz-Monowitz. Zugleich eine Stellungnahme zur Kontroverse zwischen Hans Deichmann und Peter Hayes, in: 1999, Jg.13 (1998), H. 2, S. 100-116, sowie Bernd C. WAGNERs veröffentlichte Dissertation von 1998: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941-1945 . Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz, Bd. 3, Institut für Zeitgeschichte (Hg.), München 2000, und dazu stellungnehmend Peter HAYES in: Die IG Farben im Nationalsozialismus. Vortrag, gehalten am 21.10.1998 auf der Veranstaltung „Treffen der Überlebenden von IG Auschwitz“, Frankfurt am Main, 20.-22.10.1998. Aufsatzmanuskript, Sammlung Fritz-Bauer-Institut, Abteilung Dokumentation, Frankfurt am Main. Vgl. ferner Michael ZIMMERMANNs Übernahme von HAYES’ Standpunkt in seinem Beitrag „Arbeit in den Konzentrationslagern. Kommentierende Bemerkungen“, in: Ulrich HERBERT, Karin ORTH, Christoph DIECKMANN (Hg.): Die nationalsozialistischen Konzentrationslager – Entwicklung und Struktur, Band II, Göttingen 1998, S. 734. ZIMMERMANNs Beitrag war kein Bestandteil der dieser Veröffentlichung zugrunde liegenden Konferenz vom 22.-26.11.1995 in Weimar; sowie Karin ORTHs Übernahme von HAYES Darstellung in: ORTH, Karin: Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Eine politische Organisationsgeschichte, Hamburg 1999, S. 80.

13 Als Grundlage wären hierbei PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, und Peter HAYES’ aktualisierte Zusammenfassung seiner Forschungsergebnisse in seinem Frankfurter Vortragsmanuskript zu nennen.

14 Vgl. den Antrag auf Verlesung ausgewählter Schriftstücke in der Strafsache gegen Mulka u.a. (4 Ks 2/63) vom 08.05.1964 durch den Anklagevertreter Prof. Kaul (unblattiert); sowie die Strafanzeige durch Rechtsanwalt Prof. Kaul gegen Krauch, Ambros, Bütefisch und Faust, Abschnitt Beweismittel, S. 9-11, undatierte Kopie [1966], sowie die Vermerke vom 05.02.1968 und 13.09.1968 durch Staatsanwalt Wiese beim Langericht Frankfurt am Main in der Ermittlungssache 4 Js 608/66 bezüglich der ersten und zweiten Auswertung beim Staatsarchiv in Nürnberg, Bl. 57-62 sowie Bl. 69-76, Sta Frankfurt a.M.

15 Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10, Nuernberg October 1946-April 1949 , Vol. VIII, Washington 1952/1953. [Kurztitelangabe im Folgenden: NMT, Bd. VIII]. Da die wichtigsten Quellen meist nur in dieser englischen Übersetzung veröffentlicht wurden, müssen konsequenterweise im Folgenden ausgewählte Zitate nach der Edition des NMT und nicht nach dem deutschen Original zitiert werden. Diese Entscheidung folgt dem Grundsatz des Verfassers, dass primär frei zugängliche Quellen, die wesentlich einfacher überprüft werden können, herangezogen werden sollten und erst anschließend Archivalien zitiert werden müssen.

16 Eine Ausnahme bildet hierbei lediglich ein Werk revisionistischen Hintergrunds, das in öffentlichen Bibliotheken aus unerfindlichen Gründen frei zugänglich ist und aus dem in der vorliegenden Untersuchung die relevanten eidesstattlichen Erklärungen und Vernehmungsprotokolle, welche nicht an anderer Stelle veröffentlicht wurden, zitiert werden. Die zitierten Quellen wurden vom Verfasser der vorliegenden Arbeit aus Sicherheitsgründen in allen Fällen mit dem Original abgeglichen. Es handelt sich um die im „Verlag für Volkstum und Zeitgeschichtsforschung“ erschienene Veröffentlichung des mehrfach wegen Volksverhetzung vorbestraften Verlegers Udo WALENDY: Auschwitz im IG-Farben-Prozess. Holocaustdokumente? Vlotho/Weser 1981. Es drängt sich jedoch unumgänglich die Frage auf, warum die in dem erwähnten revisionistischen Werk zur Veröffentlichung gelangten bedeutenden Dokumente mehr als 50 Jahre nach ihrer Entstehung noch immer nicht von seriösen Historikern oder Juristen herausgegeben wurden und durch die einzige öffentliche Zugänglichkeit in dem Werk bekennender Nationalsozialisten in den Verdacht der Unglaubwürdigkeit und politischen Propaganda geraten müssen.

