Herzog Carl August (1757-1828) und seine Bedeutung für den Weimarer Hof


Examensarbeit, 2008

52 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Einleitung

Herzog Carl August von Sachsen-Weimar zählt wohl zu den bedeutendsten deutschen Fürsten des 18. und 19. Jahrhunderts, da er Politik und Geschichte nicht nur auf regionalem, mitunter aber auch auf europäischem Parkett, mitprägte.

In dieser Arbeit soll die These im Vordergrund stehen und verifiziert beziehungsweise falsifiziert werden, dass Carl August während seiner Regentschaft entscheidend bei der Gestaltung der deutschen und europäischen Politik mitgewirkt hat und damit sein Weimarer Fürstentum nicht nur innenpolitisch konsolidieren konnte, sondern auch außenpolitisch an Kontur gewann.

Seiner Rolle als Erbprinz musste Carl August bereits von Anfang an gerecht werden, wie auch Volker Ebersbach feststellte[1]. Auch wenn die Regierungsaufgaben zunächst interimistisch von seiner Mutter, Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar, übernommen wurden, wurde der junge Prinz bereits frühzeitig auf seine spätere Rolle als regierender Herzog des Fürstentums Sachsen-Weimar vorbereitet. Im hinführenden Kapitel wird die Bedeutung der Rolle Carl Augusts als Erbprinz analysiert, denn sein Vater Ernst August II. Constantin starb bereits zwei Jahre nach seiner Geburt. Graf Johann Eustachius von Görtz zu Schlitz[2] hatte hierbei einen prägenden Einfluss auf den jungen Carl August, ebenso wie Christoph Martin Wieland und Johann Wilhelm Seidler, der auf Empfehlung von Anna Amalias Vater Karl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel am Weimarer Hof angestellt wurde[3].

Nach dem Tod des Weimarer Herzogs Ernst August II. Constantin im Jahr 1758 musste Anna Amalia als Herzogin von Sachsen-Weimar und Mutter des minderjährigen Erbprinzen Carl Augusts ihrer Bezeichnung als „regierende Herzogin“ gerecht werden und die obervormundschaftliche Regierung für ihren Sohn interimistisch übernehmen. Anfangs war die ebenfalls noch junge Herzogin kaum in der Lage, ihre neue verantwortungsvolle Aufgabe auszuführen, hatte aber in den Landesständen und dem Geheimen Consilium, aber auch in ihrer Braunschweiger Familie, hilfreiche Unterstützer und Mitregenten. Die Herzogin verstand sich stets als Herrscherin im Namen ihres Sohnes und weniger als „erste Dienerin des Staates“. Die Krönung der obervormundschaftlichen Regentschaft Anna Amalias sollte jedoch die Vermählung ihres ältesten Sohnes Carl August darstellen, die nach einer erfolgreichen Kavalierstour der weimarischen Prinzen Carl August und Constantin erfolgen sollte, wie weiterführend beschrieben wird.

Im dritten Kapitel wird die Regentschaft des Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar, die am 3. September 1775, am 18. Geburtstag des Prinzen, begann, anhand ausgewählter Schwerpunkte untersucht. Dabei werden zunächst die Voraussetzungen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation beschrieben, welche als nicht unwesentlich für die weitere politische Entwicklung des Herzogs angesehen werden müssen. Ausgangspunkt bildet dabei das Friedenswerk des Westfälischen Friedens von 1648, welcher für das deutsche „Volk ein nationales Unglück“[4] bedeutete, wie Fritz Dickmann ausführt. Ebenfalls bedeutend für die Entwicklung des Weimarer Fürstentums zur Zeit Carl Augusts ist die Phase des Siebenjährigen Krieges, die jedoch in die vormundschaftliche Regentschaft Anna Amalias fiel. Als ein Fürstentum des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war Sachsen-Weimar zur Stellung eines Truppenkontingents für die Reichsarmee verpflichtet, ein Faktum, das später auch für Herzog Carl August von Interesse sein wird.

