Das Motiv des gemeinen Nutzens im Lalebuch


Seminararbeit, 2001

21 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einführung

II. Inhaltliche Zusammenfassung

III. Entwicklung der Narrheit

IV. Alle gemeinsam oder Jeder für sich ?
a. Das Motiv des gemeinen Nutzens
b. Der gemeinsame Eigennutz
c. Vom Gemeinnutzgedanken zum Egoismus

V. Gemeiner Nutz vs. Gemeiner Schaden

VI. Abschlussbetrachtung

VII. Literaturverzeichnis
a. Primärliteratur
b. Sekundärliteratur

I. Einführung

In dem Grundkurs „Narrenfigurationen in der Literatur des Spätmittelalters“ beschäftigten wir uns mit den verschiedenen Formen der Narrheit in besonderen und berühmten Werken dieser Epoche. Dazu zählten unter anderem Iwein, Lancelot und Tristan, aber auch die Narren von Brants „Narrenschiff“. Den Inhalt eines Seminars bildete das Thema „Alle gemeinsam oder Wie aus Weisen Narren werden“. Die Grundlage dieser Diskussion fanden wir im „Lalebuch“, einer 1597 erstmals gedruckten Schwanksammlung, die sich bis heute im Original und in vielen Bearbeitungen großer Beliebtheit erfreut. Die Geschichte der Lalen hat mich besonders fasziniert und angesprochen und ich möchte mich deshalb im Folgenden näher mit ihr auseinandersetzen.

Um den Text später genau untersuchen zu können, gebe ich zunächst eine kurze inhaltliche Zusammenfassung. Meinen Schwerpunkt werde ich jedoch auf das Motiv des Gemeinen Nutzens, das sich durch das gesamte Werk zieht, legen. Da das Streben nach diesem Nutzen eng mit der angenommenen Narrheit der Lalen verbunden ist, möchte ich zuvor allerdings die Entwicklung der Narrheit erläutern.

Außerdem hoffe ich, eine Antwort auf die Frage zu finden, inwieweit es sich bei den Anstrengungen der Lalen um Aktionen zum Wohle aller handelt, oder ob es vielleicht doch manchmal eher der Gedanke des Eigennutzes ist, der sie zu ihren Taten anspornt.

Beim Lesen des Textes kann man auch erkennen, dass aus dem erwünschten Nutzen schnell und oft eher ein großer Schaden für die ganze Lalengemeinschaft entsteht. Ich möchte versuchen, diesen Gegensatz darzulegen und zu klären, in welchem Maße der Nutzen oder Schaden im Vergleich mit der Narrheit steigt beziehungsweise sinkt.

Stützen werde ich mich in meinen Erläuterungen hauptsächlich auf die Artikel von Werner Röcke, Hans Joachim Behr und Fritz Stroh, (und natürlich auf „Das Lalebuch“ in der Ausgabe von 1998, herausgegeben von Stefan Ertz), die wie alle anderen Hilfsmittel genauer im Literaturverzeichnis angegeben sind.

I. Inhaltliche Zusammenfassung

Die Schwanksammlung „Das Lalebuch“, über deren Verfasser und Zugehörigkeit zu einer Gattung Forscher und Wissenschaftler bis heute streiten, berichtet vom „Schicksal einer Stadtgemeinde“[1]. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen keine einzelnen Helden, sondern die relativ anonymen Mitglieder einer ganzen Gruppe, der Lalengemeinschaft.

Die Vorfahren der Lalen waren einst in Griechenland wegen ihrer besonderen Weisheit bekannt und als Berater an den Fürstenhöfen tätig. Nachdem sie jedoch nur Undank ernten, fliehen sie aus ihrem Heimatland und lassen sich in einer fremden Umgebung als Bauern nieder. Damit zerstören sie die Einheit aus Naturgabe und Stand und verletzen so eines der wichtigsten Gesetze des Mittelalters, das Stefan Ertz wie folgt formuliert : „Du sollst deinen Stand nicht verlassen !“[2] An ihre Nachkommen vererben sie zweierlei; zum Einen ihre besondere Gabe der Weisheit, zum Anderen jedoch auch den Stand des Bauern. Die Lalen als weise Bauern haben nun ein schweres Los anzutreten und nur zwei Möglichkeiten, die göttliche Ordnung wiederherzustellen:

„Erstens den Verzicht auf den Bauernstand zugunsten der Weisheit;

zweitens den Verzicht auf die Weisheit zugunsten des Bauernstandes.“[3]

Doch für welche Lösung sie sich auch entscheiden, in beiden Fällen verletzen sie die Ordnung, die nur von Gott und dem König bestimmt und auch wieder aufgehoben werden kann. Das Scheitern dieser Gemeinschaft und der unglückliche Ausgang der Geschichte sind somit vorauszusehen.

Trotzdem folgen die Lalen erneut dem Ruf der Fürsten und nehmen ihre Aufgabe als Berater an. Schon bald aber bekommen sie einen Brief der Frauen, in dem diese von den Schwierigkeiten auf dem Hof und in der Erziehung der Kinder berichten und ihre Männer gleichzeitig auffordern, sich „also bald vnd vnuerzogenlich auff[zu]machen / vnd heim [zu] kehren“[4]. Als die Lalen die Probleme und Misserfolge auf ihren eigenen Höfen erblicken, beschließen sie nach langer Beratschlagung, die Weisheit zugunsten der Narrheit aufzugeben, um so der Beratertätigkeit zu entgehen und sich nur noch um die Aufgaben eines Bauern kümmern zu können. Nach dieser Einleitung, die sich über sechs Kapitel erstreckt, schließt sich nun die eigentliche „Narration“[5] an.

