Theorie und Praxis von Straßenbenutzungsgebühren am Beispiel der Londoner Congestion Charge


Hausarbeit, 2005

22 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Einleitung

Die wachsende Verkehrsbelastung in Großstädten ist ein nicht zu unterschätzendes Problem. Hohe Verkehrsdichte, ständige Staus, Lärmentwicklung und starke Luftverschmutzung stellen nicht nur eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität dar, sondern führen auch zu einem beträchtlichen Effizienzverlust für die Wirtschaft einer Stadt. Sie verschwenden Energie und Millionen Arbeitsstunden und machen die City für Kunden und Firmen unattraktiver. Von daher ist es für betroffene Städte unverzichtbar, ihren Straßenverkehr zu reduzieren oder zumindest effektiver zu steuern. Eine von vielen Ökonomen favorisierte Methode ist dabei die Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren. In London, dessen Innenstadt unter besonders hoher Verkehrsbelastung zu leiden hatte, wurde mit der Congestion Charge im Februar 2003 erstmals in Europa eine solche Gebühr eingeführt.[1]

Ziel dieser Arbeit ist, die empirische Stichhaltigkeit und praktische Anwendbarkeit der theoretischen Grundlagen von Straßenbenutzungsgebühren am Beispiel Londons zu überprüfen, um die Möglichkeiten und etwaige Grenzen dieser Form der Verkehrspolitik aufzuzeigen. Hierzu werde ich in Kapitel 2 zunächst die Ausgangslage vor Einführung der Gebühr darstellen und kurz auf die historischen und ökonomischen Ursachen der Londoner Verkehrsproblematik eingehen. In Kapitel 3 werden ich die theoretischen Grundlagen von Straßenbenutzungsgebühren darstellen und erläutern. Dabei werde ich in 3.1. die ökonomischen Zusammenhänge erläutern, um in 3.2. die in der Theorie zu erwartenden Effekte zu beschreiben und die mögliche Funktionsweise eines Gebührensystems darzustellen. Kapitel 4 behandelt die Londoner Congestion Charge. In 4.1. werde ich zunächst auf die Funktionsweise des Londoner Systems eingehen, während 4.2. der Beschreibung der bisherigen Auswirkungen dient. In Kapitel 5 werde ich schließlich die Ergebnisse der Londoner Praxis den theoretischen Annahmen aus Kapitel 3 gegenüberstellen. Hierbei wird von Interesse sein, inwieweit die getroffenen Maßnahmen den Empfehlungen der Wissenschaft entsprechen und ob die empirischen Ergebnisse die theoretischen Vorhersagen tatsächlich untermauern. Außerdem werde ich auf die mögliche Anwendbarkeit von Straßenbenutzungsgebühren über London hinaus eingehen.

2. Die Londoner Verkehrsproblematik

Central und Inner London leiden in einem wesentlich höheren Maße unter Staus und verstopften Straßen als der Großraum London insgesamt, besonders während des morgendlichen und abendlichen Berufsverkehrs (Mayor of London 2004, S. 4). Diese extreme Verkehrsbelastung wurde vor allem in den Neunzigern von der Londoner Öffentlichkeit als das drängenste Problem der Stadt angesehen und war das beherrschende Thema in den Londoner Lokalmedien. Von daher verwundert es nicht, dass die im Mai 2000 wieder eingerichtete Londoner Stadtverwaltung (Greater London Authority (GLA)) die Bewältigung der Verkehrsproblematik als ihr vorrangiges Aufgabengebiet definierte (Nissen 2002, S. 84).

Die Entstehung dieses Problems reicht allerdings weiter zurück. Durch den Strukturwandel vom Verarbeitenden Gewerbe zur Dienstleistungsökonomie und die daraus resultierende zunehmende räumliche Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz kam es zu verstärktem Pendelverkehr zwischen der Innenstadt und den umliegenden Bezirken. So stieg der Pkw-Bestand in London von 1981 bis 1995 um 20% sowie bis 2003 um weitere 15%, während die durchschnittliche Geschwindigkeit im morgendlichen City-Berufsverkehr von 12,2 mph (1980) auf 9,9 mph (2000) sank (Tfl 2005b, S. 41). Neben dem Pkw-Verkehr trug jedoch auch der ÖPNV zur desolaten Verkehrssituation bei. Viele Schienen, Tunnel und Züge waren in einem schlechten Zustand, die Stationen renovierungsbedürftig, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der U-Bahnen verschlechterten sich zusehends. Auch Busse boten keine lohnenswerte Alternative zum Auto, da sie dieselben Straßen benutzten müssen wie die Autos, wodurch sie gleichzeitig Opfer und Mitverursacher der Staus waren (Nissen 2002, S.85ff.).

Die Ursachen des Verkehrsproblems liegen jedoch auch in einer mangelhaften Verkehrsplanung und Verwaltung. Eine zielgerichtete und umfassende Verkehrsplanung war im London der 80er und 90er praktisch nicht existent: „Der ökonomische Strukturwandel wurde nicht durch eine angemessene Verkehrsplanung begleitet. Vielmehr breiteten sich die einzelnen Verkehrsmedien im Endeffekt unabhängig von einander und im wesentlichen unkontrolliert über die Stadt aus.“ (Nissen 2002, S. 84) Dies führte im Endergebnis dazu, dass sich die verschiedenen Verkehrmittel wie Autos, Busse, U-Bahnen usw. nicht ergänzten, sondern ohne Beziehung zueinander am Rande ihrer Leistungsfähigkeit agierten.

Bedingt durch das Fehlen einer zentralen Londoner Stadtverwaltung von 1986 bis 2000 herrschte zudem große Unübersichtlichkeit bezüglich der Kompetenzen. Je nach Aufgabenbereich konnte das britische Verkehrsministerium, die Verkehrsgesellschaft London Transport oder eine ihrer zahlreichen Tochterunternehmen, die Londoner Bezirke oder gemeinsame Gremien, der Traffic Director for London, die Londoner Polizei oder andere Kommissionen und Privatunternehmen zuständig sein. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es bis 2000 in London keine einheitliche stadtübergreifende Planungsinstanz gab, sondern eine Vielzahl von Institutionen, die neben- oder sogar gegeneinander agierten „und die bei Beobachtern zu dem Urteil führen: ‘It’s a terrible mess’.“ (Nissen 2002, S. 93). Unter diesen Umständen war es unmöglich, die verkehrspolitische Situation in London zu steuern, und den täglichen Verkehrskollaps in der Londoner City effektiv zu bekämpfen.

[...]


[1] In einigen norwegischen Städten wurden schon in den Achtzigern Straßengebühren eingeführt, die allerdings hauptsächlich dazu gedacht sind, zusätzliche Investitionsmittel für aufwendige Straßenbauprojekte zu erwirtschaften (Ertel 2005, S. 85).

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Theorie und Praxis von Straßenbenutzungsgebühren am Beispiel der Londoner Congestion Charge
Hochschule
Universität Mannheim  (Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie)
Veranstaltung
Stadtökonomie
Note
1.0
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V120996
ISBN (eBook)
9783640254347
ISBN (Buch)
9783640254552
Dateigröße
711 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Straßenbenutzungsgebühren, London, Congestion Charge, Verkehrspolitik, Stadtökonomie, Road Pricing, Verkehrsmanagement
Arbeit zitieren
Stephan Ester (Autor:in), 2005, Theorie und Praxis von Straßenbenutzungsgebühren am Beispiel der Londoner Congestion Charge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120996

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