Im Jahr 1775, als Carl August als unerfahrener Neuling auf dem diplomatischen Parkett[5] die Regentschaft des Herzogtums Sachsen-Weimar antrat, befand sich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation bereits in einem fortschreitenden Verfallsprozess. Entscheidend für Carl Augusts politisches Handeln im 18. Jahrhundert ist jedoch seine Rolle im deutschen Fürstenbund; die Gründung des Bundes stellte einen Versuch dar, sich in der vielstimmigen deutschen Politik als Fürst zu empfehlen[6]. Anschließend werden Aspekte des äußerst gespaltenen Verhältnisses des Weimarer Fürsten zum französischen Kaiser Napoleon erläutert und einzelne Hintergründe dazu ausgehend von den Koalitionskriegen untersucht.

Maßgebend bei dieser Arbeit sollen nicht nur politische Aspekte im Leben Herzog Carl Augusts sein, zu berücksichtigen sind auch die kulturellen Hintergründe des Weimarer Hofes. Entscheidend hierbei ist das enge und vertraute Verhältnis des Regenten zu Johann Wolfgang von Goethe.

Abschließend wird untersucht, inwieweit Carl August persönlich für das Herzogtum Sachsen-Weimar bedeutend war.

Als Zeitgenosse bietet Johann Wolfgang von Goethe eine gute Überlieferung des Wirkens des Herzogs Carl August[7]. So ist die Korrespondenz des Herrschers und des Dichters bis heute überliefert.

Im 19. Jahrhundert wurde das gesamte Hausarchiv der Fürstenfamilie zu Sachsen-Weimar von vermeintlich kompromittierenden Stücken gesäubert[8], so dass heute insgesamt nur wenige persönliche Quellen vom Wirken des Regenten, auch vom Wirken seiner Mutter Anna Amalia, zeugen.

Tümmler[9] betrachtet in seiner sehr ausführlichen Biografie, die sich auf vorangegangene Ausführungen von Andreas[10] bezieht, vorwiegend die politischen Aspekte im Leben und Wirken Carl Augusts. Insbesondere die Deutschlandpolitik und die Außenpolitik, welche sich nicht nur auf andere Fürstentümer bezieht, des Herzogs stehen hierbei im Vordergrund. Jedoch wird die Biografie Tümmlers auch kritisiert und als „längst überholter Erkenntnisstand“ bezeichnet[11]. Die Biografien von Ebersbach[12] und Klauß[13] scheinen möglicherweise ebenfalls etwas veraltet, bieten aber dennoch einen guten Überblick und Einblick in das persönliche und politische Leben des Weimarer Regenten Carl August. Fligge[14] bietet in seinem Vortrag aus dem Jahr 2007 einen aktuellen Überblick, bezieht sich aber dennoch auf oben genannte, auch für diese Arbeit verwendete Biografien.

Crämer[15] behandelt in der Forschung schwerpunktmäßig die Auseinandersetzung mit der Rolle Carl Augusts und seinem Wirken im Deutschen Fürstenbund, bei den vorgenannten Biografen nimmt dieses Kapitel nur eine eher marginale Rolle ein.

„Wir haben es bei der Lebensgeschichte Carl Augusts mit einer durchaus anständigen und markanten Fürstenlaufbahn zu tun […].“[16]. Der nachfolgende Text hat den Anspruch, die Regentschaft des Weimarer Herzogs in ihren wichtigsten Punkten nachzuzeichnen, Gedanken zum Wesen und Wirken Carl Augusts herauszukristallisieren und die Leistungen des Herzogs ein Stück weit zu würdigen.

2. Jugend und Erziehung

Am 3. September 1757 wurde Carl August als erster Sohn des Herzogs Ernst August II. Constantin zu Sachsen-Weimar und seiner Gemahlin Anna Amalia geboren[17]. Die Erbfolge des Hauses Sachsen-Weimar war durch die Geburt des Prinzen gesichert, denn wäre Ernst August II. Constantin ohne einen männlichen Nachkommen gestorben, wären seine Fürstentümer Weimar und Eisenach an seine konkurrierenden Verwandten Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg oder an Herzog Franz Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld gefallen[18].