17 Strafsache gegen Mulka u.a. (4 Ks 2/63) sowie Ermittlungssache 4 Js 608/66.

18 WAGNER, IG Auschwitz, bzw. seine im WS 1997/98 an der Fakultät Geschichtswissenschaften der Ruhr-Universität Bochum bei Prof. Dr. Norbert Frei eingereichte Dissertation sowie SCHMALTZ/ROTH, Stellungnahme und HAYES, Vortrag (aktualisierte Zusammenfassung der früheren Veröffentlichungen HAYES’ zur Geschichte der IG Farben, sowie Stellungnahme zu WAGNER und SCHMALTZ/ROTH).

19 Hayes, Vortrag, S. 9.

20 Zur Organisation der IG-Farben vgl. das Schaubild in HAYES, Industry, Appendix E (NI- 10042). Vgl. auch Tabelle 84 in HILBERG, Vernichtung, S. 988 in Bezug auf die Zuständigkeitsbereiche.

21 PLUMPE, GuG (1983), S. 589.

22 PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, S. 595. Im Zeitraum 1941-1944 sanken die Investitionen auf nur 7%.

23 Ebda, S. 607.

24 PLUMPE, GuG (1983), S. 590.

25 PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, S. 595. Im Zeitraum 1941-1944 sanken demgegenüber die Investitionen der IG auf nur 5,7%.

26 Ebda, S. 607.

27 HAYES, Vortrag, S. 6.

28 HAYES, Peter: „Die IG Farben und die Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen im Werk Auschwitz“, in: Hermann KAIENBURG (Hrsg.): Konzentrationslager und deutsche Wirtschaft. Opladen 1996, S. 132 f. PLUMPE, GuG (1983), S. 591. PLUMPE, I.G.-Farbenindustrie, S. 379. Vgl. auch die Buna-Anteile in der Verteilung der Staatlichen Finanzmittel in der IG bei: PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, S. 599.

29 PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, S. 378.

30 Ebda, Tabelle: Verteilung der Anlageninvestitionen auf Arbeitsgebiete, S. 593.

31 Ebda, S. 593.

32 HAYES, Vortrag, S. 6.

33 HAYES, Zwangsarbeit, S. 133. Vgl.: PLUMPE, GuG (1983), S. 591.

34 SCHMALTZ/ ROTH, Stellungnahme, S. 108. Die Besichtigungsreise fand in Niederschlesien statt und nicht, wie irrtümlicherweise von SCHMALTZ und ROTH behauptet, in Oberschlesien. Affidavit Ernst Struss vom 09.06.1947, Nürnberger Dokument NI-7241, S. 21, 24. Struss lokalisiert den Ort fälschlicherweise südlich von Breslau. Vgl. den auf der Umschlaginnenseite abgedruckten Plan in: STEINBACHER, Sybille: „Musterstadt“ Auschwitz. Germanisierungspoltik und Judenmord in Ostoberschlesien. Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz, Bd. 2, Institut für Zeitgeschichte (Hg.), München 2000.

35 PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, S. 379.

36 HAYES, Zwangsarbeit, S. 133. PLUMPE, GuG (1983), S. 591 zufolge schon im Winter 1939/ 40 ( in PLUMPE, I.G.-Farbenindustrie, S. 379 in die Zeitangabe „ Frühjahr 1940 “ revidiert), nach der Aussage Ambros’ erst im April 1940 : NMT, Bd. VIII, S. 731.

37 HAYES, Zwangsarbeit, S. 133.

38 PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, S. 594. Abzüglich der Investitionen für das vierte Buna-Werk in Auschwitz, welches erst gar nicht in Betrieb genommen werden konnte, ergibt sich immerhin noch ein Anlagenaufwand von 60 RM bei 100 RM Umsatz. Ebda.

39 Buna-Erzeugung 1940/41 , Bericht vom 12.12.1941 , zitiert nach ROTH, Karl Heinz: „I.G. Auschwitz. Normalität oder Anomalie eines kapitalistischen Entwicklungssprungs?“ in: Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur (Hrsg.): „Deutsche Wirtschaft“. Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen für Industrie und Behörden. Hamburg 1991, S. 80. Vgl. HAYES, Zwangsarbeit, S. 133.