Im jetzt folgenden Hauptteil, der sich in drei mal sieben Kapitel aufteilen lässt, wird von der wachsenden Narrheit der Lalen berichtet. Die Geschichten bauen aufeinander auf und gehen teilweise über mehrere Kapitel. So erzählen die ersten sieben Kapitel des Hauptteils vom Bau des Rathauses und den damit verbundenen Schwierigkeiten. Hier lassen sich anfangs noch Anzeichen der einstmals vorhandenen Weisheit erkennen, denn das Rathaus soll ja als Versammlungs- und Beratungsort dienen. Im Laufe der Zeit nimmt jedoch die Narrheit immer mehr zu und die Geschichte erreicht ihren Höhepunkt in dem Moment, als der Kaiser den Lalen schriftlich in einem „Freyheit Brieues“[6] ihre neue Lebensart bestätigt und ihnen gestattet, so närrisch fortzufahren.

In dem sich anschließenden Schlussteil reihen sich einzelne Episoden und Erlebnisse der Lalebürger aneinander, ohne einen inhaltlichen Zusammenhang aufweisen zu können. Der Schaden, den sie durch ihre eigentlich gutgemeinten Taten hinnehmen müssen, wird immer größer und endet nicht selten sogar mit dem Tod eines Lalen.

Die Geschichte erfährt ihr jähes Ende, als die Lalen aus Angst vor einem „Maußhund“[7], der angeblich „Vieh vnd Leut“[8] frisst, das Haus, in dem er sich aufhält, anzünden und so nach und nach ihr ganzes Dorf verbrennen. Danach bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihr Vaterland zu verlassen und sich „an vil orten nider“[9] zu lassen.

II. Entwicklung der Narrheit

Die Lalen haben von ihren Ahnen aus Griechenland viele Gaben und Tugenden, unter anderem die besondere Weisheit geerbt. Den hohen Wert dieser Naturgabe erkennt man sofort daran, dass sie gleich zu Beginn der Geschichte gelobt und mit den erhellenden Eigenschaften des Lichtes geschmückt wird. Die Kaiser, Könige und Fürsten erfahren von der „vortreffliche[n] Weyßheit“[10] der Lalen, weil sie sich wie „ein so herrliches Liecht [...] nicht leichtlich verbergen leßt / sondern allzeit herfür leuchtet / vnd seine straln von sich wirfft“[11]. Von dieser Gabe beeindruckt, rufen sie sie zu sich an den Hof.

Heinz-Günter Schmitz stellt in seinem Aufsatz „Consuetudo und simulatio“ die These auf, dass diese anfängliche Bereitschaft der Lalen, ihre Weisheit in die Dienste der Fürsten und Mächtigen zu stellen, „im Grunde der Anfang ihrer Torheit ist“[12]. Sie müssen sich dadurch mit fremden Interessen beschäftigen und können ihre eigentlichen Aufgaben nicht mehr erkennen und wahrnehmen.

Als sie schließlich auf Drängen ihrer Frauen hin wieder nach Hause kommen, stellen sie fest, dass sie nicht gleichzeitig im öffentlichen Leben an den Fürstenhöfen und in ihrem privaten Umfeld tätig sein und für Ordnung sorgen können. Nach langer Beratung fassen sie den Entschluss, „das Licht ihrer Weisheit [...] unter den Scheffel der Narrheit zu stellen“[13] und die Welt von ihrer Narrheit zu überzeugen, um so nicht mehr für die Rolle der Fürstenberater in Frage zu kommen.

Bereits an der ersten „Amtshandlung“ in ihrer neuen Narrheit, dem Bau des Rathauses, bemerkt man die anfänglich noch teilweise vorhandene Weisheit. Das Rathaus, als Ort, an dem man sich versammelt, über Probleme diskutiert und beratschlagt, ist für Narren eigentlich völlig überflüssig, doch für die Lalen ist es ein wichtiger Bestandteil des Dorfes. Sie beginnen mit der Errichtung und sind an dieser Stelle der Ereignisse „noch so weitsichtig“[14], dass sie um das benötigte Baumaterial wissen. Doch schon jetzt sagt der Erzähler voraus, dass „jhr[e] Weißheit algemach als ein Liecht abnemmen und außgehn“[15] wird. Die ständig weniger werdende Weisheit wird kurze Zeit später deutlich, als die Lalen in ihr neues Rathaus einziehen und es drinnen „gantz vnd gar finster“[16] ist.

[...]


[1] Theiß, Winfried (Hrsg.): Schwank. 1985. S. 17

[2] Ertz, Stefan : Aufbau und Sinn des Lalebuchs. 1965. S. 22

[3] Ebd. S. 23

[4] Das Lalebuch. Hrsgn. von Stefan Ertz. 1970. S. 24

[5] Ebd. S. 31

[6] Lalebuch. S. 105

[7] Ebd. S. 135

[8] Ebd. S. 136

[9] Ebd. S. 138

[10] Lalebuch. S. 14

[11] Ebd. S. 15

[12] Schmitz, Heinz-Günter: Consuetudo und simulatio. 1973. S. 138

[13] Ebd. S. 129

[14] Lalebuch. S. 35

[15] Ebd.

[16] Ebd. S. 42

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Motiv des gemeinen Nutzens im Lalebuch
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Seminar : Narrenfigurationen in der Literatur des Spätmittelalters
Note
1,6
Autor
Jahr
2001
Seiten
21
Katalognummer
V12091
ISBN (eBook)
9783638180757
Dateigröße
608 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Motiv, Nutzens, Lalebuch, Seminar, Narrenfigurationen, Literatur, Spätmittelalters
Arbeit zitieren
Stefanie Kahl (Autor:in), 2001, Das Motiv des gemeinen Nutzens im Lalebuch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12091

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