2.1 Carl August als Erbprinz

Als am 19. Januar 1748 Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar, der Großvater Carl Augusts, starb, hinterließ er als Waisenkind den damals elfjährigen Erbprinzen Ernst August II. Constantin (geboren 1737), Carl Augusts Vater, sowie einen stark verschuldeten Staat. Über die Vormundschaft für den minderjährigen Prinzen verhandelte man nicht nur vor dem Reichshofrat in Wien, sondern auch auf dem Reichstag in Regensburg[19]. Die Vormundschaft[20] über Ernst August II. Constantin wurde sowohl von Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1699–1772) als auch von Herzog Franz Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1697–1764) beansprucht. Am 17. September 1749 wurde schließlich ein Vergleich geschlossen, der bestimmte, dass Franz Josias von Coburg die vormundschaftliche Regierung in Weimar, Friedrich III. von Gotha hingegen jene des mit Weimar verbundenen Fürstenhauses Eisenach führen sollte[21].

Ernst August II. Constantin war jedoch so häufig krank, dass man seinen baldigen Tod befürchtete und daher in Weimar beschloss, möglichst rasch die Volljährigkeitserklärung, die „venia aetatis“[22], durch den Kaiser in Wien für ihn zu erhalten und ihn dadurch zu einer Heirat zu ermutigen, die am 16. März 1756 mit Anna Amalia von Braunschweig-Wolfenbüttel erfolgte. Der Herzog, physisch wie psychisch schwach[23], konnte während seiner zweieinhalbjährigen Regierungszeit[24] keine deutlichen Persönlichkeits- und Herrscherkonturen entwickeln – und damit seinen Sohn nicht selbst auf dessen späteres Amt vorbereiten.

Als Ernst August II. Constantin am 28. Mai 1758 starb, war sein Sohn, der Erbprinz Carl August knapp zwei Jahre alt und konnte demzufolge die Regierung selbst nicht übernehmen[25]. In diesem jungen Alter wird Carl August als kleiner Erwachsener behandelt[26], soll er doch einmal das traditionsreiche Herzogtum Sachsen-Weimar regieren: Die Erziehung des jungen Prinzen ist bereits auf seine spätere Aufgabe ausgerichtet[27]. Schon im Alter von fünf Jahren weiß Carl August, dass er einmal die Regierung übernehmen wird und dann „generös“ sein muss: man schärft ihm immer wieder ein, dass er mit Untergebenen nicht allzu familiär verkehren dürfe[28]. Tümmler erkennt in dem jungen Herzog und Erbprinz Carl August vom problematischen Großvater vererbte Züge seiner Wesensart[29], betont aber gleichzeitig den mütterlichen Einfluss der braunschweigischen Herzogin Anna Amalia auf Carl August[30].

2.2 Erziehung des Prinzen

Die Erziehung des Prinzen Carl August lag seit 1761 in den Händen des Grafen Johann Eustachius von Görtz zu Schlitz. Das gute Einvernehmen, das der Graf mit seinem Schützling Carl August herzustellen vermochte, erregte allerdings das Misstrauen der Herzogin Anna Amalia: sie glaubte, der Graf habe den Charakter ihres Sohnes verdorben[31]. Als Korrektiv hatte die Herzogin 1772 als zweiten Erzieher den Schriftsteller Christoph Martin Wieland[32] engagiert, der auf den jungen Herzog Carl August beschwichtigend einwirkte und „in ihm den Glauben an die sanfte Kraft der Humanität pflanzte“[33]. Weitere Erzieher und Lehrer, wie Gotthold Ephraim Heermann, Ernst Wilhelm Wolf, Johann Carl Albrecht, Johann Adam Aulhorn, Johann Friedrich Loeber und Johann Ernst Heinsius, spielten eine eher sekundäre Rolle[34].

Auch die Landesstände, die als Mitregenten während Anna Amalias obervormundschaftlicher Regierungszeit[35] betrachtet werden können, behaupteten während dieser Zeit ein grundsätzliches Kontrollrecht bei der Erziehung des minderjährigen Prinzen Carl August, die sie als Landessache ansahen[36]. So entstand beispielsweise im Jahr 1763 eine Diskussion darüber, ob die Prinzen gegen die Pocken[37] geimpft werden sollten oder nicht, bei der auch die Stände mit einbezogen wurden, denn „die von Gott geschenkten Prinzen [gehören] nicht alleine Ihro hochfürstl.en Durchl., sondern auch in gewißermaaße dem ganzen Lande zu.“[38].