40 HAYES, Zwangsarbeit, S. 133.

41 PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, S. 379.

42 PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, vgl. die Tabellenangaben auf S. 595.

43 Vgl. die Tabelle: Entwicklung ausgewählter Produktion der IG 1928-1943 , in: Ebda, S. 602.

44 Dr. Fritz ter Meer (1884-1967) war außerdem Mitglied des Zentralausschusses, Vorsitzender des Technischen Ausschusses (TEA), Leiter der Sparte II (zuständig u.a. für die Erzeugung von Buna) und Geschäftsführer der Buna-Werke GmbH. Er wurde im Nürnberger IG-Farben-Prozess am 29.07.1948 zu sieben Jahren Haft verurteilt. Unter Anrechnung der Untersuchungshaft seit dem 07.06.1945 wurde er im Jahre 1952 aus der Haft entlassen. Im Jahre 1953 veröffentlichte ter Meer sein Buch: Die I.G. Farben Industrie Aktiengesellschaft. Ihre Entstehung, Entwicklung und Bedeutung. Düsseldorf 1953. Vgl. Urteil, S. 17 sowie Jens Ulrich HEINE: Verstand und Schicksal. Die Männer der I.G.Farbenindustrie A.G. (1925-1945 ) in 161 Kurzbiographien. Weinheim, New York, Basel, Cambridge 1990, S. 108f. Dr. Otto Ambros (1901-1991) war außerdem Mitglied des TEA, Verantwortlicher für den gesamten Buna-Sektor der IG und stellvertretender Geschäftsführer der Buna-Werke GmbH. Er wurde im IG-Farben-Prozess am 29.07.1948 zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Unter Anrechnung von Ambros Untersuchungshaft vom 17.01.-01.05.1946 und seit dem 13.12.1946 wurde er 1952 nach fünf Jahren frühzeitig aus der Haft entlassen. Vgl. Urteil, S. 10 sowie HEINE, Verstand & Schicksal, S. 172f.

45 ROTH, I.G. Auschwitz, S. 80.

46 PLUMPE, GuG (1983), S. 591.

47 Durchsetzungsvermögen zeigte die IG schon bei der Planung der ersten Großversuchsanlage: Nachdem auf Wunsch der Reichskanzlei im September 1935 zuerst dem Standort Piesternitz zugesagt wurde, erreichte die IG schließlich eine Baugenehmigung für ihre Versuchsanlage in Schkopau. PLUMPE, GuG (1983), S. 584.

48 Ebda, S. 591. Zur Fabrikorganisation der IG-Farben vgl. Tabelle 85 in HILBERG, Vernichtung, S. 990.

49 PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, S. 595.

50 NMT, Bd. VIII, S. 336: NI-11784.

51 Vgl. den Überblick von Anteilen der IG an ausgewählten Chemieprodukten 1938-1943 , in: PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, S. 605.

52 HAYES, Zwangsarbeit, S. 134.

53 ROTH, I.G. Auschwitz, S. 91, Anm. 6.

54 Ebda, S. 80.

55 Vgl.: BAB, R 8128, A 1984, 10. Baubesprechung IG-Werk Auschwitz am 26.08.1941 , S. 82. ROTHs fragwürdige Argumentation in dieser Hinsicht weiter auszubauen war Sinn und Zweck des gemeinschaftlichen Beitrags „Neue Dokumente zur Vorgeschichte des I.G. Farben-Werks Auschwitz-Monowitz“ von ROTH und SCHMALTZ aus dem Jahre 1998. Vgl. diesbezüglich S. 104f. und Peter HAYES’ abschließende Stellungnahme dazu in „Die IG Farben im Nationalsozialismus“, Vortrag, S. 10f.

56 Prof. Krauch (1887-1968) war IG-Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrates der IG-Farben- Werke. Er wurde am 29.07.1948 im IG-Farben-Prozess zu sechs Jahren Haft verurteilt. Unter Anrechnung von Krauchs Hausarrest seit Sommer 1945 und seiner Untersuchungshaft seit dem 03.09.1946 wurde er 1950 nach fünf Jahren frühzeitig entlassen. Vgl. Urteil, S. 15 sowie HEINE, Verstand & Schicksal, S. 98f.

