Die folgenden Gedanken gelten der diskreten Präsenz des Vaters in einer
gewaltsamen, aus ödipalen und zugleich prä-ödipalen Elementen bestehenden
Urszenen-Phantasie, die ROSINE JOZEF PERELBERG bei gewalttätigen
Patienten aufgedeckt und im Rahmen einer psychoanalytischen Theorie
der Gewalt formuliert hat.1 Demnach agieren die Betroffenen als
gewalttätiges Verhalten eine „Kern-Phantasie“ (core phantasy) aus, die Perelberg
für den Ursprung der Gewalttätigkeit hält und die in etwa die gewaltsame
Selbsterzeugung des Betroffenen mit der Mutter zum Inhalt hat,
also eine Art prä-ödipal verschärfter Ödipus-Komplex ist.
Mit diesem Konstrukt der Kern-Phantasie untermauert Perelberg GLASSERs
Gedanken eines „Kern-Komplexes“2 und erweitert die darin ausgeführte Paradoxie
(widersprüchliches Verhalten und Empfinden als Ausdruck der
Sehnsucht nach und Angst vor der prä-ödipalen Mutter), um die analoge
Paradoxie gegenüber dem Vater, der für die Betroffenen zumindest emotionell,
wenn nicht auch räumlich abwesend (war)3. Denn auf den zweiten Blick bemerkt man die diskrete Präsenz des abwesend anwesenden Vaters
in den Aktionen der Patienten und daher auch in der Kern-Phantasie. Die
Kern-Phantasie schließt den Vater explizit aus und implizit ein. Das ist nicht
Perelbergs explizite Theorie, sondern es wird impliziert, wenn man z.B. an
FREUDs Analyse des WOLFSMANNs denkt.4 Diesem Aspekt der Perelbergschen
Theorie soll im folgenden nachgegangen werden.
1 Perelberg, Rosine Jozef: A core phantasy in violence; in
Psychoanalytic Understanding
of Violence and Suicide, edited by Rosine Jozef Perelberg; London, Routledge
1999
2 Perelberg, Rosine Jozef; Seite 104
3 Ebd.
4 Über die analoge Phantasie beim WOLFSMANN bemerkt FREUD:“Er wünschte sich
in den Mutterleib zurück, nicht um dann einfach wiedergeboren zu werden, sondern
um dort beim Koitus vom Vater getroffen zu werden, von ihm die Befriedigung
zu bekommen, ihm ein Kind zu gebären.“
Freud, Sigmund; Aus der Geschichte einer infantilen Neurose. In: Freud, Sigmund;
Studienausgabe, Bd. VIII. Zwei Kinderneurosen, Frankfurt/Main, Fischer, 1982
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung und Fragestellung
- Gewalt und Triangulierung
- Die Kern-Phantasie
- Der Wortlaut
- Die Implikation: der abwesend anwesende Vater
- Exkurs 1: Mutter-(Vater)Mord/DAS OMEN
- Exkurs 2: Leibfeindschaft
- Die Spuren des abwesend anwesenden Vaters
- Gewalt, Triangulierung und der abwesend anwesende Vater
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die diskrete Präsenz des Vaters in der „Kern-Phantasie“ (core phantasy), die Rosine Jozef Perelberg bei gewalttätigen Patienten aufgedeckt hat. Die Arbeit analysiert, wie die Abwesenheit des Vaters in der emotionalen und/oder räumlichen Sphäre die Kern-Phantasie prägt und zu gewalttätigem Verhalten führt.
- Die Rolle des abwesend anwesenden Vaters in der Kern-Phantasie
- Die Auswirkungen der fehlenden Triangulierung auf die Entwicklung von Gewalt
- Die Kern-Phantasie als Ausdruck von prä-ödipalen und ödipalen Konflikten
- Die Ambivalenz der Beziehung zwischen dem Betroffenen und der Mutter
- Die Bedeutung von Gewalt als Ausdruck der Sehnsucht nach und der Angst vor der prä-ödipalen Mutter
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den theoretischen Rahmen der Arbeit dar. Kapitel 2 analysiert die Verbindung zwischen Gewalt und der fehlenden Triangulierung, wobei das Konzept der „Kern-Phantasie“ eingeführt wird. Kapitel 3 befasst sich mit der Kern-Phantasie und der Implikation des abwesend anwesenden Vaters, wobei zwei Exkurse die Thematik vertiefen. Kapitel 4 untersucht die Spuren des abwesend anwesenden Vaters in der Kern-Phantasie, während Kapitel 5 die Verbindungen zwischen Gewalt, Triangulierung und der Präsenz des abwesend anwesenden Vaters beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Gewalt, Triangulierung, Kern-Phantasie, abwesend anwesender Vater, prä-ödipale Konflikte, ödipale Konflikte, Mutter-(Vater)Mord, Leibfeindschaft, Selbst-Erzeugung, Sadomaso-Szenario, Objekt der unendlichen Liebe und des abgrundtiefen Hasses.
- Arbeit zitieren
- Jose Franco-Pereira (Autor:in), 2000, Die diskrete Präsenz des abwesend anwesenden Vaters in PERELBERGs Konzept der Core Phantasy, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12090