2.2.1 Johann Wilhelm Seidler

Auf Empfehlung ihres Vaters Karl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel holte die Herzogin Anna Amalia zu Sachsen-Weimar im Frühjahr 1761 vom Braunschweiger Carolinum einen bürgerlichen Gymnasiallehrer und lutherisch-pietistischen Theologen nach Weimar, der von Karl I. als „un meuble très utile“ bezeichnet wird: Johann Wilhelm Seidler[39]. Der Theologe Seidler empfiehlt sich mit der Denkschrift „Entwurf der Unterweisung und Erziehung des Durchlauchtigen Erbprinzen Herrn Herzogs Carl[40] vom 20. April 1761 bestens für die Phase der fürstlichen Bildung, der in etwa einer heutigen Vorschulbildung entspricht[41]. Ebersbach vermutet, dass Seidler die 1755 erschiene Schrift „Theorie von den natürlichen Trieben“ eines Johann Friedrich Scholz, die zusammenfasst, was man um die Mitte des 18. Jahrhunderts unter aufgeklärter Psychologie versteht, als Vorbild für die seinige genommen hat[42].

Johann Wilhelm Seidler lehrte den jungen Prinzen elementare Kenntnisse der evangelischen Religion, wie das Beten und die zehn Gebote, ebenso wie die Grundbegriffe nach Luthers Katechismus und August Hermann Franckes Schriften. Er übte mit Carl August bereits früh das Lesen und Schreiben, Zählen und Rechnen.

Der Einfluss Seidlers auf den Prinzen Carl August war aber trotz einiger entscheidender Prägungen durch den Erzieher insgesamt nur wenig nachhaltig.

2.2.2 Johann Eustachius Graf von Görtz zu Schlitz

Da Johann Wilhelm Seidler dem sprunghaften Temperament des jungen Carl August nicht gewachsen war, suchte seine Mutter Anna Amalia nach einer energischeren Hand[43]. Graf Johann Eustachius von Görtz zu Schlitz hatte in einem Schreiben vom 31. Oktober 1759 bereits den Wunsch geäußert, wieder nach Weimar kommen zu dürfen[44].

Anna Amalia holt für die Einstellung des Grafens erst die Zustimmung ihres Vaters ein und erklärt sich am 4. Mai 1761 in einem Schreiben an das Geheime Consilium: „Endlich blieb ich beim Grafen Görtz stehen und glaube von ihm versichern zu können, dass er Christ ist, ein Mann von Ehre und Rechtschaffenheit, sicherlich das erste Erfordernis für alle Ämter, ganz besonders für das des Erziehers.“[45] Das Geheime Consilium stimmt der Wahl Anna Amalias zu und am 3. September 1761 wird Görtz als Kavalier der Prinzen sowie als Hof- und Legationsrat in Weimar angestellt[46].

Für Carl August begann am 27. April 1762 nach Anweisungen, die noch Seidler ausgearbeitet hat, ein regulärer Unterricht bei seinem Prinzenerzieher Graf Görtz. Der Lehrplan des Erbprinzen war umfangreich: Schönschreiben, Zeichnen, Musizieren und Tanzen, Fechten und Reiten gehörten ebenso dazu wie die höheren Disziplinen Geschichte, Erdkunde, Mathematik, Französisch und Latein sowie schöngeistige Literatur[47].

In halbjährlichen Berichten an die Herzoginmutter Anna Amalia legt Görtz in einer Art Tagebuch über die Fortschritte und Ergebnisse seiner Bemühungen Rechenschaft ab[48]. Das eigene Leben des Grafen bleibt jedoch während dieser Zeit außen vor: „Ich opfere dem theuersten Prinzen meine besten Jahre auf, ich entsage allen übrigen Vergnügungen der Welt, dem zärtlichen und mir so angenehmen Umgang mit den Meinigen, mit meinen Freunden, um mich völlig meiner Pflicht zu widmen.[49]