57 Zur Stellung Krauchs vgl. Tabelle 5 in HILBERG, Vernichtung, S. 63.

58 NMT, Bd. VIII, S. 331: NI-11781. Im Januar 1941 begannen jedoch nicht die geplanten Bauarbeiten, sondern erst die Verhandlungen mit der Mineralöl-Baufirma über das Gelände bei Auschwitz. Das festgelegte Datum und die entstandene Verspätung könnten in der Tat den Verlauf und das Tempo der Verhandlungen in den Wochen bis zur Gründungssitzung beeinflusst haben.

59 HAYES, Vortrag, S. 6.

60 HEINE, Verstand & Schicksal, S. 99. HEINE war Prokurist und Stabsleiter des Geschäftsbereichs Fasern der Bayer AG in Leverkusen.

61 Ebda.

62 VAN PELT, Robert-Jan und Deborah DWORK: Auschwitz. Von 1270 bis heute. Frankfurt am Main, Wien 1999, S. 220f. Vgl. auch Werner RÖHR: Zur Rolle der Schwerindustrie im annektierten polnischen Oberschlesien für die Kriegswirtschaft Deutschlands von 1939-1945 , in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Bd. 4 (1991), S. 9f.

63 SCHMALTZ/ ROTH, Stellungnahme, S. 106.

64 Ebda, S. 108.

65 HILBERG, Vernichtung, S. 991.

66 Ebda, mit Bezug auf das RGBl. I, 1505 vom 11.12.1940 .

67 PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, S. 380.

68 HAYES, Zwangsarbeit, S. 134.

69 NMT, Bd. VIII, S. 336: NI-11784.

70 WEINMANN, Martin (Hrsg.): Das nationalsozialistische Lagersystem (CCP), Frankfurt am Main 1990, S. 643.

71 Nürnbg. Dok. NI-11110: Bericht zu ersten Schlesien-Reise vom 15.-18.12.1940 . Vgl. WAGNER, IG Auschwitz, S. 53, Anm. 75; S. 41.

72 Nürnbg. Dok. NI-11110, S. 7. Vgl. WAGNER, IG Auschwitz, S. 42.

73 SANDKÜHLER/SCHMUHL, GuG (1993), S. 260 mit Bezug auf PLUMPE, I.G.

74 NMT, Bd. VIII, S. 732: Extracts from Testimony of Defendant Ambros.

75 ROTH, I.G. Auschwitz, S. 81 mit Bezug auf den Bericht über eine Fahrt nach Schlesien vom 15.-18.12.1940 , S. 7 (NI-11110). S. auch den Widerspruch von ROTHs These im Vgl. zur Schlussfolgerung des Berichts, dass der „Standort Rattwitz vor allem wegen der Arbeitsbeschaffung und der Arbeiterqualität am günstigsten sei“. WAGNER, IG Auschwitz, S. 42.

76 VAN PELT/ DWORK, Auschwitz, S. 220.

77 NMT, Bd. VIII, S. 336: NI-11784.

78 Santo war Leiter der IG-Bauabteilung in Ludwigshafen.

79 NMT, Bd. VIII, S. 343: NI-11785.

80 Ebda.

81 ROTH, I.G. Auschwitz, S. 81.

82 Ebda.

83 NMT, Bd. VIII, S. 334: NI-11783.

84 PLUMPE, I.G. Farbenindustrie, S. 380.

85 Vgl. die Karte der Provinz Oberschlesien in: STEINBACHER, Musterstadt, Umschlaginnenseite.

86 Vgl. die ausgewiesenen Landkreise der Karte in: BROSZAT, Martin: Nationalsozialistische Polenpolitik 1939-1945. Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Bd. 2, Institut für Zeitgeschichte (Hg.). Stuttgart 1961.

Ende der Leseprobe aus 129 Seiten

Details

Titel
Standortwahl Auschwitz
Untertitel
Die Rolle des KL Auschwitz im Entscheidungsfindungsprozess der IG-Farben für die Standortfrage des Buna-Werks IV
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
129
Katalognummer
V120776
ISBN (eBook)
9783640243365
ISBN (Buch)
9783640246540
Dateigröße
1487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Standortwahl, Auschwitz
Arbeit zitieren
M.A. Andreas Kilian (Autor:in), 2002, Standortwahl Auschwitz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120776

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