Görtz versucht als Anhänger Jean Jacques Rousseaus und Johann Bernhard Basedows die Prinzen im Sinne der Aufklärung „natürlich“ zu erziehen, ihr Lernen spielerisch zu gestalten, sie durch „Realienkunde“, körperliche Übungen und Handarbeit zu einer praxisnahen Weltsicht zu führen[50]: „Das Vorzüglichste, was man tun kann, ist, dass man sie fähig mache, sich für sich selbst unterrichten zu können; dass sie, wenn es ihnen nicht mehr anständig seyn kann, von andern abzuhängen, alsdann ihr eigener Herr seyn können.“[51] Jedoch setzt Görtz nicht alle von Basedow entwickelten Ideen um, so hält er beispielsweise die Auffassung für gefährlich, ein Prinz brauche nicht mehr zu lesen und zu schreiben, als für die Einhaltung dieser Fähigkeit nötig, er könne sich ja vorlesen lassen und diktieren; das, meint Görtz, mache einen Prinzen abhängig von kleinen und gering denkenden Menschen: „Das Lesen ist ja der edelste Zeitvertreib, und wie nöthig haben auch Fürsten edeln Zeitvertreib.“[52] Auch die von Basedow angeregte Verschonung von Strafen lehnt Graf Görtz ab, denn auch Prinzen müssten gehorchen.

Görtz brachte neben einem Hauch von Weltläufigkeit[53] auch fromme Gesinnung, sittliches Verantwortungsgefühl und den pädagogischen Idealismus des erziehungsgläubigen Zeitalters mit in das Amt ein[54]. Sein Streben war es, den möglichst vollkommenen Fürsten, den wahrhaften Volksbeglücker heranzubilden, was er im spätabsolutistisch-patriarchalischen Sinne verstand.

2.3 Vormundschaftsregierung Anna Amalias (1759–1775)

Die junge braunschweigische Prinzessin Anna Amalia erhielt bereits durch ihre Heirat mit Ernst August II. Constantin am 16. März 1756 die Bezeichnung „regierende Herzogin“ von Sachsen-Weimar-Eisenach, zunächst ohne jedoch einen politischen Einfluss zu haben[55]. Ihr Mann Ernst August II. Constantin starb sehr jung am 28. Mai 1758[56], so dass Anna Amalias Vater Karl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel interimistisch die Landesadministration in Sachsen-Weimar übernahm[57]. Ernst August II. Constantin hatte in einem handschriftlichen Testament verfügt, dass seine Frau Anna Amalia sofort die „venia aetatis[58] für sich beantragen und anschließend die Vormundschaft über ihren minderjährigen Sohn Carl August und auch die alleinige Landesadministration erhalten sollte[59]. Jedoch zweifelte man die Legitimität der Weimarer Vormünderin wegen der politisch brisanten Verbindungen zwischen Braunschweig und Preußen[60], aufgrund der Minderjährigkeit Anna Amalias und der voraussichtlichen Dauer der Vormundschaft von mindestens sechzehn Jahren an[61]. Von Anna Amalia als interimistische Regentin wurde vor allem die „Bildung eines in sich wenn auch nicht räumlich, so doch ideell und administrativ einheitlichen Staatswesens aus mehr oder weniger zufällig zusammengewürfelten Fetzen ursprünglich selbständiger, dann aber durch angemaßte Rechte stärkerer Nachbarn okkupierter und fremd verwalteter Territorien“[62] erwartet. Denn erst die Lösung dieser Aufgabe sollte die spätere Entwicklung Weimars zu einem Zentrum eigenwilliger kleinstaatlicher Reichspolitik unter Carl August ermöglichen. Anna Amalia schrieb über diese angespannte Zeit: „In meinem 18ten Jahr fing die größte Epoche meines Lebens an. Ich wurde zum zweytenmahl Mutter[63], wurde Wittib (Witwe, d.A.), Obervormünderin und Regentin.“[64].

[...]


[1] Ebersbach, Volker, Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Goethes Herzog und Freund, Köln Weimar Wien 1998, S. 34 [Im Folgenden kurz: Ebersbach, Carl August].

[2] Auch wenn Graf Johann Eustachius von Görtz zu Schlitz von der Herzogin selbst zum Erzieher des Prinzen bestellt wurde, hatte Anna Amalia stets ein angespanntes Verhältnis zu dem Grafen, da sie glaubte, er habe den Charakter ihres Sohnes verdorben. Berger, Leonie und Joachim, Anna Amalia von Weimar. Eine Biographie, München 2006, S. 96f [Im Folgenden kurz: Berger, Biographie].

[3] Ebersbach, Carl August, S. 46.

[4] Dickmann, Fritz, Der Westfälische Friede, Münster 1972 [Im Folgenden kurz: Dickmann, Friede].

[5] Klauß, Jochen, Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Fürst und Mensch. Sieben Versuche einer Annäherung, Weimar 1991, S. 56 [Im Folgenden kurz: Klauß, Fürst].

[6] Ebd.; Fligge, Jörg, Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und Goethe. Eine Lebensfreundschaft mit Höhen und Tiefen, Lübeck 2007, S. 14 [Im Folgenden kurz: Fligge, Lebensfreundschaft].

[7] So berichtet Goethe etwa in „Dichtung und Wahrheit“ über sein erstes Gespräch mit Carl August. Goethe, Johann Wolfgang von, Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, Dritter Teil, Fünfzehntes Buch, S. 209f, in: Goethes Werke in zwölf Bänden, 9. Band, Berlin Weimar 1981 [Im Folgenden kurz: Goethe, Dichtung und Wahrheit]. Goethes Werk ist seine zwischen 1808 und 1831 entstandene Autobiographie, in der der Dichter seine Erlebnisse aus den Jahren 1749 bis 1775 darstellt. Zu beachten ist, dass die Schilderungen mitunter reiner Dichtung, und weniger den Tatsachen entsprechen.

[8] Berger, Biographie, S. 9.

[9] Tümmler, Hans, Carl August von Weimar, Goethes Freund. Eine vorwiegend politische Biographie, Stuttgart 1978 [Im Folgenden kurz: Tümmler, Carl August].

[10] U.a. Andreas, Willy, Carl August von Weimar. Ein Leben mit Goethe 1757–1783, Stuttgart 1953.

[11] So etwa bei Bauer, Joachim; Müller, Gerhard, „Des Maurers Wandeln, es gleicht dem Leben“. Tempelmaurerei, Aufklärung und Politik im klassischen Weimar Rudolstadt Jena 2000, S. 17.

[12] Ebersbach, Carl August.

[13] Klauß, Fürst.

[14] Fligge, Lebensfreundschaft.

[15] Crämer, Ulrich, Carl August von Weimar und der Deutsche Fürstenbund 1783–1790, Wiesbaden 1961 [Im Folgenden kurz: Crämer, Fürstenbund].

[16] Tümmler, Carl August, S. 345.

[17] Vergleiche dazu u.a. Klauß, Fürst, S. 21; Günzel, Klaus, Das Weimarer Fürstenhaus. Eine Dynastie schreibt Kulturgeschichte, Köln Weimar Wien 2001, S. 33 [Im Folgenden kurz: Günzel, Fürstenhaus]; Ebersbach, Carl August, S. 25; Tümmler, Carl August, S. 11.

[18] Vergleiche zu den dynastischen Verbindungen Henkel, Gabriele; Otte, Wulf, Herzogin Anna Amalia – Braunschweig und Weimar. Stationen eines Frauenlebens im 18. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums 79, hg. von Gerd Biegel), Braunschweig 1995, S. 24.

[19] Vergleiche Huschke, Wolfgang, Politische Geschichte von 1572–1775. Die weimarischen Nachfolgestaaten, in: Patze, Hans; Schlesinger, Walter (Hg.), Geschichte Thüringens, Band 5,1,1, Köln Wien 1982, S. 251-388, hier S. 304 [Im Folgenden kurz: Huschke, Politische Geschichte].

[20] Zur Vormundschaft über Ernst August II. Constantin (1748–1756) und dessen Regierung (1756–1758) vergleiche Mentz, Georg, Weimarische Staats- und Regentengeschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Carl Augusts, Jena 1936, S. 32-38 [Im Folgenden kurz: Mentz, Regentengeschichte]; Huschke, Politische Geschichte, S. 367-374.

[21] Scheel, Günter, Braunschweig-Wolfenbüttel und Sachsen-Weimar in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – Dynastische, politische und geistige Beziehungen, in: Raabe, Paul (Hg.), Wolfenbütteler Beiträge. Aus den Schätzen der Herzog August Bibliothek, Band 9, Wiesbaden 1994, S. 1-30, hier: S. 4f [Im Folgenden kurz: Scheel, Beziehungen].

[22] Seemann, Annette, Anna Amalia. Herzogin von Weimar, Frankfurt am Main Leipzig 2007, S. 32 [Im Folgenden kurz: Seemann, Herzogin].

[23] Vergleiche Tümmler, Carl August, S. 11.

[24] Die Regierungszeit Ernst Augusts II. Constantin dauerte vom 29. Dezember 1755 bis zum 28. Mai 1758.

[25] Zur interimistischen Regierung seiner Mutter Anna Amalia vergleiche Kapitel 2.3 dieser Arbeit.

[26] Ebersbach, Carl August, S. 34.

[27] Vergleiche zur Erziehung des Erbprinzen Carl August Kapitel 2.2 dieser Arbeit.

[28] Ebersbach, Carl August, S. 34.

[29] Tümmler, Carl August, S. 12. Der von 1707–1748 das Land Sachsen-Weimar regierende Herzog Ernst August gehörte zu den unerfreulichsten unter den zahlreichen Regenten, die das Haus Wettin hervorgebracht hat: Als der Typus absolutistischer Selbstherrlichkeit, prachtliebend, ausschweifend, verschwenderisch, lieblos und unbeherrscht, rau in seinen Umgangsformen bis zur Rohheit, leidenschaftlich, in seinen nicht ganz abzuleugnenden Kulturbestrebungen eher derbprimitiv als wirklich kunst- und geistbeflissen, übertrieben jagdlustig, zu unmäßiger Soldatenspielerei neigend, im ganzen nicht ohne psychopathische Züge – so lebt Ernst August fort in Geschichtsschreibung wie lokaler Überlieferung. Vergleiche zu Ernst August auch Andreas, Carl August.

[30] Anna Amalia hat den Lebensweg ihres Sohnes Carl August noch bis zu dessen 51. Lebensjahr begleitet.

[31] Berger, Biographie, S. 96f.

[32] Christoph Martin Wieland, welcher seit 1769 als Professor der Philosophie an der Universität des kurmainzischen Erfurt lehrte, wurde von Anna Amalia 1772 als weiterer Prinzenerzieher verpflichtet. Am 17.7.1773 beginnt Wieland seine Arbeit am Weimarer Hof. Vergleiche dazu Günzel, Fürstenhaus, S. 54-57; Tümmler, Carl August, S. 16.

[33] Günzel, Fürstenhaus, S. 63.

[34] Vergleiche dazu Ebersbach, Carl August, S. 50f.

[35] Zur obervormundschaftlichen Regierungszeit Anna Amalias vergleiche Kapitel 2.3 dieser Arbeit.

[36] Berger, Aufgeklärte Herzogin, S. 258.

[37] Die Pocken waren besonders in der Frühen Neuzeit ein Grund für die hohe Kindersterblichkeit. Die Impfung mit Kuhpocken wurde erst 1796 entwickelt, bis dahin wurden Impfungen mit dem Eiter aus Pusteln von erkrankten Menschen vorgenommen. Die Impfung kam also einer Infektion gleich und löste stets eine Pockenerkrankung aus.

[38] Dekret Anna Amalias an die Landschaften von Weimar (22.6.1763), von Jena (4.7.1763) und von Eisenach (8.11.1763); ThHStAW A 840a, Bl.11, 12, 21 (Konzept), zitiert nach Berger, Biographie, S. 68.

[39] Ebersbach, Carl August, S. 46; Tümmler, Carl August, S. 15.

[40] Zitiert nach Ebersbach, Carl August, S. 47.

[41] Ebersbach, Carl August, S.47.

[42] Ebd.

[43] Ebd.

[44] Görtz stand zu dieser Zeit in Gothaischen Diensten, war aber bereits in Weimar als Regierungsassesor tätig. Auch er kommt ursprünglich vom Braunschweiger Carolinum.

[45] Anna Amalia an das Geheime Consilium Weimar, 4.5.1761 (Original französisch), zitiert nach Ebersbach, Carl August, S. 48.

[46] Tümmler, Carl August, S. 15.

[47] Tümmler, Carl August, S. 15.

[48] Berger, Biographie, S. 72.

[49] Zitiert nach Ebersbach, Carl August, S. 50.

[50] Ebd. S. 51.

[51] Zitiert nach ebd.

[52] Ebd. S. 52.

[53] Görtz war am Braunschweiger Carolinum sowie an den Universitäten Leiden und Straßburg ausgebildet worden und durch gewisse Missionen bereits mit der Diplomatenwelt vertraut.

[54] Tümmler, Carl August, S. 15.

[55] Berger, Joachim, Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739–1807). Denk- und Handlungsspielräume einer „aufgeklärten“ Herzogin, Heidelberg 2003, S. 231 [Im Folgenden kurz: Berger, Aufgeklärte Herzogin].

[56] Vergleiche zum Tod von Ernst August II. Constantin u.a. Salentin, Ursula, Anna Amalia. Wegbereiterin der Weimarer Klassik, Köln Weimar Wien 32001, S. 28 [Im Folgenden kurz: Salentin, Anna Amalia]; Berger, Aufgeklärte Herzogin; Seemann, Herzogin S. 39. Ernst August II. Constantin hatte im Jahr 1755 die Regierung des Fürstentums Sachsen-Weimar übernommen.

[57] Vergleiche zur Obervormundschaftsregierung Karls I. u.a. Berger, Aufgeklärte Herzogin, S. 62-64; Salentin, Anna Amalia, S. 29-31.

[58] Am 15. Juni 1758 beantragte Anna Amalia gemäß Kodizill bei Kaiser Franz I. die Volljährigkeitserklärung. Vergleiche dazu Berger, Aufgeklärte Herzogin, S. 235-237.

[59] Salentin, Anna Amalia, S. 30.

[60] Anna Amalia war die zweitälteste Tochter Herzog Karls I. von Braunschweig-Lüneburg und der Prinzessin von Preußen und Schwester Friedrichs II., Philippine Charlotte. Vergleiche dazu Scheel, Beziehungen, S. 3.

[61] Eine weibliche vormundschaftliche Regierung war in den ernestinischen Herzogtümern wie in anderen Häusern durchaus üblich. Vergleiche dazu: Huschke, Politische Geschichte, S. 515-525; Berger, Aufgeklärte Herzogin, S. 237-239.

[62] Hahn, Karl-Heinz, Die Regentin und ihr Minister. Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar und Eisenach und der Minister Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch, in: Raabe, Paul (Hg.), Wolfenbütteler Beiträge. Aus den Schätzen der Herzog August Bibliothek, Band 9, Wiesbaden 1994, S. 69-81, hier, S. 72 [Im Folgenden kurz: Hahn, Regentin und Minister].

[63] Anna Amalia gebar am 8. September 1758 ihren zweiten Sohn, Prinz Constantin

[64] Anna Amalia, Autobiographisches Fragment, GSA 36/VII, 18, zitiert nach: Wahl, Volker, „Meine Gedanken“. Autobiographische Aufzeichnung der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar. „Andenken“ und „Grabinschrift“, in: Raabe, Paul (Hg.), Wolfenbütteler Beiträge. Aus den Schätzen der Herzog August Bibliothek, Band 9, Wiesbaden 1994, S. 99-122, hier: S. 108 [Im Folgenden kurz: Wahl, Meine Gedanken].

Ende der Leseprobe aus 52 Seiten

Details

Titel
Herzog Carl August (1757-1828) und seine Bedeutung für den Weimarer Hof
Hochschule
Universität Leipzig
Note
2,5
Autor
Jahr
2008
Seiten
52
Katalognummer
V120976
ISBN (eBook)
9783640250493
ISBN (Buch)
9783640749843
Dateigröße
661 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herzog, Carl, August, Bedeutung, Weimarer
Arbeit zitieren
Maria Moeßner (Autor:in), 2008, Herzog Carl August (1757-1828) und seine Bedeutung für den Weimarer Hof, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120976

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